Muße, Maloche und Marxismus. Untersuchung über das Verhältnis von Arbeit und Faulheit im Kontext marxistischer Philosophie


Hausarbeit, 2021

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 EINFÜHRUNG

2 HAUPTTEIL

2.1 Perspektiven auf das Verhältnis von Arbeit und Faulheit

2.2 Die Rolle der Arbeit im Marxschen Menschenbild

2.3 Das Verhältnis von Arbeit und Faulheit bei Marx

2.4 Freizeit und gesellschaftlicher Wohlstand - die utopische Dimension der Faulheit bei Marx

2.5 Das „Recht auf Faulheit“ - Begrenzung der Arbeitszeit als politische Forderung innerhalb der marxistischen Arbeiterbewegung

3 S CHLUSSTEIL

3.1 Zusammenfassung

3.2 Gegenwärtige Entwicklung - „Faulheit“ als Mittel zur Produktivitäts- und Effizienzsteigerung?

3.3 Ausblick - „Mut zur Faulheit“ als gesellschaftliche Aufgabe?

4 L ITERATURVERZEICHNIS

EINFÜHRUNG

Die Ideen von Karl Marx auf einen einzigen Begriff herunterzubrechen ist sicherlich ein problematisches Unterfangen und kann dem komplexen und auf unterschiedliche Schwerpunkte und Wissenschaftszweige ausgerichteten Werk des Denkers kaum gerecht werden. Würde man es dennoch versuchen, käme höchstwahrscheinlich das Konzept der Arbeit in die engere Auswahl, da es sich quer durch Marxens Schriften zieht und dabei ebenso vielgestaltig ist wie die Natur seiner Untersuchungen. „Arbeit“ kommt hier infrage unter dem Gesichtspunkt allgemeiner schöpferischer Lebenstätigkeit, als Prozess der Herstellung von Gütern oder auch im Sinne von Lohn- bzw. Erwerbsarbeit, um nur einige Facetten dieses Phänomens zu nennen.

Dementsprechend lässt sich feststellen, dass sich der Begriff der Arbeit in verschiedener Weise im Marxschen Werk widerspiegelt, je nachdem, welches Wissenschaftsgebiet von ihm behandelt wird. In philosophisch-anthropologischer Hinsicht kommt der Arbeit eine zentrale Bedeutung als Grundvoraussetzung für tätige, menschliche Existenz zu (Henning 2017, S. 46), wohingegen aus soziologischer Perspektive die tragende Rolle der Arbeit bzw. der Arbeiterklasse innerhalb der Gesellschaft im Mittelpunkt steht (Henning 2017, S. 47). Auch im Feld der politischen Ökonomie gilt laut Marx - entgegen dem kapitalistischen Selbstverständnis, das die zentrale Bedeutung des Warentauschs hervorhebt - das Primat der Arbeit (Henning 2017, S. 69).

Wo Arbeit einer der Dreh- und Angelpunkte zu sein scheint, ist jedoch auch der Stellenwert ihrer teilweisen oder gänzlichen Abwesenheit zu klären. Hierzu eigenen sich begriffliche Gegenkonzepte wie Freizeit, Muße, Müßiggang oder auch Faulheit, die ebenso wie der Begriff der Arbeit eine philosophische Tradition besitzen, deren Ursprünge bis in die Antike zurückreichen (Gimmel und Keiling 2016, S. 92-94). Bei Marx sind diese Momente des Nicht-Arbeitens jedoch deutlich weniger präsent und lassen sich auf den ersten Blick womöglich kaum mit seinen Theorien in Einklang bringen.

Dies zu untersuchen soll das Ziel der vorliegenden Arbeit sein. Dabei geht es zunächst darum, in welchem Verhältnis Arbeit und Faulheit1 generell zueinander stehen bzw. stehen können. Weiterhin soll untersucht werden, inwiefern Marx diese Beziehung in seinen Schriften aufgreift, wobei ein besonderes Augenmerk auf den Marxschen Arbeits­und Entfremdungsbegriff gelegt wird, der als Ausgangspunkt für die weitere Untersuchung dient. Aus den Ergebnissen werden schließlich politische und gesellschaftliche Implikationen folgen, die vor allem im Schlussteil aufgegriffen, beleuchtet und bewertet werden.

