Legasthenie im Fremdsprachenunterricht. Die Rolle der phonologischen Bewusstheit im Alphabetisierungsprozess


Bachelorarbeit, 2022

106 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Legasthenie und Fremdsprachenunterricht
1.1 Aktueller Forschungsstand
1.2 Fragestellung und Zielsetzung
1.3 Methodisches Vorgehen
1.4 Aufbau der Arbeit

2 Die Rolle der phonologischen Bewusstheit im Alphabetisierungsprozess einer Fremdsprache
2.1 Alphabetisierung in der Fremdsprache
2.1.1 Modelle des Schriftspracherwerbs
2.1.2 Voraussetzungen für den Schriftspracherwerb – die Bedeutung der phonologischen Bewusstheit
2.1.3 Schwierigkeiten beim Erwerb der Schriftsprache in einer Fremdsprache
2.2 Legasthenie und Fremdsprachenunterricht
2.2.1 Begriffsklärung
2.2.2 Ursachen der Legasthenie
2.2.3 Diagnostik und Intervention
2.2.4 Legasthenie im Fremdsprachenunterricht

3 Methodische Grundlagen und Durchführung der Studie
3.1 Methodische Grundlagen
3.2 Forschungsdesign
3.2.1 Erstellung des Tests
3.2.2 Durchführung des Tests
3.2.3 Bewertung der Ergebnisse und Datenanalyse

4 Darstellung der Hauptbefunde und Interpretation
4.1 Deskription der Einzelbefunde
4.1.1 Versuchsperson
4.1.2 Versuchsperson
4.1.3 Versuchsperson
4.2 Analyse und Interpretation der Einzelbefunde
4.2.1 Versuchsperson
4.2.2 Versuchsperson
4.2.3 Versuchsperson

5 Zusammenfassung und Diskussion
5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
5.2 Inhaltliche Einordnung
5.3 Methodische Besonderheiten und Probleme

6 Praxisbezug und Ausblick
6.1 Resultierende Implikationen für den Fremdsprachenunterricht
6.2 Weitere Fragestellungen für künftige Forschungsvorhaben

7 Fazit

8 Literaturverzeichnis
8.1 Literaturverzeichnis
8.2 Internetquellen
8.3 Abbildungsverzeichnis
8.4 Tabellenverzeichnis

9 Anhang
9.1. Testbogen
9.2 Zusätzliche Arbeitsblätter
9.3 Elternbrief Fehler! Textmarke nicht definiert.

10 Eidesstattliche Erklärung Fehler! Textmarke nicht definiert.

1 Legasthenie und Fremdsprachenunterricht

Heterogenität und Inklusion sind die meist diskutierten Themen in der universitären Lehrerbildung, dabei stehen vor allem Mehrsprachigkeit, Schwierigkeiten in der Konzentration, sowie besonders lernschwache bzw. lernstarke Schüler und Schülerinnen im Vordergrund. Vielerorts werden spezifische Störungsbilder, wie z.B. die Legasthenie, nicht im Einzelnen behandelt. Bereits in der ersten Jahrgangsstufe zeigen sich Auffälligkeiten bei betroffenen Schülern und Schülerinnen (SuS1 ). Die Diagnose erfolgt jedoch meistens später und nach einer Beobachtungszeit durch die Lehrkraft. Jedoch ist es essentiell möglichst früh mit einer Förderung zu beginnen, um den Schüler bzw. die Schülerin bestmöglich in ihrem Lernprozess unterstützen zu können. Dies gilt auch für den Einstieg in den Englischunterricht in der dritten Klasse. Dabei besteht die Annahme, dass in der Fremdsprache ähnliche Schwierigkeiten auftreten, wie in der Erstsprache (Suchodoletz, 2007). Diese Arbeit gibt einen Einblick in das Störungsbild der Legasthenie sowie in die mit dieser korrelierenden Schwierigkeiten, dabei wird insbesondere auf die phonologische Bewusstheit und die Alphabetisierung in der Fremdsprache eingegangen. Anschließend wird ein empirischer Grundstein für die Entwicklung von Förder- und Präventionsprogrammen für legasthene Lerner/-innen im Englisch- bzw. Fremdsprachunterricht gelegt. (ebd.)

1.1 Aktueller Forschungsstand

In den folgenden Absätzen werden ausgewählte Studien rund um die phonologische Bewusstheit und die Legasthenie, sowie ihrem Bezug zum Fremdsprachenerwerb, dargestellt. Dies sind nicht die einzigen ausgeführten Erhebungen zu dem Thema, jedoch sind nicht alle für diese Arbeit von Relevanz oder konnten aus Gründen des Umfangs nicht in dieses Teilkapitel aufgenommen werden. Die vorgestellten Studien werden in einer chronologischen Sortierung nach Veröffentlichungsdatum und Alphabet präsentiert.

Bereits 1982 konnten Alegria, Pignot & Morais nachweisen, dass die Entwicklung der phonologischen Bewusstheit von der Art und Weise abhängt, mit denen das Lesen beigebracht wird. Auf diese Weise wird die Hypothese von Liberman (1980) unterstützt, welche von einem reziproken Zusammenhang zwischen Lese-Unterricht und der Bewusstheit der Phoneme spricht. Dafür wurden 64 Erstklässler aus zwei Schulen in Brüssel mit mittlerem bis höherem sozioökonomischem Status getestet. In der einen Schule wurde das Lesen mit der phonischen Methode und in der zweiten Schule mit der Ganz-Wort-Methode gelehrt. (Alegria, Pignot & Morais, 1982; Liberman, 1980)

Bus & Ijzendoorn stellten 1999 einen Zusammenhang zwischen dem Training der phonologischen Bewusstheit und der Lesefähigkeit fest. In ihren Ausführungen bezeichnen sie die phonologische Bewusstheit als eine Voraussetzung für das Lesen lernen. Bei ihrer Studie handelt es sich um eine Metaanalyse mit insgesamt 70 Studien. 36 Studien untersuchten dabei den Effekt von Trainingsprogrammen für die phonologische Bewusstheit und 34 Studien testen ihren Effekt auf das Lesen. (Bus & Ijzendoorn, 1999)

