Die Verbreitung und Vervielfältigung antiker Handschriften im Karolingerreich


Hausarbeit, 2008

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Besonderheiten karolingischer Schriftkultur
2.1 Kulturelle Reformen als Grundvoraussetzungen der karolingischen Schriftkultur
2.2 Die Kirchenreform und deren Einfluss auf die karolingische Schriftkultur

3 Die Verbreitung und Vervielfältigung von antiken Handschriften im Karolingerreich
3.1 Organisation der Bildung: Skriptorien und ihre Schreiber
3.2 Materielle Voraussetzungen: Schrift und Schreibmaterial, Kosten der Skript- und Buchproduktion
3.3 Geistige Voraussetzungen: zum Inhalt der Handschriften
3.4 Sonderfall: die antike lateinische Literatur

4 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis:

1 Einleitung

Die vorliegenden Arbeit behandelt einen konkreten Aspekt karolingischer Schriftkultur, nämlich die Bewahrung, Nutzung und Verbreitung von antikem Wissen innerhalb einer auf christlichen Erlösung ausgerichteten mittelalterlichen Gesellschaft. Dies scheint widersprüchlich, und es kann definitiv festgehalten werden, dass die Bewahrung antiker Texte sicher nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit karolingischer Gelehrter stand. Zunächst erfolgt deshalb eine Einführung in die karolingische Kultur; insbesondere finden die kulturellen Reformen, welche in der Herrschaftszeit Karls des Großen ihre Höhepunkte erreichten und unter dem Begriff „karolingische Renaissance“ zusammengefasst werden, ihre Berücksichtigung. Im Anschluss werden deren Inhalt und Voraussetzungen erläutert und ihre weitreichenden Folgen für den Schriftgebrauch sowie letztlich auch die Skript- und Buchproduktion aufgezeigt.

Konkret stelle ich dazu im 3. Kapitel heraus, inwieweit die Schriftkultur der Karolinger für die Erschließung und Vermittlung von Wissen bedeutsam war. Speziell wird dazu die Überlieferung antiker nichtchristlicher Texte behandelt werden, deren Kopien uns hauptsächlich aus der Zeit (nach) der karolingischen Herrschaft vorliegen bzw. uns dank dieser erhalten geblieben sind. Bei den meisten dieser Werke handelt es sich um fundierende Texte, auf die sich der moderne Literatur- und Wissenschaftsbetrieb stützt, was deren Überlieferung umso wichtiger und folgenreicher macht.

Das 4. Kapitel bildet die Zusammenfassung der Arbeit; die Überlieferung antiker Werke vom Mittelalter bis in die Neuzeit wird dabei ebenfalls thematisiert werden.

Da sich eben die Kernfrage auf die Überlieferung antiker Texte- und nicht etwa auf die anderer Dokumenttypen wie z.B. Gesetzesurkunden- konzentriert, kann der Schriftgebrauch innerhalb 'weltlicher' Angelegenheiten nur sehr oberflächlich angesprochen werden. Desgleichen werden im Rahmen der Arbeit konkrete Aspekte der Schriftpraxis wie z.B. die Übernahme und Entwicklung von Schriftarten, Herkunft und Details der Schrift, die Textanordnung, Beschaffenheit des verwendeten Schreibmaterials etc. nicht weiter ausgeführt. Selbiges gilt für die Herkunft der Karolinger sowie Details zum Leben und Werk Karls des Großen. Näher eingegangen wird dagegen auf die karolingische Kultur als solche, d.h. ausdrücklich auf die politischen und gesellschaftlichen Bedingungen, die eine Steigerung kultureller Aktivität ermöglichten. Dies berührt schlussendlich auch die Frage, welche Art Wissen verbreitet und gelehrt wurde. Übergeordnet wird entsprechend aufgezeigt, wie sehr die (schrift-)kulturellen Reformen von religiösen Motiven bestimmt waren bzw. inwieweit religiöse Motive Einfluss auf die Schriftkultur hatten. Besonders die Überlieferung antiker heidnischer Texte muss dahingehend separat betrachtet werden.

2 Die Besonderheiten karolingischer Schriftkultur

2.1 Kulturelle Reformen als Grundvoraussetzungen der karolingischen Schriftkultur

Die Herrschaftszeit der Karolinger ist gekennzeichnet von kulturellen Reformen, welche im Allgemeinen unter dem Begriff „karolingische Renaissance“ subsumiert werde. Umstritten ist die Bezeichnung einmal, da unter dem Begriff „Renaissance“ eine Rückbesinnung auf antike Werte verstanden wird, während die karolingischen Reformen christliche Ideale zur Grundlage hatten.(Brunhölzl 1975, S 243)[1] Zum anderen ist strittig, ob die Leistungen der Karolinger überhaupt als 'echte' Reformen bezeichnet werden können, da sie deren Grundideen von Anderen übernahmen und erste Bemühungen zur Umsetzung bereits in vor-karolingischer Zeit erfolgten.(Brown 1994, S.6) Übergeordnet sind die Reformbemühungen entweder als Versuch zur Etablierung einer christlichen Gesellschaft oder als Wiederkehr der christlichen Bildung zu interpretieren. Doch welches Interesse konnten weltliche Herrscher daran haben, der Kirche soviel Einfluss zuzugestehen? (ebd., S. 44f)

