Der Zusammenhang von physischer Attraktivität und Einkommen. Eine Sekundäranalyse anhand der Daten des ALLBUS 2012


Bachelorarbeit, 2017

76 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Forschungsstand
2.1 Attraktivitätsmessung
2.2 Attraktivitätsmerkmale
2.2.1 Alter
2.2.2 Gewicht
2.2.3 Größe
2.3 Interpersonelle Konsequenzen von physischer Attraktivität
2.3.1 Wettbewerbs- und Einkommensvorteile
2.3.2 Geschlechtsspezifische Konsequenzen
2.4 Zusammenfassung

3 Theoretischer Hintergrund
3.1 Geschlechtsspezifische Stereotypisierung
3.1.1 Theorie der sozialen Rolle
3.2 Hypothesen

4 Datenbasis, Operationalisierung und Methodik
4.1 Datenbasis
4.2 Operationalisierung
4.2.1 Deskriptive Betrachtung der Variablen
4.3 Methodik

5 Empirische Überprüfung der Hypothesen
5.1 Hypothese 1
5.2 Hypothese 2
5.2.1 Hypothese 2.1
5.3 Hypothese 3
5.3.1 Hypothese 3.1
5.4 Hypothese 4
5.4.1 Hypothese 4.1
5.5 Hypothese 5
5.6 Hypothese 6
5.7 Hypothese 7

6 Diskussion der Ergebnisse und Ausblick

7 Literaturverzeichnis

8 Anhang

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Korrelation Attraktivität mit verschiedenen Persönlichkeitseigenschaften

Tab. 2: Regression der Differenz Selbsteinschätzung-Fremdeindruck der Attraktivität und Geschlecht „Frau“

Tab. 3: Regression der Differenz Selbsteinschätzung-Fremdeindruck der Attraktivität und Geschlecht „Frau“ und den Kontrollvariablen Ost und Interviewer_Frau&West

Tab. 4: Regression des Attraktivitätseindrucks und Alter

Tab. 5: Regression des Attraktivitätseindrucks und Alter und den Kontrollvariablen Frau, Alter&Frau, Ost und Interviewer_Frau

Tab. 6: Regression des Attraktivitätseindrucks und BMI, Frau und BMI&Frau

Tab. 7: Regression des Attraktivitätseindrucks und BMI, Frau, BMI&Frau und der Kontrollvariable BMI&Ost

Tab. 8: Regression des Nettoeinkommens und BMI, Frau und BMI&Frau

Tab. 9: Regression des Attraktivitätseindrucks und Körpergröße

Tab. 10: Regression des Attraktivitätseindrucks und Körpergröße und den Kontrollvariablen Frau und Ost

Tab. 11: Regression des Nettoeinkommens und Körpergröße

Tab. 12: Deskriptive Mittelwertvergleich des Attraktivitätseindrucks und der Bildung unter Kontrolle von dem Geschlecht und dem Erhebungsgebiet

Tab. 13: Deskriptive Mittelwertvergleich des Attraktivitätseindrucks und der Anzahl der Mitarbeiter unter Kontrolle von Region und Geschlecht

Tab. 14: Regression des Nettoeinkommens und Attraktivität&Mann, Attraktivität&Frau und Frau

Tab. 15: Regression des Nettoeinkommens und Attraktivität&Mann und Frau mit den Kontrollvariablen Alter und Bildung-Dummy

Tab. 16: Berücksichtigte Variablen

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Basiseinkommen der Frauen und Einkommensdifferenz in Abhängigkeit von Geschlecht und Attraktivität

Abb. 2: Durchschnittlicher Bruttojahresverdienst von vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern (mit Sonderzahlungen) nach Wirtschaftsbereichen und Geschlecht im Jahr 2015

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

„Attraktive Menschen stechen hervor. Andere Menschen bemerken sie, fühlen sich von ihnen angezogen, begegnen ihnen freundlich und zugewandt.“ (Hakim 2011:19)

Die Vermutung, dass Menschen, die attraktiv oder überdurchschnittlich schön sind, es im Leben leichter haben, ist etwas, was wohl einem jeden schon einmal in den Sinn gekommen ist. Sei es durch die Werbung, die uns suggeriert, dass attraktive Menschen offensichtlich glücklicher und erfolgreicher sind oder Mitmenschen uns einfach durch ihre Schönheit einschüchtern (vgl. Rosar, Klein & Hagennah 2014:184): Oft scheint den Attraktiveren unter uns erheblich mehr zuzufallen, egal ob im Privatleben oder im Beruf. „Indem Menschen im Alltag stark mit Schönheitsstandards konfrontiert sind, erfährt Schönheit den Status einer permanenten Evaluierung und damit vermeintliche Objektivität. Das Schönheitsranking weist scheinbar objektive Ränge zu: Dieses Aussehen nützt, jenes schadet. Mit diesem Aussehen bist du präsent, mit jenem nicht. Dieses Aussehen bringt’s, jenes nicht.“, fasst Posch (2004:175) das meist unbewusste Denken und die Kategorisierung vom menschlichen Äußeren zusammen. Dies führt ihrer Meinung nach dazu, dass Attraktivsein immer mehr und in jeder Lebenslage als wichtig und unabdinglich angesehen wird (vgl. Posch 2004:209).

Auch belegen Studien, dass schöne Menschen uns regelrecht verzaubern: Alleine das Betrachten schöner Objekte kann belohnend wirken. Es werden Stoffe im Gehirn ausgeschüttet, die mit dem Belohnungssystem zusammenhängen (vgl. O’Doherty et al. 2003; vgl. Kawabata & Zeki 2003; vgl. Aron et al. 2005; vgl. Bartels & Zeki 2003; vgl. Aharon et al. 2001). Schöne Menschen können demnach regelrecht süchtig machen.

Verschiedenen Untersuchungen zufolge verdienen Menschen, die überdurchschnittlich attraktiv sind zudem bis zu 15% mehr in ihrem Beruf, als Personen die unterdurchschnittlich attraktiv eingestuft werden (siehe u.a. Dion, Bescheid & Walster 1972; Braun et al. 2001; Langlois et al. 2000; Harper 2000; Hameresh & Biddle 1994; Mobius & Rosenblat 2005; Frieze, Olson & Russel 1991; Andreoni & Petrie 2005; Solnick & Schweitzer 1999). Eine solche Form des Vorteils der Attraktiven und die scheinbare Diskriminierung der Unattraktiven scheint ähnliche Ausmaße wie eine Rassen- oder Geschlechterdiskriminierung aufzuweisen. Dieser offensichtliche Effekt, auch der „ Attraktivitätsbonus“, „Beauty Premium“ oder „Beauty Bounty“ (u.a. vgl. Hameresh & Biddle 1994 vgl. Mobius & Rosenblat 2005; vgl. Andreoni & Petrie 2005; vgl. Heilman & Saruwatari 1979) genannt, wird schon seit Jahrzehnten in vielen, vor allem sozialpsychologischen Studien, untersucht und wurde größtenteils auch bestätigt.

