Due Diligence im Spannungsverhältnis

Rechtliche Aspekte der Informationsversorgung bei Käufen von Aktiengesellschaften nach schweizerischem Recht


Masterarbeit, 2008

69 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Materialien

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

ERSTER TEIL: GRUNDLAGEN

§ 1 Grundlagen der Informationsversorgung
I. Spannungsverhältnis beim Unternehmenskauf
A. Informationsbedürfnis des potenziellen Erwerbers
B. Geheimhaltung und Verschwiegenheit
1. Geheimsphäre des Unternehmens
2. Geheimnis als Bestandteil der Geheimhaltung
3. Geheimhaltung und Verschwiegenheit
II. Informationsaustritt mittels Due Diligence

§ 2 Gewährung einer Due Diligence
I. Vorbemerkungen
II. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen
A. Allgemeine Zulässigkeit der Offenlegung
B. Informationelle Zuständigkeit und Beschlussfassung
1. Relative Geschäftsgeheimnisse.
a. Verwaltungsrat und nicht Generalversammlung
b. Verwaltungsratsausschüsse und Geschäftsleitung?
2. Absolute Geschäftsgeheimnisse
C. Ermessensentscheid des Verwaltungsrates
1. Gesellschaftsrechtliche Pflichten
a. Wahrung des Gesellschaftsinteresses
b. Gleichbehandlungsgebot
c. Sorgfaltspflicht
2. Entscheide im Besonderen

ZWEITER TEIL: RECHT AUF INFORMATION

§ 3 Gesellschaftsrechtliches
I. Vorbemerkungen
II. Auskunftsund Einsichtsrecht
A. Übersicht über das Auskunftsrecht
B. Übersicht über das Einsichtsrecht
C. Bezug zur Due Diligence
D. Erweitertes Auskunftsrecht der Generalversammlung?
III. Verantwortlickeitsklage
IV. Abberufung des Verwaltungsrates
V. Ergebnis

§ 4 Vertragliches
I. Vertragliche Gewährungspflichten
II. Aufklärungspflicht.
A. Allgemeines
1. Vorvertragliche Aufklärungspflicht
2. Rechtslage nach Vertragsschluss
B. Bezug zur Due Diligence
III. Ergebnis

§ 5 Kotierungsrechtliches
I. Kapitalmarktrechtliche Informationsmöglichkeiten
A. Übersicht
B. Bezug zur Due Diligence
C. Due Diligence und Ad-hoc Publizität im Besonderen
II. Übernahmerechtliche Gleichbehandlung
A. Umfang der Gleichbehandlungspflicht
1. In persönlicher Hinsicht
a. Allgemeines
b. Praxis der Übernahmekommission
c. Würdigung der Praxis
2. In zeitlicher Hinsicht
3. In sachlicher Hinsicht
B. Zulässigkeit der Ungleichbehandlung
1. Zuständigkeit der UEK
2. Voraussetzungen
a. Überwiegendes Gesellschaftsinteresse
b. Bestimmtheit des Umfangs
C. Rechtsvergleichendes
1. Einführung
2. Rechtsvergleich
a. England
b. Deutschland
3. Ergebnis und Würdigung
III. Gewährungspflicht aus Treu und Glauben
IV. Ergebnis

DRITTER TEIL: AUSGEWÄHLTE RECHTSFRAGEN

§ 6 Due Diligence als Käuferobliegenheit?
I. Einführung
II. Kaufrechtliche Grundlagen
A. Anwendung gewöhnlicher Aufmerksamkeit
B. Sorgfaltsmassstab
C. Wirkung von Zusicherungen
III. Ergebnis

§ 7 Auslöser von Insidergeschäften?
I. Einführung
II. Insidertatbestand
A. Allgemeines
B. Insiderfähige Tatsache
1. Begriff der Tatsache
2. Bezug zu Wertschriften
3. Vertraulichkeit
4. Voraussehbare Kursrelevanz
5. Bestimmte Art und Qualität
a. Emission von Beteiligungsrechten
b. Unternehmensverbindung
c. Ähnlicher Sachverhalt mit vergleichbarer Tragweite
6. Zusammenspiel mit Tatsachen im Sinne von Art. 72 KR
C. Subjektiver Tatbestand
D. Bezug zur Due Diligence
III. Geplante Unternehmensverbindung
IV. Tippnehmertatbestand
A. Allgemeines
B. Subjektiver Tatbestand
C. Bezug zur Due Diligence
V. Ergebnis

Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

ANGERSBACH CARSTEN J., Due Diligence beim Unternehmenskauf, Diss. Baden- Baden 2002; zit. ANGERSBACH

BERTSCHINGER URS, Zuständigkeit der Generalversammlung der Aktiengesellschaft – ein unterschätzter Aspekt der Corporate Governance, in: Rainer J. Schweizer/Herbert Burkert/Urs Gasser (Hrsg.), FS für Jean Nicolas Druey zum 65. Geburtstag, Zürich usw. 2002; zit. BERTSCHINGER

BILEK EVA/VON DER CRONE HANS CASPAR, Anspruch auf Due Diligence aufgrund der übernahmerechtlichen Gleichbehandlungspflicht, SZW 2007, S. 403-411; zit. BILEK/VON DER CRONE

BLUM OLIVER, Rechtliche Bedeutung der Due Diligence, in: Rudolf Tschäni (Hrsg.), Mergers & Aquisitions VIII, Zürich 2006; zit. BLUM

BÖCKLI PETER, Gewährleistungen und Garantien in Unternehmenskaufverträgen, in Rudolf Tschäni (Hrsg.), Mergers & Acquisitions, Zürich 1998; zit. BÖCKLI, Gewährleistungen

BÖCKLI PETER, Insiderstrafrecht und Verantwortung des Verwaltungsrates, Zürich 1989 = SSHW 120; zit. BÖCKLI, Insiderstrafrecht

BÖCKLI PETER, Schweizer Aktienrecht, 3. A. Zürich usw. 2004; zit. BÖCKLI, Aktienrecht

BÖCKLI PETER/CHRISTOPH B. BÜHLER, Vorabinformationen an Grossaktionäre: Möglichkeiten und Grenzen nach Gesellschaftsund Kapitalmarktrecht, SZW 2005, S.101-112; zit. BÖCKLI/BÜHLER

DRUEY JEAN NICOLAS, Information als Gegenstand des Rechts, Zürich 1995; zit.

DRUEY

FORSTMOSER PETER, Das neue schweizerische Insider-Recht, Bank Vontobel (Hrsg.), Zürich 1988; zit. FORSTMOSER, Insider-Recht

FORSTMOSER PETER, Informationsund Meinungsäusserungsrechte des Aktionärs, in: Jean Nicolas Druey/Peter Forstmoser (Hrsg.), Rechtsfragen um die Generalversammlung, Zürich 1997 (= SnA 11); zit. FORSTMOSER, Meinungsäusserungsrechte

FORSTMOSER PETER/MEIER-HAYOZ ARTHUR/NOBEL PETER, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996; zit. FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL

FRAUENFELDER JRENA, Die Pflichten der Zielgesellschaft gemäss Art. 29 BEHG, Diss.

Zürich 2001; zit. FRAUENFELDER

HOCH CLASSEN MARIEL/HSU PETER CH./ROTH PELLANDA KATJA, Due Diligence und Ver-

trag, in: Vertrauen – Vertrag – Verantwortung, FS für Hans Caspar von der Crone zum 50. Geburtstag, Zürich usw. 2007; zit. HOCH CLASSEN/HSU/ROTH PELLANDA

HÖHN JAKOB, Einführung in die Rechtliche Due Diligence, Zürich usw. 2003; zit.

