"Einführung in das Studium der Alten Geschichte" von Rosmarie Günther. Eine Rezension


Rezension / Literaturbericht, 2021

12 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Rezension zu: Rosmarie Günther - „Einführung in das Studium der Alten Geschichte“

Bibliographische Angabe: Günther, Rosmarie, Einführung in das Studium der Alten Geschichte, 1. Auflage, Paderborn 2001.

Zwar existieren in diesem Jahrtausend z.B. mit Hartmut Leppins „Einführung in die Alte Geschichte” (2005), Hartmut Blums und Reinhard Wolters „Alte Geschichte studieren” (2006) sowie Christian Manns „Antike. Einführung in die Altertumswissenschaften” (2008) schon eine Vielzahl anderer Einführungswerke, allerdings veröffentlichte Rosmarie Günther 2001 mit ihrer „Einführung in das Studium der Alten Geschichte”, das erste Einführungswerk dieses Jahrtausends. Günthers Einführung umfasst 349 Seiten, ist in sechs Kapitel unterteilt und wurde in der Taschenbuchreihe „Uni-Taschenbücher” (UTB), die sich aus 15 Verlagen zusammensetzt, veröffentlicht. Für die Veröffentlichung dieses Werkes war dabei speziell der Ferdinand Schöningh Verlag verantwortlich. Das Buch richtet sich gezielt an Wissenschaftler/innen und Studierende, sowie an alle Einsteiger/innen des Fachs. Erklärtes Ziel des Verlags und besonders Ziel Rosmarie Günthers war es dabei „sich nicht nur an die Studienanfänger/innen“ zu richten „sondern […] für jede Phase des Studiums entsprechende Hilfen an[zu]bieten” (S. 5). Zwar erschien 2009 bereits die dritte Auflage des Buches, jedoch wird sich hier im Folgenden mit der ersten Auflage aus dem Jahre 2001 befasst.

Zunächst erklärt Günther im Vorwort die Struktur ihres Buches (S. 5). Dafür nutzt sie die mittlerweile veraltete Einteilung des Studiums in Grundstudium, Hauptstudium und Prüfungsphase. Die einzelnen Abschnitte werden dabei mit verschiedenen Inhalten des Buches verknüpft. Auch ihre didaktischen Überlegungen greift sie bereits im Vorwort auf und erläutert diese. So soll ihre Einführung praxisorientiert sein und vorgestellte Thematiken anhand eines Beispiels erläutern. Den Schwerpunkt ihres Buches bildet die Beschäftigung mit den Hilfswissenschaften und historiographisch konzentriert sie sich auf Inhalte der römischen Geschichte. Für das Ende des Studiums und für den Übergang ins Berufsleben möchte Günther explizite Tipps und Hilfestellungen geben.

Nach dem Vorwort gibt Günther den Leser/innen eine erste Einführung in die Alte Geschichte als wissenschaftliches Fach (S. 11-47). Sie verortet das Fach zwischen der Klassischen Philologie und der Archäologie auf der einen Seite und der Mittelalterlichen und Neueren Geschichte auf der anderen. Laut Günther gewann die Alte Geschichte als Wissenschaft, durch neue Forschungsfelder wie die Alltags- und Sozialgeschichte, oder die Religions- und Mentalitätsgeschichte, an Attraktivität. Dies ist einer der Gründe weshalb Günther bedauert, dass die Alte Geschichte in der Schule immer weniger Beachtung finde. Somit kritisiert sie den Umgang mit der Alten Geschichte in der Schule - ein Vorgehen das sich wie ein roter Faden durch ihr Buch zieht. Auch wird schon hier deutlich, dass Lehramtsstudierende explizit zu ihrer Zielgruppe gehören, da sie anmerkt, dass die Alte Geschichte für sie ein notwendiges Teilfach darstelle.