Die Karolinger beherrschten vom 7.-10. JHD[2] ein großes Gebiet in Mitteleuropa, das ursprünglich in zwei Teile gegliedert war; Austrasien (Austrien), das Ostreich, und Neustrien, das Westreich. Zu einem Großreich vereint, entsprach dies ungefähr dem Gebiet des heutigen Frankreich, Deutschland, den Beneluxländern sowie Teilen Spaniens und Italiens. Die Karolinger entstammten dem Volk der Franken, als ihre Urväter gelten der Bischof Arnulf von Metz und der Hausmeier Pippin der Ältere. Aus der Verheiratung von deren Kinder entwickelte sich das karolingische Herrschergeschlecht, das schon im 7. JHD zur bedeutendsten Familie Austriens und damit zu den Führern des fränkischen Adels aufstieg. Ab 687 herrschten die Karolinger als Hausmeier unter merowingischen Königen; mit der Krönung Pippins des Jüngeren bestieg dann erstmals ein karolingischer Herrscher offiziell den Thron. Seine Machtansprüche ließ er von der römischen Kirche legitimieren, nach deren Auffassung besser ein fähiger Herrscher denn ein König von Geblüt den Thron innehaben sollte. Zwar wurde er nach fränkischem Recht und damit aufgrund germanischen Brauchtums gewählt, doch läutete seine Salbung durch den Papst das Zeitalter einer streng christlich orientierten Gesellschaft ein. Als der erste König „von Gottes Gnaden“ (rex Dei gratia) begründete Pippin der Jüngere das sogenannte „Gottesgnadentum“ (Fritz Kern; zitiert nach Fleckenstein 1967, S.13), eine Form des Königtums, das sich bis zum Ende des Mittelalters erhielt. (Brown 1994, S.14f/ Fleckenstein 1967, S. 12ff)

Eine enge Zusammenarbeit mit der Kirche wurde damit zur Grundbedingung karolingischer Herrschaft. Die Karolinger standen aber nicht nur vor dem Problem, ihre Machtansprüche nach Absetzung der ursprünglichen Königsfamilie zu rechtfertigen, sondern auch, verschiedene Volksgruppen mit unterschiedlichen Volkssprachen und Brauchtümern zu vereinen und verwalten. Somit ist recht gut nachvollziehbar, dass sie das Ideal einer christlichen Gesellschaft heraufbeschworen, mit einem von Gott auserwählten König an der Spitze, der von seinem Volk in jeder Hinsicht Gehorsam einfordern konnte. Denn jegliche Kritik an ihm bedeutete gleichzeitig auch ein Aufbegehren gegenüber Gott.(Brown 1994, S.45)

Schon in heidnischen Zeiten fiel den christlichen Gesandten jeden Ranges eine religiöse Verantwortung über die Gesamtbevölkerung zu, ab dem römischen Kaiser Konstantin dem Großen (4. JHD) galt dies uneingeschränkt auch für weltliche Herrscher. Eusebius von Caesarea beschrieb Konstantin als „guten Hirten“ und einen „Lehrer für das Gotteswissen“ und betonte dessen Verpflichtung, seine Untertanen zu angemessenem Verhalten anzuleiten.(ebd.,S.1) Auch Justinian I. bekannte sich zu seiner Verantwortung, Missstände zu korrigieren und die Reinheit sowohl der religiösen Doktrin als auch der klerikalen Moral zu gewährleisten.

Von den Merowingern wissen wir, dass sie spätestens ab dem 6. JHD dieser Auffassung folgten, welche nachfolgend von den Karolingern übernommen wurde. Bis ins 7. und 8. JHD hinein hatten im fränkischen Reich besonders die Werke Isidors von Sevilla großen Einfluss. Dasselbe gilt für die Schriften des angelsächsischen Benediktiners Beda Venerabilis, dessen Werke posthum durch Missionare auf das europäische Festland gelangt waren. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang Alkuin, der ab 780 eine wichtige Stellung am Hofe Karls des Großen innehatte.(ebd., S.1ff)

Um diese Vorstellungen zu verwirklichen war eine moral correctio nötig, eine Korrektur der Moral, welche in erster Linie durch Bildung und Erziehung des Klerus umgesetzt werden sollte. Damit folgte man der antiken Tradition, was die karolingischen Herrscher mit jenen des späten römischen Kaiserreichs in Verbindung brachte und gleichzeitig die Regierung effizienter machte, da sie dem Gebrauch von Schrift einen höheren Stellenwert einräumte. Latein als gängige Sprache sowohl des Klerus als auch der Verwaltung schaffte zusätzlich eine Basis zur Verständigung zwischen beiden Armen des Reiches.