2006 belegten Kahn-Horwitz, Shimron & Sparks, dass SuS mit einer geringeren Lesefähigkeit sowie einer geringeren phonologischen Bewusstheit in ihrer Erstsprache (L1) auch schlechtere Ergebnisse im Leseverstehen in ihrer Zweit- bzw. Fremdsprache (L2) erzielen. Dabei verbessert die Kenntnis der Buchstaben sowie auch die Graphem-Phonem-Korrespondenz (GPK) das Leseverstehen in der L2. In ihrer Erhebung testeten sie 145 SuS aus drei nordisraelischen Grundschulen und acht verschiedenen Klassen zu Beginn der vierten Jahrgangsstufe. Der sozioökonomische Status der SuS war unterschiedlich. Keiner der getesteten SuS galt als offiziell lese-beeinträchtigt. Alle SuS begannen in der 4. Klasse mit dem Englischunterricht, wobei dieser in vier Stunden der Woche stattfand und mit der gleichen Methodik durchgeführt wird. (Kahn-Horwitz, Shimron & Sparks, 2006)

Sparks et al. (2006) zeigen, dass die phonologische Bewusstheit in der L1 ein Prädiktor für die Fähigkeiten in der L2 ist. Gute orthographische und grammatikalische Fähigkeiten in der L1, verbessern die Voraussetzung für die L2. Um diesen Beleg zu erbringen wurden 54 SuS eines großen ländlichen Schuldistrikts der Mittelklasse im Mittleren Westen der USA von der 1. bis zur 10. Jahrgangsstufe beobachtet. Alle SuS haben in der 9. oder 10. Klasse zwei Jahre lang einen Fremdsprachenkurs (zur Wahl standen Spanisch, Französisch oder Deutsch) besucht. (Sparks et al., 2006)

Fröhlich, Metz & Petermann führten 2009 das Trainingsprogramm zur Förderung der phonologischen Bewusstheit „Lobo vom Globo“ mit 94 Vorschulkindern aus 12 Kindergärten aus Bremen und Niedersachsen durch. Damit konnten sie eine signifikante Verbesserung erreichen. Diese Verbesserung wurde dabei sowohl bei Risikokindern als auch unauffälligen Kinder festgestellt. Kinder vor Schulbeginn profitieren also von einer Förderung der phonologischen Bewusstheit. Um diese Verbesserung mit einer Förderung der phonologischen Bewusstheit mit diesem spezifischen Programm in Verbindung zu bringen, wurde eine Kontrollgruppe mit 97 Kindern in einem ebenso großen Maße gefördert, aber eben nicht spezifisch zur phonologischen Bewusstheit. (Fröhlich, Metz & Petermann, 2009)

Ähnlich zur vorangegangenen Studie konnten Rückert, Kunze & Schillert (2010) eine Verbesserung mit dem Programm „Lass uns lesen“ aufzeigen. Dabei wurde die Effektivität des Verfahrens mit einem Wartegruppendesign untersucht. Insgesamt konnte eine Gesamtstichprobe von 78 Kindern zwischen sechs und sieben Jahren, aus München, mit einem tendenziell höherem sozioökonomischen Standard, ausgewertet werden. (Rückert, Kunze & Schillert, 2010)

2011 konnten Sparks et al. nachweisen, dass Dekodierungsfähigkeiten der L1 einen großen Einfluss auf den Erwerb der L2 haben. Im Grundschulalter getestete Fähigkeiten in der L1 haben noch Auswirkungen auf die Kodierungfähigkeit in der L2. Es handelt sich also um einen sehr lang anhaltenden Effekt. Um dies nachweisen zu können, wurde dabei dasselbe Design wie ihrer Studie aus 2006 gewählt. Aufgrund seiner exakten Übereinstimmung geht die Verfasserin davon aus, dass die in 2006 erhobenen Daten fünf Jahre später hinsichtlich anderer Faktoren neu ausgewertet wurden. (Sparks et al., 2006; Sparks et al., 2011)

Mit der Durchführung zweier umfangreicheren, voneinander unabhängiger Längsschnittstudien, konnten Ennemoser et al. (2012) belegen, dass die Lesegeschwindigkeit am besten durch die Benenngeschwindigkeit und die phonologische Bewusstheit (diese jedoch nur in der ersten Klasse) vorhergesagt werden kann. Für das Textverständnis, welches in der vierten Klasse getestet wurde, hatten eine frühe Lesegeschwindigkeit und die bestehende linguistische Kompetenz eine hohe Vorhersagekraft. Die zwei Studien hatten eine Ausgangsstichprobe von insgesamt 340 SuS, wobei 165 SuS an der ersten Studie und 175 SuS an der zweiten Studie teilnahmen. Durchschnittlich waren die SuS dabei in der ersten Studie 6;4 und in der zweiten Studie 6;5 Jahre alt. Die Studien erstreckten sich dabei von der Vorschulzeit bis zur 4. Klasse. (Ennemoser et al., 2012)

Moll, Wallner & Landerl konnten 2012 einen stärkeren Zusammenhang der phonologischen Bewusstheit und der Entwicklung des Rechtschreibens nachweisen. Dabei wurden mit dem Salzburger Lese-Rechtschreib-Test (SLRT-II) 568 Kinder getestet und die daraus resultierenden Daten analysiert. (Moll, Wallner & Landerl, 2012)

Zuletzt wird eine Erhebung von 2014 aufgezeigt, in der Knoepke et al. zu den Prädiktoren für das Leseverständnis, im Grundschulalter bzw. das Satz- und Textverständnis in allen Jahrgangsstufen untersucht. Es konnte belegt werden, dass sowohl die Fähigkeit zum phonologischen Dekodieren als auch zum orthographischen Dekodieren prädiktiv für diese sind. Dafür wurden 992 SuS aus 21 Grundschulen und 72 Klassen aus Köln, Frankfurt a. Main und Kassel. Insgesamt nahmen 967 SuS an der Satzverständnis-Aufgabe, 214 SuS an der Textverständnis-Aufgabe und 189 SuS an beiden Aufgaben teil. (Knoepke et al., 2014)

Nachdem der aktuelle Forschungsstand an ausgewählten Studien dargestellt wurde, wird im Anschluss die Fragestellung und die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit erörtert.

1.2 Fragestellung und Zielsetzung

In den letzten Jahrzehnten wurde viel hinsichtlich der Bedeutsamkeit einer phonologischen Bewusstheit in der Erstsprache geforscht. Des Weiteren wurde herausgearbeitet inwieweit die phonologische Bewusstheit in der Erstsprache die Herausbildung bestimmter Fähigkeiten in einer Zweit- oder Fremdsprache beeinflusst. Doch wurde noch zu wenig auf die phonologische Bewusstheit in der Fremdsprache und ihre Bedeutung für legasthene Lerner/-innen eingegangen.