HÖHN

HÜRLIMANN SILVAN, Der Insiderstraftatbestand, Diss. Zürich 2005; zit. HÜRLIMANN ISLER PETER R., Sorgfalt und Haftung des VR, in: Rolf H. Weber (Hrsg.), Verantwort-

lichkeit im Unternehmensrecht, Zürich usw. 2003; zit. ISLER, Sorgfalt

KÖNIG DANIELA, Das Verbot von Insiderhandel, Eine rechtsvergleichende Analyse des schweizerischen Rechts und der Regelungen der USA und der EU, Diss. Zürich usw. 2006; zit. KÖNIG

KUNZ PETER V., Das Informationsrecht des Aktionärs in der Generalversammlung, AJP 10 (2001), S. 883 ff.; zit. KUNZ, Information

KUNZ PETER V., Der Minderheitenschutz im schweizerischen Aktienrecht, Bern 2001; zit. KUNZ, Minderheitenschutz

LÜCHINGER STEFAN, Ad hoc-Publizität und Offenlegungspflicht im Zusammenhang mit Unternehmensübernahmen, in: Rudolf Tschäni (Hrsg.), Mergers & Aquisitions VI, Zürich 2004; zit. LÜCHINGER

MARTINEZ LARISSA MAROLDA, Information der Aktionäre nach schweizerischem Aktien- und Kapitalmarktrecht, Diss. Zürich usw. 2006; zit. MARTINEZ

MEIER-HAYOZ ARTHUR (Hrsg.), Berner Kommentar, Bd. VI/2/1/1, 2. A., Bern 1980; zit.

BK-VERFASSER

ROMERIO FLAVIO/GERHARD FRANK, Due Diligence und öffentliche Übernahmen, SZW 1/2007, S. 1 ff.; zit. ROMERIO/GERHARD

SCHENKER URS, Due Diligence beim Unternehmenskauf, in: Rudolf Tschäni (Hrsg.), Mergers & Aquisitions III, Zürich 2001; zit. SCHENKER, Due DIligence

SCHENKER URS, Risikoallokation und Gewährleistung beim Unternehmenskauf, in: Rudolf Tschäni (Hrsg.), Mergers & Aquisitions VII, Zürich 2005; zit. SCHENKER, Gewährleistung

SCHMID CHRISTOPH/HEIZ CHRISTOPH, Legal Due Diligence im IPO, in: Rolf Watter (Hrsg.), Rechtsfragen beim Börsengang von Unternehmen, Zürich usw. 2002; zit. SCHMID/HEIZ

SCHMID NIKLAUS, Schweizerisches Insiderstrafrecht , Ein Kommentar zu Art. 161 des Strafgesetzbuches: Ausnützen der Kenntnis vertraulicher Tatsachen, Bern 1988; zit. SCHMID

SCHWENZER INGEBORG, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 4. A. Bern 2000; zit. SCHWENZER

STRATENWERTH GÜNTER/JENNY GUIDO, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I,

6. A. Bern 2003; zit. STRATENWERTH/JENNY

STÜCKELBERGER BALTHASAR, Unternehmensinformation und Recht, Diss. Zürich 2004; zit. STÜCKELBERGER

TSCHÄNI RUDOLF, M&A-Transaktionen nach Schweizer Recht, Zürich usw. 2003; zit.

TSCHÄNI

TSCHÄNI RUDOLF/DIEM HANS-JAKOB, Die Pflichten des Verwaltungsrates der Zielgesellschaft bei Übernahmeangeboten, in: Rudolf Tschäni (Hrsg.), Mergers & Aquisitions VII, Zürich 2005; zit. TSCHÄNI/DIEM

VISCHER MARKUS, Due Diligence bei Unternehmenskäufen, SJZ 96 (2000), S. 228 ff.; zit. VISCHER

VON FISCHER MARIE, Die Ad hoc-Publizität nach Art. 72 Kotierungsregelement, Diss.

Bern 1999; zit. VON FISCHER

WAHRENBERGER ANDRÉ, Vorvertragliche Aufklärungspflichten im Schuldrecht, Diss.