Eine aktuelle Relevanz haben diese Fragen insofern, als dass Marx‘ Bemühungen dahin gingen, nicht nur die Folgen und Symptome des Kapitalismus aufzuzeigen, sondern die tieferliegenden Bewegungsprinzipen bürgerlich-kapitalistischer Gesellschaften zu beschreiben. Erstgenannte unterscheiden sich heute zum Teil erheblich von den Auswirkungen der Industrialisierung zu Marxens Lebzeiten und können nur bedingt zum Vergleich herangezogen werden, während letztere nach wie vor die Möglichkeit bieten, unser gegenwärtiges Gesellschafts- und Wirtschaftssystem einer kritischen Analyse zu unterziehen, versteckte Zusammenhänge deutlich zu machen und unterschwellige Prämissen im gesellschaftlichen Diskurs aufzuzeigen, damit sich über deren Allgemeingültigkeit verständigt werden kann. Hierzu gehören aktuell beispielsweise Debatten über die Angemessenheit der wöchentlichen Regelarbeitszeit und des Renteneintrittsalter, über Elternzeit, Sabbaticals oder auch die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens, welche dazu beitragen, die Vormachtstellung von Arbeit infrage zu stellen und deren Gegenpol, welcher begrifflich als „Muße“ oder „Faulheit“ erfasst werden kann, stärker in den Blickpunkt zu rücken.

HAUPTTEIL

2.1 PERSPEKTIVEN AUF DAS VERHÄLTNIS VON ARBEIT UND FAULHEIT

Es scheint zunächst naheliegend, Arbeit und Faulheit im Sinne von Arbeiten und Nicht­Arbeiten zu trennen und sie somit als sich einander ausschließende Gegensätze zu begreifen (Liessmann 2018a, S. 8). Faulheit wäre dann Abwesenheit von Arbeit um umgekehrt, es ergäbe sich eine Teilung in vollständige Passivität und pure Aktivität. Diese dichotome Sichtweise verträgt sich allerdings nicht mit beobachtbaren Phänomenen wie dem faulen (d.h. nachlässig tätigen) Arbeitenden, dem kontemplativen (d.h. geistig tätigen) Faulenzenden oder dem Spielenden (d.h. unproduktiv Tätigen). Zudem impliziert die Verwendung des Begriffes Faulheit, „dass es etwas zu tun gibt [...] von dem gewusst wird, dass es getan werden sollte“ (Liessmann 2018a, S. 9), sie mithin normativ geprägt ist und „ein ganz bestimmtes Verhältnis zum Tätigsein [markiert]“ (ebd.).

Faulheit ist aus dieser Perspektive gesehen also kein Komplement zu, sondern eher ein Modus von Arbeit, der sich auf verschiedene Weise äußern kann. Nassima Sahrahoui spricht in diesem Kontext von „aktiver Passivität“ bzw. „Aktivität in Inaktivität“ (2018, S. 72), welcher sie die weiter oben beschriebene, klassische „Vorstellung von Faulheit als passiver Trägheit“ gegenüberstellt (2018, S. 75). Bei Martin Seel hingegen ist Aktivität und Passivität aufgrund des Wechsels zwischen verschiedenen Dimensionen menschlicher Tätigkeit, zu denen neben Arbeit auch Interaktion, Spiel und Betrachtung zählen, miteinander verwoben, wobei eine „einseitige Privilegierung des Arbeitslebens gegenüber anderen Tätigkeitsformen“, die nicht im eigentlichen Sinne produktiv, aber doch konstitutiv für menschliches Handeln sind, vermieden werden sollte (2018, S. 61).

Der Vorzug dieser differenzierteren Sichtweisen besteht darin, das Stigma von Faulheit als Laster und die Erhöhung der Arbeit zur Tugend (Seel 2018, 54f.) aufzuweichen und deren Rollen neu zu überdenken. Faulheit und Muße können daher auch als ein bewusstes, selbstbestimmtes Zurücktreten von ökonomischen Arbeitsprozessen und Zwängen begriffen werden, um Zeit und „Raum zur Schöpfung und Entwicklung individueller Kräfte“ zu schaffen (Sahraoui 2018, S. 86). Weiterhin können sie Ausdruck der Verweigerung und des Widerstandes gegen von außen verordnete Arbeit darstellen (Seel 2018, 56f.), die sich nicht gegen das Tätigsein als solches, sondern gegen Monotonie, Fremdbestimmung und Vereinzelung in der Arbeitswelt richten (Seel 2018, S. 65).