Es scheint demnach so, als bekämen attraktive Menschen trotz gleicher Voraussetzungen, was Bildung, Alter und Geschlecht anbelangt, ein höheres Einkommen als unattraktive Menschen. Doch wirkt physische Attraktivität wirklich – bewusst oder unbewusst – über Qualifikationen hinweg?

Offensichtliche Schönheit begleitet uns im Alltag, schafft Neider und Vorurteile. Eigentlich haben wir durch Sozialisation gelernt, dass „Schönheit […] im Auge des Betrachters [liegt]“ (Höfel 2004:1), was uns trotzdem oft nicht davon abhält, über unsere Mitmenschen zu urteilen und sie unterbewusst auf einer Art Attraktivitätsskala einzustufen. All dies weist auf eine Ungerechtigkeit hin, die selten zugegeben wird und schwierig messbar zu sein scheint. Trotzdem soll in dieser Arbeit die Forschungsfrage, inwieweit Attraktivität das Einkommen beeinflusst, mithilfe einer Sekundärdatenanalyse weiter erforscht werden.

Der größte Teil der Literatur stammt aus dem englischen Bereich der Sozialpsychologie und ist vor allem für den Forschungsstand und die verwendete Theorie, wie auch die daraus gebildeten Hypothesen relevant.

Im zweiten Kapitel dieser Arbeit wird zunächst der derzeitige Forschungsstand in unterschiedlichen Unterkapiteln dargelegt. Zu Beginn soll erläutert werden, wie Attraktivität gemessen werden kann. Anschließend werden die Attraktivitätsmerkmale in Bezug auf den bisher erforschten Zusammenhang mit dem Einkommen genannt. Darauf folgt eine Darstellung der Studienergebnisse zu den interpersonellen Konsequenzen der Attraktivität, in der noch einmal genauer auf Wettbewerbs-, und Einkommensvorteile sowie geschlechtsspezifische Konsequenzen eingegangen wird. Der Forschungsstand wird sich anschließend auf eine Theorie zurückführen lassen, mit welcher im dritten Kapitel versucht wird, die dargelegten Forschungen sowie im weiteren Verlauf die eigene empirische Forschung zu erklären. Dazu werden konkrete Hypothesen abgeleitet.

Um den Grundstein für die empirische Untersuchung zu legen, wird dem folgend im vierten Teil der Arbeit die verwendete Datenbasis, die Operationalisierung und die Methodik erläutert. Im fünften Teil, der empirischen Analyse, werden bivariate und schrittweise, multiple Regressionen sowie Mittelwertvergleiche durchgeführt, um die Forschungsfrage und die ihr zugrundeliegenden Hypothesen zu prüfen. Den Abschluss stellen eine Diskussion der Ergebnisse und ein Ausblick dar.

Der Datensatz, die Syntax sowie die Dokumentation der empirischen Ergebnisse sind, um Papier und Seitenzahlen einzusparen, nur im elektronischen Anhang zu finden.

Um einen unterbrechungsfreien Lesefluss zu gewährleisten, wird in dieser Arbeit auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung verzichtet und zudem werden alle Zahlen numerisch dargestellt.

2 Forschungsstand

Das Attraktivitätsphänomen beschäftigt vor allem Sozialpsychologen schon seit Jahrzehnten. Empirische Forschungen zu den Werten und Persönlichkeitsmerkmalen, die mit physischer Attraktivität assoziiert werden, gibt es in größerem Umfang aber erst seit den 1970er Jahren (Mennighaus 2003:235). Was jedoch in den Augen der Beurteiler überhaupt als „schön“ bzw. „gutaussehend“ definiert wird, bleibt „in der Mehrzahl der Untersuchungen bewußt unbestimmt“ (Menninghaus 2003:235). Eine genaue Definition, was als allgemein attraktiv gelten kann, ist schwer zu treffen, dennoch weisen viele Forschungen Übereinstimmungen auf, wie und anhand welcher Merkmale Attraktivität gemessen werden kann. Auf diese soll im Folgenden genauer eingegangen werden.

2.1 Attraktivitätsmessung

In einem Interview sagte der US-Wirtschaftsforscher Daniel Hameresh, der selbst umfassend die Wirkungsweise der Attraktivität erforscht hat: „Schönheit ist in gewisser Hinsicht wie Pornografie: Man kann sie nicht beschreiben, aber man erkennt sie, wenn man sie sieht. Und obwohl Schönheit natürlich im Auge des Betrachters liegt, neigen die Menschen dazu, das Aussehen anderer sehr ähnlich zu bewerten. Wenn sie jemanden für sehr attraktiv oder wirklich hässlich halten, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass die meisten anderen Menschen das ähnlichsehen“ (Spiegelonline 2011). Zurückzuführen ist diese Form der Übereinstimmung auf die so genannte „truth by consensus“1 Annahme, welche es möglich macht, ein ästhetisches Urteil innerhalb weniger Sekunden abzulegen und dafür verantwortlich ist, dass die physische Attraktivität eines Menschen in verschiedenen Handlungskontexten überhaupt wirksam werden kann (vgl. Menninghaus 2003:235; Rosar, Klein, Hagennah 2014:188 ff., Hassebrauck & Niketta 1993:29). Dieses Urteil erfolgt zahlreichen Psychologen zufolge sogar kulturübergreifend einstimmig und altersunabhängig (vgl. Langlois et al. 2000:399; vgl. Wilson & Eckel 2006:193, Hakim 2011:38; vgl. Hameresh & Biddle 1994:1175).

Hunger (2010:81) stellt jedoch die methodische Genauigkeit der Attraktivitätsmessung in Frage: „eine Reflexion über den Begriff ‚Attraktivität‘ findet bei vielen Untersuchungen gar nicht statt, der Begriff wird als selbstverständlich genommen“, weswegen eine grundsätzliche Skepsis gegenüber den Ergebnissen der psychologischen Attraktivitätsforschung angebracht sein sollte.

Innerhalb der Psychologie wurde der erste bekannte Versuch zur Messung und Definition dieses abstrakten Konzepts von Perrin im Jahre 1921 unternommen. Perrin forderte seine Versuchspersonen auf, an physisch attraktive und unattraktive Freunde zu denken und dann die Merkmale aufzuschreiben, die deren Attraktivität bzw. Unattraktivität ausmachen. Diese lieferten jedoch, wie Hassebrauck (in Hassebrauck & Niketta 1993:29) urteilt, wenig Hinweise auf das Wesen der Attraktivität, denn die Urteiler stützten sich vor allem auf die Aspekte der Körperpflege und Kleidung, weniger auf invariante Merkmale an sich.

