Diese Arbeit behandelt die Novelle "Das Erdbeben in Chili" von Heinrich von Kleist und gibt einen Überblick über den Autor und sein Werk.
Dargestellt wird der Inhalt der Erzählung, die Epoche und der Hintergrund, die Sprache und die Form. Es werden ferner Modellanalysen und Interpretationsansätze gegeben.
Inhalt
1. Der Autor & Werk
2. Inhalt der Erzählung
3. Epoche & Hintergrund
4. Gattung
5. Sprache & Form
6. Modellanalysen & Interpretationsansätze
7. Literaturliste
1. Der Autor & Werk
a) Biographie Kleists
- Entstammt einer ostpreußischen Adelsfamilie (preußisch-pommersche Adel; die Paten sind alle von militärischem Rang);
- Tod des Vaters, als Kleist 10 Jahre alt ist;
- 1793 kam er in die Rheinarmee und nahm an der Belagerung von Mainz teil;
- 1799 schied er aus dem Militärdienst aus und seine krisenreiche Entwicklung begann[1]
- Studium der Philosophie und Wissenschaft, findet jedoch keine Zufriedenheit;
- 1802 Arbeit am Drama „Robert Guiskard“;
- 1803 erstes Drama „Die Familie Schroffenstein“ erscheint. Er verbrennt das Manuskript, da er sich – von Selbstzweifel gequält – als Dichter für gescheitert hält. Er nimmt sich vor in der militärischen Operationen Napoleons gegen England teilnehmen, um dort den Tod suchen. Er wird aber abgehalten.
- Er unternimmt daraufhin ausgedehnte Reisen in die Schweiz, nach Frankreich und Italien;
- Im Anschluss erhält er eine Arbeitsstelle beim Verwaltungsamt;
- 1807 Kleists erste Erzählung „Jeronimo und Josephe“ erscheint im „Morgenblatt für gebildete Stände“. Das Werk wird später als „Erdbeben in Chili“ tituliert.
- Im gleichen Jahr: Gründung der Zeitschriften „Phoebus/ Journal für die Kunst“ und den „Berliner Abendblättern“, die aber der ungünstigen Zeitpunkt zum Opfer fielen;
- 1811 Er lernt die krebskranke Henriette Vogel kennen. Er erschießt erst sie und dann sich selbst am Wannsee in dem Bewusstsein ein „ganz nichtsnutziges Glied der Gesellschaft zu sein“.
b) Werk
- Komplexes Werk aus Dramen und Erzählungen, bei dem es zahlreiche Interpretationsansätze gibt.
- Figuren gewinnen Ihre Lebendigkeit vielmehr als dichterische Symbole, denn als individuelle Charaktere;
- Leitmotiv ist die Vernichtung aller Selbstgewissheit und das Dasein von Fremde;
- Dasein als Geheimnis, Rätsel, oder Wunder bezeichnet;
2. Inhalt der Erzählung
- Unstandesgemäßes Verhältnis von Jeronimo und Josephe;
- Inhaftierung (mit Aussicht auf die Todesstrafe für Josephe);
- Ein Erdbeben ermöglicht beiden die Flucht;
- Glückliches Zusammentreffen im „Tal von Eden“;
- Bekanntschaft mit Don Fernando, dem Sohn den Stadtkommandanten und dessen Familie;
- Sozialutopie eines einträchtigen Beieinanders Aller;
- Entscheidung, zum Dankgottesdienst zu gehen;
- Erneute Anklage des Paares;
- Tumult;
- Tod von Jeronimo, Josphes und dem Sohn Don Fernando;
- Don Fernando nimmt den Sohn der beiden auf;
3. Epoche & Hintergrund
Die Erzählung wurde erstmals in Cottas neuem Morgenblatt für gebildete Stände unter dem Titel Jeronimo und Josephe vom 10. bis 15. September 1807 abgedruckt. Drei Jahre später erschien ein Wiederabdruck in Kleists Erzählungen mit dem Titel Das Erdbeben in Chili. Der dem Referat zugrunde liegende Text stammt aus der BKA[2], die von Roland Reuß und Peter Staengle 1993 herausgegeben wurde und von Heinrich von Kleist: Sämtliche Werke und Briefe [3] . Die kritisch-historische BKA ihrerseits basiert auf den Band „Erzählungen“ den Kleist 1810 (drei Jahre nach dem das Werk als Leseroman in der Zeitung publiziert wurde) als Sammelband drucken ließ. Reuß spricht in seinem Kommentar über Hintergründe und Entstehung des Werkes von einer „gewisse(n) Wahrscheinlichkeit“[4], dass Kleist sich die Zeitungsteile seines Romans vom Morgenblatt für gebildete Stände zustellen ließ und daran – von Hand – noch Änderungen vorgenommen hat. Anschließend sei der Druckauftrag erteilt worden. Wir hätten es hier – falls wir trotz dem Fehlen von „beweiskräftigeren Dokumenten“[5] diese Tatsache so annehmen wollen – mit einer „Ausgabe letzter Hand“ zu tun.
