Vor wenigen Jahren, im September und November 2000, intervenierte die Europäische Zentralbank erstmals seit ihrer Gründung am 01.07.1998 um die Abwärtsbewegung des Euro-Außenwerts mittels einer kooperativen Zentralbankintervention an den Devisenmärkten zu stoppen. Nach mehreren Monaten der Abwärts- und Seitwärtsbewegung des Eurokurses folgte schließlich ein bis heute anhaltender Wiederanstieg des Euro-Außenwertes.
Die vorliegende Seminararbeit befasst sich im einführenden Kapitel mit den Motiven und Formen von Zentralbankinterventionen. Anschließend werden in Kapitel 2 die Wirkungskanäle derselben beschrieben, bevor in Kapitel 3 auf die Effektivität von Zentralbankinterventionen als Ganzes eingegangen werden kann. Da Zentralbankaktivitäten grundsätzlich zahlreiche mikro- und makroökonomische Rückwirkungen nach sich ziehen, ist es erforderlich bei einer Effektivitätsbetrachtung zuerst modelltheoretisch vorzugehen. Anschließend soll hier auf die vielfältigen Ergebnisse der verschiedenen Effektivitätsstudien und auf deren Unterschiede hingewiesen werden. In Kapitel 4 folgt als empirisches Beispiel eine kurze Beschreibung der September/November 2000-Interventionen der Europäischen Zentralbank. Daran anschließend erfolgt ein Ausblick auf die zukünftige Interventionspolitik im Eurowährungsgebiet, bevor Kapitel 5 diese Arbeit mit einem Fazit zur Bewertung des Einsatzes von Zentralbankinterventionen als geldpolitisches Mittel unter Effektivitätsaspekten abschließt.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Formelsammlung
1. Einleitung
1.1. Der Begriff „Zentralbankinterventionen“
1.2. Formen von Zentralbankinterventionen
1.3. Zur Empirie von Zentralbankinterventionen
2. Wirkungskanäle von Zentralbankinterventionen
2.1. Der Portfolio Balance Channel
2.2. Der Signalling Channel
2.3. Der Noise-Trader-Channel
2.4. Zwischenfazit der Wirkungskanäle
3. Zur Effektivität der Interventionen
3.1. Die Verfahren zur Effektivitätsmessung von Interventionen
3.2. Die theoretische Effektivität der Interventionen
3.3. Die empirische Effektivität der Interventionen
4. Zur Interventionspolitik der EZB
4.1. Devisenmarktinterventionen im September/November 2000
4.2. Ein Ausblick auf zukünftige Devisenmarktinterventionen
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Vor wenigen Jahren, im September und November 2000, intervenierte die Europäische Zentralbank erstmals seit ihrer Gründung am 01.07.1998[1] um die Abwärtsbewegung des Euro-Außenwerts mittels einer kooperativen Zentralbankintervention an den Devisenmärkten zu stoppen. Nach mehreren Monaten der Abwärts- und Seitwärtsbewegung des Eurokurses folgte schließlich ein bis heute anhaltender Wiederanstieg des Euro-Außenwertes.[2]
Die vorliegende Seminararbeit befasst sich im einführenden Kapitel mit den Motiven und Formen von Zentralbankinterventionen. Anschließend werden in Kapitel 2 die Wirkungskanäle derselben beschrieben, bevor in Kapitel 3 auf die Effektivität von Zentralbankinterventionen als Ganzes eingegangen werden kann. Da Zentralbankaktivitäten grundsätzlich zahlreiche mikro- und makroökonomische Rückwirkungen nach sich ziehen,[3] ist es erforderlich bei einer Effektivitätsbetrachtung zuerst modelltheoretisch vorzugehen.[4] Anschließend soll hier auf die vielfältigen Ergebnisse der verschiedenen Effektivitätsstudien und auf deren Unterschiede hingewiesen werden. In Kapitel 4 folgt als empirisches Beispiel eine kurze Beschreibung der September/November 2000-Interventionen der Europäischen Zentralbank. Daran anschließend erfolgt ein Ausblick auf die zukünftige Interventionspolitik im Eurowährungsgebiet, bevor Kapitel 5 diese Arbeit mit einem Fazit zur Bewertung des Einsatzes von Zentralbankinterventionen als geldpolitisches Mittel unter Effektivitätsaspekten abschließt.
