Politische Bildung im Orientierungskurs. Explorative Fallstudie zur Verbesserung der Didaktisierung im DaF-Unterricht


Masterarbeit, 2019

119 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Danksagung

Abkürzungsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

1 Politische Bildung
1.1 Was ist politische Erwachsenen- und Jugendbildung?
1.2 Bedeutung und Ziele der politischen Bildung für MigrantInnen
1.2.1 Integration durch soziale, kulturelle und politische Teilhabe
1.2.2 Demokratie- und Wertevermittlung
1.3 Aufgaben, Ziele und Methoden der politischen Erwachsenenbildung für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund
1.3.1 Aufgaben und Ziele der politischen Erwachsenenbildung
1.3.2 Methoden der politischen Erwachsenenbildung
1.4 Grundprinzipien der politischen Bildung im Orientierungskurs (BAMF) ausgehend von politischer Erwachsenenbildung für MigrantInnen

2 Der Orientierungskurs
2.1 Begriffsbestimmung und Vorgaben
2.2 BAMF-Curriculum (2017)
2.2.1 Übergeordnete Zielsetzungen und Lernzielkomponenten des Orientierungskurses
2.2.2 Aufbau des Curriculums
2.3 Inhalt des Orientierungskurses
2.3.1 Modul I: Politik in der Demokratie
2.3.2 Modul II: Geschichte und Verantwortung
2.3.3 Modul III: Mensch und Gesellschaft
2.3.4 Analyse der Module
2.4 Voraussetzungen der TeilnehmerInnen
2.5 Zusatzqualifikationen der Lehrkräfte und Unterrichtsmaterialen
2.5.1 Die Leitziele der Zusatzqualifikationen der Lehrkräfte
2.5.2 Methodische Gestaltung und Inhaltliche Leitlinien des BAMF zum Orientierungskurs
2.5.3 Unterrichtsmaterialen
2.6 Kritische Untersuchung der Didaktisierung von Orientierungskursen in Deutschland mithilfe von Pilotprojekten und Forschungsdaten
2.6.1 Typen von Orientierungskursen in Bezug auf durchgeführte Pilotprojekte in Deutschland
2.6.2 Die Debatte um die Politikdidaktik bei Zuwanderern
2.6.3 Auswertung der empirischen Daten
2.6.4 Einschätzung des Orientierungskurses durch die Lehrkräfte in Bezug auf Handlungsbedingungen
2.6.5 Lehr- und Lernziele der KlassenleiterInnen der vier Orientierungskurse und biographische Gründe für die Präferenz von Lehrzielen
2.6.6 Interkulturelle Kompetenz als Lehr- und Lernziel in den Orientierungskursen
2.6.7 Problemfelder im Orientierungskurs
2.6.8 Vorschläge für eine bessere Didaktisierung der Orientierungskurse
2.6.9 Selbstreflexion zu den Beiträgen von Hentges und Hartkopf
2.7 Ausgestaltung des Orientierungskurses nach Reform der Integrationskursverordnung 2007

3. Test „Leben in Deutschland“ (LID)
3.1 Entstehung
3.2 Aufbau
3.3 Analyse des Fragenkatalogs
3.3.1 Fragenkatalog zum Modul I
3.3.2 Fragenkatalog zum Modul II
3.3.3 Fragenkatalog zum Modul III
3.4 Bewertung des Tests und der AbsolventInnen

4. Empirische Untersuchung
4.1 Methodisches Vorgehen
4.1.1 Unterrichtsbeobachtung
4.1.2 Befragung
4.2 Durchführung der Fallstudie
4.2.1 Unterrichtsbeobachtung
4.2.1.1 Hospitation im Orientierungskurs
4.2.1.2 Gestaltung des Workshops „Geflüchtete und Demokratie“
4.2.2 Interviews zum Orientierungskurs
4.2.3 Probetest: „Leben in Deutschland“ (LID)
4.2.4 Grundrechte-Spiel
4.3 Ergebnisse der Fallstudie
4.3.1 Qualitative Inhaltsanalyse
4.3.2 Auswertung der Daten

5 Verbesserungsvorschläge für die Didaktisierung des Orientierungskurses

6 Zusammenfassung und Fazit

7 Literaturverzeichnis

8. Anhang und Verschriftlichung der Interviews
8.1 Präsentation des Workshops „Geflüchtete und Demokratie“:
8.2 19 gute Gründe für die Demokratie
8.3 Modelltest „Leben in Deutschland“ mit Bewertungsschlüssel
8.4 Verschriftlichung der Interviews

Danksagung

Diese Arbeit reflektiert mein persönliches Interesse an Forschung und wissenschaftlichem Arbeiten in den Bereichen Deutsch als Fremdsprache sowie Politische Bildung. Daher möchte ich meinen Eltern, die mich immer beim Lernen fördern, danken. Ich bedanke mich auch bei meinem Mann und meinen Kindern Ali und Amr, die auf diese Arbeit stolz sind. Darüber hinaus bedanke ich mich bei Dr. Roland Löffler, Direktor der Sächsischen Landeszentrale für Politische Bildung, der mir die Chance gegeben hat, einen sinnvoll strukturierten Workshop „Geflüchtete und Demokratie“ zur Erhebung der empirischen Daten in der Arbeit zu gestalten. Ein Dankeschön geht auch an Frau Karin Pritzel, Geschäftsführerin des Herbert Wehner Bildungswerks, die das im Workshop verwendete Memory-Spiel (Grundrechte-Spiel) entwickelt und mir zur Verfügung gestellt hat. Für die Offenheit und weitere Erklärungen bei den geführten Interviews mit der Lehrkraft und den TeilnehmerInnen des Orientierungskurses, in dem ich hospitiert habe, bedanke ich mich sehr.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vorwort

Heutzutage gilt das Thema „Migration und Flüchtlinge“ als eine der wichtigsten Fragen, mit der sich viele Studien beschäftigen. In diesen wissenschaftlichen Untersuchungen sind meistens folgende Fragen zentral: Wie können die MigrantInnen und Flüchtlinge in die deutsche Gesellschaft integriert werden? Wie können sie mit ihrem Migrationshintergrund in Deutschland leben, bzw. die deutsche Geschichte, Kultur und Politik gut verstehen, damit Missverständnisse vermieden werden können? In diesem Rahmen bietet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (das BAMF) Integrationskurse an, die den MigrantInnen und Flüchtlingen helfen sollen, nicht nur Informationen über die geschichtlichen, kulturellen, familiären und politischen Konzepte in Deutschland zu erhalten, sondern diese Konzepte auch gut zu verstehen und im Alltagsleben in der Kommunikation mit anderen zu berücksichtigen. Das Ziel der Integrationskurse ist die Integration, interkulturelles Lernen und Vermeidung von Konflikten im Hinblick auf die Verschiedenheit der Kulturen und die unterschiedlichen Migrationshintergründe in Deutschland. Der Orientierungskurs ist ein Bestandteil der Integrationskurse, die BAMF den MigrantInnen und Flüchtlingen anbietet.

Um die Hintergründe von MigrantInnen besser verstehen zu können, sind neben einer Hospitation im Orientierungskurs an verschiedenen Institutionen weitere wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Kurs - insbesondere zur Abschlussprüfung „Leben in Deutschland“ (LID) - ein wichtiger Schritt, um die Ziele der Einbürgerung, Integration und des interkulturellen Lernens der MigrantInnen in Deutschland besser ermöglichen zu können. Durch Hospitationen wird auch deutlich, dass das Ziel des Orientierungskurses von den TeilnehmerInnen nicht immer erreicht wird. Die Module des Orientierungskurses (Politik in der Demokratie, Geschichte und Verantwortung, Familie und Gesellschaft), die im Kurs vermittelt werden, unterscheiden sich in ihren Anforderungen an die DaF/DaZ-Lerner. Einige Themen sind besonders schwierig zu verstehen und anzuwenden. Nach dem BAMF Curriculum (April 2017) ist es erforderlich, dass die KursteilnehmerInnen nicht nur Kenntnisse über die unterrichteten Inhalte erwerben, sondern diese auch verstehen und analysieren können. Diese Arbeit verfolgt daher das Ziel, mögliche Verbesserungen der Didaktisierung von Kurs-Modulen durch unterschiedliche Methoden aufzuzeigen. Der Fokus liegt dabei auf dem Modul „Politik in der Demokratie“, da es entsprechend des Beobachtungsprotokolls als das am schwierigsten zu verstehende Modul wahrgenommen wird. In dieser Arbeit soll untersucht werden, wie die Ziele des Orientierungskurses nach BAMF (April 2017) im Hinblick auf Methoden, Aufgaben und Ziele der politischen Bildung, bzw. im Hinblick auf das Sprachniveau der KursteilnehmerInnen (MigrantInnen und 6

Flüchtlinge) erreicht werden können. In dieser Arbeit soll mithilfe einer explorativen Fallstudie gezeigt werden, wie eine bessere Didaktisierung des Modules „Politik in der Demokratie“ unter Berücksichtigung von Erkenntnissen aus der Politikwissenschaft entwickelt werden kann.