Daraufhin versucht Günther die Geschichtswissenschaft vom Schulfach Geschichte zu unterscheiden. Laut der Althistorikerin habe das Schulfach die Aufgabe historisches Wissen und politische Bildung zu vermitteln, während die Geschichtswissenschaft sich ihre Aufgaben selbst stelle und die Schaffung einer Wissensbasis als Ziel habe. Des Weiteren nutzt Günther das Kapitel „Erste Orientierung” um die Kontinuitätslinien der Alten Geschichte aufzuzeigen und sie somit für die Leserschaft mit Sinn zu versehen. So erwähnt sie, dass das römische Recht und das Christentum der Antike noch immer prägend für unser heutiges Europa seien. Besonders ausführlich stellt sie allerdings die Attische Demokratie vor. Sie sei der Beginn der „politischen Partizipation aller Bürger” (S. 28) und eines der bedeutendsten Überbleibsel der Antike.

Um die Antike jedoch nicht zu glorifizieren, nennt Günther auch ein negatives Beispiel - die Unterordnung der Frau. Diese habe sich laut Günther vollzogen, seitdem die Weidewirtschaft nicht mehr die vorherrschende Erwerbsquelle darstellte. Das Thema der Frauen in der Antike ist grundsätzlich eines dem Günther viel Aufmerksamkeit widmet. Diese Hervorhebung ist positiv zu betrachten, da die Frauen in der Geschichtswissenschaft lange im Abseits standen und auch noch heute oft nur stiefmütterlich behandelt werden. Allerdings vermittelt sie hier zu schnell den Eindruck, die Frauen wären im Laufe der Antike in der Bedeutungslosigkeit versunken. Eine Erwähnung der bedeutsamen Frauen der Severerzeit hätte sich hier mehr als angeboten.

Des Weiteren warnt Günther im ersten Kapitel vor bestimmten Phänomen der Antike, die sich nicht wiederholen sollten. Beispielhaft dafür seien z.B. „die Verherrlichung des Mannes an der Spitze” oder die „physische Verfolgung Andersdenkender” (S. 23). Somit gelingt es Günther objektiv zu berichten, welche antiken Überbleibsel uns noch heute prägen. Nämlich die Grundsätze unseres heutigen Demokratieverständnisses einerseits und die Warnung vor totalitären, destruktiven Phänomenen andererseits. Das hier von ihr verfolgte Vorgehen lässt sich als Gegenwartsbezug bezeichnen und zählt zu den grundlegenden didaktischen Prinzipien der Geschichte.1 Dieses didaktische Prinzip nutzt sie im Verlauf des Buches einige Male, um erfolgreich den jeweiligen Gegenstand lebensnah und attraktiv wirken zu lassen. Neben dem Gegenwartsbezug als didaktisches Mittel, nutzt Günther in allen Kapiteln Grafiken und Schaubilder, um das Geschriebene zu visualisieren und der Leserschaft somit das Erlernen zu vereinfachen.

Nachdem sie im ersten Kapitel eine Einführung in die Alte Geschichte gibt und diese mit unserer Gegenwart in Verbindung setzt, widmet sich Günther im zweiten Kapitel den methodischen Fragen der Alten Geschichte - genauer gesagt den schriftlichen Quellen (S. 48-98). Bevor sie sich allerdings den Quellen selbst zuwendet, fügt sie den durchaus sinnvollen Zwischenschritt ein, zuerst die Sprachen, in denen diese Quellen verfasst sind, zu thematisieren. Im Zuge dessen geht sie außerdem auf den Umgang mit Übersetzungen ein und appelliert, dass diese immer, wie auch jegliche Art von Quellen, kritisch zu betrachten seien. Auch lässt sich auf derselben Seite (S. 55) eine erneute Kritik am deutschen Schulsystem finden. So kritisiert Günther, dass die Schüler/innen nicht mehr die nötigen Fähigkeiten erwerben, um lateinische Originalquellen bearbeiten zu können. Dies kann in den Augen einer Althistorikerin zwar kritisiert werden, jedoch sollten die Schüler/innen auch weiterhin größtenteils frei wählen dürfen, welche weitere Fremdsprache sie belegen möchten. In der Lage zu sein, Alte Geschichte studieren zu können, sollte nicht über das Gebot der Selbstverwirklichung der Schüler/innen gestellt werden.