Wenn die phonologische Bewusstheit ein Prädiktor für den Erfolg der Herausbildung bestimmter sprachlicher Fähigkeiten ist, so ist eine Förderung dieser essentiell, um eine Fremdsprache (hier: Englisch) erfolgreich zu erlernen (Bus & Ijzendoorn, 1999; Kahn-Horwitz, Shimron & Sparks, 2006; Sparks et al. 2006; Sparks et al., 2011; Knoepke et al., 2014). Besonders bei SuS mit einer Beeinträchtigung, die vor allem in der phonologischen Bewusstheit evident wird, wie z.B. einer Legasthenie, muss diese schon früh einsetzen. Was genau muss gefördert werden und wann muss eine solche Förderung einsetzen? Aufgrund der aktuellen Forschungslage muss eine solche gleich zu Beginn des Englischunterrichts starten und eher als präventiv eingreifende Maßnahme gedacht werden (ebd.). Dabei schlägt die Verfasserin eine Umsetzung innerhalb der Alphabetisierung, welche im heutigem Schulalltag im Englischunterricht zumeist nicht eigens behandelt wird, vor. Um ein konkretes Präventionsprogramm entwickeln zu können, muss zunächst klar werden, wo genau die Schwierigkeiten in der phonologischen Bewusstheit bei legasthenen SuS im Englischen liegen. Erst dann können Rückschlüsse darauf gezogen werden, wie eine Alphabetisierung zu Beginn des Englischunterrichts in der 3. Klasse der Grundschule auszusehen hat.

Das Ziel dieser Arbeit ist es, einen Grundstein für eine solche Förderung sowie Prävention zu legen, indem die Rolle der phonologischen Bewusstheit für Legastheniker bei eben dieser Alphabetisierung in der Fremdsprache Englisch herausgearbeitet wird. Dafür ist es notwendig, dass Konzept der phonologische Bewusstheit im Schriftspracherwerb einzuordnen, konkrete Schwierigkeiten dieser im Englischen aufzuzeigen und anschließend hinsichtlich der Förder- und Präventionsmöglichkeiten innerhalb der Alphabetisierung-Phase zu reflektieren.

1.3 Methodisches Vorgehen

Um die konkreten Schwierigkeiten in der phonologischen Bewusstheit bei Legasthenikern im Englischen aufzuzeigen, wurden in der durchgeführten Studie drei Versuchspersonen exemplarisch ausgewählt und in verschiedenen Bereichen der phonologischen Bewusstheit getestet. Aufgrund der geringen Teilnehmerzahl und der detaillierten Arbeitsweise wurde ein qualitatives Vorgehen gewählt.

Damit ein möglichst genauer Einblick in die Fähigkeit der bereits vorhandenen phonologischen Bewusstheit gewährt wird, erfolgte eine Untergliederung in fünf Bereiche: A. Reimpaare, B. Silben, C. Phoneme, D. Word Awareness und E. Aussprache. Insgesamt wurden den Versuchspersonen 15 Aufgaben gestellt, die ganz bestimmte Aspekte dieser Teilbereiche untersuchten. Anschließend wurden die einzelnen Aufgaben korrigiert und anhand eines Bewertungsschemas mit Punkten versehen sowie prozentual in eine Notenskala eingeordnet. Mithilfe dieser Benotung konnte eine Beeinträchtigung und die Schwere dieser bei den Versuchspersonen in bestimmten Bereichen herausgearbeitet werden.

1.4 Aufbau der Arbeit

Nachdem der aktuelle Forschungsstand, die Fragestellung und Zielsetzung sowie das methodische Vorgehen dargestellt wurden, folgen nun der Hauptteil und anschließend der Schlussteil dieser Arbeit. Der genaue Aufbau wird in den folgenden Absätzen kurz umrissen.

Im ersten Kapitels des theoretischen Hintergrunds (2.1) wird der Prozess der Alphabetisierung in den Fremdsprachenunterricht erörtert. Dafür wird der Begriff „Alphabetisierung“ zunächst definiert und anschließend mit dem Schriftspracherwerb verglichen. Dabei die Verfasserin zu dem Schluss, dass Alphabetisierung und Schriftspracherwerb nicht getrennt voneinander betrachtet werden können. Aufgrund dessen, wird in den nächsten Teilkapiteln näher auf den Schriftspracherwerb eingegangen.

Um ein grundlegendes Verständnis des Schriftspracherwerbs aufzubauen, werden zunächst in 2.1.1 zwei Modelle des Schriftspracherwerbs vorgestellt und kritisch diskutiert. Ausgewählt wurden das Phasenmodell des Schriftspracherwerbs nach Uta Frith (1986) und das Entwicklungsmodell des Rechtschreibenlernens nach Renate Valtin (2000). Im Anschluss werden in 2.1.2 Voraussetzungen für den Schriftspracherwerb erläutert. Dabei wird insbesondere die phonologische Bewusstheit definiert und ihre Bedeutung für den Erwerb der Schriftsprache aufgezeigt. Ausgehend des Schriftspracherwerbs in der Erstsprache wird in 2.1.3 der Bezug zur Fremdsprache hergestellt. Dabei werden Schwierigkeiten beim Erwerb dieser in einer Fremdsprache auf verschiedenen sprachwissenschaftlichen Ebenen herausgearbeitet.

Das nächste Kapitel (2.2) legt einen Schwerpunkt auf das Störungsbild der Legasthenie im Fremdsprachenunterricht. Nach drei verschiedene Definitionsansätze, die in 2.2.1 veranschaulicht werden, werden im nächsten Teilkapitel (2.2.2) die Ursachen der Legasthenie beschrieben. Dabei wird die Geschlechterverteilung, die genetische Disposition sowie Einflussfaktoren des familiären und sozialen Umfelds erläutert. Anschließend (2.2.3) werden die diagnostischen Schritte nach Scherer-Neumann (2015) erläutert und mögliche Interventionsmaßnahmen mit unterschiedlichen Trainingsprogrammen aufgezeigt sowie vorgestellt. Abgeschlossen wird das Kapitel, indem die Bedeutung für den Fremdsprachenunterricht dargestellt wird. Als Grundlage dient dabei ein Artikel von Suchodoletz aus 2007 herangezogen.

Im Methodenteil (3.) wird zunächst auf die methodischen Grundlagen eingegangen (3.1). Dafür wurde der gewählte qualitative Zugang erklärt und definiert. Außerdem wird die empirische Herangehensweise vorgestellt. Daraufhin wird in 3.2 das Forschungsdesign vorgestellt, indem zunächst Konzipierung des Tests erklärt und die einzelnen Teile näher beschrieben werden (3.2.1). Anschließend wird die Durchführung des Tests kurz umrissen (3.2.2), zuletzt wird die Bewertung der Ergebnisse sowie die Art der Datenanalyse festgelegt (3.2.3).