In Bezug auf die Grundprinzipien der politischen Bildung und die Ziele des Orientierungskurses nach BAMF (April 2017) wird in dieser Arbeit auch untersucht, wie eine bessere Vermittlung der Kenntnisse über Rechte und Pflichten in Deutschland bzw. das Verständnis und eine positive Bewertung des deutschen Staatswesens durch den Orientierungskurs und seine Abschlussprüfung „Leben in Deutschland“ (LID) erreicht werden kann.

Einleitung

Mit einer qualitativen Untersuchung der empirischen Daten, die vom Orientierungskurs und seiner Abschlussprüfung erhoben wurden, drängen sich zwei essentielle Fragen in den Vordergrund: Wie kann man die Ziele des Orientierungskurses und seiner Abschlussprüfung nach BAMF (April 2017) erreichen? Wie können politische und kulturelle Konzepte im Orientierungskurs besser und auf ganz neue Weise unter Einbezug von Erkenntnissen der politischen Bildung didaktisiert werden, damit die KursteilnehmerInnen ein interkulturelles Verständnis entwickeln und die behandelten Konzepte positiv bewerten können?

Um diese Fragen zu beantworten, werden in dieser Arbeit einerseits Ergebnisse des Beobachtungsprotokolls als Grundlage für die Verbesserung der Didaktisierungsmethoden im Orientierungskurs untersucht, wobei das Verständnis von politischen und kulturellen Konzepten im Unterricht ein zentrales Ziel darstellt. Andererseits sollen Methoden, Aufgaben und Ziele der politischen Bildung für die KursteilnehmerInnen mit und ohne Migrationshintergrund als weitere Grundlage der Arbeit dargestellt werden. Die Arbeit verfolgt somit zwei Ziele: Erstens sollen die empirischen Daten, die im Beobachtungsprotokoll zum Orientierungskurs an verschiedenen Sprachinstitutionen festgehalten wurden, analysiert werden. Zweitens sollen von den Ergebnissen dieser Analyse ausgehend Vorschläge zur Entwicklung einer verbesserten Didaktisierung der politischen und kulturellen Konzepte in Bezug auf die Grundprinzipien der politischen Bildung des BAMFs (April 2017) und unter Einbezug von Erkenntnissen aus der Politikwissenschaft dargeboten werden.

Diese Arbeit stellt eine qualitative Untersuchung dar, die sich auf empirische Daten stützt. Dabei wurden drei Methoden für die Untersuchung gewählt: Zuerst wurden Interviews mit der Lehrkraft und den TeilnehmerInnen des Orientierungskurses geführt. Auf diese Weise konnten Schwierigkeiten der KursteilnehmerInnen sowie der Lehrkraft in Erfahrung gebracht werden. Im zweiten Schritt wurde ein Probetest (LID) für die KursteilnehmerInnen angeboten. Dadurch konnte den TeilnehmerInnen die Anforderungen des zu erreichenden Zieles aufgezeigt und zugleich Verständnisprobleme bei den einzelnen Modulen des Orientierungskurses oder in Bezug auf die Fragestellungen identifiziert werden. Auf diese Weise wurden auch die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade der Module ersichtlich, sodass darauf aufbauend eine verbesserte Didaktisierung im DaF-Unterricht erarbeitet werden kann. Zuletzt wurde ein Workshop für MigrantInnen in Zusammenarbeit mit politischen Institutionen und Fachpersonal aus der Didaktik der politischen Bildung gestaltet, in dem

wichtige politische und kulturelle Themen, wie Demokratie und Wertevermittlung sowie Grundrechte im Grundgesetz von Deutschland, mithilfe der didaktischen Methoden der politischen Bildung didaktisiert wurden. Diese Themen werden auch als ein Teil der Lehr- und Lernziele im Orientierungskurs vermittelt und didaktisiert. Dadurch wird festgestellt, ob politische und kulturelle Themen des Orientierungskurses mithilfe der verwendeten didaktischen Methoden der politischen Bildung besser didaktisiert sind (Ziel der Arbeit) und inwiefern die Lehr- und Lernziele des Orientierungskurses nach BAMF (2017) mithilfe der politischen didaktischen Methoden erreicht werden.

Die Analyse und Auswertung der Ergebnisse dieser qualitativen Untersuchung führen zu der Frage: Welche Konzepte können im Unterricht besser didaktisiert werden und wie kann diese Verbesserung der Didaktisierung konkret aussehen?

Die Arbeit untergliedert sich in zwei Teile: Im ersten Teil werden theoretische Grundlagen dargestellt, um im zweiten Teil die qualitative Untersuchung des Orientierungskurses durchzuführen. Im theoretischen Teil wird ein Abriss über die politische Bildung für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in Deutschland gegeben sowie kritische Ansichten bezüglich des Orientierungskurses und seiner Abschlussprüfung „Leben in Deutschland“ Test (LID) beleuchtet. Im zweiten Teil werden die empirischen Daten aus dem erstellten Beobachtungsprotokoll des Orientierungskurses analysiert und ausgewertet, um Antworten auf die Fragestellung dieser Arbeit zu finden.

Im ersten Kapitel liegt der Fokus auf politischer Bildung. Hier werden folgenden Fragen beantwortet: Was bedeutet politische Bildung für MigrantInnen? Welche Ziele, Aufgaben und Methoden hat die politische Bildung für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund? Welche Ziele und Methoden hat die politische Bildung für Personen insbesondere mit Migrationshintergrund? Welche Grundprinzipien der politischen Bildung werden im Orientierungskurs (BAMF) umgesetzt?

Im zweiten Kapitel wird der Orientierungskurs als ein Bestandteil der Integrationskurse und als ein neues Mittel zur Aushandlung von Kultur vorgestellt. Dabei werden auch kritische Positionen dargestellt sowie Inhalte und Ziele des Kurses erklärt. Des Weiteren werden die Lernzielkompetenzen des Orientierungskurses nach dem Curriculum des BAMF (April 2017) erläutert. Kritisch untersucht wird, inwieweit der Kurs die TeilnehmerInnen zum Ziel des Bestehens der Abschlussprüfung LID führen kann. In diesem Zusammenhang wird auch die Ausgestaltung des Orientierungskurses beleuchtet und die drei Module kurz vorgestellt. Diese werden analysiert, um im weiteren Verlauf der Arbeit auf Schwierigkeiten bezüglich der 9

Inhalte und deren Vermittlung eingehen zu können. Anschließend wird auf die TeilnehmerInnen und AbsolventInnen des Orientierungskurses eingegangen, auf die die Vermittlung der Inhalte abgestimmt werden muss.

Im dritten Kapitel wird der „Leben in Deutschland“ Test (LID) als die Abschlussprüfung des Orientierungskurses vorgestellt. Dabei werden Entstehung und Aufbau des Tests erläutert und anschließend der Fragebogen des Tests analysiert und der Test sowie die AbsolventInnen bewertet.

Im vierten Kapitel wird die Methodik der qualitativen Forschung erläutert. Dabei wird die Entscheidung für das methodische Vorgehen sowie dessen Durchführung beschrieben. Anschließend werden die Ergebnisse der qualitativen Forschung und der empirischen Daten dargestellt. In diesem Zusammenhang findet eine qualitative Analyse und Auswertung der Daten statt.

Im fünften und letzten Kapitel werden begründete Vorschläge für eine Verbesserung der Didaktisierung der politischen und kulturellen Konzepte auf der Grundlage der Grundprinzipien der politischen Bildung des BAMFs und unter Einbezug von Erkenntnissen aus der Politikwissenschaft angebracht. Diese Vorschläge stellen das Ergebnis des Beobachtungsprotokolls und das Ziel der Arbeit dar.

Abschließend wird eine Zusammenfassung für die Problematik, Methoden und Ziele der Arbeit gezeigt, wobei Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchungen in der Arbeit dargestellt werden. In dieser Arbeit liegt der Fokus auf einer verbesserten Vermittlung für Module des Orientierungskurses, insbesondere das Modul I „Politik in der Demokratie“ sowie Modul II „Geschichte und Verantwortung“, in Bezug auf Methoden und Ziele der politischen Bildung für MigrantInnen bzw. unter Einbezug von Erkenntnissen der Politikwissenschaften, damit die Ziele des Kurses nach BAMF (April 2017) erreicht werden können.