Heutzutage wird Attraktivität meist mithilfe einer Gruppe so genannter Rater2 bewertet, welche über eine Photographie, meistens ein Portrait, urteilen. Die Beurteilung erfolgt in der Regel unter Nutzung einer fünf-, sieben-, neun- oder elfstufigen Beurteilungsskala. Aus den Einzelurteilen wird dann mithilfe einer Mittelwertbildung ein sogenannter Attraktivitätsscore verrechnet, der die gemittelte Attraktivität der Person wiedergibt (vgl. Langlios et al. 2000:399; Rosar, Klein & Hagennah 2014:191; Hassebrauck & Niketta 1993:31, Kemper et al. 2012:8; Andreoni & Petrie 2005:9, Braun et al. 2001:30 ff.). Für eine valide Beurteilung reichen, so Henss (1992:308), bereits zwei Duzend Rater, um bedeutsame und signifikante Attraktivitätseffekte nachweisen zu können. Jedoch kann eine kaum zu vermeidende Mehrfachbeurteilung der Rater zu einer Verfälschung der Messergebnisse führen, da der Rater in diesem Fall meist unweigerlich alle zu beurteilenden Personen miteinander vergleicht und sich somit nicht nur auf die einzelne Person bezieht. Zudem sollte jegliche Bekanntheit der Person vom Rater und nähere Informationen wie Alter oder Geschlecht vermieden werden, damit der Rater wirklich nur die Attraktivität und nicht die charakterlichen Eigenschaften oder Qualifikationen einer Person bewertet (vgl. Rosar, Klein & Hagennah 2014:192; Kemper et al. 2012:8).

Neben dieser in den meisten sozialpsychologischen Studien verwendeten Methode, besteht auch, wie Rosar, Klein und Hagenah (2014:193) darlegen, die Möglichkeit, die Variable der Attraktivität bei einem Face-to-Face Interview mit zu erheben. Dafür werden die Interviewer meist vor der eigentlichen Befragung mit als Rater für die Attraktivitätseinschätzung der Befragten eingesetzt. Dies ist beispielsweise im Canadian Quality of Life Study, dem US-amerikanischen Add Health Project, dem US-amerikanischen Quality of Employment Survey, dem Quality of American Life Survey und dem deutschen ALLBUS 2008, ALLBUS 2010 und ALLBUS 2012 erfolgt. Diese Attraktivitätsbeurteilungen eignen sich nach den Wissenschaftlern besonders gut dazu, die Attraktivität im Zusammenhang mit anderen messbaren Größen wie dem Einkommen, der Bildung oder der beruflichen Stellung zu untersuchen. Bezogen auf diese allgemeinen soziologischen Umfragen kann so mit einfachen Items, wie der Attraktivitätseinschätzung durch den Interviewenden am Anfang sowie der Erfragung des Alters, der Größe, des Gewichtes und einer Selbsteinschätzung der Attraktivität durch den Befragten, jene relativ sicher bestimmt werden (vgl. Rosar, Klein & Hagenah 2014:194).

Letzteres könnte aber bei einem über-, oder unterschätzten Selbstbildes zu einer Verzerrung führen (Rosar, Klein & Hagenah 2014:194). Hunger (2010:63) sieht den Grund dafür darin, dass man sich selbst zu vertraut ist, was eine objektive Beurteilung unmöglich macht.

2.2 Attraktivitätsmerkmale

Zwar gibt Hunger (2010:81 ff.) an, dass sich Attraktivität nicht nur aus einem Körperteil oder Merkmal bestimmen lässt, jedoch befassen sich die meisten psychologischen Studien zu Attraktivitätsmerkmalen damit, nur die Merkmale attraktiver Gesichter zu untersuchen, denn kein Teil des Körpers scheint so im Mittelpunkt zu stehen wie das Gesicht. In einem Großteil der Studien wurde festgestellt, dass Gesichter, die durch Morphing3 entstanden sind, als besonders attraktiv bewertet wurden. Dies führte zu einer so genannten „Durchschnittshypothese“ und der verkürzten Formel: „Je durchschnittlicher ein Gesicht desto attraktiver“ (Posch 2009:85; vgl. Langlois & Roggmann 1990:118; vgl. Rubenstein, Kalakanis & Langlios 1999:853; vgl. Wilson & Eckel 2006:200; vgl. Rhodes et al. 1998:666).

Der Effekt wirkt für beide Geschlechter, scheint aber für Männer höher zu sein als für Frauen (vgl. Rhodes et al. 1998:663 ff). Jedoch macht, wie Braun et al. (2001:38) herausfanden, „hohe Symmetrie nicht schön (…), aber zumindest bei einzelnen Gesichtern [machen] starke Abweichungen von der Symmetrie unattraktiv.“

Auch bestätigt sich in vielen Studien, dass Kriterien, die typische Merkmale für Kindergesichter sind, wie etwa eine hohe Stirn, große Augen, zierlicher Kiefer, eine kleine Nase und elastische, weiche Haut für Frauen als sehr attraktiv gelten (vgl. Posch 2009:85; Braun et al. 2001:43 ff.). Braun et al. (2001:40 ff.) stellten sogar fest, dass 90,48% aller Befragten ihren Favoriten aus dem Kindchenschema angepassten Gesichtsvarianten auswählten. Somit kann die Attraktivität einer ohnehin schon attraktiven Frau durch Kindchenschemaattribute noch gesteigert werden, denn Gesichtszüge eines Kindes lösen oft Pflegeinstinkte, den so genannten „Bambi Effekt“ (Schuster in Hassebrauck & Niketta 1993:19 zitiert nach Cook & McHenry 1978), aus. Zudem finden Menschen meist „solche Gesichter schön, die eine irgendwie ‚positive‘ sozial freundliche Stimmung nahelegen und Gesichter hässlich, die eine abweisende Stimmung suggerieren“ (Schuster in Hassebrauck & Niketta 1993:3), welches auch für die Gesichtszüge eines Kindes spricht.

Zusätzlich zeigten die Ergebnisse von Braun et al. (2001:43), dass attraktive Frauen als Merkmale eine braunere Haut, ein schmaleres Gesicht und vollere Lippen besitzen. Die als attraktiv bewerteten Frauen zeichneten sich zudem durch weiteren Augenabstand, dünnere Augenlider, längere und dunklere Wimpern, dunklere und schmalere Augenbrauen, höhere Wangenknochen und eine schmalere Nase aus. Unattraktive Frauen wiesen hingegen entsprechend entgegengesetzte Merkmale auf, hatten außerdem stärkere Augenringe und neigten zum Fettansatz. Für attraktive Männer galt zum großen Teil das gleiche wie für attraktive Frauen, jedoch unterschieden sie sich durch einen markanteren Unterkiefer von den unattraktiven Männern. Diese dagegen hatten Geheimratsecken, stärkere Falten zwischen Nase und Mundwinkel und neigten auch zum Fettansatz. Einen starken, positiven Einfluss auf die Attraktivität hatte eine glatte, makellose Haut – nicht nur bei Frauen, ebenso bei Männern (Braun et al. 2001:43 ff.; Schuster in Hassebrauck & Niketta 1993:19).

