Die Funktion von Mode in Gottfried Kellers "Kleider machen Leute"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

13 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2.1 Das erste Auftreten Wenzel Strapinskis
2.2 Die Wirkung Wenzels auf seine Umwelt und die daraus resultierenden Folgen
2.3 Die Demaskierung des Grafen als Schneider

3. Die gesellschaftliche Funktion der Kleidung

4. Schlussbemerkung

1. Einleitung

Diese Arbeit befasst sich mit der gesellschaftlichen Funktion von Mode in Gottfried Kellers Novelle „Kleider machen Leute“ von 1870.

Mode im weitesten Sinne nennt man eine zeitweise gültige und während dieser Zeit allgemein akzeptierte Anschauung von den [!] äußeren Kulturformen.[1] Die Mode bestimmt zumeist ein Bild des Ideals von Schönheit in der jeweiligen Gesellschaft. Jede Epoche entwickelt eigene Maßstäbe von einem ästhetischen Ideal des menschlichen Körpers.

Kleidung betont oder unterdrückt bestimmte Partien des Körpers, um die Silhouette dem gültigen Ideal anzunähern: Sie korrigiert und stilisiert.[2] Mode gibt die Möglichkeit nach außen jemand anderes zu sein als seine Herkunft es vorgibt.

Kleidungsstil und Mode haben die Eigenschaft einen raschen Wechsel zu vollziehen. Das heißt es besteht ständige Veränderung in Kleidungs- und Lebensstilen. Kleidung hat ebenfalls die Eigenschaft, den sozialen Stand einer Person zu signalisieren. Sie reflektiert soziale Hierarchien. Vor allem das Mittelalter kannte [..] Kleiderordnungen, die sich in komplizierten Regelungen über Farbe und Qualität der Stoffe verästelten.[3] Im Mittelalter ist die Menge des Stoffes, seine Art (Seide, Baumwolle u.a.), die Länge der Schleppe eine Richtlinie für die gesellschaftliche Einordnung. Somit gibt die Kleidung verlässliche Auskunft über die Herkunft einer Person.

Schon der Titel der Novelle, als Sprichwort, beinhaltet dieses Thema, welches sich mit gesellschaftlichen Ständen und deren Kleiderordnung beschäftigt. Kann jemand aus seiner Herkunft heraustreten, wenn er sich mit der Kleidung eines anderen Standes bedeckt oder gehört mehr zu einem sozialen Aufstieg?

Der Held der Novelle, ein Schneider Namens Wenzel Strapinski, tritt aus dem sozialen, durch Stände statisch festgelegten, System heraus. Die Frage aber ist, ob dies nur durch die Tatsache geschieht, dass er sich „vornehm“ kleidet? Welche Funktion hat dabei die Kleidung Strapinskis und welche Rolle spielt sein Beruf als Schneider? In wiefern sind die Bewohner der Stadt Goldach an seiner Situation beteiligt?

2.1 Das erste Auftreten Wenzel Strapinskis

An einem unfreundlichen Novembertage wanderte ein armes Schneiderlein auf der Landstraße nach Goldach, einer kleinen reichen Stadt, die nur wenige Stunden von Seldwyla entfernt ist. Der Schneider trug in seiner Tasche nichts als einen Fingerhut, welchen er, in Ermangelung irgendeiner Münze, unablässig zwischen den Fingern drehte, wenn er der Kälte wegen die Hände in die Hosen steckte, und die Finger schmerzten ihn ordentlich von diesem Drehen und Reiben.[4]

Mit diesen Sätzen beginnt die Novelle. Gleich zu Beginn wird der Unterschied zwischen dem Helden Strapinski und seinem zukünftigen Ort aufgezeigt. Die Stadt Goldach ist reich, der Schneider allerdings arm. Er besitzt keine Gegenstände außer den Fingerhut in seiner Hosentasche. Es wird nichts über seine Kleidung gesagt, einzig die Art und Weise, wie er auf dieser Landstraße wandert und was er tut (Drehen des Fingerhutes), ist anfänglich interessant. Seine „innere“ Situation wird charakterisiert, ohne jegliche Anmerkung zu seiner Kleidung und seinem Habitus, also seiner „äußeren“ Situation, zu treffen.

Erst nachdem dies gesagt ist, wird auf seine „äußere“ Situation eingegangen. So heißt es:

Das Fechten fiel ihm äußerst schwer, ja schien ihm gänzlich unmöglich, weil er über seinem schwarzen Sonntagskleide, welches sein einziges war, einen weiten dunkelgrauen Radmantel trug, mit schwarzem Samt ausgeschlagen, der seinem Träger ein edles und romantisches Aussehen verlieh, zumal dessen lange schwarze Haare und Schnurrbärtchen sorgfältig gepflegt waren und er sich blasser, aber regelmäßiger Gesichtszüge erfreute.[5]

Er trägt für seine Situation untypische Kleidung, die ihm zudem das Fechten unmöglich macht. Die Kleidung geht über seine Verhältnisse hinaus, aber unterstützt seine feinen Gesichtszüge und das explizit gesagte „edle und romantische Aussehen“. Er stellt dadurch nach außen etwas anderes dar, als es seiner tatsächlichen Situation entspricht.