1 Politische Bildung

Politische Bildung basiert auf der Mündigkeit des Menschen und fördert die Urteilskraft des demokratischen Souveräns. Sie verbessert die Orientierungsfähigkeit in der sozialen Welt. Sie entwickelt die Urteils- und Kritikfähigkeit gegenüber gesellschaftlichen Phänomenen. Sie befördert die Kompetenzen zur politischen Partizipation und zum bürgerschaftlichen Engagement. Diese Intentionen sind normativ grundsätzlich positiv besetzt. (Sander et al., 2016: 7)

Ausgehend von dieser Definition ist politische Bildung mit dem Ziel dieser Arbeit eng verbunden. Politische Bildung basiert nicht nur auf Theorie, sondern auf einem Austausch von Theorie und Praxis. Die Didaktisierung des Orientierungskurses zur politischen Erwachsenen- und Jugendbildung wird wie folgt dargestellt:

Der Orientierungskurs für den Eltern-, Frauen- und Jugendintegrationskurs sowie für den Förderkurs entspricht hinsichtlich der Lernziele und Inhalte dem Orientierungskurs des allgemeinen Integrationskurses. Die Teilnehmenden aller Kurse für spezielle Zielgruppen (sowohl Eltern-, Frauen- und Jugendintegrationkurs als auch Förder-, Alphabetisierungs- und Zweitschriftlernerkurs) nehmen am standardisierten Testverfahren teil. In allen Orientierungskursen sollen, soweit eine hinreichende Anzahl junger Menschen (bis 27 Jahre) teilnimmt, bei der Wahl der Unterrichtsmaterialen und Methoden jugendspezifische Interessen und Bedarfe Berücksichtigung finden. In Jugendintegrationskursen muss dies erfolgen. (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2017: 19)

Im Folgenden wird dargestellt, wie die politische Erwachsenen- und Jugendbildung definiert werden.

1.1 Was ist politische Erwachsenen- und Jugendbildung?

Die politische Erwachsenenbildung ist ein Teil der allgemeinen Erwachsenenbildung. Eine Vielzahl von Institutionen ist für die Organisation der politischen Erwachsenenbildung zuständig. Die politische Erwachsenenbildung ist an Menschen, die in einem Alter sind, in dem sie ihre schulische Ausbildung beendet haben, adressiert (Vgl. Hufer, 2016: 20).

Die politische Jugendbildung ist außerhalb der Schule in einem sehr heterogenen Handlungsfeld situiert und findet an unterschiedlichen Lernorten als ein Teil der außerschulischen Jugendbildung statt. Die politische Jugendbildung richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene (ebd.).

Hufer (2016) definiert politische Bildung folgendermaßen:

Politische Bildung ist das Gegenteil von Agitation, Indoktrination und Manipulation. Bei diesen Formen der politischen Beeinflussung geht es um Fremdbestimmung und darum, bei anderen eine für richtig gehaltene Meinung zu erzwingen. Dagegen sind und bleiben Mündigkeit und Selbstbestimmung die unverzichtbaren Prinzipien von politischer Bildung. (ebd.: 83)

Dabei muss die politische Bildung füe eine demokratische Gesellschaft demokratische Lehr- und Lernformen praktizieren. Die politische Erwachsenenbildung basiert nicht auf einem festen Lehrplan, sondern auf Orientierung an den Lerninteressen, Bedürfnissen und Voraussetzungen der TeilnehmerInnen (vgl. ebd.). Hier wird auch deutlich, dass politische Bildung in die Praxis umgesetzt werden muss, deswegen gibt es eine Übereinkunft, die von allen VertreterInnen der politischen Bildung vertreten wird. Diese Übereinkunft ist der sogenannte Beutelsbacher Konsens, der im Folgendem beleuchtet wird (vgl. ebd.: 89).

Der Beutelsbacher Konsens

Beutelsbach bezieht sich auf den baden-württembergischen Ort, an dem sich im Jahr 1976 einige Fachdidaktiker mit unterschiedlichen Vorstellungen getroffen haben, um einen gemeinsamen Nenner bezüglich der Anforderungen an politische Bildung zu finden. Dabei wurden drei Grundprinzipien für politische Bildung formuliert (vgl. ebd.: 90):

„1. Überwältigungsverbot. Es ist nicht erlaubt, den Schüler - mit welchen Mitteln auch immer - im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der, Gewinnung eines selbständigen Urteils' zu hindern. [...]
2. Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen. [.]
3. Der Schüler muss in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und eigene Interessenlage zu analysieren sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen. [.]“ (ebd.).

Angesichts dieser drei Konsensmerkmale ergeben sich folgende Implikationen für die politische Erwachsenenbildung (vgl. ebd.):

- 1) die Legitimation der politischen Bildung entgegen eventueller Versuche von Trägervertretern und Bildungspolitikern, die Bildungsarbeit zu instrumentalisieren und nach parteipolitischen oder weltanschaulichen Vorstellungen auszurichten (Überwältigungsverbot)
- 2) die Wahrung pluraler Meinungsvielfalt, um im Sinne der Teilnehmerorientierung auch eine offene und kontroverse Diskussion zu ermöglichen (Kontroversitätsgebot)
- 3) die Parteinahme und Handlungsorientierung als politisch-bildnerisches Prinzip (Analyse der Situation und Beeinflussung der politischen Lage)

Analyse der drei Grundprinzipien des Beutelsbacher Konsens

1. Überwältigungsverbot

Daraus ergibt sich für die Schüler die Möglichkeit, ihre verschiedenen Meinungen innerhalb eines dialogischen Verfahrens auszuarbeiten. Für die Unterrichtspraxis bedeutet das eine unbedingte Transparenz der Inhalte bei der Bearbeitung der Lehrinhalte. Eines muss allerdings kritisch angemerkt werden: Demokratisierung bedarf einer Möglichkeit zur freien Urteilsbildung, die in Form der politischen Bildung im Unterricht existiert. Auf keinen Fall dürfen an dieser Stelle demokratische Werte gefährdet werden. Politische Analyse führt zur Wertebildung und -vermittlung. Eine rationale und kritische Urteilsbildung ist mit dem Umgang mit Fakten und einer dialogischen Auseinandersetzung mit Meinungsvielfalt verbunden (vgl. Schumacher, 2007).

2. Kontroversität

Hier stellt sich die Frage nach Ausschließung von Indoktrination. Herbert Schneider macht darauf aufmerksam, dass es für den Lehrer sehr schwierig ist, die Kontroversen aller politischen Themen auszuarbeiten. Bei allen kritischen Anmerkungen und Bedenken gebietet das Kontroversitätsgebot im Unterricht die gemeinsame Ausarbeitung von unterschiedlichen Lösungswegen für politische Probleme (vgl. ebd.).

3. Interessenlage des Lerners

Dieses Prinzip beruht auf der Beziehung von Lehrer und Lerner. Eine gute Beziehung zwischen Lehrer und Lernern ermöglicht es, das Interesse am Unterricht und an den Themen zu wecken. Der Lerner kann aus der politischen Perspektive eigene Interessenlagen entwickeln. Darüber hinaus können Fähigkeiten des Lerners vermittelt werden. In diesem Zusammenhang fordert Herbert Schneider eine Ergänzung des dritten Beutelsbacher Grundsatzes. Er betont, dass Individualisierung im Unterricht berücksichtigt werden sollte. Die Konzentration auf Eigeninteresse führt zur Sozialverantwortung der Lerner (vgl. ebd.).

Nach Faulstich besteht in diesem Zusammenhang die Chance, dass Jugendliche und Erwachsene politische Prozesse nicht als fremd wahrnehmen, sondern diese Prozesse mit den eigenen Lebensinteressen verbunden sehen (vgl. ebd.: 102). Darüber hinaus kann die politische Bildung, nach Friedenthal-Haase, positiv bewertet werden, wenn sie dem Beutelsbacher Konsens folgt. Die politische Bildung ist eine weltweit orientierte Schule des politischen Denkens und Urteilens in der Demokratie. Dabei kann politische Bildung das lebhafte Interesse für Politik wecken und zu weiterer freier politischer Selbstbildung anregen sowie diese vertiefen. Politische Bildung will Wahrhaftigkeit, Redlichkeit und Achtung vor der individuellen Meinung und Entscheidung vermitteln. In diesem Zusammenhang spielen Lebensalter, Geschlecht, Vorbildung und Herkunft keine Rolle (vgl. ebd.).

1.2 Bedeutung und Ziele der politischen Bildung für MigrantInnen

In Deutschland leben rund 82,2 Millionen Menschen. Davon haben rund 8,7 Millionen (10%) keine deutsche Staatsbürgerschaft. Laut Gesetz gelten sie als Ausländer. Im Jahre 2015 lag der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund mit rund 17,1 Millionen bei 21%. Daher gelten MigrantInnen als zunehmende Größe in der deutschen Gesellschaft (vgl. Wilmes, 2018). In diesem Zusammenhang haben Menschen mit Migrationshintergrund Mündigkeit gegenüber der Gesellschaft und spielen eine Rolle beim bürgerlichen Engagement in einer Demokratie. Deswegen ist es wichtig, dass sie eine Orientierungs- und Urteilsfähigkeit in der sozialen Welt entwickeln. An dieser Stelle kommt die Rolle der politischen Bildung für Erwachsene und Jugendliche ins Spiel. Angesichts der drei Prinzipien des Beutelsbacher Konsens basiert politische Bildung für MigrantInnen auf ihren eigenen Interessen, Bedürfnissen und Voraussetzungen im Rahmen des Theorie-Praxis-Austausches. Daher soll im Folgenden ein Überblick über die Ziele der politischen Bildung für MigrantInnen in der deutschen Gesellschaft gegeben werden.