In Anlehnung an solche Merkmale stellt Hunger (2010:265) eine Definition von Schönheit und Hässlichkeit auf: „Schönheit ist eine positive ästhetische Eigenschaft, die in einer besonderen Strukturiertheit des zugrundeliegenden Objekts besteht, die eine einheitliche Geschlossenheit vielfältiger Elemente in gegenseitiger Stimmigkeit bedeutet (…); die Stimmigkeit der Elemente untereinander bewirkt ein Gefühl von ‚Richtigkeit‘“ (Hunger 2010:275). Hässlichkeit hingegen wird als eine negative ästhetische Eigenschaft definiert, „die in der deutlich erlebten Nichterfüllung einer erwarteten und in ihr implizierten Schönheit besteht“ (Hunger 2010:275).

Jene Forschungsergebnisse lassen zudem vermuten, dass Attraktivität auf Merkmale zurückzuführen ist, die einen hohen Reproduktionswert und Gesundheit signalisieren, woraus auch bewusstwird, dass noch andere körperliche Merkmale wie Alter, Gewicht und Größe einer Person als Attraktivitätsmerkmale zählen können, auf welche nun im Detail eingegangen werden soll.

2.2.1 Alter

Die Soziologin Catherine Hakim, die Attraktivität als eine Art von „erotischem Kapital“ charakterisiert, behauptet, dass die Attraktivität eines Menschen mit zunehmenden Alter abnimmt, jedoch eine Person, die in ihrer Jugend attraktiv war, es meist auch im Alter noch ist (Hakim 2011:137; vgl. Morrow 1990:51).

Henss (1987:188 ff.) belegte den negativen Alterseffekt empirisch. In seiner Untersuchung mit studentischen Beurteilern fand er eine Interaktion zwischen Geschlecht und Alter der Stimulusperson. Bei jungen Stimuluspersonen (um die 20 Jahre) wurden die Frauen attraktiver eingeschätzt als die Männer. Bei den älteren Stimuluspersonen (über 60 Jahre) kehrten sich diese Relationen um und die Männer erhielten die höheren Attraktivitätswerte. Die fehlende Jugendlichkeit wirkte sich somit bei Frauen negativ auf die Attraktivitätsbeurteilung durch andere aus.

Marrow (1990:51) weist auf Studien von Deutsch, Zalenski und Clark (1986) hin, die belegen, dass das Abnehmen der Attraktivität im Alter Frauen stärker beeinflusst als Männer, welches auch der Grund dafür sein könnte, dass Frauen im Alter noch weniger Chancen auf einen Job haben als Männer (vgl. Morrow 1990:51). Verantwortlich dafür sei, dass bei Frauen Alterssignale wie Falten eher negativ beurteilt werden. Bei Männern werden jene hingegen sogar oft eher mit Lebenserfahrung assoziiert (vgl. Hunger 2010:94; Sieverding in Hassebrauck & Niketta 1993:250). Erklärt werden können diese negativen Einstellungen gegenüber älteren Bewerbern nach Morrow (vgl. 1990:51) dadurch, dass oft geglaubt werde, ältere Bewerber seien den Arbeitsanforderungen nicht gewachsen, sowie dass sie als unkreativer und weniger lehrbar gelten und obendrein noch weniger mit Stress umgehen können – schlichtweg weniger Potential haben als jüngere.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab 40 oder spätestens 45 gelten heutzutage als schwer vermittelbar, obwohl sie mit diesem Alter durchschnittlich erst gut die Hälfte ihres Arbeitslebens hinter sich haben und in der heutigen Gesellschaft meist ein mehrmaliger Wechsel des Arbeitsplatzes oder Inhaltes gefordert wird um nicht uninteressant zu bleiben (Posch 2009:117). Die EU verordnete sogar, wie Posch (2009:17) erwähnt, dass in Stellenausschreibungen keine Altersbegrenzungen mehr angegeben werden dürfen. In der Realität stellen jedoch viele Firmen nur Personen bis 40 Jahre ein, auch wenn der Personalchef selbst schon über 50 ist, denn „wir finden heute den 51-jährigen Personalchef der einen 49-jährigen nicht mehr einstellt, weil er glaubt, sein jugendliches Selbstgefühl sei die Ausnahme“ (Posch 1990:117).

2.2.2 Gewicht

Auch das Gewicht spielt als ein Merkmal der Attraktivität eine nicht unerhebliche Rolle. Übergewichtige Menschen gelten in den meisten Kulturen als unattraktiv (Hakim 2011:157), schlanke Menschen hingegen als leistungsbereit, belastbar und erfolgreich, da sie es schaffen ihren Körper genauso zu managen wie ihr Leben (vgl. Posch 1990:65 ff.). Die Soziologin Waltraud Posch (2009:67) fasst bezogen auf unsere heutige Gesellschaft passend zusammen: „Heute ist ein dicker Bauch sichtbarer Ausdruck falschen Konsumverhaltens, falscher Lebensweise, falscher Entscheidungen, mangelnder Kontrollfähigkeit und damit mangelnder Managementfähigkeit. Schlankheit steht demnach nur allzu schnell für Wendigkeit, Fleiß und Flexibilität.“

Rothblum et al. (1990) stellten in ihrer Studie fest, dass stark übergewichtige Personen zwar öfter diskriminiert wurden, aber dennoch kein signifikant niedrigeres Einkommen oder Ansehen als durchschnittliche oder „nur“ übergewichtige Personen hatten (vgl. Rothblum et al. 1990:261). Zudem beeinflussten die negativen Konsequenzen des Übergewichtes die weiblichen Teilnehmer stärker als die männlichen. Die Einteilung der 453 Männer und Frauen in die drei Gewichtsgruppen folgte entlang des Idealgewichtes der World Health Organization (WHO). Als Durchschnittsgewicht wurde ein Gewicht von höchstens 19% über dem Idealgewicht gesehen, als übergewichtig wurden Personen von 20-49% über dem Idealgewicht gewertet und als stark übergewichtig galten Personen, deren Körpergewicht 50% oder mehr über dem Idealgewicht lag. Aufgrund der relativ kleinen Stichprobe und dadurch, dass die Probanden ihr Gewicht und Einkommen selbst angeben sollten, konnten die Ergebnisse jedoch nicht als repräsentativ für die U.S. Gesellschaft gelten (vgl. Rothblum et al. 1990:263).

