Statius und angemessener Luxus in den silvae

Ein Einblick in das Privatleben der römischen Elite


Hausarbeit, 2020

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Hauptteil

1. Luxus im Flavischen Zeitalter

2. Analyse einiger ausgewählter Silven
2.1 Die Villa des Manilius Vopiscus in Silve 1.3
2.2 Die Villa des Pollius Felix in Silve 2.2
2.3 Die Herkules Statue des Novius Vindex in Silve 4.6

III. Fazit

Literaturverzeichnis

I. Einleitung

,,Poetics of Empire”1, so bezeichnet Newlands die Silvae von Publius Papinius Statius und zeigt damit zugleich, welch hohe Bedeutung dem antiken Autor mit diesem Werk in der Rezeptionsgeschichte zugeschrieben wird. Denn in vielerlei Hinsicht sind die Lobgedichte von Statius für die Forschung ein Gegenstand von großem Interesse. Sowohl dem zeitgenössischen Leser als auch uns als Rezipienten wird dadurch eine große Bandbreite wertvoller Informationen über die flavischen Elite präsentiert und ein Einblick in deren sonst unzugängliches persönliches Leben gewährt.

Für die Forschung sind sie ein wichtiges Zeugnis, um die Rekonstruktion der Verhältnisse dieser Zeit zu ermöglichen, vor allem, da Statius' Silvae und Martials Epigramme die einzigen Dokumente unter Domitians Herrschaft sind.2 Dies ist den vor allem sehr vielfältigen Thematiken des Werkes zu verdanken. Sei es ein Banquet bei Domitian an den Saturnalien3, das uns bis auf das kleinste Detail dargestellt wird und ein Blick in das private Leben des Kaiser zulässt, seien es architektonische Monumente wie die Reiterstatue des Kaisers4 oder der Bau der Via Domitiana 5, die die öffentliche Präsenz des Herrschers im antike Alltag verdeutlichen. Oder seien es die Beschreibungen der luxuriösen Privatvillen, denen im Rahmen dieser Arbeit besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden soll.

So vielseitig wie die Themen der einzelnen Gedichte sind aber auch die Meinungen über Statius. Während römische Autoren des vierten und fünften Jahrhunderts wie Claudian oder Ausonius die Silven in Stil und Thematik zu imitieren versuchten und somit wohl indirekt ihr Gefallen an Statius' Arbeit äußern6, erheben sich gerade wegen des einzigartigen Stils ab dem 20. Jahrhundert auch kritische Stimmen. Butler u.a. charakterisiert die Silvae als ,,fulsome to the verge of Nausea”7 und Gossage bezeichnet sie als nichts anderes als ,,empty expressions of flattery”8. Dass Statius mit seinen Silvae einen bis dato neuen Weg einschlägt, der sich vor allem durch stilistische Besonderheiten offenbart, und dafür auch Kritik zu erwarten hat, muss ihm wohl durchaus bewusst gewesen sein, wie er es selbst in der praefatio des vierten Buches äußert.9 Dies ist vermutlich auch dem bis dahin neuen Konzept der Auftragsdichtung zuzuschreiben.10

Auch inhaltlich werden die Silvae mit einem kritischen Blick begutachtet. Ab den 80er Jahren, tritt u.a. unter Vessey11 und Ahl12 erstmals eine von der bisherigen ganz divergente Lesart auf, die den schmeichelnden Lobgedichten auf den Kaiser einen subversiven, Domitian implizit kritisierenden Charakter verleiht.13 In jüngerer Vergangenheit wurde die Analyse der Silven durch die Arbeiten Canciks14 immer mehr in einen sozio-kulturellen Kontext gerückt, der ein tieferes Verständnis für die flavische Gesellschaft ermöglichte. Besonders Rühls15 und Newlands Arbeiten warfen einen Blick auf das Patron-Poet-Verhältnis zwischen Statius und seinen Adressaten und rückten den in den Gedichten stark propagierten materiellen Reichtum in den Fokus.16

Im Rahmen dieses Diskurses soll die hier vorliegende Arbeit den Luxus in Statius Silvae ins Zentrum der Beobachtungen stellen. Dazu werden nach einer kurzen Einführung in den Luxus-Diskurs der flavischen Zeit drei Silven analysiert werden, die sich der ausführlichen Beschreibung von Privatvillen widmen. Dabei soll vor allem die Frage beantwortet werden, wie es Statius gelingt, den Luxus angemessen zu präsentieren, sodass er im bestmöglichen Lichte erscheint. Eine weitere Frage wird sein, welche Bedeutung der Betrachtung privater Villen zugeschrieben wird, da diese im Vergleich zu den öffentlichen Bauten des Kaisers für den Adressaten keinen direkten Nutzen zu haben scheinen.