1.2.1 Integration durch soziale, kulturelle und politische Teilhabe

Integration findet dort statt, wo Menschen leben, lernen und arbeiten. Auf der Basis eines lokalen Verständnisses, was soziale Teilhabe von Einwanderern und ihren Nachkommen bedeutet, gilt es, vernetzte Angebote und Kooperationsformen zu entwickeln, die auf den jeweiligen Sozialraum zugeschnitten sind. Einwanderer bzw. Einwanderergemeinschaften wirken idealerweise bei der Entwicklung von Angeboten mit und erhalten aufeinander abgestimmte „Unterstützungspakete“ für unterschiedliche Problembedarfe. (Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, 2013)

Integration der MigrantInnen gilt als eine wichtige gesellschaftliche und politische Aufgabe. Als Grundelemente des demokratischen Gesellschaftssystems haben politische Teilhabe und Mitbestimmung im politischen System eine besondere Bedeutung (vgl. Wilmes, 2018).

Ein Ziel der politischen Bildung ist die soziale, kulturelle und politische Teilhabe, die zur Integration der Menschen mit Migrationshintergrund führt. Die Integrationspolitik gilt als allgemeine Gesellschaftspolitik. Sie enthält alle gesellschaftlichen Bereiche und betrifft Einwanderer und deutsche Bürger. Diese Politik richtet sich an die Herausforderungen, die auf dem Weg zur sozialen Teilhabe aller Menschen auftreten (vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, 2013).

Laut der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2013) ist soziale Teilhabe ein vielschichtiger und dynamischer Prozess, der in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen immer veränderte Schwerpunkte findet. Sie ist gesellschaftlich relevant, weil das individuelle und kollektive Mitwirken von Menschen zum Aufbau von sozialem Kapital führt. Soziale Teilhabe ist mit der Integrationspolitik verbunden, weil die Teilhabe auf Vertrauen basiert. Nur das Klima des gegenseitigen Vertrauens fördert Menschen zur Teilhabe und erleichtert den Umgang mit Neuem und Fremdem. In diesem Zusammenhang bedeutet die Integrationsförderung Teilhabeförderung. Soziale Teilhabe richtet sich somit an die Achtung kultureller und religiöser Unterschiede als Basis für eine gelungene Integration. Ein gelungener Integrationsprozess braucht eine inklusive Gesellschaft, die offen für die Mitgestaltung und soziale Teilhabe ist (vgl. ebd.).

Politische Bildung beschäftigt sich mit Chancengleichheit, die mit der kulturellen Teilhabe verbunden ist. Die aktive Teilnahme der MigrantInnen an einem kulturellen Gefüge gibt ihnen die Möglichkeit, die Geschichte, Bräuche, Traditionen und die Sprache des Einwanderungslandes schneller zu verstehen. Die kulturelle Teilhabe der MigrantInnen hilft ihnen auch, die Barrieren in einer neuen Gesellschaft zu überwinden (vgl. ebd.).

Darüber hinaus trägt soziale und kulturelle Teilhabe der MigrantInnen zur Sprachförderung bei. Im Bereich Bildung bietet die Kultusministerkonferenz verschiedene Angebote an, die den MigrantInnen helfen sollen, ihre Sprachkompetenz zu stärken (vgl. ebd.):

Die Kultusministerkonferenz hat angekündigt, in diesem Jahr ein Konzept zur Stärkung der Elternkompetenz von Einwanderern zu entwickeln. Es ist zu begrüßen, dass die Lämder ihre Verantwortung an dieser Stelle wahrnehmen. Sie sind aufgefordert, in Zusammenarbeit mit Einwandererverbänden und Elterngremien ihr Engagement möglichst rasch zu verstärken. Dies gilt auch für gezielte Sprachförderangebote für Eltern, sofern Eltern diese benötigen. (Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, 2013)

In diesem Zusammenhang fördert die kulturelle Bildung die Interkulturalität und die Mehrsprachigkeit, die miteinander verbunden sind. Mehrsprachigkeit ist ein wichtiger Bestandteil einer weltoffenen Gesellschaft. Mehrsprachigkeit bietet verschiedene Erfahrungs­möglichkeiten, die das Individuum und die Gesellschaft bereichern. Dabei führt Mehrsprachigkeit zu einer interkulturellen Identitätsentwicklung der Menschen. In diesem Zusammenhang gibt es verschiedene Möglichkeiten zur sozialen und kulturellen Teilhabe der MigrantInnen an der Gesellschaft durch verschiedene betroffene Origanisationen und Vereine, wie Bildung, Kunst, Musik, Theater und Sport, die es den MigrantInnen ermöglichen, sich einfach und schnell in die deutsche Gesellschaft zu integrieren (vgl. ebd.).

Darüber hinaus ist die politische Partizipation ein wesentliches Mittel zur Integration der Menschen mit Migrationshintergrund in die deutsche Gesellschaft. Es gibt zwei Arten der politischen Partizipation für Menschen sowohl mit und ohne Migrationshintergrund in der Gesellschaft (vgl. Wilmes, 2018):

1. Die informelle politische Partizipation beinhaltet Proteste, Demonstrationen, Bürgerinitiativen, ehrenamtliche Tätigkeiten in politischen Vereinen und Verbänden sowie Interessenvertretungen und bürgerliches Engagement. Sie ist nicht mit der Staatsangehörigkeit verbunden (vgl. ebd.).
2. Die formale politische Partizipation findet stärker gesetzlich statt. Ihre wichtigsten Formen sind das aktive und passive Wahlrecht (i.e. das Recht zu wählen und gewählt zu werden) in einer repräsentativen Demokratie. Sie ist wesentlich mit der Staatsangehörigkeit verbunden (vgl. ebd.).

Wilmes (2018) erklärt die Möglichkeiten der politischen Partizipation:

Die Möglichkeit der politischen Partizipation auf allen Ebenen (Bund, Länder und Kommunen) ist in der Bundesrepublik Deutschland an die vollen Bürgerrechte, und damit an die deutsche Staatsbürgerschaft gebunden. Millionen Bürger bleiben daher derzeit von Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlen, und damit von zentralen Elementen der politischen Willensbildung ausgeschlossen. Dem kommunalen Wahlrecht kommt eine besondere Bedeutung zu, da viele politische Entscheidungen, die Migrantinnen und Migranten direkt betreffen, in den Kommunen gefällt werden. (Wilmes, 2018)

Es ist bemerkenswert, dass die gleichberechtigte Teilnahme an Wahlen als eine vollständige politische Partizipation gilt. Dabei kann der Ausschluss von MigrantInnen ohne deutsche Staatsangehörigkeit als Demokratiedefizit bewertet werden. Es gibt keine realen Verhältnisse mit der Bevölkerung im politischen System, wenn die MigrantInnen an den kommunalen politischen Entscheidungen nicht teilnehmen können (vgl. ebd.). In diesem Zusammenhang sind Ausländerbeiräte und Integrationsbeiräte miteinander verbunden. Alle volljährigen Ausländer sind in den Beiräten aktiv und passiv wahlberechtigt, wenn sie ihren Hauptwohnsitz seit mindestens drei Monaten in der Kommune haben. Die eingebürgerten MigrantInnen sind in den Kommunalverfassungen wahlberechtigt und wählbar. Es gibt unterschiedliche Zusammensetzungen und Aufgabenstellungen der Ausländerbeiräte in den Bundesländern und innerhalb der einzelnen Länder. Dies zeigt Wilmes (2018) auf:

Die Bildung von Ausländerbeiräten wird als Teil der kommunalen Selbstverwaltung durch das jeweilige Landesrecht auf die Gemeinden übertragen. Ihre Aufgabe ist es, in beratender Funktion bei Belangen, die Menschen mit Migrationshintergrund betreffen, wie z.B. interkultureller Austausch, Mehrsprachigkeit oder Diskriminierung, mitzuwirken. Sie besitzen jedoch selber keine Entscheidungskompetenz. Daher ist auch die Anbindung an die kommunalen Gremien und somit der politische Einfluss in den einzelnen Städten und Gemeinden sehr unterschiedlich. (ebd.)