Nachdem die gewählte Methodik erklärt, der Tests konzipiert, geplant und an drei Versuchspersonen durchgeführt wurde, wird dieser in Kapitel 4 ausgewertet. Begonnen wird dabei mit einer Deskription der Einzelbefunden. In dieser werden die spezifischen Fehler aufgezeigt, die Aufgaben entsprechend bepunktet und die Teilbereiche entsprechend prozentual bewertet (4.1). Auf diese detaillierte Deskription und Bewertung folgend, werden die Einzelbefunde in 4.2 analysiert und interpretiert.

Das nächste Kapitel (5.) befasst sich mit der Zusammenfassung der Ergebnisse und der Diskussion dieser. Die Einzelbefunde werden dabei in Relation zueinander betrachtet, wobei die erzielte Leistung, sowie Gemeinsamkeiten in den Schwierigkeiten, in den einzelnen Teilbereichen in tabellarischer Form dargelegt werden (5.1). Des Weiteren werden die Ergebnisse in 5.2 inhaltlich in den aktuellen Forschungsstand eingeordnet, sowie in ihrer Relevanz dargestellt. Anschließend werden in 5.3 methodische Besonderheiten und Probleme diskutiert, sowie mögliche Verbesserungen aufgezeigt.

Ausgehend der diskutierten Aspekte werden in Kapitel 6 die aus der vorliegenden Studie resultierenden Implikationen für den Fremdsprachenunterricht in 6.1 aufgezeigt und begründet. Darüber hinaus werden in 6.2 weitere Fragestellungen genannt, die in einem künftigen Forschungsvorhaben beantwortet werden sollen.

In Kapitel 7 wird ein abschließendes Fazit formuliert. Dabei werden die grundlegenden Erkenntnisse dieser Arbeit zusammengefasst. Außerdem wird die eingangs gestellte Forschungsfrage abschließend beantwortet.

2 Die Rolle der phonologischen Bewusstheit im Alphabetisierungsprozess einer Fremdsprache

In den folgenden Teilkapiteln wird auf die Alphabetisierung in der Fremdsprache mit legasthenen Lernenden hingeführt. Dafür werden zunächst relevante Begrifflichkeiten definiert und wissenschaftlich fundiert beschrieben. In zwei Schritten werden diese in den Fremdsprachenunterricht eingeordnet und in ihrer Bedeutung für diesen diskutiert.

2.1 Alphabetisierung in der Fremdsprache

Begegnet man dem Begriff der Alphabetisierung zum ersten Mal, so denkt man sofort an das Alphabet und wird daraus ableiten, dass eine Alphabetisierung in direktem Zusammenhang mit dem Erwerb der einzelnen Buchstaben steht. Tatsächlich steht zu Beginn der Alphabetisierung der Erwerb der Buchstaben und ihre Phonem-Zuordnung. Doch umfasst der Begriff der Alphabetisierung noch mehr. Yazgül Simsek (2018) definierte die Alphabetisierung als einen „Prozess […], der sowohl eine allmählich wachsende Erkenntnis über die Repräsentation von Sprache im schriftlichen Medium (Orthographie) als auch den Aufbau der Regeln des Systems (Grammatik) beinhaltet“ (Simsek, 2018, S. 63). (ebd.)

Diese Definition hat vieles mit dem Verständnis des Schriftspracherwerbs gemein. Auch im Schriftspracherwerb werden zunächst Graphem und Phonem miteinander verknüpft, im weiteren Verlauf werden sprachliche Regeln, wie z.B. in der Orthographie immer besser angewandt. Daher wird in dieser Arbeit Alphabetisierung nicht ohne dem Schriftspracherwerb betrachtet. Um ein genaueres Verständnis für diesen aufzubauen, werden zunächst zwei Modelle des Schriftspracherwerbs beschrieben, anschließend werden die Voraussetzungen sowie die Bedeutung einer phonologischen Bewusstheit erläutert.

2.1.1 Modelle des Schriftspracherwerbs

Das bekannteste Modell des Schriftspracherwerbs geht auf Uta Frith (1986) zurück. Bei diesem „Ur-Modell“ des Schriftspracherwerbs wird dieser in eine bestimmte Abfolge von Entwicklungsphasen gegliedert (Goldenstein, 2019). Mit jeder Phase wächst das Wissen des/der SuS über das Schriftsystem und auch seine/ihre Möglichkeiten Strategien einzusetzen. Dabei beschreibt Frith drei Phasen: 1) die logographemische Phase, 2) die alphabetische Phase, und 3) die orthographische Phase (ebd.). (Frith, 1986; Goldenstein, 2019)

Dabei kann in jeder Phase der rezeptive Teil des Lesens oder der produktive Teil des Schreibens Entwicklungsimpulse dominieren oder auch auslösen (ebd.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Phasen des Schriftspracherwerbs bei Frith (Eigene Nachbildung nach Jeuk & Schäfer, 2013, S. 74). Die Dominanz einer Strategie wird durch die Pfeile dargestellt.

In der logographemischen Phase wird das Geschriebene wie ein gemaltes Bild in seiner Ganzheit verstanden und nicht als eine Zusammensetzung unterschiedlicher Zeichen (1a). Sie begreifen also noch nicht die GPK. Mit dieser Ausgangssituation können Kinder bereits Symbole (z.B. Fußgängerzone, Spielstraße) und Logos (z.B. bekannte Marken) wiedererkennen und deuten (Goldenstein, 2019). Aktiv eigene Wörter produzieren, können sie jedoch nicht. Das Schreiben des eigenen Namens oder bestimmter Wörter gelingt nur dann, wenn das Schriftbild sozusagen auswendig gelernt wurde. Versuchen die Kinder nun selbst Wörter zu schreiben (1b), so wird ihnen die Lautstruktur der Sprache bewusst (ebd.). In dieser Phase schreiben die SuS einzelne Buchstaben, die zum Teil für ganze Wörter oder auch Sätze stehen, z.B. <B> für Blume. Zu beachten ist, dass sie zu diesem Zeitpunkt in ihrer Schreibentwicklung noch nicht alle Buchstaben kennen (ebd.). (ebd.)