Kleists Erzählung „Das Erdbeben in Chili“ ist schwierig in eine der uns geläufigen charakteristischen Literaturepochen einzuordnen. Rein historisch betrachtet kann man aufgrund des Erscheindungsjahres das Werk in literarische Epoche der Hochromanik[6] zuordnen. Doch nicht ausschließlich. Kleist verarbeitet in diesem Stück, nicht nur die historischen Ereignisse, sondern führt auch philosophischen Projekte von Kant, der als ein Charakteristikum der Aufklärung gilt, fort. Auch romantische Aspekte kommen darin vor, so dass man von einem epochenübergreifenden Werk sprechen kann.
- Historie: Helmut J. Schneider legt in seiner sozialgeschichtlichen Werkinterpretation Kleists Erzählung drei „historische Ereignisse“[7] zugrunde. „Der stoffliche Bezug Bezugspunkt ist das Erdbeben von Santjago de Chile am 13. Mai 1647, [...]. Dem zeitgenössischen Leser musste sich die Lissaboner Katastrophe von 1755 wachrufen, [...]. Wenig bedacht worden ist von der Forschung ein möglicher Bezug der dargestellten Katastrophe zur Französischen Revolution.“[8] Das während des Erdbebens einstürzende Gefängnis von Jeronimo deutet Schneider nämlich als Sturm auf die Bastille. Und die abrupte Auflösung der Staatsgewalt führt schließlich in beiden Fällen – während der Französischen Revolution, als auch während der Erzählung – zu „blutiger Anarchie“[9].
- Romantische Elemente: Kleist Handlung spielt im fernen Chile. Novalis würde dazu sagen: „So wird alles in der Entfernung Poesie, ferne Berge, ferne Menschen, ferne Begebenheiten, usw., alles wird romantisch“[10]. Die Naturverbundenheit im „Tal von Eden[11] “ lässt den Leser für einen Moment träumen. Auch der religiöse Eifer von Josephe deutet drauf hin, dass es sich um ein der Literaturepoche der Romantik angehörendes Werk handelt. Dass Kleist ein Romantiker war bezeugt die Erzählung „Die Marquise von O...“ im Jahre 1808, die zu den bekanntesten dieser Epoche gehört.
- Aufklärung & Kant-Krise: „Zwar wissen wir nichts Sicheres über die näheren Entstehungsumstände des Textes. Aber einiges spricht dafür, dass die als erste, nämlich 1807, veröffentlichte Erzählung Kleists auch seine früheste ist und vielleicht bis in die entscheidenden Zeit der weltanschaulichen Krise 1800/01 zurückreicht.“[12] Von Kants Einfluss auf Kleist ist oft die Rede, dass Kleist aber seinerseits eine philosophisches Weiterdenken angestrengt und das „kantsche Projekt“[13] in neue Dimensionen geführt hat, ist weitestgehend unentdeckt.[14] Literaturwissenschaftler René Girard ist der Überzeugung, dass das „Erdbeben in Chili [...] als Kritik der mythologischen Vernunft angesehen werden (kann), als ein Versuch, die fundamentalen Mechanismen mythologischen Denkens aufzuzeigen“[15].
[...]
[1] Mit Ausstieg aus dem Militärdienst suchte Kleist nach der Bestimmung seines Lebens; „Ich soll tun, was der Staat von mir verlangt, und doch soll ich nicht untersuchen, ob das, was er von mir verlangt gut ist. Zu seinen unbekannten Zwecken soll ich ein bloßes Werkzeug sein – ich kann es nicht. Ein eigener Zweck steht mir vor Augen, nach ihm würde ich handeln müssen.“
[2] Brandenburger Kleist Ausgabe
[3] Hrsg. Klaus Müller-Salget, 1990
[4] Reuß, Roland: Zu dieser Ausgabe. In H. v. Kleist Brandenburger Ausgabe (BKA). Hrsg. Roland Reuß und Peter Staengle. 1. Auflage 1993. Basel; Frankfurt am Main: Stroemfeld Verlag 1993. S. 47f.
[5] Reuß, Roland: 1993. S. 45.
[6] 1804 – 1816 auch Nationalromantik genannt
[7] Schneider, Helmut J.: Sozialgeschichtliche Werkinterpretation. Der Zusammensturz des Allgemeinen. In: Positionen der Literaturwissenschaft. Hrsg. von David E. Wellbery. 4. Auflage 2001. München: C. H. Beck 1985. S. 115.
[8] Schneider 1985. S. 115.
[9] Schneider: 1985. S. 118f.
[10] Novalis: Schriften, Bd. 2 Hrsg. J. Minor
[11] Heinrich von Kleist: Sämtliche Werke und Briefe in vier Bänden: Band 3 Erzählungen / Anekdoten / Gedichte / Schriften, Hrsg. Klaus Müller-Salget (1990), S. 201.
[12] Schneider: 1985. S. 116.
[13] Girard, René.: Diskursanalyse. Theorie der Mythologie / Anthropologie. Mythos und Gegenmythos zu Kleists „Das Erdbeben in Chili“. In: Positionen der Literaturwissenschaft. Hrsg. von David E. Wellbery. 4. Auflage. München 2001: C. H. Beck 1985. S. 147.
[14] Vgl. Girard, René.: 1985. S. 147.
[15] Girard, René.: 1985. S. 147.
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