In diesem Rahmen haben die Ausländerbeiräte einige Probleme. Die Ausländerbeiräte haben in der Regel eine beratende Funktion und kein eigenes Stimmrecht, deswegen können die MigrantInnen ihre Entscheidungsprozesse nicht geltend machen. Darüber hinaus sind Sprachbarrieren, geringe politische Erfahrung und fehlende Netzwerke auf kommunal­politischer Ebene bei den Beiratsmitgliedern weitere Probleme der Ausländerbeiräte. Deswegen haben die MigrantInnen wenig Motivation, an den Ausländerbeiräten mitzuwirken. Davon zeugt auch die geringe Wahlbeteiligung unter MigrantInnen in einigen Kommunen, die seit Jahrzehneten unter 20% liegt. Das reflektiert die geringe Interessenvertretung der Ausländer bei der Wahl (vgl. ebd.).

Daher wurden viele Ausländerbeiräte in den letzten Jahren in sogenannte Integrationsräte und Integrationsbeiräte umgestaltet. Sie sind verantwortlich für eine eigene Entscheidungskompetenz und sie sind stärker mit der Kommunalverwaltung und den politischen Entscheidungsprozessen verbunden. Sie haben aber eine veränderte Zusammensetzung (vgl. ebd.):

1. In Integrationsräten wird ein Teil der Mitglieder wie bisher von den Wahlberechtigten gewählt. Ein weiterer Teil wird von den im Rat vertretenen Fraktionen entsandt.
2. In Integrationsbeiräten werden von Mitgliedern des Stadtrats, Vertretern verschiedener Migrantenorganisationen, Wohlfahrtsverbänden und weiteren Institutionen, Fachleute und Einzelpersonen, die sich mit Integrationsthemen befassen, in den Beirat gewählt (vgl. ebd.).

Die Untersuchungen zeigen, dass Ausländer durch die Arbeit der Räte Ressourcen wie Sozialwohnungen und Bildung in der Kommune besser bekommen können. Darüber hinaus werden auch der interkulturelle Austausch sowie das friedliche Zusammenleben und die Stadtteilarbeit besser gefördert. Es ist auch erwähnenswert, dass die Ausländerbeiräte, Integrationsräte und Integrationsbeiräte nützliche Instrumente sind und den Ausländern gute politische Partizipationsmöglichkeiten bieten können. Sie spielen auch eine wichtige Rolle bei der Förderung der Interessen der Menschen mit Migrationshintergrund auf kommunaler Ebene (vgl. ebd.).

1.2.2 Demokratie- und Wertevermittlung

Die politische Bildung fördert die Demokratievermittlung in der Gesellschaft und reflektiert die Urteilskraft des demokratischen Souveräns. Darüber hinaus ist die Wertevermittlung ein wesentliches und wichtiges Ziel der politischen Bildung zur Umsetzung der Demokratie in einer Gesellschaft. Die Demokratievermittlung gilt als Mittel zur Vermeidung von Wertekonflikten aufgrund unterschiedlicher Herkünfte, Religionen oder Interessen der Menschen. In diesem Zusammenhang hat die politische Bildung in Bezug auf Demokratie- und Wertevermittlung für die MigrantInnen eine große Bedeutung. Dabei sind didaktisch­methodische Kenntnisse der politischen Bildung im Bereich Vermittlung von Werten in Deutschland für Menschen mit Migrationshintergrund oder Fluchterfahrungen ein nützliches Instrument für ein besseres Verständnis der deutschen Gesellschaft, Kultur und Geschichte.

Nach Fornoff (2018) ist es problematisch, wenn die VertreterInnen der politischen Bildung keine oder nur äußerst geringe didaktisch-methodische Kenntnisse im Bereich Wertevermittlung haben. Die modernen Didaktiken der Wertevermittlung basieren nicht auf Indoktrination, sondern auf Erfahrung, Sensibilisierung, Reflexion, Diskurs und Überzeugung der Lerner. In diesem Rahmen sollte die politische und soziale Relevanz von Werten, wie die Wertprinzipien für den Frieden, stabile Staatlichkeit und der Wohlstand Deutschlands, mit den MigrantInnen diskutiert werden. Darüber hinaus sollten die Vertreter der Politikdidaktik die individuelle Selbstverantwortung der MigrantInnen in der Diskussion über Demokratie im Auge behalten (vgl. ebd.: 260).

Grundrechte und Wertevermittlung

Der Parlamentarische Rat hat am 23. Mai 1949 in Bonn am Rhein in öffentlicher Sitzung festgestellt, daß das am 8. Mai des Jahres 1949 vom Parlamentarischen Rat beschlossene Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der Woche vom 16. bis 22. Mai 1949 durch die Volksvertretungen von mehr als Zweidritteln der beteiligten deutschen Länder angenommen worden ist. Auf Grund dieser Feststellung hat der Parlamentarische Rat, vertreten durch seine Präsidenten, das Grundgesetz ausgefertigt und verkündet. Das Grundgesetz wird hiermit gemäß Artikel 145 Abs. 3 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. (Bundeszentrale für politische Bildung, 2017)

Im deutschen Grundgesetz werden die Grundrechte und Prinzipien der deutschen Verfassung als Grundlage der Demokratie gesetzt. Das Grundgesetz beginnt mit den Grundrechten des Menschen. Das Grundgesetz umfasst 19 Artikel der Grundrechte, die als Grundwerte der deutschen Gesellschaft gelten: der Schutz der menschlichen Würde, das Grundgesetz als Wertesystem, die Grund- und Menschenrechte, die allgemeine Handlungsfreiheit des Menschen, das Gleichheitsprinzip, die Glaubens- und Gewissensfreiheit, das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Pressefreiheit, die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit, der Schutz von Ehe und Familie, das Wahlrecht, die elementaren Bürgerrechte, die Berufsfreiheit, Datenschutz: das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, der Schutz der Privatsphäre, das Recht auf Eigentum, das Demonstrationsrecht, das Streik- und Petitionsrecht, die Staatsbürgerschaft und das Asyklrecht (vgl. Wolf, 2018: 6f.). Die Grundrechte enthalten die Pflichten, Aufgaben und Rechte aller Menschen, die in Deutschland leben. Die Grundrechte richten sich an alle BürgerInnen in Deutschland, unabhängig davon, ob sie einen Migrationshintergrund haben. In diesem Rahmen ist die Demokratie die Staatsform, die die Grund- und Menschenrechte umsetzen kann. Die Grundrechte basieren auf der Mündigkeit der Menschen. Die Grundrechte sind nicht nur Rechte, sondern Pflichten und Aufgaben aller Menschen (vgl. Schulz-Reiss, 2018: 71). Die Grundrechte sind die Grundwerte, die den MigrantInnen in einer demokratischen Gesellschaft vermittelt werden sollten, damit ihre Mündigkeit gegnüber der Gesellschaft erweckt und ihre Rechte erkannt werden. In diesem Zusammenhang erläutert eine Broschüre des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge („Das Grundgesetz - die Basis unseres Zusammenlebens“) die Bedeutung des Grundgesetzes und der Grundrechte für Menschen mit Migrationshintergrund. Die Broschüre soll MigrantInnen helfen, als Teil der deutschen Gesellschaft ihre Rechte und Aufgaben in Deutschland zu kennen, zu verstehen und interkulturell umzusetzen:

Mit der Broschüre „Das Grundgesetz - die Basis unseres Zusammenlebens“ unterstützt das Bundesamt Zugewanderte und Geflüchtete beim Einleben in Deutschland. In einfachen Worten beschreibt sie, welche Bedeutung das Grundgesetz hat und wie es im Alltag gelebt wird. Die Broschüre ist Teil eines Konzepts des Bundesamtes zur Erstorientierung und Wertevermittlung, das aktuell umgesetzt wird. Aufbauend auf der Broschüre sollen im Laufe des Jahres Erklärfilme veröffentlicht werden. (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2016)

Dabei zeigt die Broschüre die Wichtigkeit des Grundgestzes, das mit den Grundrechten und Werten beginnt. Die Broschüre zeigt den Unterschied zwischen der Ungerechtigkeit des Nationalsozialismus und der Gerechtigkeit auf, die in den Grundrechten steht (vgl. ebd.: 6):

Die Grundrechte stehen über allen Gesetzen. Sie regeln zum einen die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern gegnüber dem Staat: So darf zum Beispiel die Polizei nicht einfach in eine Wohnung eindringen, sondern braucht dafür einen richterlichen Beschluss. Zum anderen regeln die Grundrechte die Art und Weise, wie wir in Deutschland miteinander umgehen: Männer uns Frauen werden gleich behandelt; niemand darf wegen seiner Herkunft, Religion oder sexuellen Orientierung benachteiligt werden. Der Staat schützt die Grundrechte aller Menschen in diesem Land, egal ob sie hier seit Generationen ihre Heimat haben oder erst zugezogen sind. (ebd.: 7f.)