Ein weiteres Augenmerk legt sie außerdem auf die Unterscheidung von „ausgangssprachenorientierter” und „zielsprachenorientierter” Übersetzung. Die Verfolgung der verschiedenen Herangehensweisen, haben laut ihr eine unterschiedliche Übersetzung zur Folge. Generell stellt sie korrekt fest, dass Übersetzungen durchaus unterschiedlich ausfallen, da sie von der persönlichen Interpretation der Übersetzer/innen abhängig sind. Dies belegt sie sehr anschaulich, wie in fast allen Teilen des Buches, mit einem praxisorientierten Beispiel. Hier nutzt sie dafür zwei Übersetzungen zum selben Originaltext (S. 57). Ein weiteres Charakteristikum des Buches, welches sich auch in diesem Kapitel wiederfinden lässt, ist die Empfehlung und der Verweis auf weiterführende Werke, Quellensammlungen und ähnliches. So empfiehlt Günther hier z.B. verschiedene Übersetzungsreihen (S. 59) und später im Kapitel weitere Titel zur griechischen Geschichtsschreibung (S. 80). Nach der Thematisierung von Übersetzungen, widmet sie sich nun den Quellen, bzw. dem kritischen Umgang mit ihnen. Die Interpretation einer Quelle gliedert sie dabei sehr verständlich und kleinschrittig. Außerdem hält sie richtigerweise fest, dass auch wissenschaftliche Literatur, unter bestimmten Fragestellungen, zu einer Quelle werden kann. Besonders deutlich wird in diesem Kapitel, dass es sich um eine Ältere Ausgabe handelt. So umfasst der „Neue Pauly” als Nachschlagewerk für sachliche Probleme hier nur neun Bände, statt der mittlerweile 16. Trotz eines insgesamt gut auf die Quellenarbeit vorbereitenden Kapitels, muss hier ein Schaubild zum „Stemma” (S. 62) kritisiert werden. Dafür, dass sie sich nach eigener Aussage an Studienanfänger/innen richtet, ist das Schaubild für seine Abstraktheit zu wenig kontextualisiert worden.

Im darauffolgenden Unterkapitel thematisiert Günther die literarische Überlieferung und geht im Zuge dessen z.B. auf Herodot, Thukydides, Xenophon, Tacitus und Cicero ein (S. 71-98). Dabei arbeitet sie die meisten zeitgenössischen Autoren nach den Kategorien „Thema”, „Methode” und „Zielsetzung” ab. Gerade bei der Kategorie „Methode” gibt sie dabei nützliche Hinweise zur Glaubwürdigkeit der jeweiligen Autoren, da deren Arbeitsweisen bewertet werden. Kritikwürdig ist jedoch, dass Günther nicht darauf eingeht wie genau mit diesen Quellen heute umgegangen werden soll, das methodische Handwerkszeug von Historiker/innen wird außen vorgelassen. Zwar erklärt sie die allgemeine Quellenkritik (Kapitel II, 1.4), jedoch nicht wie genau die Arbeit der Historiker/innen vonstattengeht. Anders handhaben dies bspw. Hartmut Blum und Reinhard Wolters in ihrem Einführungswerk „Alte Geschichte studieren“. Sie widmen diesem Bereich ein eigenes Kapitel mit dem Namen „Arbeitstechniken und Darstellungsformen”. Dabei gehen sie z.B. auf die folgenden Fragen ein: „Wie findet man in der Alten Geschichte zu einer bestimmten Fragestellung die dafür wichtigen Quellen, wie findet man die erforderliche Literatur, was gilt es bei der Bearbeitung des so recherchierten Materials zu bedenken und welche Konventionen gibt es bei der Darstellung?”.2