SuS sind in der alphabetischen Phasen zunehmend besser in der Lage den Zusammenhang zwischen Graphemen und Phonemen nachzuvollziehen. Beim Übergang von der logographemischen Phase zur alphabetischen Phase (2a) wenden einige Kinder beim Lesen noch die, zu dem Zeitpunkt weniger anstrengende, logographemische Strategie und beim Schreiben die alphabetische Strategie an (ebd.). Mit der Zeit nutzen sie auch beim Lesen die alphabetische Strategie (2b). Außerdem verbessert sich auch ihre Fähigkeit Wörter silbisch zu gliedern. In dieser Phase treten auch sogenannte Skelettschreibungen auf „wie beispielsweise IWIZ (Ich war im Zoo.) oder IWasilPlas (Ich war auf dem Spielplatz.) “ (Goldenstein, 2019, S. 115), durch das immerwährende Vergleichen mit orthographisch korrekten Schreibweisen entwickelt sich das innere Regelsystems des/der SuS, dadurch wird allmählich jeder Laut eines Wortes ausgeschrieben (ebd.). Rechtschreibregeln werden jedoch noch nicht angewandt (ebd.). (ebd.)

Die letzte Phase des Schriftspracherwerbs in Friths Modell die orthographische Phase. Wie der Name bereits sagt, werden den SuS die verschiedenen Rechtschreibregeln immer mehr bewusst. Sie verstehen nun, dass Deutsch nicht exakt nach dem GPK geschrieben wird, sondern dass auch weitere orthographische Merkmale berücksichtigt werden müssen. Eine Anwendung dieser gelingt zunächst nur beim Lesen (3a), später jedoch auch beim Schreiben (3b). Wenn nun eine Regel gelernt wurde, kann es zu einer Übergeneralisierung kommen, wie z.B. in *Maschiene statt Maschine, oder *Sofer anstelle von Sofa. (ebd.)

Das Modell des Schriftspracherwerbs nach Frith ist das bekannteste Modell im deutschsprachigen Raum, jedoch gilt es zu beachten, dass es nicht für das Deutsche, sondern für das Englische konzipiert wurde (ebd.). Der deutschen Sprache liegt jedoch eine andere GPK sowie andere Rechtschreibregeln zu Grunde, wie der englischen Sprache (ebd.). Des Weiteren beeinflusst die Vermittlungsmethode, wie stark sich die einzelnen Phasen entwickeln (ebd.). (ebd.)

Renate Valtin passte Friths Modell der Phasen im Schriftspracherwerb auf das Deutsche an (Goldenstein, 2019).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Entwicklungsmodell des Rechtschreibenlernens (nach Valtin, 2000, S. 18f.)

In ihrem Entwicklungsmodell des Rechtschreibenlernens adaptiert Valtin (2000) das Phasenmodell nach Frith auf die deutsche Sprache, außerdem erweitert sie dieses mit zwei weiteren Phasen (Phase 1 und Phase 6). Die Phasen zwei bis fünf sind an die Phasen des Schriftspracherwerbs nach Frith angelehnt. (Goldenstein, 2019)

In der ersten Phase des Schriftspracherwerbs nach Valtin beschreibt diese, wie Kinder die literalen Handlungen Erwachsener nachahmen, indem sie gespielt vorlesen oder schreiben (Goldenstein, 2019). Dabei besteht noch kein Zusammenhang zwischen Graphemen und Phonemen. Das Geschriebene wird als Abbild seiner Bedeutung verstanden. „Daher halten Kinder in dieser Phase beispielsweise auch das Wort ‚Bär‘ für länger als ‚Marienkäfer‘, da ein Bär viel größer als ein Marienkäfer ist“ (Goldenstein, 2019, S. 117). (Goldenstein, 2019)

Während der zweiten Phase erkennen Kinder einzelne Buchstaben anhand ihrer figurativen Merkmale. Auf diese Weise können sie Wörter erraten oder Markenzeichen benennen. Sie schreiben noch nicht im eigentlichen Sinne, vielmehr malen sie Buchstabenreihen oder ihren eigenen Namen. (ebd.)

Im Laufe der dritten Phase erkennen sie den Zusammenhang zwischen Buchstabe und Laut. Auf diese Weise lernen sie einige Buchstaben bzw. Laute kennen. Nun sind sie in der Lage verschiedene Lautelemente zu schreiben, so z.B. Anlaute. Übereinstimmend mit Frith beschreibt Valtin, dass es in dieser Phase zu Skelettschreibungen kommen kann. (Goldenstein, 2019)

Die vierte Phase ist von der Einsicht in die Buchstaben-Laut-Beziehung geprägt, die in der dritten Phase begonnen hat. Kinder können Wörter buchstabenweise Erlesen. Dabei begreifen sie den Sinn eines Wortes nicht immer sofort beim ersten Lesen. Geschrieben wird in dieser Phase phonetisch, also nach dem Prinzip Schreibe, wie du sprichst. (Goldenstein, 2019)

Anschließend werden in der fünften Phase immer mehr orthographische bzw. sprachstrukturelle Elemente verwendet. Das Lesen ist nun fortgeschritten und es werden größere Einheiten verwendet. Beim Schreiben werden orthographische Muster angewendet, wobei es zu Übergeneralisierungen kommen kann. (ebd.)

In der sechsten Phase automatisieren sich die Teilprozesse, wie z.B. orthographische Regeln. Während des Lesens werden Wörter automatisch wiedererkannt und auch die Hypothesenbildung läuft automatisiert ab. Auch orthographische Muster werden immer automatisierter angewandt und die orthographischen Kenntnisse werden entfaltet. (ebd.)

Von Laut Brügelmann (2014) wenden Kinder jedoch schon sehr früh silbische oder morphematische Informationen beim Schreiben an (Goldenstein, 2019)2. Daher geht er davon aus, dass Kinder mehrere Strategien parallel verwenden (ebd.). Brügelmann nimmt an, dass die Entwicklung der Schriftsprache „als ein[sic.] Wechsel der jeweils dominanten Schreibstrategie(n) anzusehen“ (Goldenstein, 2019, S. 117) ist. (Goldenstein, 2019; Brügelmann, 2014)

2.1.2 Voraussetzungen für den Schriftspracherwerb – die Bedeutung der phonologischen Bewusstheit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Vier zentral kognitive Komponenten für den Schriftspracherwerb nach Mannhaupt (2003) (Eigene Abbildung nach Sauerborn, 2015).

