Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG UND BEGRIFFSERLÄUTERUNG
2 WAS GEGEN DIE AKTIVE STERBEHILFE SPRICHT
3 GRÜNDE FÜR EINE LEGITIMATION DER AKTIVEN STERBEHILFE
4 FAZIT
LITERATURVERZEICHNIS
1 Einleitung und Begriffserläuterung
Dank des anhaltenden medizinischen Fortschritts und einer immer besser werdenden Behandlung und Betreuung, ist es heute einer Vielzahl von Menschen möglich ein vergleichsweise hohes Alter zu erreichen, wodurch die durchschnittliche Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich stieg.
Doch nicht immer bedeutet dies, dass die letzten Jahre eines Lebens gesund, erfüllend und für die Betroffenen wünschenswert sind. Zwar mag der Tod durch Medikamente und Therapien hinausgezögert werden können, damit kann jedoch ein langwieriger und qualvoller Sterbensprozess verbunden sein. Zudem gibt es Krankheiten, bei denen eine Heilung nicht absehbar oder gar unmöglich ist. Solche Patienten haben täglich mit Schmerzen und Einschränkungen zu kämpfen, die die Lebensqualität soweit beeinträchtigen, dass einige Menschen die Art und den Zeitpunkt ihres Todes selbst bestimmen möchten.1
Während in Deutschland die Tötung auf Verlangen gesetzlich verboten, und somit eine aktive Sterbehilfe nicht angeboten werden kann, ist diese in Ländern wie Belgien, den Niederlanden oder der Schweiz legal.2
Unter der aktiven Sterbehilfe, oder auch Euthanasie genannt, versteht man Handlungen, die den Tod eines Menschen gezielt herbeiführen sollen. Erforderlich dazu ist die ausdrückliche oder auch mutmaßliche Einwilligung des Kranken. In der Regel wird dabei vom Arzt eine tödliche Spritze injiziert oder eine Überdosis verabreicht. Abzugrenzen ist die aktive von der passiven Sterbehilfe. Bei der passiven werden lebenserhaltende Maßnahmen unterlassen, die Krankheit nimmt ungehindert ihren Verlauf und der Patient wird „sterben gelassen“. Bei dem assistierten Suizid verschafft der Arzt ein todbringendes Mittel, welches nicht verabreicht, sondern selbst genommen werden muss.3
Die Frage, ob das Verbot der Tötung auf Verlangen aufgehoben werden sollte, ist Gegenstand vieler Diskussionen und beschäftigt nicht nur Juristen und Ärzte, sondern auch Ethiker und Philosophen. In der folgenden Arbeit sollen Für- und Gegenargumente aus ethischer Sicht betrachtet und erläutert werden.
2 Was gegen die aktive Sterbehilfe spricht
Der Tod ist für jeden Menschen unausweichlich. Er ist ein einmaliges Ereignis und nicht mehr rückgängig zu machen. Alles was danach kommen würde schwindet und eine Möglichkeit die Entscheidung anschließend zu ändern gibt es nicht. Dass eine solche Entscheidung niemals leichtfertig oder im Affekt getroffen werden sollte wird wohl unumstritten sein. Bezüglich der Frage, ob eine aktive Sterbehilfe legalisiert werden sollte, gehen die Meinungen auseinander. Zunächst kann argumentiert werden, dass die Tötung eines Menschen, auch wenn sie von diesem verlangt wird, niemals mit dem Berufsethos eines Arztes zu vereinbaren ist. Die Aufgabe und moralische Pflicht eines Arztes ist es, das Leben seiner Patienten zu schützen und das Leben zu erhalten.4
