Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Entwicklung der Wahrnehmung
2.1 Der Wahrnehmungsentwicklungsprozess
2.2 Störungen in der Wahrnehmung
2.2.1 AD(H)S als Wahrnehmungsstörung
2.2.2 Das Mehrperspektivenraster
3 Die sensorische Entwicklung in der frühen Kindheit
3.1 Sensorische Integrationsstörungen
4 Emotionale und soziale Entwicklung sowie Motivation
5 Die Bindung, Bindungstheorie
5.1 Bindungsstörungen
6 Zusammenhang Bindung und Bildung
7 Schlussfolgerungen für »P.«
8 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
In diesem Reflexionsbericht befasse ich mich mit den Grundlagen der Entwicklungspsychologie. Auf Grund der begrenzten Seitenanzahl habe ich mich auf bestimmte Themenbereiche beschränkt und diese jeweils kurz aufgeführt.
Zu Beginn führe ich den Wahrnehmungsentwicklungsprozess detailliert auf. Im Kontext der Wahrnehmung verschriftliche ich ebenfalls die dazugehörigen Störungen, speziell das Aufmerksamkeits – Defizit – (Hyperaktivitäts-) Syndrom „AD(H)S“ unter Heranziehung eines Mehrperspektivenrasters. Diese Methode ist aus dem Bereich der sozialen Einzelfallhilfe und verdeutlicht die unterschiedlichen Sichtweisen aller beteiligten Personen in einer vergangenen Situation. Im Punkt zwei beschreibe ich die sensorische Entwicklung in der frühen Kindheit und mögliche sensorische Integrationsstörungen. Im mittleren Abschnitt des Reflexionsberichtes geht es sowohl um die emotionale und soziale Entwicklung als auch um Motivation. Zum Abschluss beschäftige ich mich zum einen mit der Bindung im Allgemeinen, mit der Bindungstheorie und den Bindungsstörungen und des Weiteren mit der Bindung im Zusammenhang mit Bildung.
Alle theoretischen Auffassungen werden mit praktischen Beispielen von „E.“ oder „P.“ untermauert. Ich beobachtete die zwei Kinder über einen längeren Zeitraum und fokussierte mich dabei auf die oben genannten Gliederungspunkte. Ich entschied mich deshalb für ein weiteres, unabhängiges Kind – „E.“ – um kontrahäre Fähigkeiten und Eigenschaften, speziell im Bereich der Bindung, aufzuzeigen und die Bedürftigkeit bzw. die Defizite von „P.“ zu verdeutlichen.
2 Die Entwicklung der Wahrnehmung
Wahrnehmung bedeutet zum einen die Aufnahme von Informationen über die Sinnesorgane, wobei die Informationen aus der Umwelt oder dem Körperinneren stammen, und zum anderen die Verarbeitung der aufgenommenen Reize im menschlichen Organismus (Hobmair, 2003, S. 85). Mit seinen rund hundert Milliarden Nervenzellen bildet das Nervensystem die stoffliche Grundlage aller psychischen Prozesse, steuert die Lebensvorgänge und stellt den Vermittler zur Umwelt dar, indem es bestimmte Reize aufnimmt, auswertet und teilweise speichert (ebd.). Als Antwort auf den Reiz entwickelt das Nervensystem eine Reaktion in Form eines bestimmten Erlebens und Verhaltens (ebd.).
2.1 Der Wahrnehmungsentwicklungsprozess
Über die fünf Sinnesorgane des Menschen werden bestimmte Reize einerseits über die Umwelt aufgenommen, beispielsweise in Form von Geräuschen oder Gerüchen und andererseits erfolgt die Reizaufnahme aus dem Körperinneren, beispielsweise in Form von Schmerz (ebd.). Die fünf Sinnesorgane verfügen über bestimmte Sinneszellen, die sogenannten Rezeptoren, die für Aufnahme und Verarbeitung der Reize zuständig sind (Dietrich, Fröhlich, Herrmann, 2018, S. 104). Die Rezeptoren wandeln aufgenommene Reize in elektrische Impulse um und erzeugen dabei unterschiedliche Impulse in den jeweiligen Sinnesorganen (ebd.). Die Folge der Einwirkung eines Reizes auf ein Sinnesorgan ist die Empfindung, welche unterschiedlich stark und schwach ausfallen kann: Es gibt eine absolute Schwelle der Wahrnehmung, das heißt, dass Reize eine bestimmte Intensität aufweisen müssen, damit eine Wahrnehmung überhaupt stattfinden kann (Hobmair, 2003, S. 86). Diese absolute Schwelle muss überschritten werden, damit die Impulse über afferente Nervenfasern durch das Rückenmark an das Gehirn weitergeleitet werden können (ebd.). Die gewonnen Informationen gelangen zuerst ins Stammhirn, welches die Reize vergleicht und verschaltet – anschließend werden die bedeutungsvollen Informationen an dem im Zwischenhirn gelegenen Thalamus übermittelt (Dietrich, Fröhlich, Herrmann, 2018, S. 104). Dort werden die Sinnesreize als bedeutsam oder unwichtig eingestuft, wobei die bedeutsamen Reize durch vegetative Prozesse beantwortet, zum Großhirn übermittelt und dort bewusst wahrgenommen werden (ebd., S. 105). Das limbische System bewertet die Reize emotional, gleicht sie mit gemachten Erfahrungen ab und speichert und verarbeitet sie im Kortex (ebd.). Erfolgt dabei eine Reizreaktion, so wird diese über die efferenten Nervenfasern weitergeleitet und äußert sich beispielsweise in Form einer motorischen Handlung (ebd.).