Nach Gerd Mannhaupt (2003) werden folgende Voraussetzungen für den Schriftspracherwerb unterschieden: Die phonologische Bewusstheit, eine ausreichende Kurzzeitgedächtniskapazität, eine ausreichende Geschwindigkeit beim Abruf aus dem Langzeitgedächtnis und eine nicht beeinträchtigte visuelle Aufmerksamkeit. Sind diese Voraussetzungen vorhanden, so kann Schriftspracherwerb stattfinden. (Sauerborn, 2015)

„[I]m weiteren Sinne bezieht sich [diese] auf das Erkennen von Reimen und die Segmentierung bzw. Zusammensetzung von Silben, also auf Fähigkeiten, die bereits von Vorschulkindern bewältigt werden. Die phonologische Bewusstheit im engeren Sinne entwickelt sich meist erst in der Auseinandersetzung mit der Alphabetschrift. Sie umfasst die Fähigkeit, Anfangs- und Endlaute eines Wortes zu erkennen, Laute zu synthetisieren, die Lautanzahl zu erfassen sowie Laute umzustellen.“ (Skowronek & Marx, 1989; in: Goldenstein, 2019, S. 104)

Es stellt sich nun die Frage, wie wichtig eine phonologische Bewusstheit für den Erwerb von Lese- und Schreibfähigkeiten ist. In der Empirik finden sich hierbei vier verschiedene Hypothesen. Diese sind die Vorläuferhypothese, die Konsequenzhypothese, die Interaktionshypothese und die Independenzhypothese. (Sauerborn, 2015)

Die Vorläuferhypothese besagt, dass eine phonologische Bewusstheit schon vor dem Einstieg in den Schriftspracherwerb vorhanden sein muss, um Schriftsprache erfolgreich zu erlernen (Sauerborn, 2015). Jansen & Marx (1999) sprechen sich dafür aus, dass ein Kind3 seine Schwierigkeiten mithilfe von Trainingsmaterial aufarbeiten sollte, um auf diese Weise keinen Nachteile zu erfahren. Trainingsprogramme, die aus der Vorläuferhypothese hervorgehen, sind z.B. das Würzburger Trainingsprogramm (Schneider et al., 1999) oder das Bielefelder Screening (BISC). (Sauerborn, 2015; Jansen et al., 2002; Jansen & Marx, 1999; Schneider et al., 1999)

Wie man aus der Bezeichnung der Konsequenzhypothese schließen kann, nimmt diese an, eine phonologische Bewusstheit4 sei eine Konsequenz des Schriftspracherwerbs. So „bilde sich [die phonologische Bewusstheit] im Umgang mit Schrift aus“ (Sauerborn, 2015, S. 50) und hänge demzufolge „von einem speziellen Training [ab], das bei den meisten Menschen mit dem Schriftspracherwerb einhergehe“ (Morais et al., 1979, S. 323) Laut Morais et al. ist die Fähigkeit zur Dekontextualisierung die eigentliche Voraussetzung des Schriftspracherwerbs. Diese ermöglicht nicht nur den Schriftspracherwerb sondern auch den Erwerb einer phonologischen Bewusstheit. (Sauerborn, 2015; Morais et al., 1979)

Bei der Interaktionshypothese stehen Schriftspracherwerb und phonologische Bewusstheit in Beziehung zueinander (Sauerborn, 2015). Laut Stackhouse & Wells (1997) hängen „nicht alle Aspekte zur phonologischen Bewusstheit […] von Lese- und Schreibfertigkeiten ab und [entwickeln] sich auch unabhängig vom Lesen und Schreiben“ (Stackhouse & Wells, 1997; in: Sauerborn, 2015, S. 46). Also besteht zwar eine Interaktion aber keine zwingende Konsequenz (ebd.). Die Frage besteht nun darin, welche Aspekte der phonologischen Bewusstheit nur in Kombination mit einem Schriftspracherwerb erlernt werden können und welche dieser Interaktion nicht bedürfen. Marx & Weber (2006) sind der Ansicht, dass eine phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne noch vor der Auseinandersetzung mit dem Schriftsystem erworben wird, eine phonologische Bewusstheit im engeren Sinne ohne einer solchen jedoch nicht auskommt. (Sauerborn, 2015; Stackhouse & Wells, 1997; Marx & Weber, 2006)

In der vierten Hypothese, der Independenzhypothese, geht man davon aus, dass zwischen dem Lesen und der phonologischen Bewusstheit kaum ein Zusammenhang besteht. Wesselin & Reitsma (2000) stellten in ihrer Studie beispielsweise „nur eine vorübergehende Bedeutung von explizitem phonologischem Rekodieren in der Wortidentifikation fest“ (ebd., S. 313; in: Sauerborn, 2015, S. 48). „Vielmehr stünden Buchstabenerkennung und Phonemsynthese nur in einem begrenzten Zusammenhang mit dem Dekodieren von Wörtern, was jedoch nicht heiße, dass beides nicht einen Beitrag zur Entwicklung des erfolgreichen Lesens leisten würde“ (ebd., S. 333). Dieser Ansatz wird jedoch nur in wenigen Quellen verarbeitet (Sauerborn, 2015). (Sauerborn, 2015; Wesselin & Reitsma, 2000)

Ausgehend dieser Ausführungen, stellt sich die Frage welche Bedeutung die phonologische Bewusstheit im Erwerb einer Fremdsprache hat. Das nächste Teilkapitel zeigt Schwierigkeiten beim Erwerb der Schriftsprache in einer Fremdsprache auf.

2.1.3 Schwierigkeiten beim Erwerb der Schriftsprache in einer Fremdsprache

Im weiteren Verlauf wird von deutschsprachigen SuS ausgegangen, die Englisch als ihre erste Fremdsprache erlernen.5 Dabei werden Schwierigkeiten in der Alphabetisierung, sowie auf phonetischer/ phonologischer, morphologischer, syntaktischer und semantischer Ebene im für die Arbeit passenden Umfang erläutert.

Obwohl im Englischen genauso wie im Deutschen auf die lateinischen Schrift zurückgegriffen wird, sollte die Alphabetisierung nicht vernachlässigt werden. Schließlich besteht im Englischen eine andere GPK als im Deutschen. Deswegen kann man die Ebene der Alphabetisierung nicht ohne der phonetisch/ phonologischen Ebene betrachten.

Im Folgenden sind zuerst die Vokale des Deutschen und anschließend diejenigen des Englischen abgebildet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Die Vokale des Deutschen (Eigene Nachbildung nach Ramers, 2015; aus: Pittner, 2016, S. 30).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Die Vokale des Englischen (Eigene Nachbildung nach Bieswanger & Becker, 2021, S.55).