Nach dem Kapitel über schriftliche Quellen behandelt sie im dritten Kapitel „Althistorische Hilfs- und Nachbarwissenschaften” (S. 99-255). Dabei klärt sie zuerst die terminologische Frage und stellt klar, dass der Begriff „Hilfswissenschaft“ nicht abwertend ist, da jede Wissenschaft einer anderen Wissenschaft Hilfswissenschaft sein kann. Zugleich verdeutlicht sie, dass die Hilfswissenschaften im Studium wertgeschätzt werden sollten, da sie „wichtige Grundfähigkeiten zum wissenschaftlichen Arbeiten im Fach Geschichte“ vermitteln (S. 99). Somit vermittelt sie Studienanfänger/innen die Sinnhaftigkeit dieses Studienbereichs und macht klar, dass das Erlernen der Hilfswissenschaften als Chance gesehen werden sollte. Auch stellt sie hier erneut einen Schulbezug, bzw. einen Bezug zu Lehramtsstudierenden her. So sagt sie, dass die Hilfswissenschaften für den Unterricht nutzbar gemacht werden können, da aus ihnen Anschaulichkeit gewonnen werden kann.

Die erste Hilfswissenschaft die sie in diesem Kapitel thematisiert ist die Archäologie (S. 100-117). Zunächst räumt sie dabei mit dem Irrglauben auf, die Archäologie sei nur die Wissenschaft vom Ausgraben und Bergen. Sie stellt richtig, dass es viel mehr auch um die Analyse, das Vergleichen und die Typisierung der Fundstücke ginge. Um der Leserschaft die Archäologie praxisnah näherzubringen, nutzt sie eine reale Ausgrabung als Beispiel - die Ausgrabung des römischen Nordfriedhofs in Worms 1990. Anhand dieses Beispiels erklärt sie Punkte wie die „Topographie und Grabungsgeschichte“ (S. 105), die „Stratigraphische Methode“ (S. 107), die „Kategorisierung bzw. typologische Methode“ und die „Befundbeschreibung“ (S. 111). Auch werden die verschiedenen Materialien der Funde beschrieben. Günther nennt dabei die besonderen Eigenschaften von Keramik, Glas, Holz und Eisen. Zwar wählt sie mit der Ausgrabung in Worms ein anschauliches Beispiel, allerdings hat diese schon vor mehr als 30 Jahren stattgefunden. Mögliche hier angewandte Methoden könnten sich mittlerweile geändert haben oder sind veraltet. Das Wählen eines aktualisierten Beispiels würde sich bei der Herausgabe einer neuen Auflage somit anbieten.

Als nächste Hilfswissenschaft stellt Günther die Chronologie vor (S. 118-140). Anfänglich nennt sie dafür verschiedene in der Antike existierende Vorstellungen von Zeitintervallen und Zyklen. Zusätzlich befasst sie sich mit der Entwicklung des Kalenders. Dabei stellt sie erneut einen Gegenwartsbezug, bzw. eine Kontinuitätslinie her - von der römischen Zeitrechnung bis hin zu unserem heutigen Kalender (S. 130). Das Kapitel über die Chronologie schließt sie mit der Feststellung ab, dass Zeitmessung und Berechnung früher häufig auch politisch-ideologisch instrumentalisiert wurden.

[...]


1 siehe hierzu z.B.: Sauer, Michael: Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik, 9. Auflage, Seelze 2010, S. 91.

2 Blum, Hartmut u. Wolters, Reinhard: Alte Geschichte studieren, 2. Auflage, Konstanz 2011, S. 123.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
"Einführung in das Studium der Alten Geschichte" von Rosmarie Günther. Eine Rezension
Hochschule
Universität Bremen
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
12
Katalognummer
V1160382
ISBN (eBook)
9783346560216
ISBN (Buch)
9783346560223
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Antike, Rosmarie Günther, Rezension, Einführungswerk
Arbeit zitieren
Nico Röhrs (Autor:in), 2021, "Einführung in das Studium der Alten Geschichte" von Rosmarie Günther. Eine Rezension, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1160382

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