Die Reizweiterleitung von der Aufnahme bis hin zur Reaktion erfolgt über Nervenzellen, die Neuronen (Coenen, 2020, o.S.). Jedes Neuron besteht aus einem Zellkörper mit einem Zellkern, aus Dendriten und Axonen (ebd.). Dendriten sind Ausläufer einer Nervenzelle, auf denen alle Informationen der Axone vieler anderer Nervenzellen gesammelt und miteinander verrechnet werden (ebd.). Das Axon ist der Ausläufer einer Nervenzelle, die in einer oder mehreren Synapsen endet (ebd.). Die Synapse ist die Kontaktstelle zwischen zwei Nervenzellen und der Umwandlungsort vom elektrischen zum chemischen Signal (ebd.). Über dem synaptischen Spalt, der das Endköpfchen vom Dendriten der Empfängerzelle trennt, entleert sich das Endköpfchen bei Ankunft des elektrischen Signals und setzt Neurotransmitter, beispielsweise Dopamin, Serotonin, Gamma – Amino – Buttersäure GABA frei (ebd.). Diese Neuro-transmitter verstärken oder hemmen die Weiterleitung der Information (ebd.).
2.2 Störungen in der Wahrnehmung
„Von Wahrnehmungsstörung spricht man, wenn die Wahrnehmungsfähigkeit eines Menschen eingeschränkt ist“ (Hobmair, 2003, S. 104). Wahrnehmungsstörungen können sowohl kurzzeitig als auch lebenslang vorhanden sein (ebd.). Mögliche Ursachen für Wahrnehmungsstörungen können organische Schäden, zum Beispiel Schädigungen an Sinnesorganen oder des Nervensystems, sein (ebd., S. 105). Weiterhin können Störungen in der Wahrnehmung durch einen extremen Reizmangel entstehen, das heißt, dass ein länger andauernder Reizentzug psychische Veränderungen und Wahrnehmungsstörungen mit sich bringen kann (ebd.). Zwei weitere Gründe sind die Einnahme von Drogen und Ausnahmezustände, in denen ein Mensch beispielsweise besonders viel Freude, Angst oder Trauer verspürt (ebd.).
2.2.1 AD(H)S als Wahrnehmungsstörung
AD(H)S steht im deutschsprachigen Raum für ein Aufmerksamkeits – Defizit – (Hyperaktivitäts-) Syndrom bzw. für eine Aufmerksamkeits – Defizit – (Hyperaktivitäts-) Störung (Emmerich, Lex – Kachel, Oberhauser 2007, S. 14). Die Aufmerksamkeitsstörung tritt nicht immer mit einer Hyperaktivität auf, weshalb sie in Klammern gesetzt wird (ebd.). Häufige Symptome sind Unaufmerksamkeit, Unkonzentriertheit, Impulsivität und Unruhe (Ettrich, Murphy – Witt 2007, S. 11).
Bei AD(H)S – Kindern wurde eine verminderte Leistung in der Frontalregion des Großhirns, welche für die Steuerung bzw. die Verhaltenskontrolle zuständig ist, festgestellt (Lauth, Schlottke, Naumann 2007, S. 52). Mit Hilfe von bildgebenden Untersuchungsmethoden, z.B. der Positron – Emissions – Tomographie oder der regionalen Hirndurchblutungsmessung wurde ersichtlich, dass bei AD(H)S – Betroffenen eine verminderte Durchblutung sowie eine Glucoseunterversorgung in bestimmten Hirnarealen besteht und diese Minderleistung zur Folge hat (Farnkopf 2002, S. 23). Da die gehemmte Steuerung und Regulierung im Zusammenhang mit der unzureichenden Verfügbarkeit der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin steht, wird das Krankheitsbild als eine Dysregulation von Neurotransmittern angesehen (Lauth, Schlottke, Naumann 2007, S. 55).
2.2.2 Das Mehrperspektivenraster
Im Rahmen meiner Unterrichtsbeteiligung in der 1. Klasse konnte ich mit Hilfe meiner Beobachtungen ein Mehrperspektivenraster erstellen: Das Mehrperspektivenraster stellt die Problemsichten aller fallbeteiligten Personen und Institutionen dar (Teumer, 2020, o.S.) Das Raster wird unter der Frage „Wie können Sie Ihr Problem lösen, wenn die Anderen die Lage so sehen, wie Sie sie aktuell sehen?“ mit oder ohne den Klient bearbeitet (ebd.). Anhand des folgenden Beispiels, wird das Mehrperspektivenraster veranschaulicht:
Lehrerin: „P.! Hör endlich auf deine Nachbarin zu ärgern und konzentriere dich auf deine Aufgabe! Du hast noch nicht mal dein Arbeitsheft auf dem Tisch liegen – andere Kinder sind schon fast fertig mit ihrer Aufgabe! Wie willst du das in der verbleibenden Zeit noch alles schaffen? Das musst du wohl alles zuhause machen!
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