1.1. Der Begriff „Zentralbankinterventionen“
Der Begriff „Zentralbankinterventionen“ umfasst alle Markteingriffe einer Zentralbank eines Währungsgebietes, vornehmlich den Kauf oder Verkauf von in- und ausländischen Devisen auf den Devisenmärkten.[5] Diese werden aufgrund zumindest eines der folgenden drei Motive durchgeführt:[6]
(1.) Eine Zentralbank bewertet das aktuelle Wechselkursniveau, also den aktuellen Marktpreis ihrer Währung, als nicht den zugrundegelegten Fundamentaldaten entsprechend, d. h. es liegt ein sogenanntes misalignment vor. Der jeweils aktuelle Kurs wird somit für zu niedrig (hoch) bewertet, so dass es sich beim Motiv zur Intervention um eine Niveaurückführung des Wechselkurses auf sein tatsächliches/“wahres“ Niveau handelt.[7]
(2.) Stark schwankende Wechselkurse werden allgemein für den internationalen Güterhandel einer Volkswirtschaft als wachstumshemmend angesehen, da dadurch vor allem die Kurssicherungskosten der in- und ausländische Marktteilnehmer erhöht werden. Folglich führen die betroffenen Zentralbanken Interventionen mit dem Ziel der Einschränkung der Wechselkursvolatilität durch.[8]
(3.) Bei kooperativen Interventionen, also Interventionen, die von mehreren Zentralbanken gleichzeitig durchgeführt werden sind alle teilnehmenden Zentralbanken gemäß einer Vereinbarung zur Intervention in die gleiche Richtung verpflichtet und intervenieren aufgrund eines sogenannten „Zwangsmotivs“ das durch die jeweiligen bi- bzw. multilateralen Absprachen mit anderen Zentralbanken entstanden ist.[9]
1.2. Formen von Zentralbankinterventionen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Formen von Zentralbankinterventionen im Überblick[10]
Mittels dreier Kriterien lassen sich Zentralbankinterventionen auf den Devisenmärkten gemäß der obigen Abbildung in sechs verschiedene Formen einteilen:
- Nach dem Grad der Offenlegung unterscheidet man stille (geheime oder verdeckte) versus offene Interventionen. Bisher handelte es sich bei den Zentralbankinterventionen grundsätzlich um stille Devisenmarktinterventionen, die nur z. T. im Nachhinein offen gelegt wurden.[11]
- Nach den teilnehmenden Ländern lassen sich nationale[12] und kooperative (multilaterale, internationale, koordinierte oder konzertierte) Interventionen unterscheiden. Während nationale nur von einer inländischen Zentralbank durchgeführt werden, intervenieren bei kooperativen mehrere Zentralbanken im In- und Ausland für oder gegen eine einzelne Währung gemäß einer gemeinsamen getroffenen Absprache.[13]
- Zentralbankinterventionen ohne ein entsprechendes Kompensationsgeschäft[14], wirken sich grundsätzlich neben der beabsichtigten Wechselkursbeeinflussung, ebenfalls reziprok auf die inländische Geldmenge aus. Dadurch ist beispielsweise der expansive Effekt auf den Wechselkurs mit einer Verringerung der inländischen Geldmenge verbunden, was deflationäre Effekte auf das Inland nach sich ziehen kann. Deshalb fanden in der Vergangenheit die meisten der Interventionen durch ein Kompensationsgeschäft in Form einer gleichzeitigen Ausweitung der inländischen Geldmenge statt.[15] Es lassen sich somit sterilisierte, also kompensierte Interventionen und nicht-sterilisierte, nicht kompensierte Interventionen unterscheiden.
1.3. Zur Empirie von Zentralbankinterventionen
Aufgrund der überwiegenden Anwendung von stillen Interventionen ist der vollständige empirische Nachweis leider nicht möglich. Es kann nur annähernd, mittels ökonometrischer Modelle und Testverfahren, wie z. B. Regressionsanalysen sowie Ereignisstudien, rückwirkend eine Intervention in einer bestimmten Periode vermutet werden sofern die Zentralbank diese Intervention auch nach deren Abschluss nicht offen legt.[16]
Empirisch nachweisbar ist jedenfalls, dass auch nach Wegfall des Bretton-Woods-Systems Ende der 70er Jahre und dem damit verbundenen Wegfall des Interventionsautomatismus trotzdem weiterhin nicht unwesentliche Zentralbankinterventionen erfolgten.[17]
Die meisten Studien konzentrieren sich dabei auf die Fed, die EZB (vor 01.01.2000: die Deutsche Bundesbank) sowie die japanische Notenbank, da diese die Mehrheit der weltweiten Liquidität verwalten[18] und daher wesentlichen Einfluss auf die weltweiten Wechselkurse ausüben.