Es ist erstaunlich, dass die Diskussion über die Grundrechte und Werte im Grundgesetz (z.B. Handlungsfreiheit und Glaubens- und Gewissensfreiheit) mit heterogenen Gruppen aufgrund unterschiedlicher Herkunft, Alters oder Religion zu Konflikten führen kann. Aus den verschiedenen Interviews, die mit den Lehrenden der politischen Bildung und Menschen mit Migrationshintergrund geführt wurden, lassen sich zwei Typen von Wertkonflikten im Unterricht ausmachen: Zum einen gibt es Konflikte zwischen den TeilnehmerInnen und zum anderen Konflikte zwischen den Lehrenden und den TeilnehmerInnen (vgl. Fornoff, 2018: 264). In Bezug auf den zweiten Typ wurde durch die Befragung der Lehrkräfte ersichtlich, dass Konflikte zwischen den TeilnehmerInnen und Lehrkräften aufgrund traditionaler kultureller oder religiöser Werte, vor allem von muslimischen Zugewanderten, sowie wegen nichttraditionalen Werten der Lehrkräfte, wie Homosexualität und Auseinandersetzung mit dem deutschen Reformislam, erwachsen. Dabei ist es nicht gelungen, die Diskussion um diese umstrittenen Fragen weiterzuführen (vgl. ebd.: 264f.). Im Sinne der Kontroversität verwenden die Teilnehmer von ihrem lebensgeschichtlichen Hintergrund kontroverse Vorstellungen, aber sie erwarten statt Kontroversität eine Darstellung der Position der Lehrkräfte. Deswegen gibt es neben den kontroversen Interessen auch Konflikte mit den Lehrkräften (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 1999: 187f.).

Förderung der Meinungsfreiheit und Urteilsfähigkeit

Neben der Kontroversität unterstützt die politische Bildung autonome Entscheidungen und Urteile der MigrantInnen als Grundlage für ihr eigenes Handeln. Im Unterricht der politischen Bildung gibt es vielfältige Informationen, die aus verschiedenen Quellen eingebracht werden. Die TeilnehmerInnen sollen die Informationen selbstständig ausarbeiten und analysieren. Dann haben sie die Freiheit, ihre Meinungen zu äußern (vgl. ebd.: 188):

In einigen neuen Ansätzen, wie z.B. konstruktivistischen Überlegungen, ist Kontroversität kein Prinzip, da demzufolge Erwachsene nur das lernen, was sie wollen und von Lehrenden geplante Kontroversen nicht unbedingt als Kontroversen in den Deutungsmustern der Teilnehmenden auftauchen müssen. (ebd.)

In diesem Zusammnhang ist heutzutage mit den Erwachsenen herauszubilden, dass die verschiedenen wissenschaftlichen Kenntnisse wie soziale und individuelle Kenntnisse begrenzt sind und den individuellen Interessen begegnet werden soll. Die Kontroversität ist kein Störfaktor, sondern sie reflektiert den Ausdruck der pluralen Gesellschaft und demokratischer Prozesse, damit die Integration der MigrantInnen gefördert werden kann (vgl. ebd.: 189). Es ist ebenfalls von Bedeutung, dass die Heterogenität und die Vielfalt der Gesellschaft ein wichtiges Element für eine demokratische Meinungsbildung sind (vgl. ebd.: 188).

1.3 Aufgaben, Ziele und Methoden der politischen Erwachsenenbildung für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund

Die politische Bildung hat den Anspruch, die Menschen zu befähigen, die soziale Welt zu verstehen, zu beurteilen, zu kritisieren und zu verändern. Die politische Bildung fördert die Menschen darin, ihre Haltungen, Vorstellungen und ihr Denken zu entwickeln (vgl. Juchler, 2018: 101). Im Folgenden sollen die Ziele und Aufgaben der politischen Erwachsenenbildung für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund überblicksartig vorgestellt werden. In diesem Zusammenhang wird auch gezeigt, welche Methodik und didaktische Prinzipien der politischen Erwachsenenbildung verwendet werden, um diese Ziele erreichen zu können.

1.3.1 Aufgaben und Ziele der politischen Erwachsenenbildung

Die Aufgaben der politischen Bildung bleiben umstritten und verändern sich, aber es gibt Aufgabenfelder der politischen Bildung, die konsensfähig sind (Müller 2006):

1. Ausbildung und Festigung eines freiheitlich demokratischen Wertbewusstseins,
2. Verstehen der Grundstruktur von Politik als Lösung aktueller Probleme durch Herbeiführung von verbindlichen Entscheidungen in strittigen gesellschaftlichen Fragen,
3. Orientierungswissen in wichtigen aktuellen Politikbereichen mit Zukunftsbedeutung, z.B. die Demokratie und ihre Gefährdungen, das Verhältnis von Ökonomie und Ökologie, die Zukunft der Erwerbsgesellschaft, die Globalisierung, die Einigung Europas,
4. Erwerb gewisser Fertigkeiten wie Umgang mit Informationen, Medien usw.

Dabei gibt es verschiedene Ziele für die politische Bildung:

Mündigkeitsförderung

Politische Bildung dient wie Bildung insgesamt dazu, beim Einzelnen die Bereitschaft und Fähigkeit zu entwickeln, „sich seines eigenen Verstandes zu bedienen“ [...]. Es geht um Mündigkeit, ohne die Freiheit nicht gelebt werden kann. Demokratie braucht mündige und interventionsfähige Bürgerinnen und Bürger. (Schiele 2004: XIV)

Mündigkeit ist ein Ziel von politischer Bildung. Diese kann in einer Demokratie im Unterricht vermittelt und festgelegt werden (vgl. Schiele 2004: XIVf.). Mündigkeit ist eine Kompetenz, selbstbestimmt zu handeln und mit diesem indviduellen Handeln die Gesellschaft zu beinflussen und zu reflektieren. Mündigkeit bedeutet auch für Kant die Autonomie des freien Denkens als Teil der menschlichen Natur und Ziel der menschlichen Existenz. Für Kant basiert Mündigkeit im Sinne von Autonomie auf Vernunft, Mündigwerden als Lernen, den Verstand richtig zu nutzen. Sie basiert auf dem eigenen Handeln der Menschen (vgl. Sander et al., 2016: 13).

In diesem Rahmen fördert politische Bildung die Mündigkeit der Menschen, da die Mündigkeit auch zum politischen und gesellschaftlichen Leben gehört. Sie ist eine kollektive Angelegenheit. Z.B. fördert politische Bildung die Mündigkeit der Menschen beim allgemeinen Wahlrecht, das die Mündigkeit der BürgerInnen in einer Demokratie reflektiert. Die mündigen Bürger sollen entscheiden können, was sie für ihr Land wollen (vgl. ebd.: 14). Politische Mündigkeit richtet sich an die eigenständige und ergebnisoffene Auseinander­setzung mit Politik. Dabei unterstützt die Didaktik der politischen Bildung die freie Meinungsbildung, Leitideen, Überzeugungen und Urteile der Lernenden ohne Abhängigkeit von den Lehrenden und den Lehrplänen im Unterricht (vgl. ebd.: 14f.). Im Rahmen der politischen Bildung lässt sich Mündigkeit in soziale, politische und ökonomische Mündigkeit unterteilen. In diesem Kontext beschäftigt sich die politische Bildung auch mit der gesellschaftlichen Mündigkeit. Gesellschaftliche Mündigkeit bezeichnet die Fähigkeit, sich mit Gesellschaft, Politik und Wirtschaft selbstständig und durch Interessen der Menschen auseinanderzusetzen (vgl. ebd.). Hier stellt sich die Frage nach Kritikfähigkeit. Die Erziehung zur Mündigkeit basiert auf Kritikäußerung, die die Didaktik der politischen Bildung fördert. In diesem Rahmen richtet sich die Mündigkeit bei Didaktik der politischen Bildung auf demokratische Strukturen, Grundrechte und Gesellschaft, die mit der Debatte der Werterahmen einhergeht (vgl. ebd.).

Vermittlung von Demokratiekompetenz

Politische Bildung soll Grundlagen der Demokratie vermitteln. Nach Joachim Detjen können die Lernenden drei Kompetzenzformen in diesem Rahmen erwerben (vgl. Müller 2006):

- Kognitive Kompetenz
- Prozedurale Kompetenzen
- Habituelle Kompetenzen

Kognitive Kompetenz ist das Erfordernis eines gewissen Niveaus an Wissen. Die Lerner sollen befähigt werden, zu lernen und zu wissen. Darüber hinaus sollen die Bürger hinsichtlich der Inhalte der aktuellen politischen Entscheidungen sachlich informierte Kenntnisse verstehen (vgl. ebd.).

Prozedurale Kompetenzen sind Kenntnisse und Fertigkeiten, die wichtig sind, um politische Einflussmöglichkeiten und Partizipationschancen auch tatsächlich wahrnehmen zu können. Die Bürger müssen strategische Fähigkeiten erwerben, um eigene oder als richtig erkannte Ziele erreichen zu können (vgl. ebd.).