Die Ökonomen Caliendo und Gehrsitz (vgl. 2014:1 ff.) haben, um den Zusammenhang von Körpergewicht und Erfolgen im Beruf zu erfassen, Daten von 18000 Personen aus dem Sozioökonomischen Panel (SOEP) ausgewertet. Durch die Daten konnten sie den Body-Maß-Index (BMI) der Personen bestimmen, der aus Körpergröße und Körpergewicht errechnet wird.4 Den BMI verglichen die Forscher mit dem Einkommen und dem ausgeübten Job (vgl. Caliendo & Gehrsitz 2014:4 ff.), wobei sich herausstellte, dass Frauen mit einem BMI von 21,5 am meisten verdienten (vgl. Caliendo & Gehrsitz 2014:9). Dies ist nach BMI Klassifikation ein recht niedriger Wert, welcher in der Regel für einen schlanken Körperbau spricht. Stieg der BMI an, sank im Gegenzug in den Ergebnissen das Gehalt. Übergewichtige Frauen bekamen den Forschern zufolge im Schnitt 12% weniger Gehalt, als ihre normalgewichtigen Kolleginnen (vgl. Caliendo & Gehrsitz 2014:9 ff.). Jedoch ließ sich dieser Verdienst nur in Dienstleistungsberufen und nicht in der Produktion nachweisen, wo der Kontakt mit anderen Menschen eine geringere Rolle spielt. Zudem haben es übergewichtige Frauen nach den Ergebnissen schwerer, einen Job zu finden und waren häufiger und länger arbeitslos, was auch für einen sogenannten „Schlankheitspremium“ spricht (vgl. Caliendo & Gehrsitz 2014:10;16). Für die Männer galt hier das Gegenteil. Bei einem BMI ab 23 verdienten sie deutlich mehr. Männer mit Untergewicht hatten sogar mit Lohneinbußen von bis zu 8% zu kämpfen, wobei sich der Effekt auf Arbeiter beschränkte (vgl. Caliendo & Gehrsitz 2014:9 ff.). Ein Grund dafür könnte den Wissenschaftlern zufolge darin liegen, dass Männern, die schlank oder mager aussehen, eine geringere Arbeitsleistung unterstellt wird, die für körperliche Arbeit jedoch wichtig ist. Offenbar gibt es einen Schlankheits-Bonus bei Frauen, der auf physischer Attraktivität beruht, und einen Schlankheits-Malus bei Männern, der auf Körperkraft beruht (vgl. Caliendo & Gehrsitz 2014:9 ff.).

Zwei weitere Studien zu dieser Thematik haben Judge und Cable 2010 veröffentlicht. Auch sie arbeiteten bei der ersten Studie mit Daten des SOEP und stellten einen auffälligen Zusammenhang zwischen Gewicht und Gehalt fest, der sich zwischen den Geschlechtern unterschied. Frauen verdienten umso mehr, je weniger sie wogen und Männer bekamen umso mehr Geld, je mehr sie wogen. Dies stieg allerdings nur bis zu einem Höchstgewicht an, welches 10 bis 15 kg über dem Durchschnittsgewicht der Männer lag (vgl. Judge & Cable 2010:6 ff.). In der zweiten Studie arbeiteten die Forscher mit Verlaufsdaten der 10000 Teilnehmer der National Longitudinal Surveys of Youth, um zu sehen, ob auch die Gewichtsänderung einer einzelnen Person mit Einkommensänderungen zusammenhängen (vgl. Judge & Cable 2010:9 ff.). Auch hier führte eine Gewichtszunahme von Frauen über längere Sicht zu Lohneinbußen, wohingegen überdurchschnittlich wiegende Männer mehr Gehalt erhielten.

Zu anderen Ergebnissen kamen Frieze, Olson und Russel (1991), welche den Zusammenhang von Attraktivität und Einkommen für Männer und Frauen in Managementberufen untersuchten. Zwar stellten auch sie in ihrer Langzeitstudie von 1973 bis 1982 mit 737 männlichen und weiblichen Studienabgängern fest, dass Übergewicht als Zeichen von Unattraktivität verstanden werden kann (Frieze, Olson & Russel 1991:1042), im Gegensatz zu Rothblum et al. (1990), Caliendo und Gehrsitz (2014) und Judge und Cable (2010) hatten sie jedoch in einer vorherigen Studie festgestellt, dass ein erhöhtes Gewicht nur einen signifikant negativen Effekt auf das Einkommen der Männer hatte (vgl. Frieze, Olson & Russel 1991:1042). Wenn ein Mann 20% oder mehr übergewichtig war, hatte er ein über $2000 niedrigeres Jahresgehalt als eine Frau (vgl. Frieze, Olson & Russel 1991:1050).

Auch Untersuchungen der World Health Organization (2007:12 ff.) und der Nationalen Verzehrstudie II (2008) stellten eine erhöhte Prävalenz von Übergewicht und Adipositas in bestimmten nach Einkommen oder Bildungsniveau5 klassifizierten Bevölkerungsgruppen fest. So war Übergewicht in Deutschland vorwiegend in den sozial benachteiligten Bevölkerungsschichten mit niedrigem Einkommens- und Bildungsniveau und schlechter Gesundheitsversorgung zu finden. Je höher hingegen der Schulabschluss, desto geringer war hier der BMI bei Männern und Frauen und je weiter der BMI nach unten sank, desto höher stieg das Pro-Kopf-Einkommen der Personen (Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz 2008:12). Bereits das Aufwachsen in einer Familie mit niedrigem sozioökonomischem Status scheint einen starken Einfluss auf die Entwicklung von Adipositas im Erwachsenenalter zu haben. Zudem hing insbesondere das niedrige Bildungsniveau der Mutter und ein starker Fernsehkonsum der Kinder mit der Fettleibigkeit der Heranwachsenden zusammen (World Health Organization 2007:13), welches dazu führen kann, dass das Vorurteil „‚dick=arm‘ und ‚dick=dumm‘ und damit eine Stigmatisierung dicker Menschen“ (Posch 2009:70) verschärft wird. Der Deutsche Mikrozensus 2005 bestätigte laut Posch (2009:70) jedoch beispielsweise nicht, dass Angehörige sozioökonomisch privilegierter Schichten am stärksten übergewichtig waren. Es seien Angehörige der unteren und mittleren Mittelschicht, nicht der Unterschicht, am häufigsten übergewichtig.

2.2.3 Größe

Der Aspekt der Körpergröße als Attraktivitätsmerkmal und möglichen Einkommensbonus ist Studien zufolge vor allem von Bedeutung für die Männer (Hakim 2011:250).

Die bereits im vorherigen Unterkapitel erwähnte Studie von Frieze, Olson und Russel aus dem Jahre 1990 belegte, dass große Männer einen Einkommensbonus erhalten, Frauen im Gegensatz jedoch nicht (Frieze, Olson & Russel 1990:1042).