Zürich 1992; zit. WAHRENBERGER

WATTER ROLF, Die Informationsversorgung des Aktionärs, insbesondere die SWX- Richtlinie betr. Information zur Corporate Governance, in: Christoph B. Bühler (Hrsg.), Informationspflichten des Unternehmens im Gesellschaftsund Börsenrecht, Bern usw. 2003

WATTER ROLF, Unternehmensübernahmen, Zürich 1990; zit. WATTER, Unternehmensübernahmen

WATTER ROLF/MAIZAR KARIM, Konkurrierende Übernahmeangebote, in: Rudolf Tschäni (Hrsg.), Mergers & Aquisitions VII, Zürich 2005; zit. WATTER/MAIZAR

WENNINGER RENATE MELANIE, Die aktienrechtliche Schweigepflicht, Diss. Zürich 1983; zit. WENNINGER

ZOBL DIETER/KRAMER STEFAN, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Zürich usw. 2004; zit. ZOBL/KRAMER

Materialien

Ad hoc-Publizitäts-Richtlinie der SWX Swiss Exchange, Beschlüsse vom 30. September 2004 und 29. März 2006, Inkraftsetzung am 1. Juli 2005 und 1. Januar 2007; Ad hoc-Publizitäts-Richtlinie SWX

Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches (Insidergeschäfte) vom 1. Mai 1985, BBl 1985 I 69; zit. Botschaft 1985

Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches (Insidergeschäfte) vom 8. Dezember 2006, BBl 2007 I 439; zit. Botschaft 2006

Empfehlung der Übernahmekommission vom 14. November 2006 i.S. SIG Holding AG; zit. UEK-Empfehlung III i.S. SIG Holding AG

Empfehlung der Übernahmekommission vom 26. Oktober 2006 i.S. SIG Holding AG; zit. UEK-Empfehlung I i.S. SIG Holding AG

Empfehlung der Übernahmekommission vom 11. August 2000 i.S. Intersport PSC Holding AG; zit. UEK-Empfehlung i.S. Intersport PSC Holding AG

Verfügung der Eidgenössischen Bankenkommission vom 20. Dezember 2006 i.S. SIG Holding AG; zit. EBK-Verfügung i.S. SIG Holding AG

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Unter dem aus der angloamerikanischen Rechtspraxis stammenden Begriff der Due Diligence bei Unternehmenskäufen versteht man grundsätzlich die organisierte und institutionalisierte Überprüfung des zu erwerbenden Unternehmens oder Unternehmensteils[1]. Dieses Verständnis einer Due Diligence bildet denn auch Gegenstand vorliegender Arbeit. Ziel ist es, die rechtlichen Aspekte bezüglich der Informationsversorgung anlässlich eines Share Deals oder eines Asset Deals bei einer AG aufzuzeigen und das rechtliche Umfeld einer Due Diligence darzustellen.

Im ersten Teil wird das Spannungsverhältnis zwischen Käuferund Verkäuferinteressen dargestellt und die Grundlagen für die Gewährung einer Due Diligence behandelt.

Im zweiten Teil werden die rechtlichen Grenzen der Informationsversorgung anlässlich eines Unternehmenskaufes ausgelotet. Es soll aufgezeigt werden unter welchen Voraussetzungen und inwieweit der Käufer ein Recht auf Information hat und gegebenenfalls wie diese Rechte in sachlicher Hinsicht einen Bezug zur Due Diligence aufweisen.

Im dritten Teil wird schliesslich ausgewählten Rechtsfragen nachgegangen, welche einen Einfluss auf die Due Diligence haben können.

E RSTER T EIL : G RUNDLAGEN

§ 1 Grundlagen der Informationsversorgung

I. Spannungsverhältnis beim Unternehmenskauf

In der Vorphase und selbst beim Abschluss eines Unternehmenskaufs, sei dieser als Share Deal oder Asset Deal ausgestaltet, bestehen grundsätzlich immer erhebliche Informationsasymmetrien zwischen den beteiligten Parteien[2]. Im Folgenden sollen nun die unterschiedlichen Interessen dargestellt werden, welche die Grundlage für das Spannungsverhältnis bilden. Auf der einen Seite ist das Informationsbedürfnis des potentiellen Käufers und auf der anderen Seite das Interesse der Gesellschaft an Geheimhaltung und Verschwiegenheit.

