Erzähltextanalyse von Theodor Fontanes Effi Briest


Hausarbeit, 2008

14 Seiten, Note: 2,2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.0 Einleitung
1.1 Kurzvorstellung und Rezeptionsgeschichte

2.0 Analyse des Geschehens
2.1 Komplikationen
2.1.2 Auflösungen von Komplikationen
2.2 Rahmenbedingungen der Umstände
2.2.1 Räume
2.2.2 0 Zeitliche Gestaltung
2.2.2.1 Zeitliche Gestaltungsmittel: Rückwendung und Vorausdeutung

3.0 Analyse der Figuren
3.1.0 Komplexität der Figuren
3.1.1 Ein- oder Mehrdimensionalität
3.1.2 Funktion der Figurenmerkmale
3.1.3 Veränderung und Nichtveränderung

4.0 Analyse der Erzählperspektive

5.0 Fazit

Anhang:

6.0 Literaturverzeichnis

1.0 Einleitung

Diese Erzähltextanalyse untersucht am Beispiel von Theodor Fontanes „Effi Briest“ (erschienen 1895) die Semiotik und Struktur der Erzählhandlung dieses Romans.

1.1 Kurzvorstellung und Rezeptionsgeschichte des Romans

Effi Briest gehört zu Fontanes erfolgreichsten Werken, es ist der drittletzte seiner Romane und erschien von Oktober bis 1894 bis März 1895 in der Deutschen Rundschau. Die Erstausgabe erschien im Oktober 1895 im Verlag von Fontanes Sohn: „Friedrich Fontane und Co., Berlin“.[1]

Der Roman ist Liebes- und Eheroman, eine Ehebruchs- und Duellgeschichte. Hauptfigur ist die junge Effi, die noch als halbes Kind mit der ehemaligen Liebschaft ihrer Mutter verheiratet wird. Der Bräutigam Baron von Instetten ist im Gegensatz zu Effi erwachsen und gesellschaftsorientiert, und Effi fühlt sich in ihrem gemeinsamen Haus in Kessin unwohl und verunsichert. Sie wird oft allein gelassen und fürchtet sich vor einem chinesischem Hausgeist. Diese unglücklichen Umstände bringen Effi zum Ehebruch mit dem „Damenmann“ Major Crampas. Das siebte Jahr bringt eine Scheidung mit sich und Effi, der nur das „Kindermädchen“ ihrer Tochter Anni beisteht, wird so krank, dass sie auf ärztlichen Rat in ihr Elternhaus zurückkehren darf, das ihr vorher wegen der Schande verschlossen war. Dort stirbt sie schließlich, (von ihrer Seite aus) mit der Welt versöhnt.

Vielen Romanen Fontanes liegen tatsächliche Begebenheiten zugrunde. Zu Effi Briest wurde der Autor von einem Zeitungsartikel über die Geschichte von Armand und Else Ardenne inspiriert.[2]

Literaturgeschichtlich ist „Effi Briest“ in den deutschen, poetischen Realismus (1848 bis 1890) einzuordnen.

Im Laufe der Hausarbeit werde ich einige analytische Grundbegriffe klären, und unter anderem der Fragestellung nachgehen, ob Fontanes Raum- und Zeitbeschreibungen eine Funktion für die Handlung ausüben und unter welchen weiteren Einflüssen sich die Handlung des Romans ergibt.

2.0 Analyse des Geschehens

Das Geschehen in Fontanes „Effi Briest“, wie in der Einleitung kurz zusammengefasst, umfasst eine Erzählzeit von 12 Jahren.[3]

2.1 Komplikationen – Schädigung oder Mangel?

Handlung werden von dynamischen Situationswechsel ausgemacht.[4] Im Fall von Effi Briest gehen diese dynamischen Situationswechsel meist von eintreffenden Komplikationen aus; deswegen beginnt diese Analyse mit einem genaueren Blick auf diese Komplikationen. Im Laufe dieses Romans treten fünf besonders folgenschwere Komplikationen ein, die ich im Folgenden als entweder Schädigung oder Mangel einzuordnen versuche:

1.) Verfrühte Verlobung aus anderen Gründen als Romantik tritt als ideelle Schädigung auf, da Effi ihrer behüteten Kindheit beraubt wird.(Kapitel 3)
2.) Instetten erweist sich als aufmerksamer, doch gefühlskalter Gatte und Effi beginnt sich zu langweilen und erleidet Heimweh. Diese Komplikation werte ich als Mangel an Wärme. (Kapitel 9)
3.) Komplikation ist hier Crampas´ auf Effi konzentrierte Leidenschaft als Charakterschwäche (im Gesellschaftlichen Sinn) in der Kutsche, sie führt in der Form von ideellem Mangel zum Ehebruch. (Kapitel 19)
4.) Instetten findet die von Crampas an Effi geschriebenen Liebesbriefe. Sein Wissen um den Ehebruch und sein gesellschaftliches Pflichtgefühl lösen hier die Komplikation in Form von einer ideellen Schädigung aus. (Kapitel 27)
5.) Der Umstand, dass Effi aufgrund ihres Missverhaltens von ihrem Mann und ihren Eltern verstoßen wird, macht Effi krank, und ist damit Hauptursache für diese Komplikation, die im letzten Kapitel durch ihren Tod aufgelöst wird. Dieser persönliche Mangel (an Familiärer Zuflucht) wirkt sich bald aus als eine Schädigung ihrer Gesundheit.