Das deutsche Alphabet besitzt insgesamt 30 Buchstaben (26 plus ä, ö, ü, ß), das Englische besitzt nur 26 Buchstaben. Dabei werden im Deutschen 16 Vokale gesprochen und nur 8 (Umlaute mitgerechnet) geschrieben. Beim Englischen werden jedoch 12 gesprochen und nur 5 geschrieben. Anhand dieser Gegenüberstellung der unterschiedlichen Vokalsysteme im Deutschen und im Englischen lässt sich bereits erkennen, wie wichtig eine Alphabetisierung in der Fremdsprache ist, denn nur so kann ein Fundament für eine richtige Aussprache sowie für eine korrekte Orthographie gelegt werden. (Bieswanger & Becker, 2021; Pittner, 2016)

Auf der morphologischen Ebene sind für diese Arbeit besonders Unterschiede der Affigierung und der Flexion interessant. Dabei werden grundsätzlich folgende Affixe unterschieden: Präfixe (z.B. un-happy), Infixe (z.B. abso-bloody-lutely), Suffixe (z.B. happy-ness) und Zirkumfixe (z.B. ge-träum-t). Der Zirkumfixaffigierung bedient sich die englische Grammatik nicht. Dem Lernenden muss das Auftreten solcher Affixe in ihrem Lernwortschatz bewusst sein, auf diese Weise können sie diese in neuen Wörtern wiedererkennen und ihre Bedeutung korrekt erschließen. (Bieswanger & Becker, 2021)

Ein weiterer Aspekt bildet die Flexion. Die deutsche Sprache nutzt das System der Deklination in größerem Maße als das Englische. So beschränkt sich die Deklination im Englischen fast ausschließlich auf die Pronomina. Lediglich im Genitiv wird ein -s an das Substantiv angehängt. Verben werden im Englischen genauso wie im Deutschen konjugiert, jedoch anderen Regeln folgend. Wie im Deutschen hängt die Konjugation der Verben in der englischen Sprache von der verwendeten Zeitstufe ab. Im Englischen wird dahingegen im Gegensatz zum Deutschen außerdem der Aspekt (simple, progressive oder perfect ) betrachtet. Vor allem in der Anwendung kann die Unterscheidung in simple und progressive schwierig sein. Durch eine Interferenz mit dem Deutschen kann es beim -ed im simple past (z.B. to work - worked) zu einer falschen Schreibweise mit -t kommen (z.B. *worket), da in der ersten Vergangenheitsstufe des Deutschen mit -t- und nicht mit -d- gearbeitet wird, wie z.B. bei lachen – lach t e. Wie hier dargestellt, kann es zu verschiedenen Schwierigkeiten auf morphologischer Ebene kommen. (Bieswanger & Becker, 2021)

Auf syntaktischer Ebene werden im Anschluss vor allem Unterschiede in der Satzstellung aufgezeigt. Auf den ersten Blick scheint diese identisch, da in beiden Sprachen die SVO-Regel (Subjekt + Verb + Objekt) gilt, ergänzt man jedoch weitere Satzglieder so erkennt man, dass dies nicht der Wahrheit entspricht. Ein gutes Beispiel bildet das temporale Adverbial, welches im Deutschen viel flexibler verwendet werden kann, als im Englischen. Im Englischen kann das temporale Adverbial nur am Anfang oder am Ende des Satzes stehen, im Deutschen hingegen kann dieses auch zwischen Verb und Objekt stehen. (Pittner, 2016; Bieswanger & Becker, 2021)

In der Semantik können false friends, Redewendungen sowie idiomatische Ausdrücke Schwierigkeiten aufweisen. Vokabeln wie handy oder eventually werden in ähnlicher Verwendung ebenso im Deutschen angewendet. Jedoch mit einer anderen Bedeutung (z.B. handy, engl.: bequem – dt.: Mobiltelefon). (ebd.)

Beim Lesen unbekannter Texte versuchen sich die SuS die Bedeutung eines Satzes oder einer Phrase anhand der wörtlichen Übersetzung bekannter Wörter zu erschließen. Dies bleibt bei Redewendungen und idiomatischen Ausdrücken, wie z.B. to kick the bucket oder to spill the beans, bzw. bucket list und to spill it erfolglos(Bieswanger & Becker, 2021).

2.2 Legasthenie und Fremdsprachenunterricht

Die Untergliederung dieses Unterkapitels orientiert sich in seinen Grundzügen an dem Lehrbuch zur Lese-Rechtschreib-Schwäche und Legasthenie von Gerheid Scheerer-Neumann (2015).

2.2.1 Begriffsklärung

Für die Legasthenie sowie die Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) gibt es viele verschiedene Definitionen sowie unterschiedliche Meinungen darüber, inwiefern Legasthenie und LRS voneinander abgegrenzt werden sollten. Eine solche Abgrenzung wird in dieser Arbeit nicht vorgenommen. Im Folgenden werden die leistungsbezogene Definition, die Diskrepanzdefinition sowie die Definition nach dem ICD-10 erläutert. (Scheerer-Neumann, 2015; Breitenbach, 2004)

Die leistungsbezogene Definition der Legasthenie geht von einer Minderleistung der SuS im Lesen und in der Rechtschreibung aus. Dabei werden nur jene SuS ausgenommen, die aufgrund einer anderen Erkrankung, einer unzureichenden Beschulung oder nicht ausreichenden Deutschkenntnissen eine Minderleistung aufweisen. Bei der leistungsbezogenen Definition erfolgt eine Diagnose (hier: der LRS) „über Lese- und/oder Rechtschreibtests, wobei unterschiedliche Normen zum Einsatz kommen können: Die soziale Bezugsnorm […] [, d]ie kriterienbezogene Norm […] [und d]ie Individualnorm“ (sic.) (Scheerer-Neumann, 2015, S. 23). Die leistungsbezogene Definition ist unter anderem im Beschluss der Kultusministerkonferenz von 2003 wieder zu finden. (Scheerer-Neumann, 2015)

Bei der Diskrepanzdefinition, also der intelligenzbezogenen Definition, wird Legasthenie nicht mehr allein anhand einer Minderleistung, sondern über das gleichzeitige Bestehen einer „Diskrepanz zur relativ höheren Intelligenz und/ oder zu den übrigen Schulleistungen definiert, wobei die Diskrepanz unterschiedlich operationalisiert werden kann“ (Scheer-Neumann, 2015, S. 23 f.). Diese Definition wird auf Maria Lindner (1951) zurückgeführt. (Scheerer-Neumann, 2015; Breitenbach, 2004)

Laut dem ICD-10 (F81.0) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Legasthenie anhand fünf diagnostischer Achsen festzustellen. Die folgende Übersicht lehnt sich an die Darstellung von Erwin Breitenbach (2004) an.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: Diagnostische Achsen nach ICD-10 (F81.0) (nach Breitenbach, 2004, S. 62).

Um demzufolge eine Legasthenie diagnostizieren zu können, müssen die auf den Achsen I, III, IV und V beschriebenen Erkrankungen und Umstände ausgeschlossen werden können, denn nur gegeben dieser Grundlage kann eine umschriebene Entwicklungsstörung des Lesens und Rechtschreibens vorliegen. Im weiteren Verlauf wird sich diese Arbeit auf die Definition des ICD-10 stützen. (Breitenbach, 2004)

Nach dieser begrifflichen Einordnung stellt sich nun die Frage, welche Ursachen eine Legasthenie haben kann.

2.2.2 Ursachen der Legasthenie

Eine Legasthenie ist meist ein Zusammenspiel verschiedener biologischer und soziokultureller Faktoren. Dabei ist u.a. die Verteilung zwischen den beiden Geschlechtern, die genetische Disposition sowie der Einfluss des familiären und sozialen Umfelds von zentralem Interesse.

Sowohl die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) als auch das Programme for International Student Assessment (PISA) untersuchen, welche Unterschiede in den Lese- und Rechtschreibleistungen zwischen Geschlechtern auftreten. Diese konnten nachweisen, dass Jungen tatsächlich schlechter abschnitten als Mädchen und im unteren Leistungssegment häufiger vertreten sind. (Scheerer-Neumann, 2015)

Betrachtet man die genetische Disposition, fällt eine familiäre Häufung auf. In einer Zwillingsstudie konnten Light & DeFries (1995) eine Konkordanz von 68% für eineiige Zwillinge und eine solche Übereinstimmung von 40% für zweieiige Zwillinge nachweisen. Diese Ergebnisse sprechen von einem großen Zusammenhang zwischen der Entstehung einer Legasthenie und ihrer Vererbung. (Scheerer-Neumann, 2015; Light & DeFries, 1995)

Auf die Bedeutsamkeit der Anlagen folgen nun die Einflussfaktoren der Umwelt. Betrachtet man sozioökonomische und soziokulturelle Faktoren, so konnten sowohl IGLU als auch PISA einen signifikanten Zusammenhang “zwischen der sozialen Herkunft und den schriftsprachlichen Leistungen der Kinder bzw. Jugendlichen“ (Scheerer-Neumann, 2015, S. 35) nachweisen (Scheerer-Neumann, 2015). Dabei konnten unter anderem folgende Indikatoren herausgearbeitet werden: „die Berufsklasse […], der erreichte Bildungsabschluss der Eltern, das Einkommen der Eltern, die Anzahl der Bücher im Haus [und] die Anzahl der eigenen Kinderbücher“ (ebd.). Helmke & Weinert (1997) fassen unterschiedliche Funktionen des Elternverhaltens, die für die Schulleistung relevant sind, in vier Oberbegriffen zusammen: Stimulation, Instruktion, Motivation und Imitation. Alle diese Faktoren fließen in den Erfolg einer Lesesozialisation und sollten bei einer Leseförderung nicht außer Acht gelassen werden. (Scheerer-Neumann, 2015; Helmke & Weinert, 1997)

Natürlich gibt es noch weitere Ursachen und Risikofaktoren für das Ausbilden einer Legasthenie bzw. Lese-Rechtschreib-Schwäche, doch würde eine Ausführung dieser den Rahmen dieser Arbeit sprengen.

2.2.3 Diagnostik und Intervention

Diagnostik einer Legasthenie

Auf die Darstellung der verschiedenen Ursachen einer Legasthenie folgt eine Beschreibung der diagnostischen Schritte mit welcher eine Legasthenie festgestellt werden kann. Anschließend werden Interventionsmöglichkeiten vorgestellt.

Für eine zielgerichtete Diagnostik empfiehlt Scheerer-Neumann (2015) eine hierarchische Herangehensweise. Dabei erfolgt die Diagnose in vier Schritten. Der erste Schritt ist dabei die quantitative Ermittlung der Lese- und Rechtschreibleistung. Anschließend folgt eine entwicklungsbezogene Analyse. Der nächste Schritt ist eine Feindiagnostik bzw. eine detaillierte Fehleranalyse und zuletzt erfolgt eine Differentialdiagnostik. Auf diese vier Schritte wird im weiteren Verlauf detaillierter eingegangen. (Scheerer-Neumann, 2015)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Diagnostische Schritte einer Legasthenie nach Scheerer-Neumann (2015, S. 63 ff.).

Im ersten Schritt werden die Lese- und Rechtschreibleistungen des/der SuS ermittelt (ebd.). Dabei werden standardisierte und normierte Tests verwendet. Auf diese Weise können die Ergebnisse in Relation mit „klassen- und schulformspezifischen Normen“ (Scheerer-Neumann, 2015, S. 63) bewertet und Minderleistungen festgestellt werden. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) gab 2015 eine Leitlinie zur „Diagnostik und Behandlung bei der Lese- und/oder Rechtschreibstörung“ (AWMF, 2015) heraus.6 In der Evidenztabelle 2 sind dabei verschiedene Testverfahren zur Erfassung von Lese- und/ oder Rechtschreibleistungen aufgelistet, darunter u.a. auch der Salzburger Lese- und Rechtschreibtest (SLRT-II) von Moll & Landerl (2010) auf welchen sich auch Scheerer-Neumann (2015) bezieht. (Scheerer-Neumann, 2015; AWMF, 2015)

[...]


1 Diese Abkürzung wird sowie für den Plural als auch für den Singular verwendet.

2 Dies erschließt sich, wenn man Schreibbeispiele von Kindern analysiert (Goldenstein, 2019, S. 117).

3 Jansen und Marx nennen dabei explizit Risikokinder (Jansen & Marx, 1999, S. 14).

4 Oder auch „awareness of speech as a sequence of phones” (Morais et al, 1979, S. 323).

5 Also: L1 = Deutsch, L2 = Englisch.

6 Diese Leitlinie wird zur Zeit überarbeitet.

Ende der Leseprobe aus 106 Seiten

Details

Titel
Legasthenie im Fremdsprachenunterricht. Die Rolle der phonologischen Bewusstheit im Alphabetisierungsprozess
Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Note
2,0
Autor
Jahr
2022
Seiten
106
Katalognummer
V1192422
ISBN (eBook)
9783346632708
ISBN (Buch)
9783346632715
Sprache
Deutsch
Schlagworte
legasthenie, fremdsprachenunterricht, rolle, bewusstheit, alphabetisierungsprozess
Arbeit zitieren
Juliane Koch (Autor:in), 2022, Legasthenie im Fremdsprachenunterricht. Die Rolle der phonologischen Bewusstheit im Alphabetisierungsprozess, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1192422

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