Habituelle Kompetenzen sind Einstellungen, die die Bürger verstehen müssen. Moderne Demokratien sind in ihren habituellen Erwartungen besonders anspruchsvoll. Als liberale Gemeinwesen bedürfen sie der Fairness und der Toleranz in weltanschaulichen Angelegenheiten. Als demokratische Gemeinwesen beschäftigen sie sich mit Partizipation, die nach Möglichkeit rational verantwortbar sein soll. Als sozialstaatliche Gemeinwesen kommen sie nicht ohne sozialen Gerechtigkeitssinn und Solidarität aus (vgl. ebd.).

Grundwissen vermitteln, Verständnis für Politik, selbstständiges Urteil und politisches Engagement

Politische Bildung weckt Interesse an Politik und schafft die Voraussetzungen dafür, dass die mündigen BürgerInnen eine selbstständige politische Analyse- und Urteilsfähigkeit entwickeln. Daher ist auch Grundwissen nötig, damit die BürgerInnen eine Basis für ihre Urteilsfähigkeit aufbauen. Deswegen ist die Aufgabe der politischen Bildung, das „kleine Einmaleins“ der Politik zu vermitteln (vgl. ebd.). Hier ist auch der Umgang mit wesentlichen Begriffen wie Demokratie, Gewaltenteilung, Wahlen, Parteien, Frieden und Macht sehr zentral. Leider beschäftigt sich demokratische politische Bildung nicht mit der Vermittlung von Grundwissen, sondern mit den Zielen des Politikunterrichts. Deswegen zielt die politische Bildung auch auf Verständnis für Politik ab, damit die BürgerInnen mündig sein und ihre Partizipationschancen nutzen können. Daraus ergibt sich, dass die Ziele der politischen Bildung als eine Abfolge aufeinander aufgebaut werden sollten. Die ersten drei Stufen sind wesentliche und direkte Ziele der politischen Bildung. Es bleibt aber umstritten, ob die vierte Stufe - politisches Engagement - zu den Kernzielen politischer Bildung gehört. Hier kann darauf hingewiesen werden, dass es auch mündige BürgerInnen gibt, die sich nicht politisch engagieren (vgl. ebd.).

1.3.2 Methoden der politischen Erwachsenenbildung

Politische Erwachsenenbildung wird in den verschiedensten Formen erworben: privat, autodidaktisch ebenso wie durch den Besuch von Veranstaltungen oder auch durch die konkrete politische Praxis eines Engagements in Bürgerinitiativen. (Bundeszentrale für politische Bildung, 1999: 206)

In diesem Kontext hat die politische Erwachsenenbildung attraktive methodische Zugänge, die als mittel- und zweckentsprechende planmäßige Verfahren gelten. Politische Erwachsenenbildung gilt als eine allgemeine Sammelbezeichnung für absichtsvoll organisierte Veranstaltungen im außerschulischen Bereich zur Umsetzung der Ziele der politischen Bildung in der Praxis. Damit diese Bemühungen nicht verloren gehen, hat Bert Brecht die drei folgenden methodischen Zugänge zur politischen Erwachsenenbildung systematisiert (vgl. ebd.):

Mikro-Methodik

Diese Methodik bezieht sich auf die TeilnehmerInnen. Nach Flitner (1953) stellt sich hier die Frage, wie eine fruchtbare Begegnung des Lernenden mit dem Gegenstand ermöglicht werden kann (vgl. ebd.: 207). Dabei gibt es vielfältige Literatur über Lehr- und Lernmethodik, Motive und Bedürfnisse der TeilnehmerInnen, biographische Zugänge und passende Arbeitsmittel, Arbeitsweisen und Arbeitstechniken (vgl. ebd.).

Meso-Methodik

Diese Methodik richtet sich an den konkreten Prozess politischer Erwachsenenbildung: Wie wird der Stoff und der Inhalt vermittelt? Was passiert im Kurs oder in der Veranstaltung? Wie wird die Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden unterstützt oder eingeschränkt? Hier geht es um Lehren und Lernen mit Erwachsenen (vgl. ebd.).

Makro-Methodik

Diese Methodik richtet sich an Träger, Institutionen politischer Erwachsenenbildung und Rahmenbedingungen wie gesellschaftliche Situation, finanzielle Rahmen und Veranstaltungs­formen, die für die Konzeption und Realisierung der politischen Erwachsenenbildung wichtig sind (vgl. ebd.).

Im Folgenden werden in der Praxis angewandte und bewährte Methoden der politischen Erwachsenenbildung aufgelistet, die zur Mikro-Methodik gehören (vgl. ebd.):

1. Qualifiziertes Orientierungswissen

Politische Erwachsenenbildung soll Informationen vermitteln, Strukturen und Zusammen­hänge erläutern, damit die BürgerInnen politisches Grundwissen und Kenntnisse erhalten und ihre Urteils- und Entscheidungsfindung verstärken können. Das ermöglicht ihnen auch, sich in politischen Situationen zu orientieren. Dabei finden sie Zugänge über (vgl. ebd.: 208):

- Vorträge, Vortragsreihen
- Kurse, Seminare, Arbeitskreise
- Kompaktveranstaltungen (z.B. Lange Abende)
- Expertengespräch, Hearing, Podiumsdiskussion, Foren
- Politisches Feature und Formen für moderierte Veranstaltungen
- Exkursionen, Politik vor Ort
- PolitikerInnen zu Gast und Augenzeugenberichte

2. Qualifizierendes Orientierungswissenden

Hier steht die Diskussion über Vermittlung von Kompetenzen der politischen Erwachsenen­bildung, die zur Mitwirkung am politischen Leben befähigen soll, im Mittelpunkt (vgl. ebd.):

Die politische Erwachsenenbildung eignet sich dafür in besonderer Weise, weil z.B. im Rahmen eines Bürgerforums politische Bildung konkret erfahren werden kann. Veranstaltungen politischer Erwachsenenbildung haben in der Regel den Vorteil, einen Ort anbieten zu können, an dem kontroverse Themen ohne akuten Entscheidungsdruck diskursiv ausgehandelt und unterschiedliche Positionen argumentativ vertreten werden können. Die Konfrontation mit anderen Argumenten und Positionen ermöglicht die Ausbildung eigener Maßstäbe und erhöht damit die Beurteilungskompetenz, und die Bereitschaft zu politisch reflektiertem Handeln wird verstärkt, wenn die dazu notwendigen Fähigkeiten erprobt/geübt werden können. (ebd.)

Es geht hier um Toleranz und Entscheidungsfreiheit, Selbstbehauptung und Solidarität, Streit und Kooperation. Dieses qualifizierende Kompetenz-Training richtet sich an die Vermittlung folgender demokratischer Schlüsselqualifikationen (vgl. ebd.: 208f.):

- Argumentationstraining: Gesprächsführung und Argumentationstraining
- Debatten-Training
- Workshop: Konflikt-Training
- Seminare für zukünftige KommunalpolitikerInnen
- Rollen-, Plan- und Simulationsspiele

3. Projekte, Werkstätten und Bürgerbeteiligungsverfahren

Es ist bemerkenswert, dass Projekte und Werkstätten es den BürgerInnen ermöglicht, ihre demokratischen Meinungs- und Willenbildungsprozesse zu verstärken. In diesem Rahmen können die methodischen Zugänge der Bürgerbeteiligungsverfahren dienen. Beispielsweise durch (vgl. ebd.):

- Schreib- und Geschichtswerkstätten
- Projekte im Zusammenhang mit besonderen Daten und Ereignissen
- Werkstätten zur Stadtentwicklungsplanung

4. Exkursionen als lebensweltorientierter Zugang

In dieser Methode plant die Lehrkraft die gesamte Unterrichtssequenz vor der Durchführung der Exkursion und entscheidet sich für die Verortung der Exkursion innerhalb des Unterrichtsvorhabens. Diese Entscheidung ist von zwei Faktoren abhängig: einerseits von der Besonderheit und dem didaktischen Potenzial des Lernortes in Bezug auf die Problemstellung und andererseits von der didaktischen Funktion, die die Lehrkraft darstellt (vgl. Studtmann, 2017: 43). Die Exkursionen sind eine wichtige Veranstaltungsform, auf die nicht verzichtet werden kann. Exkursionen vermitteln Authentizität im Unterricht. Sie sind auch unmittelbare Erfahrung von Realität durch persönliche Anschauung der TeilnehmerInnen. Darüber hinaus bieten Exkursionen den TeilnehmerInnen Interaktions- und Kommunikationsmöglichkeiten. Auf der Ebene der Mikro-Methodik zeigen Exkursionen den Lehrenden und Lernenden weitere Chancen und Arbeitstechniken wie Beobachten, Einordnen, Beurteilen, Fragen und Vergleichen (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 1999: 211).