Eine Untersuchung von Spanhel (2010) mithilfe des Mikrozensus 2005 spezialisierte sich auf den Zusammenhang von Körpergröße und beruflichem Erfolg erwachsener Menschen und verdeutlichte erstmals die Entwicklung der Lohndiskrepanz zwischen Arbeitnehmern unterschiedlicher Körpergröße im Laufe der Erwerbstätigkeit. Anschließend wurde der Fokus auf den Zusammenhang von Körpergröße und Berufswahl gerichtet (Sphanel 2010:170). Bezogen auf das Alter und die Arbeitszeit konnte für Männer eine Erhöhung des stündlichen Nettolohns von 0,74% je Zentimeter Körpergröße mehr und für Frauen 0,67% je Zentimeter Körpergröße festgestellt werden. Jedoch verringerten Kontrollvariablen wie Bildung und ausgeübter Beruf den Effekt der Körpergröße um etwa 40% bei beiden Geschlechtern. Trotzdem blieb der Einfluss der Körpergröße auf die Lohnhöhe weiterhin ökonomisch bedeutend in der Studie (Sphanel 2010:172 ff.).

Auch Judge und Cable (2004) untersuchten dieses Phänomen anhand von Meta Analysen aus 45 unabhängigen Studien. In allen Untersuchungen hing die Körpergröße signifikant und positiv mit dem Einkommen zusammen (vgl. Judge & Cable 2004:437). Eine Person mit einer Körpergröße von 183 cm verdiente nach den Berechnungen $166.000 mehr in einer 30-jährigen Karriere, als eine Person, die nur 165 cm groß ist. In manchen Jobs haben große Personen, so die Autoren, bessere Chancen, da sie durch ihre Größe auffallen und überzeugend wirken (vgl. Judge & Cable 2004:438).

Grund dafür liegt nach Hakim (2011:251) darin, dass ein stattliches Körpermaß allgemein als positives Merkmal erachtet wird, welches sich von klein auf zeige. Die Soziologin weist dabei auf eine Studie von Cohen (2009) hin, in der großen Kindern mehr Verantwortung zugesprochen wurde und sie von ihren Altersgenossen als Anführer angesehen wurden, weshalb sie diese Rolle meist bis ins Erwachsenenalter tragen würden (Hakim 2011:251). „Als junge Erwachsene machen hoch gewachsene Menschen eine beträchtlich vorteilhaftere soziale und psychische Entwicklung durch [...] und verfügen über größere intellektuelle Fertigkeiten“ (Hakim 2011:252), was Hakim durch die erhöhte Verantwortung und Aufmerksamkeit, die ihnen zu teil werde, erklärt.

Nach Hakim (2011:251) erfahren nur extrem große Menschen Ablehnung, da sie zu sehr „herausragen“, sodass die Kommunikation mit ihnen als schwierig empfunden wird.

Die Studie von Hess zum Zusammenhang von Attraktivität und Körpergröße bei Männern, bei der Frauen eine Gruppe attraktiver und eine Gruppe unattraktiver Männer hinsichtlich ihrer Körpergröße beurteilen sollten (Hess in Hassebrauck & Niketta 1993:84), zeigte auch, dass die Körpergröße ein bedeutsamer Aspekt der männlichen Attraktivität ist. Als in einem darauffolgenden Experiment die Wichtigkeit der Größe für Frauen getestet wurde, verschwand der Kontexteffekt hingegen (Hess in Hassebrauck & Niketta 1993:87). Die Studien weisen somit wie auch die von Frieze, Olson und Russel (1990) im Gegensatz zu jener von Spanhel (2010) darauf hin, dass für Männer überdurchschnittliche Körpergröße geschätzt wird, jene für Frauen jedoch wahrscheinlich keine bedeutsame Komponente der weiblichen Attraktivität darstellt (Hess in Hassebrauck & Niketta 1993:87).

2.3 Interpersonelle Konsequenzen von physischer Attraktivität

Attraktivität mit den im Textverlauf genannten Faktoren Alter, Gewicht und Größe sind – wie bereits angedeutet – nicht nur sichtbar, sondern wirken sich auch auf die Persönlichkeit aus. Durch das Denken „What is beautiful is good“ 6 wonach auch eine bekannte Studie von Dion, Bescheid und Walster aus dem Jahre 1972 benannt ist, werden attraktiveren Menschen positivere soziale Eigenschaften zugesprochen als unattraktiven Personen (vgl. Dion, Bescheid & Walster 1972:288). Den Ratern dieser Untersuchung (Collegestudenten) wurden Schwarz-Weiß-Fotos aus College-Jahrbüchern vorgelegt. Bei der Beurteilung wurden attraktiveren Menschen ein glücklicheres und erfolgreicheres Leben zugeschrieben und sie wurden zudem ehrlicher, kompetenter und charmanter wahrgenommen (vgl. Dion, Bescheid & Walster 1972:289), weshalb ihnen mehr Aufmerksamkeit zuteilwurde. Weder Geschlecht der Versuchsperson, noch Geschlecht der Zielperson spielten eine Rolle in der Beurteilung.

Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Braun et al. (2001), die herausfanden, dass Menschen mit einem attraktiven Gesicht in ausgesprochen hohem Maße mit Merkmalen wie Erfolg, Zufriedenheit, Sympathie, Intelligenz, Zugänglichkeit, Geselligkeit, Ehrlichkeit, Fleiß und Kreativität in Verbindung gebracht wurden. Frauen wurden dabei höhere soziale Eigenschaften zugesprochen als Männern (siehe Tab. 1).

Tab. 1: Korrelation Attraktivität mit verschiedenen Persönlichkeitseigenschaften

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: Braun et al. 2001:44)

Die Autoren konnten, ähnlich wie Dion, Bescheid und Walster (1972:28), keine negative Beurteilung in Bezug auf die Variablen „Alter“ bzw. „Geschlecht der Urteiler“ nachweisen.

Langlois et al. (vgl. 2000:400 ff.) fanden zudem heraus, dass diese (positiven) Zuschreibungen bei attraktiven Personen meist schon im Kindheitsalter anfangen. Besonders soziale und akademische oder entwicklungsbezogene Eigenschaften wiesen hohe Effektstärken auf. Auch wurden die attraktiveren Kinder der Studien als anpassungsfähiger und interpersonell kompetenter eingeschätzt (vgl. Langlois et al. 2000:400). Und nicht nur das: Die Ergebnisse weisen zudem darauf hin, dass attraktive Kinder sich tatsächlich auch positiver verhielten und mehr positive Eigenschaften entwickelten als unattraktive Kinder. Außerdem waren sie tatsächlich beliebter, angepasster und intelligenter (vgl. Langlois et al. 2000:402). Parallel dazu erzielten auch die attraktiveren Erwachsenen mehr berufliche Erfolge, waren beliebter, hatten ein besseres Partnerschafts-, und Sexualleben und obendrein eine bessere physische und mentale Gesundheit. Zudem besaßen sie mehr Selbstbewusstsein, hatten bessere soziale Eigenschaften und waren etwas intelligenter (vgl. Langlois et al. 2000:402). All dies deutet darauf hin, dass attraktive Kinder und Erwachsene die Eigenschaften, die ihnen zugeschrieben werden, meist auch erfüllen (vgl. Hannover 2006:467).

