Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
MC 1- DIE SITUATION DES DEUTSCHEN SCHULSYSTEMS VOR DEM HINTERGRUND DES VON DER LANDESREGIERUNG KONZIPIERTEN PROGRAMMS „AUFHOLEN NACH CORONA“
1 EINLEITUNG
2. ANALYSE UND BEWERTUNG DES AKTIONSPROGRAMMS
2.1 Analyse und Bewertung aus der bildungssoziologischen Perspektive
2.2 ANALYSE UND BEWERTUNG AUS DER SCHULTHEORETISCHEN PERSPEKTIVE
3. REFLEXION
4. PRAXISBEZUG UND TRANSFER
LITERATURVERZEICHNIS
MC 2 „QUALITÄTSSICHERUNG BERUFLICHER BILDUNG“
1 EINLEITUNG
2. WELCHE FAKTOREN BEEINFLUSSEN DIE QUALITÄT BETRIEBLICHER AUSBILDUNG?
3. SCHLUSSBETRACHTUNG
4. REFLEXION
LITERATURVERZEICHNIS
MC 3: „KONZEPTION EINER LERNSITUATION IM HINBLICK AUF DIE BBNE AM BEISPIEL DER AUSBILDUNG „AUTOMOBILKAUFMANN/FRAU“
1 EINLEITUNG
2. KONZEPTION EINER LERNSITUATION AM BEISPIEL DES AUSBILDUNGSBERUFS AUTOMOB ILKAUFMANN/-FRAU
2.1 GESTALTUNG DER LERNSITUATION ALS SZENARIO
2.2 ERLÄUTERUNG DER LERNSITUATION ANHAND DES MODELLS DER VOLLSTÄNDIGEN HANDLUNG
2.3 ANALYSE DER KONZIPIERTEN LERNSITUATION IM HINBLICK AUF DIE DIDAKTISCHEN PRINZIPIEN
3. FAZIT
4. REFLEXION
LITERATURVERZEICHNIS
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Inputmodell (Quelle in Anlehnung an: Ebbinghaus 2016: 80)
Abbildung 2: Outputmodell (Quelle in Anlehnung an: Ebbinghaus 2016: 82)
Bearbeitung des Moduls MC 1 „Struktur, Evaluation und Entwicklung des deutschen Schulsystems“
MC 1- Die Situation des deutschen Schulsystems vor dem Hintergrund des von der Landesregierung konzipierten Programms „Aufholen nach Corona“
Analysieren und bewerten Sie die Planung von Bund und Ländern vor dem Hintergrund der in der Veranstaltung eingenommenen Perspektiven auf das deutsche Bildungssystem.
1. Einleitung
„ Wir wollen erreichen, dass die Kinder und Jugendlichen durch die Pandemie keine Narben davontragen. Narben einerseits durch Lernrückstände und Unterrichtsausfall, aber auch, weil sie ihre Freunde über lange Zeit nicht treffen konnten, Sport nicht möglich war“ (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2021).