II. Hauptteil

1. Luxus im Flavischen Zeitalter

Es ist wohl allgemein bekannt, dass materieller Wohlstand während der gesamten Antike bis hin zum 21. Jahrhundert (und voraussichtlich auch in Zukunft) in vielerlei Hinsicht ein Zeichen von Status und Anerkennung und somit ein Mittel der Distinktion ist. Er spielt sowohl im privaten als auch im öffentlichen, staatlichen Rahmen eine große Rolle und stellt folglich auch ein viel verwendeter Gegenstand der Literatur dar.

Materieller Wohlstand findet, wie es Zeiner anhand einiger Autoren exemplifiziert, in unterschiedlichsten Genres seinen Platz17 und hat abhängig von der verwendeten Vokabel zum Teil ganz verschiedene Bedeutungsnuancen. Zu unterscheiden sind dabei vor allem zwei: Zum einen materieller Wohlstand als besonnen eingesetztes ökonomisches Kapital, was in der Literatur meist als census, divitia, oder opes bezeichnet wird.18 Und zum anderen die luxuria, die als Luxus oder sogar Verschwendung übersetzt werden kann.19 Was sich dem ersten Anschein nach nicht wirklich voneinander unterscheiden mag und in unserem Sprachverständnis dasselbe zu meinen scheint, macht doch, vor allem beim Blick in die Literatur und deren Interpretation, einen erheblichen Unterschied.

Denn luxuria ist im Gegensatz zu Ersterem stark negativ konnotiert. Eine große Rolle dabei spielen unter anderem historische exempla, die ihren Reichtum statt für öffentliche Zwecke ausschließlich für ihren privaten Luxus verwendeten. Cicero betonte einst in einer seiner Reden, wie sehr das römische Volk privaten Luxus verpönte, während es öffentlichen Luxus sehr zu schätzen wusste: Odit populus Romanus privatam luxuriam, publicam magnificentiam diligit. 20 So kommt etwa auch die positive Reputation von Augustus, von Nero eine weitgehend schlechte zustande.

Wie vieles andere auch, änderte sich die gesellschaftliche Stellung der privaten Villa im Laufe der Zeit ebenfalls. Während die eben genannte Kritik an privatem Luxus zur Zeit der Republik omnipräsent war, ist sie in der Kaiserzeit zum größten Teil erloschen. Daher wurden etwa ländliche Villen nach dem Vorbild der villa rustica, bei der vor allem ökonomische Ziele durch Landbau im Vordergrund standen, mehr und mehr von Villen abgelöst, die zu Orten der Ruhe und der intellektuellen Betätigung wurden.21 Durch den imperialen Reichtum und die durch technischen Fortschritt gegebenen Möglichkeiten konnte sich die private Villenkultur der Oberschicht etablieren, die zugleich ein Zeichen dieses Phänomens war. Sie ermöglichte eine weitere Art der Distinktion, um seine eigene sozio-kulturelle Stellung zu manifestieren und sich mit dieser neuen Identität von anderen abzuheben.22

Ungeachtet aber der Betitelung, deren Bedeutungsdifferenzen und der Reputation materiellen Wohlstandes, kommt es stark darauf an, in welcher Form dieser präsentiert wird. Für die literarische Auseinandersetzung mit Luxus spielt die Vermittlung zwischen Produktion und Rezeption dabei eine große Rolle. Denn für Besitzer diverser Luxusgegenstände stellt deren literarische Inszenierung die beste Möglichkeit dar, diese den anderen Mitgliedern der Elite ostentativ zu unterbreiten, damit sie direkte Zeugen des privaten Luxus einiger Angehöriger der Oberschicht werden können.23

Daher war man auf die Beschreibung durch einen (Auftrags-) Dichter angewiesen. Das wechselseitige Verhältnis von Poet und Patron spielt hierbei eine zentrale Rolle. Während der Patron, meist ein Angehöriger der Oberschicht, einen Dichter beauftragt, ein encomium auf ihn zu verfassen und dafür den Dichter finanziell entlohnt sowie durch Mundpropaganda zu sozialem Rang verhilft, nutzt der Dichter seine literarischen und intellektuellen Fähigkeiten, den Patron in einem Gedicht zu preisen. Rühl bezeichnet diesen Prozess als einen Austausch von sozialem, ökonomischem und kulturellem Kapital, der für beide Parteien von Vorteil ist.24 Rosati spricht sehr passend von literarischer Autorität auf Seiten des Autors und von sozialer Autorität auf Seiten dessen, der Gegenstand seiner Dichtung ist.25