„Beauty is more than just in the eye of the beholder; people do judge and treat others with whom they interact based on attractiveness; and, perhaps most surprisingly, beauty is more than just skin-deep “, fassen Langlois et al. (2000:404) die erstaunlichen Ergebnisse zusammen.

Laut Hakim (2011:154) beginnen diese positiven Zuschreibungen sogar bereits von der Geburt an: „Babys und Kleinkinder, die hübsch aussehen, werden von der Welt insgesamt – von Fremden auf der Straße ebenso wie von ihrer unmittelbaren Familie und Verwandten – mit besonderer Wärme behandelt. Sie werden herzlich aufgenommen, man veranstaltet viel Wirbel um sie, spricht mit ihnen, liebkost sie, lächelt sie an“ (Hakim 2011:134; vgl. Menninghaus 2003:236). Die positiven Reaktionen haben wiederum eine nachhaltige Auswirkung auf die Persönlichkeit und sozialen Kompetenzen attraktiver Babys und Kinder, was sogar die intellektuelle Entwicklung beschleunigen kann (Hakim 2011:135; vgl. Langlois et al. 2000:402). Psychologen beschreiben diese Ergebnisse als Beleg für den sogenannten „ Halo Effekt“ von Attraktivität. Das bedeutet, dass etwas, das in einem Zusammenhang als schön erachtet wird, auch in einem anderen Zusammenhang als schön bewertet wird. Diese Wahrnehmungsverzerrung wird auch als „sich selbst erfüllende Prophezeiung“ bezeichnet, denn oft, wie sich beispielsweise an der Studie von Langlois et al. (2000) gezeigt hat, erfüllen die Menschen die Erwartungen, die an sie gestellt werden (Hakim 2011:135; vgl. Langlois et al. 2000:402; Menninghaus 2003:236; Rosar, Klein & Hagennah 2014:188).

Laut Rosar, Klein und Hagennah (2014:188) ist zudem der „Attractiveness Attention Boost“ 7 dafür verantwortlich, dass schöne Menschen „nicht nur eher, schneller und häufiger wahrgenommen werden, sondern (…) auch intensiver betrachtet [werden] und das was sie sagen [...] besser memoriert [wird]“(Rosar, Klein & Hagennah 2014:188).

Diese Effekte machen auch vor der Bewertung von Dozenten und Schülern nicht halt. Nach Studien von Klein und Rosar (2006) wirkt sich physische Attraktivität des Lehrpersonals auf die studentische Evaluation von Lehrveranstaltungen aus, wie eine empirische Analyse der Wirtschafts-, und Sozialwissenschaftlichen Fakultät zu Köln erwies. Es zeigte sich, dass je attraktiver ein Dozent von den Studierenden beurteilt wurde, desto besser wurden tendenziell auch seine Lehrveranstaltungen bewertet (Klein & Rosar 2006:310 ff.).

Im Gegenzug dazu untersuchten Dunkake et al. (2012) den Einfluss der physischen Attraktivität von Schülern auf die Notenvergabe durch das Lehrpersonal am Beispiel dreier Klassen eines großstädtischen Gymnasiums. Sie stellten fest, dass die physische Attraktivität die Fachnoten der Schüler signifikant positiv beeinflussten (vgl. Dunkakae et al. 2012:142 ff).

Es scheint somit geradezu als würde „das enorme Wirkungsspektrum des besseren Aussehens quer durch alle Bereiche des sozialen Daseins […] es zu einer Art universellen Schlüssel, zu einem geliebteren, erfolgreichen, anerkannten und leichteren Dasein [machen]“ (Menninghaus 2003:238), wodurch zahlreiche Wettbewerbsvorteile deutlich werden.

2.3.1 Wettbewerbs- und Einkommensvorteile

Nicht immer lässt sich der Erfolg eines Menschen nur auf berufliche Qualifikationen oder Bildung zurückführen. Oft spielen auch, wie bereits erwähnt, Äußerlichkeiten eine große Rolle, die ein Individuum selbst kaum zu ändern vermag (vgl. Hakim 2011:130).

Harper (2000) zog Daten von über 11000 Individuen der National Child Development Studie heran, welche mehr als 17000 Personen gleichen Alters umfassen. Dafür verwendete er fünf Befragungswellen zwischen 1965 und 1991 (Harper 2000:771 ff.). Die physische Attraktivität operationalisierte er dadurch, dass er Attraktivitätsbewertungen der Lehrer der Befragten verwendete als diese 7 und 11 Jahre waren und zusätzlich die Körpergröße und den BMI als Attraktivitätsmaße prüfte und verwendete (Harper 2000:779). Es zeigte sich, dass als unattraktiv bewertete Männer 15% weniger und Frauen 11% weniger verdienten als attraktive, was für einen starken Einkommensvorteil aufgrund der Attraktivität spricht. Die Ergebnisse zeigten zudem, dass das physische Erscheinungsbild einen wesentlichen Einfluss auf das Erwerbs- und Beschäftigungsmuster bei Männern und Frauen hatte. Unabhängig vom Geschlecht und der Berufsbranche (Dienstleistungsberufe oder akademische Berufe) erhielten unattraktive oder als zu klein geschätzte Personen erhebliche Lohneinbußen von bis zu 19,5% für die Männer und 13,1% für die Frauen (vgl. Harper 2000:773 ff.; vgl. Hakim 2011:232). Zudem bekamen große Männer eine Einkommensprämie und dickere Frauen Lohneinbußen (vgl. Harper 2000:798).

Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Hameresh und Biddle (1994). Sie erwiesen mithilfe der Ergebnisse dreier Umfragen von 1971 bis 1981, dass attraktive Menschen rund 4% mehr als durchschnittlich Aussehende verdienten und Unattraktive etwa 7% weniger als durchschnittlich Aussehende (Hameresh & Biddle 1994:1181 ff.). Dadurch verdiente eine unterdurchschnittlich attraktive Person 10 bis 15% weniger als eine überdurchschnittlich attraktive Person. Zusätzlich dazu stellen sie fest, dass Attraktivität nicht nur in Berufen, in denen ein höherer Lohn durch stetigen Umgang mit Kunden gerechtfertigt sein könnte, einen signifikanten Effekt aufwies (vgl. Hameresh & Biddle:1190 ff.) und somit überall auf dem Arbeitsmarkt ein Lohnbonus für attraktive Personen vorherrschen könnte (vgl. Hakim 2011:225).