Wie wichtig dem Schneider seine Kleidung und sein Habitus sind, zeigt folgender Absatz:

Solcher Habitus war ihm zum Bedürfnis geworden, ohne dass er etwas Schlimmes oder Betrügerisches dabei im Schilde führte; vielmehr war er zufrieden, wenn man ihn gewähren und im Stillen seine Arbeit verrichten ließ; aber lieber wäre er verhungert als dass er sich von seinem Radmantel und von seiner polnischen Pelzmütze getrennt hätte, die er ebenfalls mit großem Anstand zu tragen wusste.[6]

2.2 Die Wirkung Wenzels auf seine Umwelt und die daraus resultierenden Folgen

Während der Wanderung von Seldwyla nach Goldach wird Strapinski von einem herrschaftlichen Kutscher aufgelesen, der ihn mit nach Goldach nimmt. Der Kutscher bemerkte, dass der Fußgänger sich matt und kümmerlich durch die Welt schlug[7]. Der Kutscher lässt sich durch die anständige Kleidung Strapinskis nicht blenden. Aus Freundlichkeit bietet er ihm einen Platz in der Kutsche an. Strapinski nimmt die Aufforderung des Kutschers an und erreicht so die Stadt Goldach. Über seine Ankunft heißt es:

Da stürzten Wirt und Leute herunter und rissen den Schlag auf; Kinder und Nachbaren umringten schon den prächtigen Wagen, neugierig, welch ein Kern sich aus so unerhörter Schale enthülsen werde, und als der verdutzte Schneider endlich hervorsprang in seinem Mantel, blass und schön und schwermütig zur Erde blickend, schien er ihnen wenigstens ein geheimnisvoller Prinz oder Grafensohn zu sein.[8]

Die Goldacher Bewohner sind von der herrschaftlichen Kutsche geblendet und erwarten einen dementsprechenden „Kern“ der aus dem Wagen tritt. Dadurch, dass die Suggestion des Äußerlichen den Umstehenden bei der Ankunft des Schneiders in Goldach keine andere Wahl lässt als die Deutung des Sichtbaren nach dem, was der Augenschein verspricht, gerät nun Strapinski [..] ins falsche Licht; das Adjektiv „unerhört“ deutet den Erwartungshorizont an, vor dem die anwesenden Goldacher das Wahrgenommene verstehen zu müssen meinen.[9] Strapinski gerät durch die falsche Auffassung der Goldacher Bewohner in ein Netz aus vielen Zufällen. Der Mantel, seine polnische Pelzmütze, die Blässe und die durch Zufall hinzugekommene herrschaftliche Kutsche erwecken bei den Bewohnern den Anschein sie hätten es mit einem Edelmann zu tun. Der Wirt Strapinskis Auftreten in ebendieser Sichtweise. So spricht er zu seiner Köchin mit überschwänglichen Worten:

[...]


[1] Aus: Kybalová, Ludmila: Das große Bilderlexikon der Mode. Vom Altertum zur Gegenwart; 1981, Verlag der Kunst Dresden, S. 15.

[2] Ebenda.

[3] Aus: Widdig, Bernd: Mode und Moderne. Gottfried Kellers „Kleider machen Leute“, Merkur 1994, S. 109.

[4] Der Text wird zitiert nach: Keller, Gottfried, Kleider machen Leute. Stuttgart, Reclam, 2000, Seite 3. Im folgenden werden nur noch die Seitenzahlen in der Fußnote genannt.

[5] Seite 3.

[6] Seite 3.

[7] Seite 4

[8] Seite 5

[9] Hilt, Friedrich: Gottfried Keller. Literarische Verheißung und Kritik der bürgerlichen Gesellschaft im Romanwerk; Bouvier Verlag, Bonn, 1978, Seite 128.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Die Funktion von Mode in Gottfried Kellers "Kleider machen Leute"
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Deutsche Philologie)
Veranstaltung
Realisamus
Note
2,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
13
Katalognummer
V120878
ISBN (eBook)
9783640251124
ISBN (Buch)
9783640251278
Dateigröße
413 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kein Literaturverzeichnis. Vollständige Zitierung in den Fußnoten
Schlagworte
gottfried keller, kleider machen leute, soziale funktion, Thema Kleider machen Leute
Arbeit zitieren
Carla Pohl (Autor:in), 2005, Die Funktion von Mode in Gottfried Kellers "Kleider machen Leute", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120878

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