In diesem Kapitel sollen politische, ökonomische und soziologische Fragestellungen des Arbeitsbegriffs bewusst hintenangestellt und der Fokus auf anthropologische Aspekte gelegt werden, da diese schließlich zum Begriff der „entfremdeten Arbeit“ führen, die bei Marx den „ethischen Kern der Kritik am Kapitalismus“ darstellt (Quante und Schweikard 2016, S. 41). „Entfremdung“ knüpft dabei an die am Ende des vorhergehenden Kapitels ausgearbeiteten Bestimmungen an, die sich gegen die Praxis der Arbeit in kapitalistischen Strukturen richten, womit bereits eine Verbindung zwischen dem Verhältnis von Arbeit und Faulheit und der Rolle von Arbeit bei Marx andeutet wird.

Für den nun folgenden Überblick bilden die „Ökonomisch-philosophischen Manuskripte von 1844“ die Grundlage (Marx 1968g, S. 510-522), da Marx hier „um das Phänomen der Arbeit im menschlichen Leben herum“ (Quante und Schweikard 2016, S. 40) u.a. Grundzüge seiner Anthropologie entwickelt. Besonders ergiebig ist in dieser Hinsicht die von ihm eingeführte dritte Form der entfremdeten Arbeit (Marx 1968g, S. 515-517), welche Bezug zum Gattungswesen des Menschen nimmt.

Zunächst definiert er das Gattungsleben des Lebewesen Mensch als ein produktives, werktätiges Leben, das in der Aneignung der ihn umgebenden Natur besteht, sowohl in theoretischer Hinsicht mittels Reflektion seiner Umwelt im Bewusstsein als auch in praktischer Hinsicht mittels Bearbeitung materieller Naturprodukte aus seiner Umgebung (Marx 1968g, S. 515). Diese aktive Aneignung geschieht bewusst und frei, denn der Mensch ist laut Marx ein „bewusstes Wesen, d.h. sein eigenes Leben ist ihm Gegenstand, eben weil er ein Gattungswesen ist. Nur darum ist seine Tätigkeit freie Tätigkeit“ (Marx 1968g, S. 516). Gleichzeitig ist diese bewusste und freie Aneignung auch normativ bestimmt und kann dementsprechend scheitern, „wenn sich das reale (vorfindliche) Leben der Gattung von ihrem idealen Leben unterscheidet“ (Quante und Schweikard 2016, S. 43).

Es ist also festzuhalten, dass der eben beschriebene theoretische, praktische und normative - d.h. „dreifach universal[e]“ (Quante und Schweikard 2016, S. 42) - Aneignungsprozess der Umwelt „eine Einheit oder Verbundenheit“ (Quante und Schweikard 2016, S. 43) der Natur mit dem Menschen begründet, welche für diesen „Gegenstand seines Wollens und seines Bewußtseins“ (Marx 1968g, S. 516) und somit wesenhaft ist. Dieser Prozess ist mit Arbeit gleichzusetzen, deren „Gegenstand [...] daher

[...]


1 Der Begriff „Faulheit“ wird in dieser Arbeit mit dem semantisch verwandten Begriff „Muße“ gleichgesetzt, auch wenn es im Detail tatsächlich diverse Bedeutungsunterschiede gibt (vgl. Sahraoui 2018, 69f.).

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Muße, Maloche und Marxismus. Untersuchung über das Verhältnis von Arbeit und Faulheit im Kontext marxistischer Philosophie
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Philosophie)
Veranstaltung
Marx und der Postmarxismus zur Einführung
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
21
Katalognummer
V1190005
ISBN (eBook)
9783346631961
ISBN (Buch)
9783346631978
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Karl Marx, Faulheit, Arbeit, Muße, Arbeitszeit, Mut zur Faulheit
Arbeit zitieren
Fabian Hoppe (Autor:in), 2021, Muße, Maloche und Marxismus. Untersuchung über das Verhältnis von Arbeit und Faulheit im Kontext marxistischer Philosophie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1190005

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