Noch einflussreicher als das Bedürfnis der Regierung, seine Macht zu sichern und die Herrschaftsgebiete effizient zu verwalten, waren allerdings die militärischen Erfolge, die die Karolinger verbuchen konnten. Mit ihnen lassen sich die Motive der kulturellen Reformen noch besser erklären. Sie sicherten den Wohlstand, dessen Verwaltung in die Hände der Kirche gelegt wurde, und abgesehen von den Gebieten des angelsächsischen Englands und Nordspanien wurde die Idee eines vereinten christlichen Reiches Realität. Der militärische Erfolg über gefürchtete heidnische Völker bestärkte zusätzlich den Glauben daran, zu einem von Gott auserwählten Volk – gens sancta- zu gehören, sozusagen einem neuen Israel; eine Vorstellung, die bereits von den Angelsachsen vertreten worden war. Zudem: die hohe politische Bedeutung des fränkischen Großreichs brachte die Karolinger in Kontakt mit den kulturellen Reichtümern Italiens und Spaniens, welche nachweislich ihren Teil dazu beitrugen, die angestrebten Reformen zu verwirklichen.(ebd., S.45f)

2.2 Die Kirchenreform und deren Einfluss auf die karolingische Schriftkultur

Trotz mangelnder Belege ist davon auszugehen, dass im fränkischen Reich ein schwaches, aber organisiertes Level an Literalität sowie Schrifttätigkeit innerhalb eines religiösen Kontextes bis ins 7. JHD aufrecht erhalten wurde. Abgesehen davon kann zur Merowingerzeit allerdings kein nennenswertes Niveau an kultureller Aktivität bestanden haben. Anhand von Edikten lässt sich aber erkennen, dass deren Herrscher die Idee der moral correctio verfolgten. Konkret wurde darin festgehalten, dass eine christliche Gesellschaft zu etablieren sei, deren Klerus sein Dasein Gott widmet und dessen Lebensführung sich diszipliniert an den Kirchengesetzen orientiert, während die Bevölkerung ihre heidnische Vergangenheit strikt hinter sich zu lassen und ausschließlich jenen Gesetzen zu folgen habe, die in Gottes Sinne sind und dem Volk Erlösung versprechen.

Um diese Vorhaben zu verwirklichen begannen schon die Merowinger mit einer Reform der Kirche. Sie verfolgten damit das Ziel, eine klerikale Hierarchie zu etablieren, die ihnen Aufsicht und Kontrolle über das Handeln einzelner Geistlicher bis in die unterste Stufe der Hierarchie gewährleistete. Dies sollte die Einhaltung der Vereinbarungen zur (Aus-)Bildung des Klerus sowie ökonomischen Wohlstand und ein diszipliniertes Benehmen sichern, die Lebensführung der Mönche regulieren und Einheitlichkeit in die liturgische Praxis bringen. Eine stärkere Bindung an die römische Kirche erreichte man dadurch, dass man sich deren Regeln verpflichtete bzw. sich daran orientierte. Ein merowingisches Konzil erkannte Rom entsprechend zu, eine Doktrin aufzustellen. Der Einfluss der römischen Kirche auf die liturgische Praxis war dann auch unübersehbar, doch gab es in der Praxis zahlreiche lokale Variationen und somit keine einheitliches Bild der Kirche im fränkischen Reich. Problematisch waren insbesondere die verschiedenen Volksgruppen, welche trotz aller Bemühungen bis ins 8. JHD hinein noch ihre heidnischen Bräuche pflegten. Dies galt teilweise sogar für die römische Bevölkerung. (ebd., S. 6ff)

[...]


[1] Im Rahmen dieser Arbeit wird deshalb ausschließlich von kulturellen Reformen die Rede sein.

[2] Alle Angaben im Text beziehen sich auf den Zeitraum nach Christus, ich verzichte deshalb prinzipiell auf den Zusatz „n.Chr.“

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Verbreitung und Vervielfältigung antiker Handschriften im Karolingerreich
Hochschule
FernUniversität Hagen
Veranstaltung
Alteuropäische Schriftkultur
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V119137
ISBN (eBook)
9783640228218
ISBN (Buch)
9783640230198
Dateigröße
435 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verbreitung, Vervielfältigung, Handschriften, Karolingerreich, Alteuropäische, Schriftkultur
Arbeit zitieren
Dipl.Sozialpädagogin Melanie Völl (Autor:in), 2008, Die Verbreitung und Vervielfältigung antiker Handschriften im Karolingerreich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119137

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