Nach Martinez & Scheffel (1999) ergibt sich eine Handlung im engeren Sinne erst, wenn ihre Handlungselemente nicht nur chronologisch, sondern auch nach einer bestimmten Gesetzmäßigkeit der Motivation aufeinander folgen. Es könne drei Arten von Motivierung unterschieden werden: kausale Motivierung, finale Motivierung und kompositorische Motivierung.

Die Verlaufsentscheidenden Komplikationen ordne ich hier der kausalen Motivierung zu, da sie deutlich einer Kausalattribuierung unterliegen.

2.1.2 Auflösungen von Komplikationen:

Nach Betrachtung der Komplikationstypen soll hier nun das Augenmerk auf ihre jeweilige Auflösung gerichtet werden.

Es gibt drei verschiedene Arten, eine Komplikation aufzulösen:

Abwehren / rückgängig machen (was eine positive Auflösung hervorruft), nicht abwehren / nicht rückgängig machen (was eine negative Auflösung hervorruft) oder weder Abwehren / rückgängig machen noch nicht abwehren / nicht rückgängig machen (was eine Auflösung hervorruft, die weder positiv, noch negativ ist). Nach Überprüfung aller fünf Komplikationen ergibt sich, dass sie alle nicht abgewehrt werden (können) und nicht rückgängig gemacht werden (können). Der unabwendbare Niedergang des Glückes der zu Anfang des Romans noch frohgemuten Effi lässt sich auf diese Art leicht seinen Ursprüngen zuordnen.

Die Faktoren für die Komplikationen und ihre Auflösungen sind bis auf die ultimative Auflösung

durch den Tod Effis allesamt gesellschaftlicher oder charakterlicher Natur.

Folgende Liste soll eine einfache Übersicht über die Faktoren für die Komplikationen (K) und ihre Auflösungen (A) ermöglichen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2 Rahmenbedingungen der Umstände – Raum und Zeit

Vierter Punkt der Handlungsanalyse nach Leupner / Saupe ´06 ist eine Betrachtung der Rahmenbedingungen der Umstände: hier liegt der Interessenschwerpunkt bei der Raum- und Zeitfrage, die meines Erachtens einen größeren Teil der Analyse in Anspruch nimmt.

2.2.1 Räume

In welchen Räumen findet die Handlung des Romans Effi Briest statt? Welche Atmosphäre wird dort bzw. dadurch vermittelt? Hier gehe ich der Frage nach, ob Fontanes Art der Beschreibung der Räumlichkeiten eine Funktion erfüllt.

Nach Hillebrand (1971)[5] konzipiert Fontane seine Romane in zwei Phasen, in dem er zuerst den Handlungsraum aufbaut, und dann die Personen hineinstellt. Fontane ist bekannt für seine detailreichen Beschreibungen der Handlungsorte, die große Nähe zwischen Leser und Erzähler ergeben. Der Roman Effi Briest spielt im Wesentlichen an drei Orten: Hohen-Cremmen, Kessin und Berlin. Hohen-Cremmen, das fiktive Dorf in dem Effi ihr Elternhaus hat, wird für sie zum Sehnsuchtsort, zu dem sie sich durch den ganzen Roman hindurch hingezogen fühlt. Kessin ist von Kapitel 6-22 ihr Zuhause, in dem sie als Baronin von Instetten lebt. Dort fällt auch die Entscheidung, nach Berlin zu ziehen, da ihr Mann Geert v. Instetten dort eine Anstellung annimmt. Effi lebt in Berlin insgesamt sieben Jahre, bis die Ehe geschieden wird. Genauer auf die Semiotik der jeweiligen Handlungsräume eingegangen, wird ersichtlich, wie viel Bedeutung für die Handlung sich dort finden lässt.

Das Elternhaus in Hohen-Cremmen beschreibt der Erzähler als sonnig, friedlich und vom Dorf Hohen-Cremmen anscheinend abgegrenzt, da das Haus als von der Dorfstraße, der Kirchhofsmauer mit dem Eisentor und dem Schindelturm umgeben beschrieben wird. Diese Grenzen drücken Idylle und Abgeschiedenheit aus und ergeben eine Hufeisenform, die zum Symbol für Effis Kindheitsglück wird.[6] Sehr viel wichtiger und bedeutungsschwangerer zeigt sich der Garten der Briests; hier steht die Sonnenuhr, die anfangs beschrieben wird und die im letzten Kapitel zu Effis Grabstätte wird. Interpretierend könnte man hier Hinweise zu Vergänglichkeit (Zeit / Uhr) von Leben (Grab) und Glück ( Sonne / Licht) sehen. Der Garten beherbergt auch Effis geliebte Schaukel, die ihr den Namen „Tochter der Luft“ einbrachte. Sie symbolisiert Effis Charakter, denn hier zeigte sie sich immer besonders risikofreudig und dynamisch.[7] Effis Leidenschaft im Bezug auf Freunde und Familie scheint sich auch fast nur in diesem Garten abzuspielen, in dem sich wild der Efeu rankt, sie spielt, turnt und küsst spontan ihre Mutter und Freundinnen.