A. Informationsbedürfnis des potenziellen Erwerbers

Die öffentlich zugänglichen Informationen[3] über eine Zielgesellschaft reichen vielfach nicht, um einen fundierten Kaufentscheid zu fällen[4]. Vielmehr benötigt der potenzielle Erwerber gerade bei einem solchen meist sehr kostenintensiven und umfangreichen Unterfangen weitere sensitive Unternehmensinformationen. Insbesondere möchte er wissen, ob das Übernahmeobjekt tatsächlich in seine Strategie passt, und ob möglicherweise gewisse Risiken wie beispielsweise hängige Rechtsstreitigkeiten mit Dritten bestehen[5]. Auch für die Strukturierung eines öffentlichen Übernahmeangebots und eine adäquate Festsetzung des Angebotspreises sind weitergehende Informati-

onen i.d.R. nicht wegzudenken[6]. Nicht zuletzt ist ein sorgfältiger Kaufentscheid auch für allfällige haftungsrechtliche Folgen von grosser Bedeutung. Denn die Durchführung der Due Diligence ist mittlerweile derart zum Standard geworden, dass die Organe der kaufenden Gesellschaft u.U. entgegen ihrer Sorgfaltspflicht handeln, wenn sie ihren Kaufentscheid nicht von den Ergebnissen einer Due Diligence abhängig machen[7]. Überdies sind die erhaltenen Informationen auch Voraussetzung, um allenfalls eine Bankfinanzierung zu erhalten[8]. Heute dürfte somit i.d.R. davon ausgegangen werden, dass ein Unternehmenskäufer ein sehr weitreichendes Bedürfnis an vorgängiger Information hat und daher eine Due Diligence nicht mehr wegzudenken ist[9].

B. Geheimhaltung und Verschwiegenheit

1. Geheimsphäre des Unternehmens

Als Grundform des Informationsschutzes steht juristischen Personen – ähnlich wie den natürlichen Personen – ein Persönlichkeitsschutz zu[10]. Dieser bezweckt einen wirtschaftlichen Funktionsschutz, indem die Geheimsphäre[11] geschützt wird[12]. Normalerweise strebt eine Aktiengesellschaft materielle Vorteile zugunsten ihrer Mitglieder an[13]. Sie verfolgt damit einen wirtschaftlichen Endzweck. Zur Erreichung dieses Zwecks, bedarf die Geschäftsführung insbesondere eines Informationsschutzes gegen aussen[14]. Gewisse relevante Tatsachen sollen nicht an Dritte gelangen bzw. sollen Dritte auch keinen Zugriff auf solche Tatsachen haben. So verhält es sich beispielsweise bei Informationen über neuere technische Entwicklungen oder strategische Stossrichtungen der Gesellschaft.

2. Geheimnis als Bestandteil der Geheimhaltung

Bei den nicht bekannt zu gebenden Tatsachen handelt es sich oftmals um Geheimnisse[15]. Das Recht auf Geheimhaltung schützt nicht die einzelnen Geheimnisse an sich, sondern gibt dem Geheimnisherrn das Recht an deren Geheimhaltung[16].

Das Aktienrecht definiert den Begriff Geheimnis nicht näher[17]. Nach Lehre[18] und Rechtsprechung[19] wird das Geheimnis als „Tatsache, die weder offenkundig noch allgemein zugänglich ist“ verstanden. Als subjektive Anforderungen an den Geheimnisbegriffs werden das berechtigte Geheimhaltungsinteresse des Geheimnisherrn sowie der Geheimhaltungswille desselben angefügt[20]. Schliesslich wird verlangt, dass die Offenbarung der unbekannten Tatsache einen Einfluss auf das Geschäftsergebnis haben würde[21].

Die Geheimnisse werden weiter in absolute und relative Geschäftsgeheimnisse unterteilt. Bei den relativen Geheimnissen werden Tatsachen im eigenen Interesse geheim gehalten, wie beispielsweise der allgemeine Geschäftsverkehr einer AG, ihr Kundenkreis oder bestimmte Geschäfte[22]. Dagegen werden bei den absoluten Geheimnissen Tatsachen aufgrund einer Verpflichtung gegenüber Dritten geheimgehalten[23].