Diesen Appell formulierte Familienministerin Franziska Giffey bei der Vorstellung des „Aktionsprogramms Aufholen nach Corona“ (vgl. ebd. 2021). Das Programm ist die Reaktion der Bundesregierung auf Lernrückstände der Lernenden, die auf den Ausfall des Präsenzunterrichts und die psychosozialen Belastungen zurückzuführen sind (vgl. ebd. 2021). Es wurde von der Bundesbildungsministerin Anja Karliczek angeregt und mit den Ländern verhandelt (vgl. ebd. 2021). Der Bund stellt zwei Milliarden Euro zur Unterstützung bereit (vgl. ebd. 2021). Karliczek erwartet eine substanzielle Beteiligung der Bundesländer, „denn Bildung ist zuallererst Ländersache“ (ebd. 2021). Das Aktionsprogramm besteht aus vier Säulen. Die erste Säule steht für den „Abbau von Lernrückständen“ (ebd. 2021). Wie der Name verrät, geht es um zusätzliche Förderaktionen für Schülerinnen und Schüler1, um Lernrückstände abzubauen (vgl. ebd. 2021). Im Mittelpunkt stehen der Lernort Schule und ihre Verbindung zu weiteren Angeboten. Die zweite Säule umfasst „Maßnahmen zur Förderung der frühkindlichen Bildung“ (ebd. 2021). Als dritte Säule wird auf eine „Unterstützung für Ferienfreizeiten und außerschulische Angebote“ (ebd. 2021) abgezielt. Die vierte Säule trägt die Überschrift „Kinder und Jugendliche im Alltag und in der Schule begleiten und unterstützen“ (ebd. 2021), bei der es um die Unterstützung der Schulsozialarbeit geht, beispielsweise durch die Freiwilligendienstleistenden. Kinder und Jugendliche sollen ein Sozialkompetenztraining erhalten, um die Folgen der Pandemie zu bewältigen (vgl. ebd. 2021). Nun soll das Vorhaben von Bund und Ländern angesichts der in der Vorlesung eingenommenen Perspektiven auf das deutsche Bildungssystem analysiert und bewertet werden. Das Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“ wird nachfolgend aus der bildungssoziologischen Perspektive und der schultheoretischen Perspektive eingehend untersucht.
2. Analyse und Bewertung des Aktionsprogramms
2.1 Analyse und Bewertung aus der bildungssoziologischen Perspektive
Das deutsche Bildungssystem ist durch die Bildungsexpansion gekennzeichnet. Die Bildungsexpansion vollzieht sich einerseits in den Bildungsmöglichkeiten des „niederen und auch mittleren Schulwesens“ (van Ackeren et al. 2015: 73) und andererseits im höheren Bildungswesen. Im niederen Bereich ist sie durch die Pflichtschulzeitverlängerung geprägt. Im mittleren Bildungsbereich finden eine parallele Verlegung der Schülerzahl in mittlere Bildungsgänge und ein Ausbau der Übergänge an Gymnasien statt (vgl. ebd.: 73f.). Als Resultat der Bildungsexpansion wurde eine Differenzierung in Verlierer und Gewinner vollzogen. Zu den Verlierern gehören SuS „die ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung das Bildungs - und Beschäftigungssystem“ (ebd.: 76) verlassen. Gewinner sind hingegen diejenigen, die am Ende ihrer Bildungsexpansion erfolgreich einen Hochschulabschluss absolvieren (vgl. ebd.: 76). Auch heutzutage ist die Vermittlung einer abgeschlossenen Berufsausbildung nicht gesichert (vgl. ebd.: 78). Die Quote der Jugendlichen ohne Ausbildung bleibt stets auf einem hohen Niveau. Jedoch ist gleichzeitig ein Anstieg der Quote der Hochschulabsolventen festzustellen (vgl. ebd.: 78). Bereits im März 2021 beleuchtete der Soziologe Aladin El- Mafaalani die „wachsende Bildungsschere in Pandemiezeiten“ (Tagesspiegel 2021). Der Ausfall des Präsenzunterrichts und die verlängerten Ferien sorgten dafür, dass die Bildungsschere noch weiter auseinanderging. El-Mafaalani (2021) betont, dass nicht die Schule für das Wachsen der Bildungsschere verantwortlich ist, sondern der Schulausfall. Wie Kramer (2000: 164) hervorhebt, nimmt die Schule die Hauptposition bei der Verteilung der Zukunftschancen ein, sodass die Schulschließung zu einem Wachsen der Ungleichheiten beigetragen hat (vgl. Tagesspiegel 2021). Der nordrhein-westfälische Familienminister Joachim Stamp appelliert: „Kinder und Jugendliche dürfen nicht die Verlierer der Pandemie werden“ (vgl. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen 2021). Die Kinder und Jugendlichen sollen im Umgang mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie nicht im Stich gelassen werden. Ganz im Gegenteil sollen ihnen „die bestmöglichen Chancen auf gute Bildung und persönliche Entwicklung“ (ebd. 2021) bereitgestellt werden. Daher ist es vorgesehen, dass das vorgestellte Programm den Kindern und Jugendlichen neue Perspektiven vermittelt (vgl. ebd. 2021). Die vierte Säule des Aktionsprogramms befasst sich mit der Unterstützung der Kinder und Jugendlichen sowohl im Alltag als auch in der Schule. Die Lernenden sollen ihre sozialen Kompetenzen stärken und ihre Schwächen und Lernrückstände abbauen (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2021). Zu diesem Zweck werden Sommercamps und weitere Lernangebote in den Ferien entwickelt. Des Weiteren ist es geplant, im neuen Schuljahr Fördermaßnahmen in den Hauptfächern zu realisieren (vgl. ebd. 2021). Der frühzeitige Ausgleich der Lernrückstände soll dazu beitragen, dass die SuS im neuen Schuljahr ihre Noten verbessern und eine höhere Qualifikation anstreben. Die bestehende Chancenungleichheit, die das westdeutsche Schulsystem kennzeichnet, ist durch „konfessionelle, schichtspezifische, geschlechtsspezifische und regionale Unterschiede“ (van Ackeren et al. 2015: 77f.) charakterisiert. Da der Umfang der vorliegenden Arbeit begrenzt ist, liegt der Fokus ausschließlich auf regionalen und schichtspezifischen Unterschieden.
Eine flächendeckende Ausweitung des Schulnetzes soll die regionale Ungleichheit abmindern. Jedoch bestehen trotz der Bestrebungen regionale Disparitäten zwischen den Ländern. Beispielsweise erreichten 2009 im Rahmen einer Kompetenzüberprüfung des Bereichs Lesen Neuntklässler aus Bayern durchschnittlich 509 Punkte, Neuntklässler aus Bremen hingegen nur 469 Testpunkte (vgl. Köller et al. 2010: 87f.). Innerhalb der Kommunen sind ebenfalls ungleiche Bildungschancen festzustellen. Als Beispiel hierfür kann die gymnasiale Übergangsquote in der Stadt Essen (2011) angeführt werden. Diese beträgt im Norden, also in Altendorf, 20%, im Süden, also in Bredeney, 85% (vgl. ebd.: 80). In der Innenstadt und im Norden bilden einkommensschwache Familien und Zuwandererfamilien den Großteil der Bevölkerung. Das Ziel besteht nun darin, „unerschlossene Talente und Potenziale unabhängig von Geschlecht, Nationalität, ethnischer Herkunft, Religion sowie Bildungsbiographie und Einkommen der Eltern“ (ebd.: 80) zu entdecken und eine Förderung von Chancengleichheit im Hinblick auf die Bildung und Teilhabe zu gewährleisten (vgl. ebd.: 80). El-Mafaalani (2021) betont, dass die Ungleichheit im Elternhaus und in der sozialen Umgebung produziert wird, beispielsweise entscheiden die Eltern, welche weiterführende Schule die Lernenden besuchen sollen (vgl. Tagesspiegel 2021). Das Bildungssystem hingegen ist an der Produktion kaum beteiligt, jedoch gelingt es ihm auch nicht, die vorhandenen Ungleichheiten zu reduzieren (vgl. ebd. 2021). Des Weiteren geht El-Mafaalani davon aus, dass „Armut das Talent von Kindern für Lehrkräfte unsichtbar macht“ (ebd. 2021). Lehrkräfte neigen dazu, Talente zu erkennen, die sie von ihren eigenen Kindern kennen, denn Talente von Kindern aus bildungsfernen Milieus drücken sich habituell nicht so aus wie die Talente von Kindern aus bildungsbürgerlichen Schichten (ebd. 2021). Das Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“ legt besonders viel Wert auf das Sozialkompetenztraining und die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen. Kommunen können eigenständig Jugendfreizeitangebote, Jugendreisen, Ferienangebote und internationale Jugendtreffen organisieren (vgl. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen 2021). Außerdem sollen außerschulische Lernangebote in verschiedenen Bereichen, wie in den Naturwissenschaften oder in Technik, entwickelt werden. Auf diese Weise bietet sich die Möglichkeit, Talente und Kompetenzen zu entdecken und gezielt zu fördern.
Die Dimension „soziale Herkunft“ beleuchtet die kontinuierliche Ungleichheit zwischen den Sozialschichten. Der Bildungsgang der SuS wird ferner von der sozialen Herkunft des Elternhauses beeinflusst. Infolgedessen ist eine „schichtspezifische Zuteilung von Bildungsund damit Lebenschancen“ (van Ackeren et al. 2015: 81) festzustellen, obwohl der demokratische Sozialstaat die Verteilung gleicher Lebenschancen auf alle Sozialschichten anstrebt. Auch das Aktionsprogramm betont, wie bereits ausgeführt wurde, die Verteilung gleicher Chancen auf alle. Die zweite Säule des Aktionsprogramms verdeutlicht, dass eine Entlastung belasteter Familien angestrebt wird. 50 Millionen Euro sollen in Sprachkurse und weitere Angebote für Eltern investiert werden. Die dritte Säule sieht einen Kinderbonus in Höhe von 100 Euro pro Kind vor. Außerdem sollen Erholungsangebote für Familien verwirklicht werden. Auffällig ist, dass das Aktionsprogramm insbesondere benachteiligte Familien zu unterstützen gedenkt. Die Corona-Pandemie hat vor allem SuS getroffen, die bereits benachteiligt waren. „Sozioökonomische Benachteiligungen, finanzielle Armut, Raumknappheit, fehlende Schreibtische und Endgeräte wirken sich ungleichheitsverstärkend aus“ (Tagesspiegel 2021). Fragwürdig ist, ob die Eltern ihre Kinder beim Lernen während des Distanzunterrichts unterstützen konnten. Aus diesem Grund bietet das Aktionsprogramm den Erwachsenen die Möglichkeit, sich weiterzubilden und ihre Persönlichkeit zu stärken. Das Ziel besteht in einem „bürgerschaftliche(n) und ehrenamtliche(n) Engagement für Kinder, Jugendliche und Familien“ (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2021).
Festzuhalten ist, dass der Schuladministration in den Bundesländern die Aufgabe obliegt, grundlegende Kriterien festzulegen, wer als „förderungsbedürftig“ (Friedrich-Ebert-Stiftung 2021: 2) gilt. Der Lernstand der Lernenden sollte vorab diagnostiziert werden, um eine individuelle Förderung zu realisieren.
2.2 Analyse und Bewertung aus der schultheoretischen Perspektive
In diesem Abschnitt soll das Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“ aus der schultheoretischen Perspektive beleuchtet werden. Die schultheoretische Perspektive fragt nach Funktionen, die eine Gesellschaft dem Lernort Schule zuschreibt. Außerdem befasst sie sich mit dem historischen Wandel dieser Zuschreibung (vgl. van Ackeren et al. 2015: 193). Nach Helmut Fend (1980) besitzt die Schule „drei Funktionen absichtsvoller und gesellschaftlich kontrollierter Erziehung“ (ebd.: 193): die Qualifikations-, Selektions-, Allokations- und Integrations- bzw. Legitimationsfunktion (vgl. ebd. 194).
Gemäß der Qualifikationsfunktion sind Schulen mit der Weitervermittlung von Qualifikationen beauftragt, was die Basis für die Reproduktion der Gesellschaft bildet. Der Qualifikationsbegriff hat sich zum Kompetenzbegriff weiterentwickelt, der breiter gefasst ist. Qualifikation meint die personenunabhängigen Ansprüche und umfasst demnach ermittelbare Kenntnisse und Fertigkeiten. Dem Kompetenzbegriff werden hingegen auch „Wissen und kognitive Fähigkeiten“ (ebd.: 195) zugeordnet. Aus diesem Grund wird die Qualifikationsfunktion inzwischen als „Kompetenzvermittlungsfunktion“ (ebd.: 196) aufgefasst, an die zwei Ansprüche gestellt werden. Die Schule soll den SuS Kompetenzen vermitteln, die sie auf ihr zukünftiges privates, öffentliches und berufliches Leben vorbereiten (vgl. ebd.: 196). Dies beinhaltet die Lebensführung als Bürger und Arbeitnehmer, genauer gesagt das Zurechtfinden in der Welt und ihre Mitgestaltung (vgl. ebd.: 196). Das Aktionsprogramm richtet den Fokus auf die Stärkung der Kompetenzen. Beispielsweise sollen die Kompetenzen in den Kernfächern durch unterrichtsbegleitende Förderzwecke gestärkt werden (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2021). Die Friedrich-Ebert- Stiftung warnt vor einer Überforderung der Lernenden. Die SuS müssen den „Zusammenhang von außerschulische(m) und schulische(m) Lernen“ (Friedrich-Ebert-Stiftung 2021: 4) erkennen, um die Fördermaßnahmen nicht als Belastung zu empfinden. Um die Selbstständigkeit und das Selbstbewusstsein der Lernenden zu stärken, sollte das Programm selbstständiges Lernen bzw. das Nachholen in den Fokus rücken (vgl. ebd.: 4). Des Weiteren muss das Aktionsprogramm eine individuelle Förderung gewährleisten, denn „wo Ungleiches gleichbehandelt wird, reproduziert sich Ungleichheit. Vielmehr müsste Ungleiches gezielt ungleich behandelt werden“ (El- Mafaalani 2020: 14). Des Weiteren sollen mithilfe von außerschulischen Lernangeboten die Sprachkompetenzen oder die technischen Kompetenzen weiterentwickelt werden (vgl. ebd. 2021). Im Rahmen des Bundesprogramms „Sprach-Kitas:
Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ (ebd. 2021) werden 100 Millionen Euro für die Umsetzung von 1.000 bundesweiten Sprach-Kitas zur Verfügung gestellt. Somit können SuS ihre Noten verbessern und höher qualifiziert werden.
Die Selektionsfunktion ist an die Allokationsfunktion gekoppelt. Sie gehen beide mit der Qualifikationsfunktion einher. Diesen Beitrag leistet die Schule, um die Lernenden durch schulische Entscheidungsprozesse (Selektion) auf verschiedene Sozialpositionen zu verteilen (Allokation). Die Selektion basiert auf der „Benotung und Bewertung von individuellen Schülerleistungen“ (van Ackeren et al. 2015: 199). Auffällig ist, dass die Schulen eine doppelte Selektion vornehmen. Einerseits gehen sie nach den vorgeschriebenen Kriterien wie den Lehrplänen vor. Andererseits selektieren sie im Hinblick auf die von ihnen zugeteilten Zeugnisse, die zur Bestätigung konkreter Qualifikationen/Kompetenzen dienen (vgl. van Ackeren et al. 2015: 200). Das Aktionsprogramm sollte einen weiteren Fokus auf die Berufsberatung, auf Praktika und berufliche Orientierungsangebote legen. Heranwachsende, die „vor dem Übergang von der Schule ins Berufsleben stehen“ (Friedrich-Ebert-Stiftung 2021: 5), sollten dort abgeholt werden, wo sie sind. Dies gilt sowohl für die schulische als auch für die außerschulische Umgebung.
Die Integrations- bzw. Legitimationsfunktion umfasst die Weitervermittlung von Normen und Werten. Diese dienen zur Stabilisierung und Fortentwicklung der Gesellschaft. Heranwachsende sollen das Gesellschaftssystem, in das sie hineinwachsen, akzeptieren, weiterentwickeln und sich nicht radikalisieren (vgl. ebd.: 200). Das Programm wagt den „Schritt zur Aufarbeitung pandemiebedingter Lernrückstände, zur Reduzierung von Bildungsbenachteiligung und zum Ausgleich psychosozialer Folgen“ (ebd.: 5f.). Jedoch sollten aus der Corona-Krise auch Lehren für das Zusammenwirken unterschiedlicher Dimensionen des Bildungssystems abgeleitet werden. Bund, Länder und Kommunen sollten Strategien zur kontinuierlichen Unterstützung von Familien und Lernenden entwickeln. Nur so lassen sich Bildungsungleichheit reduzieren, Chancengleichheit realisieren und das Hauptversprechen unserer Demokratie verwirklichen (vgl. ebd.: 6).
3. Reflexion
Die Gliederung der Veranstaltung „ MC1 Struktur, Evaluation und Entwicklung des deutschen Schulsystems“ in die verschiedenen Perspektiven des deutschen Schulsystems (historisch, strukturell, bildungssoziologisch, steuerungstheoretisch, entwicklungsorientiert, schultheoretisch) hat mir ermöglicht das deutsche Schulsystem im Ganzen kennenzulernen. Die einzelnen Perspektiven waren mir vorab allgemein bekannt. Nun hatte ich die Gelegenheit mein Wissenshorizont zu erweitern. Ich habe mich für die bildungssoziologische Perspektive entschieden, da ich mich öfters frage, ob die Pandemie sich auf die Bildungsschere auswirkt. Für mich ist weiterhin fragwürdig, ob das Aktionsprogramm die bildungssoziologischen Auswirkungen ausgleichen wird. Die Auseinandersetzung mit der Bildungs(un)gleichheit und der Chancengerechtigkeit werden mich sicherlich auf meinem beruflichen Werdegang weiterhin begleiten, daher habe ich die Chance genutzt verschiedene Positionen aufzugreifen und die Fragestellung zu hinterfragen. Des Weiteren habe ich das Aktionsprogramm aus der schultheoretischen Perspektive betrachtet. Als angehende Berufsschullehrerin finde ich es besonders wichtig die Funktionen der Schule zu kennen und zu wissen, wie man diese fördern kann. Die Literaturvorschläge aus der Veranstaltung konnte ich für meine Literaturarbeit nutzen und anwenden. Es bestehen keine offenen Fragen, da die Inhalte verständlich vermittelt wurden.
4. Praxisbezug und Transfer
Die Sicherung und Weiterentwicklung schulischer Bildung sieht die Kultusministerkonferenz2 als ihre Hauptaufgabe an. Zudem wurden Standards für die Lehrerbildung eingeführt, die Anforderungen an sie definieren. Hierbei bezieht sich die KMK auf die Bildung- und Erziehungsziele, welche in den Schulgesetzen der Bundesländer verankert sind (vgl. Kultusministerkonferenz 2019: 9). Im Folgenden werde ich mich vorab, vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Ausarbeitung, auf den Kompetenzbereich „Erziehen“ beziehen.
„Lehrkräfte kennen die sozialen, kulturellen und technologischen Lebensbedingungen, etwaige Benachteiligungen, Beeinträchtigungen und Barrieren von und für Schülerinnen und Schüler(n) und nehmen im Rahmen der Schule Einfluss auf deren individuelle Entwicklung“ (ebd.: 9).
Das Programm „Aufholen nach Corona“ möchte belastete und benachteiligte Familien entlasten. Die Lehrkräfte sollen in der Praxis Benachteiligungen und Barrieren erkennen, um gezielte Prävention durchzuführen. Sie sollen wissen welche Familien benachteiligt und durch die Pandemie noch mehr belastet sind. Nur so kann das Aktionsprogramm diese Familien unterstützen.
Im Kompetenzbereich „Beurteilen“ heißt es:
„ Lehrkräfte diagnostizieren Lernvoraussetzungen und Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern; sie fördern Schülerinnen und Schüler gezielt und beraten Lernende und deren Elter n “(ebd.: 11) .
Das Aktionsprogramm bietet allen die gleichen Chancen. Das Hauptziel ist es die pandemiebedingte Lernrückstände der SuS zu decken. Somit soll jeder Schüler individuell gefördert werden. Hierfür müssen die Schwächen und Stärken der SuS identifiziert werden, was die Aufgabe der Lehrkräfte ist. Sie sollen unterschiedliche Beratungsformen einsetzen und die SuS, ohne sie zu belasten, individuell und gezielt fördern. Außerdem ist es die Aufgabe der Lehrkräfte Begabungen zu entdecken und diese zu unterstützen.
13 Mein Ziel besteht nun darin, die theoretischen Befunde in meinem bevorstehenden Praxissemester zu beachten und anzuwenden. Anhand verschiedener Methoden möchte ich die Förderbedarfe der SuS aufdecken und eine individuelle Förderung ermöglichen. Da ich angehende Berufsschullehrerin bin, werde ich den Kontakt zu den Ausbildungsbetrieben und anderen Akteuren pflegen, um meine SuS gezielt auf die Praxis vorzubereiten. Soziale Benachteiligungen werde ich in meinen Planungen berücksichtigen.
Literaturverzeichnis
EL- MAFAALANI, ALADIN (2020): Mythos Bildung. Die ungerechte Gesellschaft, ihr Bil dungssystem und seine Zukunft. Köln: Kiepenheuer & Witsch. 1. Auflage. S. 14
KRAMER, CAROLINE (2000). Regionale Disparitäten im Bildungswesen - objektive und subjektive Indikatoren zur regionalen Ungleichheit. In: Bertram, H./ Nauck, B./Klein,T. (Hrsg). Solidarität, Lebensformen und regionale Entwicklung. Opladen: Leske + Budrich. S. 164
KÖLLER, OLAF et. al (2010): Sprachliche Kompetenzen im Ländervergleich. Münster/ NewYork/ München/ Berlin: Waxmann. S. 87-89
VAN ACKEREN, ISABELL et. al (2015): Entstehung, Struktur und Steuerung des deut schen Schulsystems. Eine Einführung. Wiesbaden: Springer. 3. Auflage. S. 73-77, 193 -204 Internetquellen:
BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG (BMBF) 2021: Kinder und Jugendliche nach der Corona- Pandemie stärken. https://www.bmbf.de/de/kinder-und-jugendliche-nach-der-corona-pandemie-staerken 14371.html [aufgerufen am 06.06.2021]
DER TAGESSPIEGEL (2021): Talente werden unsichtbar gemacht. https://www.tagesspiegel.de/wissen/corona-verstaerkt-bildungsungleichheiten- talentewerden-unsichtbar-gemacht/26958476.html [aufgerufen am 10.06.2021]
DIE LANDESREGIERUNG NORDRHEIN- WESTFALEN (2021): Aufholprogramm für Kinder und Jugendliche in Höhe von rund 107 Millionen Euro. https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/aufholprogramm-fuer-kinder-und- jugendliche-hoehe-von-rund-107-millionen-euro-um [aufgerufen am 10.06.2021]
FRIEDRICH EBERT STIFTUNG 2021: „Aufholen nach Corona“. Empfehlungen zur Umsetzung des Aktionsprogramms. https://www.fes.de/themenportal-bildung-arbeit-digitalisierung/artikelseite/paper- corona-aufholprogramm [aufgerufen am 20.06.2021]
KULTUSMINISTERKONFERENZ (KMK) (2019): Standards für die Lehrerbildung. Bil dungswissenschaften https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_12_16- Stan- dards-Lehrerbildung-Bildungswissenschaften.pdf [aufgerufen am 16.07.2021]
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1 Dieser Begriff wird im Laufe des Portfolios mit der Bezeichnung „SuS“ abgekürzt.
2 Dieser Begriff wird im Laufe des Portfolios mit der Bezeichnung „KMK“ abgekürzt.