Der zweite Wohnort in Effis Leben ist die Stadt Kessin, wo sie als Baron Geert von Instettens junge Ehefrau in einem landrätlichen Haus lebt. Zur Stadt Kessin macht der Erzähler weder genauere geografische, noch beschreibende Angaben. Das Haus aber, wird als düster und beengend dargestellt. Im oberen Stockwerk befindet sich ein geheimnisvoller, verschlossener Raum, in dem Effi Spuk vermutet. Instetten vergrößert ihr Unbehagen durch seine Worte: „Hier ist alles unsicher“[8], wobei er sich dabei auf die Bewohner Kessins bezieht.

Die Verschiedenheit und räumliche Distanz der Orte Hohen-Cremmen und Kessin erschweren Effi den Einstieg in einen neuen Lebensabschnitt und machen es ihr unter anderem schließlich unmöglich, sich dort heimisch zu fühlen.

In Berlin sieht Effi hoffnungsvoll einen Neuanfang und eine Auffrischung der Beziehung zu Instetten. Darüber hinaus hofft sie mit Kessin ihre Schuldgefühle wegen des Ehebruchs mit Major Crampas hinter sich lassen zu können. Die Wohnung befindet sich in der zweiten Etage und vom Fenster aus kann man einen Park sehen. Die Berliner Räume haben im Gegensatz zu Kessin mehrere Gemeinsamkeiten mit Hohen-Cremmen; es ist dort freundlich, offen und hell. Faktisch und von außen gesehen sollte man denken, dass Berlin und Hohen-Cremmen wenig Gemeinsamkeiten haben und ein Wohnortswechsel nach Berlin wenig zur Verbesserung von Effis Lage beitragen dürfte. Doch für sie, die ihr Unglück an Kessin mit dem unheimlichen Chinesen und dem ihr gefährlichen Crampas gebunden sieht, wirkt Berlin wie ein Ort der ihr Vergeben und Vergessen verheißt. Noch dazu kommt ihr die Anonymität Berlins als Großstadt entgegen, in der sie (und ihre Geheimnisse) vielleicht zu verschwinden hofft.

Der Leser wird von Effis Aufbruchsstimmung geradezu mitgerissen, sie kann es kaum erwarten nach Berlin zukommen. So sucht sie frühzeitig schon ohne Geert eine Wohnung aus, und verspricht, dass sich alles ändern wird und dass sie nun keine Angst mehr haben wird.

[...]


[1] Aust, Hugo:Theodor Fontane: ein Studienbuch,Tübingen; Basel: Franke,UTB für Wissenschaft, 1998, S. 157

[2] Vgl. Aust, Hugo:Theodor Fontane: ein Studienbuch,Tübingen; Basel: Franke,UTB für Wissenschaft, 1998, S. 157

[3] Vgl.: Aust, Hugo:Theodor Fontane: ein Studienbuch,Tübingen; Basel: Franke,UTB für Wissenschaft, 1998, S. 160

[4] Vgl.: Leupner / Saupe: Erzählungen in Literatur und Medien und ihre Didaktik, Schneider Verlag Hohengehren, Balthmannsweiler 2006, S. 43

[5] Vgl: Hillebrand, Bruno: Mensch und Raum im Roman. Studien zu Keller, Stifter, Fontane. München 1971, S. 16f.

[6] Vgl. Fontane, Effi Briest, Philipp Reclam jun. GmbH und Co., Stuttgart 2002, S. 5

[7] Vgl. Fontane, Effi Briest, Philipp Reclam jun. GmbH und Co., Stuttgart 2002, S. 132

[8] Fontane, Effi Briest, Philipp Reclam jun. GmbH und Co., Stuttgart 2002, S. 48

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Erzähltextanalyse von Theodor Fontanes Effi Briest
Hochschule
Universität Lüneburg
Veranstaltung
Fontane-Seminar
Note
2,2
Autor
Jahr
2008
Seiten
14
Katalognummer
V117206
ISBN (eBook)
9783640195695
ISBN (Buch)
9783640195817
Dateigröße
430 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erzähltextanalyse, Theodor, Fontanes, Effi, Briest, Fontane-Seminar
Arbeit zitieren
Julianna Alberty (Autor:in), 2008, Erzähltextanalyse von Theodor Fontanes Effi Briest, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117206

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