Nicht vergessen werden darf, dass die Handlung des Tötens, im Gegensatz zum Suizid, nicht selbst vorgenommen wird, sondern diese vom Arzt verlangt wird. Ein Widerspruch zur Selbstbestimmung bestünde demnach nicht, da die passive Sterbehilfe möglich ist. Aus Befragungen zeigt sich, dass die überwiegende Mehrheit der Ärzte gegen eine Legalisierung der Sterbehilfe ist. Viele befürchten, dass sie eine zu hohe Bürde und ein zu hoher Druck darstellt und Gewissensnöte die Folge wären. Zudem widerspricht das Töten dem Grundverständnis ihres Berufes.5 Dies betont auch der Nationale Ethikrat in seiner Stellungnahme und merkt dazu an, dass auch Ärzte sich nicht über das Tabu des Tötens hinwegsetzen dürften. Zudem sei die Hemmschwelle niedriger, sich von einer anderen Person töten zu lassen, als dies selbst zu tun. Dies würde vor allem Menschen betreffen, die einem sozialen Druck unterliegen.6 Es mag Menschen geben, deren Todeswunsch nicht zwangsläufig daher rührt, dass sie selbst keine Kraft mehr zu leben haben, sondern, dass sie sich als Belastung für andere sehen. Jemand, der aufgrund seines sehr hohen Alters oder einer starken gesundheitlichen Beeinträchtigung sein Leben selbst nicht mehr bewerkstelligen kann ist auf ein hohes Maß an Hilfe von Familie, Ärzten, Therapeuten und Pflegepersonal angewiesen. Das könnte dazu führen, dass die Scham so groß werden würde, dass lieber die aktive Sterbehilfe in Anspruch genommen wird, als weiterhin anderen zur Last zu fallen. Der Philosoph, Psychologe und Mitglied des Deutschen Ethikrats Michael Wunder fügt hinzu, dass es niemals ein unwürdiges Leben gibt. Lediglich die Lebensumstände können unwürdig sein. Wichtig ist demnach vor allem, dass alles getan wird, um diese Umstände zu verbessern und auch Problemen, wie Einsamkeit und Isolation, entgegenzuwirken. Zudem ist er der Meinung, dass ein Suizid niemals ein vollständiger Ausdruck von Freiheit sein kann, da der Entschluss dazu selten aus freien Stücken fällt. Aus der Suizidforschung ist bekannt, dass die Gründe die zu einem Todeswünsch führen zum überwiegenden Teil aus einer psychischen oder sozialen Not entspringen, also eher eine Verzweiflungsreaktion darstellen. Durch diese Situation wird das freie Denken und Handeln eingeschränkt.7
Zudem kann auch ein Arzt nicht mit hundertprozentiger Gewissheit sagen, dass der Gesundheitszustand wirklich auf Dauer hoffnungslos ist. Es ist immer möglich, dass in kommenden Jahren Behandlungen möglich sein werden, die eine Heilung versprechen oder Medikamente entwickelt werden, die zumindest die Schmerzen und Symptome bekämpfen können. Außerdem ist es unmöglich einzuschätzen, ob ein Todeswunsch auch wirklich endgültig ist oder sich in Zukunft wieder geändert hätte.
Aus den genannten Gründen sind die Kritiker der aktiven Sterbehilfe der Ansicht, dass diese nicht in Deutschland eingeführt werden sollte. Es gibt bereits die Möglichkeit der passiven Sterbehilfe, sollte ein tatsächlicher Wunsch zu sterben vorliegen. Der Akt des Tötens einer anderen Person stellt hingegen ein Tabu dar und die Entscheidung und Handlung kann nicht anderen aufgebürdet werden.
3 Gründe für eine Legitimation der aktiven Sterbehilfe
Im Gegensatz zu den Kritikern sieht der Philosoph und Jurist Norbert Hoerster die aktive und die passive Sterbehilfe als ethisch gleichwertig an.8 Geht man vom Standpunkt des Betroffenen aus, so macht es für diesen keinen moralischen Unterschied, ob er indirekt oder direkt getötet wird. Wichtig für ihn ist das Ergebnis der Handlung, nicht aber die Intention desjenigen, der die Tat vollbringt.9
Dennoch reicht allein der Blickwinkel des Betroffenen nicht aus, denn für das Funktionieren einer Gesellschaft müssen immer auch deren moralischen und ethischen Werte eingehalten werden. Um dies zu gewährleisten müssen auch die Motive und Intentionen des Arztes Beachtung finden. Nicht umsonst wird im Strafrecht die Schwere einer Tat auch anhand der Motive eines Täters bewertet, wie dies z.B. bei der Unterscheidung zwischen Mord und Totschlag der Fall ist. Würde ein Arzt aus Lust am Töten die aktive Sterbehilfe durchführen, wäre dies zurecht in der Gesellschaft geächtet. Deshalb spielt, um eine Handlung ethisch beurteilen zu können, die Implikation, also das Motiv, die Intention und der Zweck eine wichtige Rolle.10
Das Motiv eines Arztes, also die Gründe, die ihn zu dieser Handlung bewegen, dürfte in der Regel kein niederes sein. Er möchte das Leiden und die Schmerzen seines Patienten beenden. Die Intention ist es, einen schnellen und möglichst schmerzfreien Tod herbeizuführen.11 Der Wunsch des Patienten und die Beweggründe des Arztes stehen im Einklang, es handelt sich mitnichten um eine verwerfliche Tat, die im Gegensatz zu gesellschaftlichen Werten steht, weshalb ein gesetzliches Verbot wenig einleuchtend ist. Zudem ergibt sich hieraus auch kein Widerspruch zum Berufsethos eines Arztes. Es lässt sich argumentieren, dass es nicht die Aufgabe eines Mediziners ist, den Patienten um jeden Preis am Leben zu erhalten, sondern dass er vielmehr dessen Wohl verpflichtet ist. In einigen Fällen kann dies eben bedeuten, dass es eher seinem Wohl dient, wenn er bei explizitem Verlangen getötet wird anstatt weiterhin ein leidvolles Leben führen zu müssen.12 Ein Schutz des Lebens bedeutet nicht zwangsläufig „Pflicht zu leben“.13
Hinzukommt, dass es Menschen gibt, die aufgrund von weitreichenden Lähmungen nicht selbstständig zu einem Suizid in der Lage sind. Für diese böte eine passive Sterbehilfe alleine keinen Ausweg.
Befürworter einer Aufhebung des Verbots sehen die Legitimation der aktiven Sterbehilfe vor allem in der Selbstbestimmung des Menschen. Die Freiheit bezüglich der Entscheidungen über die körperliche Integrität liegt letztendlich beim Patienten selbst. Auch aus medizinethischer Sicht sei das Wohl des Patienten dessen Wunsch und Wille untergeordnet.14 Folgt man dem Autonomiebegriff von Kant, gibt sich der Mensch selbst das Gesetz, folglich kann er auch als vernunftbegabtes Wesen selbst über sein Leben verfügen und hat ein Recht auf Selbstbestimmung.15 Dies gilt freilich nur für dispositive Rechte, es gibt keinen Anspruch über andere zu verfügen. So gesehen dürfte es auch andersrum keine Grundlage für ein Verbot der aktiven Sterbehilfe geben, da nur der Betroffene selbst über die Art und Weise seines Todes entscheiden kann. Ihm diese Möglichkeit zu nehmen, wäre ein Eingriff in die Autonomie des Menschen.
[...]
1 Vgl. Arnold 2024, S. 9.
2 Vgl. Broich 2020, o. S.
3 Vgl. Nationaler Ethikrat 2006, S. 50-53
4 Vgl. Nationaler Ethikrat 2006, S. 34-35.
5 Vgl. Bundesaerztekammer 2010, o. S.
6 Vgl. Nationaler Ethikrat 2006, S. 92.
7 Vgl. Wunder 2015, o. S.
8 Vgl. Hoerster 1998, S. 47-48.
9 Vgl. Hoerster 1998, S. 46-47.
10 Vgl. Häcker 2005, S. 50
11 Vgl. Häcker 2005, S. 52-54.
12 Vgl. Nationaler Ethikrat 2006, S. 93.
13 Vgl. Kreß 2009, S. 270.
14 Vgl. Geißendörfer 2009, S. 60.
15 Vgl. Geißendörfer 2009, S. 61