Die Verbalisierung materieller Gegenstände, in unserem Fall luxuriöser Ausstattung, die in der Dichtung meist in Form von ekphraseis vorgenommen werden26, ist dabei kein unveränderbarer und eindeutiger Prozess, sondern es ist, wie es auch Rosati in seinem Artikel bezeichnet, ein “ambigous, second-level reading”27. Der Autor, dessen Aufgabe es ist, die Beschreibung von Gegebenheiten und Gegenständen zu verschriftlichen und einem größeren Publikum zugänglich zu machen, spielt dabei die Instanz des Mediators. Rosati spezifiert: the poet unites three ‘voices': his own, that of the dedicator and that of the dedicatee, and he controls all three of them, in the sense that he not only expresses his own voice, but he interprets in his own way (that is, he conditions and orientates) the other two as well.28

So ist er in einer Art Machtposition und damit in der Lage, die unterschiedlichen Sichtweisen zu vereinen und die Richtung des Rezeptionsprozesses zu bestimmen.29

Dies kann er, wie später gezeigt wird, beispielsweise durch die Auswahl des Vokabulars, der Struktur des Textes oder durch viele andere Faktoren tun, die die Deutung des verschriftlichten Sachverhalts steuern. Daher stellt sich immer und auch im Falle von Statius Silven die Frage, wie stark die Mediation über die Literatur und somit über den Autor die Darstellung von Luxus beeinflusst und in welche Richtung sie gelenkt wird.

2. Analyse einiger ausgewählter Silven

2.1 Die Villa des Manilius Vopiscus in Silve 1.3

Bereits im ersten Vers der Silve bringt Statius zum Ausdruck, auf was sich der Leser einstellen kann. Denn er beginnt Silve 1.3, seine erste Villensilve, direkt mit dem aussagekräftigen Wort cernere.30 Damit wird dem Rezipienten gleich zu Beginn eröffnet, dass die Wahrnehmung in dem folgenden Gedicht eine zentrale Rolle spielen wird. Für Statius als Besucher von Manilius Vopiscus' Villa ist das primär die visuelle Wahrnehmung, die bei der Darstellung der Villa im Fokus steht; die Leser müssen Statius vertrauen und sich mit seiner Beschreibung begnügen, um sich das Landhaus anhand seiner detaillierten Darstellung vorstellen zu können.

In Statius' Gedichten sind keine Informationen über Vopiscus, zu finden, die einen Hinweis auf seine Abstammung, Karriere oder den Erwerb seines Vermögens zulassen könnten.31 In der praefatio des ersten Buches wird er jedoch als vir eruditissimus et qui praecipue vindicat a situ litteras iam paene fugientes 32 bezeichnet. Dies legt nahe, dass er die Ruhe seiner Villa ganz im Zuge der otium- Kultur für seine literarischen Tätigkeiten genutzt hat.

[...]


1 Newlands (2002) 2.

2 Vgl. White (1975) 291-293.

3 Stat. silv, 1,6.

4 Stat. silv, 1,1.

5 Stat. silv, 4,3.

6 Vgl. Zeiner (2005) 2.

7 Butler (1909) 228.

8 Gossage (1965) 208.

9 Stat. silv, 4 praef. 24-26.

10 Vgl. Newlands (2002) 33f.

11 Siehe dazu Vessey (1976/77).

12 Siehe dazu Ahl (1984).

13 Vgl. Zeiner (2005) 6f.

14 Siehe dazu Cancik (1965).

15 Vgl. Rühl (2006) 13-79.

16 Vgl. Zeiner (2005) 9.| vgl. Newlands (2002) 1-45.

17 Zeiner (2005) 13f.

18 Vgl. Zeiner (2005) 109-134.

19 Für eine genauere Differenzierung des Luxus-Vokabulars in Statius' Silvae siehe Zeiner (2005) 109-134.

20 Cic. Mur, 76. | vgl. Bardo (2006) 461.

21 Vgl. Newlands (2002) 121-124.

22 Vgl. Newlands (2002) 121.

23 Vgl. Newlands (2002) 3-5.

24 Vgl. Rühl (2006) 28-31.

25 Vgl. Rosati (2006) 50.

26 Vgl. Newlands (2002) 39.

27 Newlands (2002) 48.

28 Rosati (2006) 49.

29 Vgl. Rosati (2006) 49.

30 Stat. silv, 1.3, 1.

31 Vgl. Newlands (2002) 128.

32 Stat. silv, praef. 1, 24f.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Statius und angemessener Luxus in den silvae
Untertitel
Ein Einblick in das Privatleben der römischen Elite
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für Geschichts- und Kulturwissenschaften)
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
23
Katalognummer
V1193469
ISBN (eBook)
9783346635211
ISBN (Buch)
9783346635228
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Statius, Elite, Rom, Luxus, Luxuria, Sylvae
Arbeit zitieren
Gabriel Bott (Autor:in), 2020, Statius und angemessener Luxus in den silvae, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1193469

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