Aufbauend auf der Studie von Hameresh und Biddle (1994) untersuchten Mobius und Rosenblat (2005) den sogenannten „Beauty Premium“ 8 weiter. In ihrer Studie simulierten sie experimentell einen Arbeitsmarkt und ließen 50 Studenten, die per Zufallsprinzip als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer fungierten, Aufgaben erledigen. Dabei ging es um reines Können und nicht um das Aussehen. Die Arbeitnehmer verdienten ihr Geld damit, dass sie ihre eigene Leistung zutreffend einschätzten. Arbeitgeber verdienten ihr Geld, indem sie die Leistung ihrer Arbeitnehmer richtig beurteilten. Die Arbeitgeber bekamen eine Zusammenfassung der schulischen Qualifikationen und der Arbeitserfahrungen der einzelnen Personen. Zusätzlich wurde manchen Arbeitgebern ein Passfoto des Arbeitnehmers vorgelegt, andere sprachen mit den Arbeitnehmern am Telefon und wieder andere sprachen mit der Person persönlich (vgl. Mobius & Rosenblat 2005:10 ff.). Es stellte sich auch hier heraus, dass bevorzugt attraktive Bewerber eingestellt wurden, da sie für selbstbewusster und souveräner gehalten wurden. Am höchsten war der Schönheitspremium, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer persönlich kennenlernte (vgl. Mobius & Rosenblat 2005:11 ff.), was unterstützt, dass attraktive Menschen es allgemein einfacher auf dem Arbeitsmarkt zu haben scheinen. Sie erhalten scheinbar nicht nur ein höheres Einkommen, sondern auch leichter einen neuen Arbeitsplatz und stechen so unattraktive Mitbewerber mit denselben Voraussetzungen durch ihr äußeres Erscheinungsbild aus (vgl Hakim 2011:231; vgl. Mobius & Rosenblat 2005:11 ff.).

Auch die bereits erwähnte Studie von Frieze, Olson und Russel (1991) belegte diesen „ What is beautiful is good“ Effekt. In jener bewerteten Versuchspersonen die Schulabgangsbilder von Masterabgängern. Es konnte auch ein Zusammenhang der Attraktivität mit dem Einkommen bezogen auf Berufe im Managementbereich festgestellt werden. Dieser Bonus zeigte sich bei beiden Geschlechtern (vgl. Frieze, Olson & Russell 1991:1039 ff.). Jedoch erhielten attraktive Männer höhere Einstiegs- und Folgegehälter, während die höheren Einstiegsgehälter bei den Frauen ausblieben. Jene verdienten rund $3000 weniger als die Männer im Jahr. Die Differenz eines hohen Attraktivitätsskalenwertes von 4 und eines niedrigen von 2 betrug $5200 im Jahr bei den Männern und $4200 bei den Frauen (vgl. Abb. 1; vgl. Frieze, Olson & Russell 1991:1047 ff.).

Abb. 1: Basiseinkommen der Frauen und Einkommensdifferenz in Abhängigkeit von Geschlecht und Attraktivität

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: Bierhoff & Frey 2011:145 nach Frieze, Olson & Good 1990; Frieze, Olson & Russel 1991)

Es lässt sich also insgesamt darauf schließen, dass attraktive Menschen mehr Möglichkeiten zu haben scheinen, erfolgreich zu sein und Kontakte zu knüpfen, was nach Wilson und Eckel (2006:200), auch tatsächlich ihre Produktivität während des Arbeitens fördern kann.

Jedoch kann der „Beauty Premium“ sich auch zu einem Nachteil, einem „Beauty Penalty“9 entwickeln, wie Wilson und Eckel (2006) herausstellten. Sie untersuchten mithilfe eines Spiels ob attraktive Treuhänder als vertrauenswürdiger angesehen werden. In der ersten Phase bestätigte sich diese Vermutung noch, in der zweiten Phase kehrte sich der Effekt der Attraktivität aber um, da die attraktiven Personen nicht den Erwartungen der Treuhänder gerecht wurden (Wilson & Eckel 2006:189 ff.).

Attraktivität kann somit auch negativ wirken, wie auch die Studie von Andreoni und Petrie aus dem Jahre 2005 zeigt. Nach den Wissenschaftlern erwarten Menschen von attraktiven Mitmenschen, dass sie kooperativer sind und sich auch so verhalten, wenn man mit ihnen zusammenarbeitet. Stellt sich jedoch heraus, dass sie sich nicht so verhalten wie erwartet, sind die Urteiler enttäuscht und bewerten dies oft negativ (vgl. Andreoni & Petrie 2005:27). Auch Andreoni und Petrie haben mithilfe digitaler Fotos in Laborexperimenten die Wirkung von Schönheit und Geschlecht auf das Einkommen untersucht. Wurde die Tätigkeit der Person auf dem Bild nicht von dem Beurteiler gewusst, honorierten die Rater die Aspekte „Schönheit“ und „Weiblichkeit“ mit einem rund 7% höheren Einkommen als für die Männer. Wurde die Tätigkeit jedoch gewusst, verschwand der „Beauty Premium“ und der „Frauen Premium“ wurde zum „Männer Premium“ und die Männer verdienten bis zu 15% mehr als die Frauen (vgl. Andreoni & Petrie 2005:27). Verantwortlich dafür ist nach Andreoni und Petrie (2005:28) die „Social expectancy theory“10, nach der Menschen besonders bei Frauen bestimmte Verhaltensweisen vermuten. Jene und andere geschlechtsspezifische Konsequenzen sollen im Folgenden noch genauer erläutert werden.

[...]


1 Englisch: „Wahrheit der Übereinstimmung“

2 Englisch: Beurteiler

3 Morphing ist eine Überlagerung von vielen realen als attraktiv bewerteten Fotos zu einem künstlichen, neuen Computergesicht (vgl. Braun et al. 2001:21ff.)

4 Ab einem BMI von kleiner oder gleich 18,5 gilt ein Mensch als „untergewichtig. Ein BMI von 18,5 bis 24,99 bedeutet „normalgewichtig“ und ab größer oder gleich 25 „übergewichtig. Ab einem BMI von 30 gilt eine Person als „adipös“ bzw. „fettleibig“ (vgl. Posch 1990:68).

5 In der Nationalen Verzehrstudie II (2008) im Zusammenhang mit dem sozioökonomischen Status

6 Englisch: „Was schön ist, ist auch gut“

7 Englisch: Erhöhte Aufmerksamkeit aufgrund von Attraktivität

8 Englisch: „Schönheitsvorteil“

9 Englisch: „Schönheitsnachteil“

10 Englisch: „soziale Erwartungstheorie“

Ende der Leseprobe aus 76 Seiten

Details

Titel
Der Zusammenhang von physischer Attraktivität und Einkommen. Eine Sekundäranalyse anhand der Daten des ALLBUS 2012
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen
Note
1,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
76
Katalognummer
V1159364
ISBN (eBook)
9783346556523
ISBN (Buch)
9783346556530
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
12-Wochen-Abschlussarbeit zur Erlangung des akademischen Grades des „Bachelor of Arts (B.A.) “
Schlagworte
physische Attraktivität, Einkommen, Sekundäranalyse, SPSS, ALLBUS, Statistik, Soziologie
Arbeit zitieren
Lena Vetter (Autor:in), 2017, Der Zusammenhang von physischer Attraktivität und Einkommen. Eine Sekundäranalyse anhand der Daten des ALLBUS 2012, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1159364

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