3. Geheimhaltung und Verschwiegenheit

Oftmals werden diese beiden Begriffe – zumindest im allgemeinen Sprachgebrauch – als Synonyme verwendet. Sie lassen sich jedoch sowohl nach Umfang als auch nach

Inhalt der Informationszurückhaltung abgrenzen[24]. Untersucht man sie zunächst anhand des Umfanges der Informationszurückhaltung, so ergibt sich, dass die Geheimhaltung ausschliesslich an Informationen mit Geheimnischarakter anknüpft[25]. Demgegenüber kann die Pflicht zur Verschwiegenheit weiter gehen, da auch Informationen ohne Geheimnischarakter darunter zu subsumieren sind. Weiter lassen sich die beiden Begriffe nach dem Inhalt der Zurückhaltung insofern unterscheiden, als dass bei der Geheimhaltungspflicht aktives Handeln gefordert sein kann, während der Schweigepflichtige mit blossem Unterlassen des Informierens seiner Pflicht gerecht wird[26]. Eine Pflicht zur Verschwiegenheit entsteht namentlich aufgrund eines Auftrags- oder eines Arbeitsverhältnisses. Beispielsweise darf sich u.U. der beauftragte VR nicht über einen Gerichtsprozess seines Unternehmens äussern, über den bereits in den Medien berichtet wurde und daher die Tatsachen offenkundig wurden[27].

II. Informationsaustritt mittels Due Diligence

Allgemein lässt sich sagen, dass es sich bei der Offenlegung von Informationen gegenüber Dritten um einen Informationsaustritt handelt[28]. Entgegen dem Recht, welches als Grundsatz umfangreiche Informationszurückhaltungspflichten auf allen Ebenen des Unternehmens statuiert[29], verlassen Informationen die Aussenhaut des Unternehmens[30]. Die Zurückhaltungspflichten werden regelmässig auch durch Informationspflichten durchbrochen, so dass das Unternehmen zum Informationsaustritt gezwungen wird[31].

Bei der Due Diligence werden in Bezug auf einen allfällig bevorstehenden Unternehmenskauf Informationen in verschiedenen Hinsichten dem potenziellen Käufer offengelegt. Übliche spezifische Unterkategorien einer Due Diligence sind etwa: Business Due Diligence, Legal Due Diligence, Tax Due Diligence, Financial Due Diligence, Insurance Due Diligence oder Environmental Due Diligence[32]. Je nach Art des zu kaufenden Unternehmens werden diese Bereiche denn auch unterschiedlich untersucht[33]. So erstaunt es nicht, dass gemäss Praxis der Übernahmekommission keine allgemein anerkannte Definition einer marktüblichen Due Diligence besteht[34]. Gleichwohl lässt sich m.E. allgemein sagen, dass i.d.R. Geschäftsgeheimnisse und auch Tatsachen, welche der Verschwiegenheitspflicht unterliegen, offengelegt werden müssen, damit überhaupt nach der hier vertretenen Auffassung von einer Due

Diligence die Rede sein kann. Anders gesagt, der potentielle Käufer muss einen tiefen Einblick erhalten, um in Kenntnis aller bewertungsrelevanten Faktoren und Risiken in aller Sorgfalt entscheiden zu können.

§ 2 Gewährung einer Due Diligence

I. Vorbemerkungen

Aufgrund der Tatsache, dass der Käufer i.d.R. „die Katze nicht im Sack kaufen“ wird, ist das Gelingen eines Unternehmenskaufes erheblich von der Durchführung einer Due Diligence abhängig. Im Folgenden sollen nun die gesellschaftsrechtlichen Grundlage aufgezeigt werden, welche es ermöglichen die Geheimhaltungsund Verschwiegenheitspflichten zu durchbrechen bzw. eine Due Diligence zu gewähren.

II. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen

A. Allgemeine Zulässigkeit der Offenlegung

Wie oben festgestellt wurde, bestehen Geheimhaltungspflichten und Schweigepflichten in einem Unternehmen[35]. Diese Pflichten sind jedoch nicht absolut zu verstehen, sondern dürfen aus aktienrechtlicher Sicht unter gewissen Umständen durchbrochen werden[36]. Bei börsenkotierten Unternehmen geht die schweizerische Rechtsordnung sogar ausdrücklich von der Zulässigkeit der Offenlegung i.S. einer Due Diligence aus[37].