Die Umsetzung dieser Methoden hängt von folgenden Einflussfaktoren ab (vgl. Knoll, 1992: 12f.):

- Zielgruppe, die die Methode erlebt
- Leitung, die die Methoden einer Veranstaltung plant und durchführt
- Ziele, die durch die Methoden erreicht werden soll
- Thema und Inhalt, die Gegenstand der Arbeit sind
- Rahmenbedingungen, die die Veranstaltung beeinflussen
- Institutionen, die eine Veranstaltung anbieten und dafür verantwortlich sind

Diese eben genannten Methoden und Einflussfaktoren der politischen Erwachsenenbildung gelten als helfende Verfahrensweisen im Unterricht und ermöglichen es den Lehrenden und Lernenden, die angestrebten Ziele der politischen Erwachsenenbildung zu erreichen (vgl. ebd.: 13).

Didaktische Prinzipien der politischen Erwachsenenbildung

Politische Erwachsenenbildung ist keine Politikdidaktik. Zwar hat diese Disziplin eine originäre Nähe zur politischen Erwachsenenbildung, aber letztendlich ist sie eine auf die Schulen bezogene Bemühung, sich wissenschaftlich nur mit diesem Praxisfeld zu beschäftigen. (Hufer, 2016: 83)

In diesem Sinne gibt es keine ausformulierte „Didaktik der politischen Erwachsenenbildung“. Darüber hinaus existieren keine festen fachwissenschaftlichen didaktischen Prinzipien für politische Erwachsenenbildung, sondern nur eine Orientierung an den Lerninteressen und Bedürfnissen der TeilnehmerInnen als Zielgruppe (vgl. ebd.). Dabei gibt es vier zentrale didaktische Leitideen politischer Erwachsenenbildung (ebd.: 84):

- Teilnehmerorientierung,
- Subjektorientierung,
- Lebensweltorientierung/Alltagsorientierung und
- Handlungsorientierung.

Der Wortbestandteil „Orientierung“ verdeutlicht, dass keine festen Vorgaben vorhanden sind, sondern dass es um Suchbewegungen geht, auf der die Planung und Gestaltung der Veranstaltungen basieren (vgl. ebd.).

1. Teilnehmerorientierung

Hier steht die Lebenswelt der Erwachsenen in einer Veranstaltung im Mittelpunkt. In der politischen Erwachsenenbildung handelt es sich hierbei um Erfahrungen und Vorwissen der TeilnehmerInnen, die sie in eine Veranstaltung mitbringen. Deswegen gibt es keinen standardisierten Lehrplan. Dabei richtet sich politische Erwachsenenbildung an inhaltliche und methodische Offenheit. Bei einer Befragung von ExpertInnen der politischen Erwachsenenbildung über ihre Methoden im Unterricht erklärten sie, dass sich der Unterricht vor allem an den TeilnehmerInnen orientieren müsse (vgl. ebd.). Teilnehmerorientierung bedeutet, dass die Angebote der Kurse nicht auf einer Sachsystematik basieren, sondern auf Voraussetzungen und Erwartungen, die mit den Veranstaltungen verbunden sind. Das Prinzip der Teilnehmerorientierung entspricht den Vorstellungen der Demokratie der politischen Bildung (vgl. ebd.). Hier sollte kein einseitiges Gespräch im Unterricht geführt werden, sondern gegenseitige und offene Diskussionen zwischen den LehrerInnen und TeilnehmerInnen stattfinden (vgl. ebd.: 84f.).

2. Subjektorientierung

Die Subjektorientierung beinhaltet ein intensives Weiterdenken der Teilnehmerorientierung. Dabei ist der Lerninhalt mit den individuellen, autonomen und subjektiven Leistungen der TeilnehmerInnen verbunden. In diesem Rahmen sollte ein Gleichgewicht zwischen Vermittlung von Anforderungen der Welt bzw. Gesellschaft und Vermittlung von Interessen des Individuums geschaffen werden. Dabei werden Mündigkeit und Autonomie der TeilnehmerInnen entwickelt (vgl. ebd.: 85).

3. Lebensweltorientierung/Alltagsorientierung

In diesem Sinne wird die Welt und das Alltagsleben im Unterricht sozial vermittelt. Deswegen sollten die Veranstaltungsangebote der politischen Bildung an der Lebenswelt und dem Alltag der Menschen anknüpfen (vgl. ebd.: 86). Dabei entwickelt sich hier eine Selbstverständlichkeit bei den TeilnehmerInnen im Rahmen der sozialen Welt im Unterricht (vgl. ebd.: 87).

4. Handlungsorientierung

Das Lehren und Lernen der politischen Erwachsenenbildung soll nicht nur in den Seminarräumen vollzogen werden, sondern auch in der Lebenswelt der TeilnehmerInnen. Das bedeutet, dass die TeilnehmerInnen das im Unterricht Gelernte auch im Alltagsleben anwenden sollen. Die Handlungsorientierung basiert auf dem Verhältnis von Lernen und Handeln (vgl. ebd.). In diesem Rahmen hat Hufer (2016) verschiedene Ebenen und Konsequenzen zur Handlungsorientierung in der politischen Bildung konzipiert (vgl. ebd.):

- Es kann als gesellschaftliche Wirklichkeit simuliert werden (z.B. durch Rollen- und Planspiele).
- Es können Themen und Probleme als Stoff bearbeitet werden (Collagen).
- Es kann Vergangenheit aufgearbeitet, Zukunft dargestellt werden (Geschichts- und Zukunftswerkstätten).
- Es kann die politische und soziale Wirklichkeit in der Bildungsveranstaltung dargeboten werden (durch Interviews und Recherchen).
- Die Lerngruppe kann Anfragen stellen oder Leserbriefe schreiben.
- Es kann eine Initiative oder politische Partizipation aus einem Seminar entstehen oder sich entfalten.

Als Ergebnis kann die Handlungsorientierung die politische Teilhabe an der Gesellschaft entwickeln und politische Interessen der BürgerInnen wecken. Darüber hinaus aktiviert die Handlungsorientierung die Arbeit in Initiativen (vgl. ebd.: 87f.).

Die Arbeit in den Initiativen kann (vgl. ebd.: 88):

- soziale Fähigkeiten durch die Aktivitäten der Gruppen entwickeln,
- die Rhetorik verbessern,
- die Autonomie des Individuums fördern,
- sozialen Mut gewinnen und
- sich verschiedene Kenntnisse der politischen Institutionen sowie unterschiedliche Möglichkeiten bei der politischen Bildung erwerben.

Darüber hinaus kann die Demokratie lebendig bleiben, wenn sie durch mehrere Mitbestimmungsrechte im Alltagsleben praktisch geübt werden kann (vgl. ebd.: 89).

1.4 Grundprinzipien der politischen Bildung im Orientierungskurs (BAMF) ausgehend von politischer Erwachsenenbildung für MigrantInnen

In der endgültigen Fassung des Curriculums vom BAMF (2017) findet sich ein deutlicher Fokus auf wertbasierte politische Bildung. Laut BAMF-Curriculum bezieht sich die Didaktik des Orientierungskurses auf drei folgende Grundprinzipien der politischen Bildung, die im Beutelsbacher Konsens formuliert werden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2017: 14):

Überwältigungsverbot

Es ist nicht erlaubt, den Schüler - mit welchen Mitteln auch immer - im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der Gewinnung eines selbstständigen Urteils zu hindern.

Kontroversitätsgebot

Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen.

Aufzeigen von Optionen

„Der Teilnehmende muss in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen und Möglichkeiten zu beeinflussen“ (ebd.). Dabei trägt das BAMF-Curriculum (2017) den didaktischen Prinzipien der politischen Bildung stärker Rechnung (vgl. Frömmig, 2017: 26). Die Grundprinzipien der politischen Bildung, der Beutelsbacher Konsens, Lebensweltbezug und Aktualität werden unter den inhaltlichen und didaktischen Leitlinien dargestellt (vgl. ebd.).

Zusätzlich wird in der endgültigen Fassung des BAMF-Curriculums (2017) die Zahl der Unterrichtseinheiten (UE) von ursprünglich 30 im Jahr 2005 auf nunmehr 100 erhöht. Dadurch können die Themen des Orientierungskurses ausführlicher behandelt werden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 119 Seiten

Details

Titel
Politische Bildung im Orientierungskurs. Explorative Fallstudie zur Verbesserung der Didaktisierung im DaF-Unterricht
Note
2,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
119
Katalognummer
V1184377
ISBN (eBook)
9783346611000
ISBN (Buch)
9783346611017
Sprache
Deutsch
Schlagworte
politische, bildung, orientierungskurs, explorative, fallstudie, verbesserung, didaktisierung, daf-unterricht
Arbeit zitieren
M. A. Hend Ahmed (Autor:in), 2019, Politische Bildung im Orientierungskurs. Explorative Fallstudie zur Verbesserung der Didaktisierung im DaF-Unterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1184377

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