2. Wirkungskanäle von Zentralbankinterventionen
Nachdem im ersten Kapitel bereits die Motive und Formen von Zentralbankinterventionen auf den Devisenmärkten erläutert und auf die Empirie und deren Erfassungsproblematik hingewiesen wurde, beleuchtet das aktuelle Kapitel deren verschiedenen Wirkungskanäle genauer, welche man in folgende drei Kategorien einteilen:
(1.) In den Portfolio Balance Channel,
(2.) in den Signalling Channel und
(3.) in den Noise-Trader-Channel.
Während die ersten beiden Wirkungskanäle in der traditionellen Literatur allgemein anerkannt und ausführlich diskutiert worden sind, findet man den dritten Wirkungskanal bisher nur bei wenigen Autoren, welche ihn vor allem seit den 90er Jahren verstärkt diskutieren.[19]
2.1. Der Portfolio Balance Channel
Grundannahmen des Portfolio Balance Channels (bzw. Portfolioausgleichskanals) sind:
- die Gültigkeit eines internationalen Portfoliomodells,
- die Tatsache, dass in- und ausländische Wertpapiere[20] imperfekte Substitute darstellen, und
- letztendlich flexible Wechselkurse.
Die Gültigkeit eines internationalen und damit wechselkursdeterminierten Portfolio-Modells bedeutet, dass die Investoren die Gewichtung der einzelnen Anlagen entsprechend ihrer erwarteten Renditen für jedes einzelne Wertpapier vornehmen und dabei versuchen, die maximale Portfoliorendite zu erzielen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(F 1) erwartete Portfoliorendite:
Dass in- und ausländische Wertpapiere imperfekte Substitute darstellen resultiert daraus, dass für inländische Anleger die ausländischen Wertpapiere aufgrund ihrer Denomination in Auslandswährung einem Wechselkursrisiko ausgesetzt sind. Dieses Wechselkursrisiko wird in Form von Risikoprämien den ausländischen Wertpapierpreisen zugeschlagen.[21]
[...]
[1] Vgl. www.zukunfteuropa.gv.at zur Gründung der EZB (18.10.03, 11.40 Uhr).
[2] Vgl. Europäische Zentralbank (2000), S. 5, 16, 19, 33 i. V. m. Frenkel/Stadtmann/Pierdzioch (2001), S. 240 ff.
[3] Vgl. Tilch (2000), S. 144 ff.
[4] D. h. eine Betrachtung unter Abwesenheit jeglicher „Störgrößen“ (vgl. Klein, S. 35 f.) und der Annahme der Wirksamkeit aller drei Wirkungskanäle, wie auch dem Vorliegen von rationalem Verhalten der Marktteilnehmer in Hinsicht auf Wechselkursschwankungen.
[5] Vgl. Frenkel/Stadtmann/Pierdzioch (2001), S. 226 f. Da laut Schwartz (2000, S. 2) die Mehrheit der Zentralbankinterventionen auf den Devisenmärkten in Form von Devisenkassamarktinterventionen erfolgt, wird in der folgenden Betrachtung von Zentralbankinterventionen auf den Kredit-, Devisentermin- sowie Devisenoptionsmärkten, wie auch sonstiger „Interventionen“ in Form von institutionellen Regelungen, abgesehen.
[6] Während Tyrell (2003) Zentralbankinterventionen ausschließlich allgemein-politische Motive unterstellt, führen Baillie/Osterberg (1997), S. 909, sowie Baillie / Bollerslev (2000), S. 471 als Motive nur die Wechselkurskorrektur sowie die Wechselkursvolatilitätsbeschränkung auf. Schwartz (2000, S. ii und S. 5 f.) weißt darauf hin, dass heutzutage nur noch die japanische Zentralbank Interventionen mit dem Ziel der relativen Beeinflussung der Wechselkurse durchführt, „alle übrigen [Zentralbanken] haben dieses Instrument zur Wechselkursbeeinflussung aufgegeben“, so Schwartz.
[7] Als Referenzgröße zur Bestimmung des „wahren“ Wertes werden Fundamentaldatenuntersuchungen durchgeführt (nach Frenkel/Stadtmann/Pierdzioch (2001), S. 229, Schwartz (2000), S. 5 ff., sowie Bonser-Neal (1996), S. 850 ff.).
[8] Vgl. Baillie/Bollerslev (1989a), S. 170 ff., Baillie/DeGenaro (1990), S. 204 ff. Nach Bonser-Neal (1996), S. 856 lassen sich folgende drei Kennzeichen unterscheiden, auf die sich die Wechselkursvolatilität auswirkt: (1.) auf die Fundamentaldaten des Marktes, (2.) auf Änderungen in den Erwartungen der Marktteilnehmer und (3.) auf spekulative Mitläufer-Effekte. Vgl. des weiteren Dominguez (1998).
[9] Vgl. Schwartz (2000), S. 5 – 9.
[10] Die in dieser Abbildung fett hervorgehobenen Bezeichnungen für die Formen von Zentralbankinterventionen entsprechen den im weiteren Verlauf dieser Arbeit verwendeten. Alle übrigen sind hier allein aus Gründen der Vollständigkeit aufgeführt.
[11] Nach Schwartz (2000), S. 1 veröffentlichte beispielsweise die Fed seit dem 17. Juni 1998 nur eine Intervention zeitnah, alle übrigen wurden erst durch die Geschäftsberichte (Annual Reports) der Fed mit mehreren Monaten Verzögerung offengelegt. Frenkel/Stadtmann/Pierdzioch (2001), S. 228 ff., 231 i. V. m. Bhattacharya/Weller (1997), S. 271 f. weisen darauf hin, dass gemäß ihrer empirischen Untersuchungen nur stille Interventionen eine maximale Effektivität erreichen können, was wiederum als Grund für die Dominanz von stillen Interventionen gelten kann.
[12] Die Bezeichnung „nationale Intervention“ ist hier nicht mit Ländergrenzen zu verbinden, sondern allein mit Währungsgebieten. So handelt es sich bei nicht-kooperativen Interventionen der EZB ebenfalls um nationale Interventionen, wenngleich die EZB eine supranationale Institution ist.
[13] Vgl. Schwartz (2000), S. 6 ff.
[14] Vgl. Borchet (1998), Frenkel/Stadtmann/Pierdzioch (2001), S. 226 ff; Kompensation durch gleichzeitige Geldmengenvariation. Vgl. auch Humpage/Osterberg (2000).
[15] Da expansive Zentralbankinterventionen auf den Devisenmärkten eine Einschränkung der inländischen Geldmenge nach sich ziehen, wird dieser restriktive Effekt auf die inländische Geldmenge durch Geldmengenerhöhung ausgeglichen/sterilisiert.
[16] Als Beweis gelten die diversen Studien, die die Post-Bretton-Woods-Zeit bzw. das heutige Non-System untersuchen, wie auch die Intervention der EZB im September/November 2000. So äußerte sich beispielsweise Willem Duisenberg als Präsident der EZB am 05.10.2000 nur sehr vage über den tatsächlichen Umfang der September/November-Interventionen und teilte mit: „All the estimates that I have seen reported in the media, ranging from EUR 1,5 billion to EUR 20 billion, are more or less correct.“ (Protokoll: www.ecb.int/key/key.htm, 04.10.2003, 13:14 Uhr).
[17] Nach Bonser-Neal (1996), S. 2 ff. erfolgten diese Interventionen zumeist aufgrund einer gestiegenen Wechselkursvolatilität.
[18] Anteil der USA, Japan und Deutschland an der Internationalen Marktkapitalisierung am 01.10.2002 laut Glaum (2002), S. 5 insgesamt circa 83 %.
[19] Vgl. Schwartz (2000), S. 13 ff. i. V. m. Kirchner (2002). Auf neueste Wirkungskanäle, wie solche, die auf Mikrostrukturveränderungen verweisen wird im folgenden aufgrund der geringen Literaturgrundlage nicht eingegangen.
[20] Bei diesen hier relevanten Wertpapieren handelt es sich meist um festverzinsliche Wertpapieren, welche meist kurz Bonds genannt werden.
[21] Vgl. Sarno/Taylor (2000), S. 843 ff., Schwartz (2000), S. 13, 14, Frenkel/Stadtmann/Pierdzioch (2001), S. 228.
- Quote paper
- Kai Liegl (Author), 2003, Zentralbankinterventionen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117026