B. Informationelle Zuständigkeit und Beschlussfassung

Informationelle Zuständigkeit meint hier das Innehaben der Kompetenz, über den Umfang und die Art und Weise des Informationsaustrittes zu entscheiden. Diese Befugnis beinhaltet den Entscheid, ob entgegen dem Grundsatz „in dubio pro silentio“[38] überhaupt Informationen das Unternehmen verlassen sollen, sowie die Wahl von Zeitpunkt, Empfängerkreis und weiteren Modalitäten[39]. Im Falle einer Due Diligence ist für die Zuweisung der Zuständigkeit zu unterscheiden, ob relative Geschäftsgeheimnisse oder absolute Geschäftsgeheimnisse offengelegt werden.

1. Relative Geschäftsgeheimnisse

Bei den relativen Geschäftgeheimnissen[40] ist das Zielunternehmen Geheimnisherrin[41]. Es fragt sich somit, welches für die Gesellschaft handelnde Organ informationell zuständig ist.

a. Verwaltungsrat und nicht Generalversammlung

Aufgrund der aktienrechtlichen Ordnung führt der VR die Geschäfte der Gesellschaft und fasst in allen Angelegenheiten Beschluss, die nach Gesetz oder Statuten nicht der GV zugeteilt sind[42]. Dem VR obliegt somit grundsätzlich der Entscheid über die Gewährung einer Due Diligence. Selbst bei öffentlichen Übernahmen, bei welchen sich das Angebot an die Aktionäre richtet, ist eine Kompetenzzuweisungen an die GV nicht denkbar[43]. Denn die Aktionäre weisen i.d.R ein erhebliches Informationsdefizit gegenüber dem mit der Geschäftführung betrauten VR auf[44]. Infolge einer Kom-

petenzverletzung wäre eine Statutenbestimmung nichtig, welche etwa den Beschluss der Generalversammlung für die Offenlegung im Rahmen einer Due Diligence verlangen würde[45]. Will ein Aktionär mittels seines Traktandierungsrechts einen Due Diligence Beschluss in der GV erzwingen, so bleibt es dem VR unbenommen auf diesen Antrag nicht einzugehen[46].

Nach einer anderen Meinung soll sich der VR im Übernahmekampf nicht hinter seiner Oberleitungsaufgabe verschanzen können[47]. Das Geschäft über die Gewährung bzw. Nicht-Gewährung einer Due Diligence ist vielmehr bei Interessenkonflikten innerhalb des Aktionariats an der GV zu traktandieren. Relativierenderweise räumt jedoch diese Meinung bloss begrenzte Zuständigkeit ein, da die Entscheidbefugnis der GV i.S.v. Art. 698 OR bei den Geschäftsgeheimnissen endet. Somit dürften sämtliche Geheimnisse nicht oder bloss in anonymisierter Form offengelegt werden.

[...]


[1] VISCHER, 228; HÖHN, 1.

[2] Vgl. SCHENKER, Due Diligence, 211; HOCH CLASSEN/HSU/ROTH PELLANDA, 324.

[3] Zu nennen seien etwa folgende Informationsmöglichkeiten: Statuten, Handelregisterauszug, Betreibungsregisterauszug bei glaubhaft gemachtem Interesse, ebenso Einsicht ins Grundbuch; bei kotierten Unternehmen ergeben sich weitere Informationsmöglichkeiten, dazu hinten § 5 I. A.

[4] Vgl. HOCH CLASSEN/HSU/ROTH PELLANDA, 324.

[5] Vgl. TSCHÄNI, Kap. 2 N 20 m.w.H.

[6] Vgl. ROMERIO/GERHARD, 3.

[7] ISLER, Sorgfalt, 5 f. m.w.H. Auch gewisse Gewährleistungsrechte können dem Käufers verloren gehen, wenn er die Vornahme einer Due Diligence unterlässt; vgl. dazu hinten bei § 6.

[8] WATTER/MAIZAR, 30.

[9] ROMERIO/GERHARD, 1.

[10] BGE 95 II 481.

[11] Die Geheimsphäre bildet neben der Privatsphäre und der Gemeinsphäre den innersten Teil des Sphärenmodells. Vgl. dazu PETER JÄGGI, Fragen des privatrechtlichen Schutzes der Persönlichkeit, ZSR 2 (1960), 226a f.

[12] Vgl. STÜCKELBERGER, 43 m.w.H.; nach älterer Meinung wird der Persönlichkeitsschutz bei juristischen Personen ausschliesslich aus Art. 53 ZGB abgeleitet.

[13] Zu beachten ist Art. 620 Abs. 3 OR, welcher auch die Verfolgung ideeller Ziele erlaubt.

[14] Vgl. MARTINEZ, 30.

[15] Zum Geheimnisbegriff generell: JEAN NICOLAS DRUEY, Geheimsphäre des Unternehmens, Basel 1977; 8 f.

[16] Vgl. MARTINEZ, 31 f.

[17] Art. 697 Abs. 2 OR nennt zwar das Geschäftsgeheimnis als Informationsverweigerungsgrund, ohne jedoch den Begriff näher zu erläutern.

[18] Vgl. dazu hinten § 7 II.B.1.

[19] BGE 80 IV 22.

[20] BGE 80 IV 27, 103 IV 284, 109 IB 56.

[21] Vgl. WENNINGER, 3.

[22] Vgl. FORSTMOSER, Meinungsäusserungsrecht, 95.

[23] Vgl. FORSTMOSER, Meinungsäusserungsrecht, 95.

[24] Vgl. STÜCKELBERGER, 59.

[25] Vgl. STÜCKELBERGER, 59.

[26] Vgl. STÜCKELBERGER, 59.

[27] Vgl. STÜCKELBERGER, 72 ff. m.w.H.

[28] Vgl. DRUEY, Information, 295 ff.

[29] So haben etwa die Arbeitnehmer und die Mitglieder des VR weitgehende Geheimhaltungsund Verschwiegenheitspflichten: Art. 321a Abs. 4 OR, Art. 321a Abs. 1 OR, Art. 717 OR. Näheres bei STÜCKELBERGER, 60ff., 77 f.

[30] Vgl. STÜCKELBERGER, 34.

[31] Vgl. dazu etwa hinten § 5 I.A.

[32] TSCHÄNI, 2. Kap. N 19.

[33] SCHENKER, Due Diligence, 215 f.

[34] Vgl. Empfehlung der UEK vom 15. Juli 2005 i.S. Saia-Burgess Electronics Holding AG, E. 2.11.4.

[35] Vgl. dazu vorne § 1 I.B.

[36] Vgl. STÜCKELBERGER, 78.

[37] Art. 9 Abs. 2 lit. a UEV-UEK sowie Art. 48 Abs. 1 UEV-UEK.

[38] Vgl. DRUEY, Information, 300.

[39] Vgl. STÜCKELBERGER, 35.

[40] Vgl. dazu vorne § 1 I.B.b.

[41] Vgl. STÜCKELBERGER, 44 f.

[42] Art. 716 OR.

[43] Vgl. TSCHÄNI/DIEM, 70.

[44] Vgl. TSCHÄNI/DIEM, 53 f.

[45] Vgl. BÖCKLI, Aktienrecht, § 13 N 449 ff.; TSCHÄNI/DIEM 70.

[46] Vgl. DUBS DIETER, Q&A zum Traktandierungsbegehren nach 699 Abs. 3 OR – Ausgestaltung, Rechte der Aktionäre und Pflichten des Verwaltungsrates, GesKR Ausg. 2-3 (2006) 179 f.

[47] Vgl. BERTSCHINGER, 326 f.

Ende der Leseprobe aus 69 Seiten

Details

Titel
Due Diligence im Spannungsverhältnis
Untertitel
Rechtliche Aspekte der Informationsversorgung bei Käufen von Aktiengesellschaften nach schweizerischem Recht
Hochschule
Universität Bern
Note
1,5
Autor
Jahr
2008
Seiten
69
Katalognummer
V118949
ISBN (eBook)
9783640221899
ISBN (Buch)
9783656210740
Dateigröße
640 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Diligence, Spannungsverhältnis
Arbeit zitieren
MLaw Daniel Hänni (Autor:in), 2008, Due Diligence im Spannungsverhältnis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118949

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Due Diligence im Spannungsverhältnis



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden