Kriegsdienstverweigerung in Ost- und Westdeutschland im Vergleich. Folgen für die jungen Männer


Hausarbeit, 2022

18 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsbestimmung

3. Kriegsdienstverweigerung in der DDR
3.1 Entstehung des Ersatzdienstes
3.2 Verfahren zur Verweigerung
3.3 Staatlicher und gesellschaftlicher Umgang mit Verweigerern

4. Kriegsdienstverweigerung in der BRD
4.1Entstehung des Ersatzdienstes
4.2 Verfahren zur Verweigerung
4.3 Staatlicher und gesellschaftlicher Umgang mit Verweigerern

5. Vergleich
5.1 Ersatzdienst allgemein
5.2 Folgen für die jungen Männer

6. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. EINLEITUNG

Die DDR und die BRD standen in direkter militärischer Konkurrenz gegenüber. Für den kalten Krieg brauchten beide Seiten große Mengen Soldaten, um den Bündnisverpflichtungen und der Spirale der gegenseitigen Abschreckung gerecht zu werden. In beiden deutschen Staaten wurden hierfür Wehrpflicht und Armee wieder eingeführt, obwohl nach dem Krieg kaum daran zu denken gewesen wäre, Deutschland wieder Waffen in die Hand zu geben. Nun hatte man sogar zwei deutsche Armeen. Die eine verstand sich selbst als eine Armee der Freiheit und Demokratie, die andere als eine wahrhafte und sozialistische Streitkraft.1 Doch wie wurde die Wehrpflicht durchgesetzt? Gab es Möglichkeiten, den Dienst in der Armee zu umgehen oder gar zu verweigern und wie lief das Verfahren zur Verweigerung ab? Und vor allem welche Folgen hatte diese Verweigerung für den Einzelnen beziehungsweise für seine Familie? Diese Fragen möchte ich in dieser Arbeit klären. Dazu werde ich zunächst auf die Kriegsdienstverweigerung in der DDR eingehen, also eine kurze Geschichte des Ersatzdienstes geben, das Verfahren für die Anerkennung des Bausoldatenstatus schildern sowie den gesellschaftlichen Umgang damit darlegen. Im folgenden Kapitel wird beschrieben, wie es bei diesen Themen in der Bundesrepublik ausgesehen hat. Im Fazit findet dann ein Vergleich statt, der die Geschichten der beiden deutschen Staaten zu verbinden versucht. Trotz der unterschiedlichen ideologischen Grundlagen beider Armeen auf deutschem Boden, gab es doch eventuell verbindende Elemente, die ebenfalls ein Ziel dieser Arbeit darstellen.

Als Literatur war das Buch von Bernd Eisenfeld, welcher selbst Bausoldat war und in den 1970er Jahren in die Bundesrepublik ausreisen durfte, „Bausoldaten in der DDR“ für die Verhältnisse in der DDR, Kriegsdienstverweigerer betreffend, sehr hilfreich. Für die Bundesrepublik nutzte ich vor allem die Abhandlung „Zivildienst zwischen Reform und Revolte“ von Patrick Bernhard. Dazu waren noch weitere Literaturquellen hilfreich, um die Vorgänge rund um dieses kontroverse Thema besser zu verstehen.

2. BEGRIFFSBESTIMMUNG

Zunächst soll aber einleitend der Begriff der Kriegsdienstverweigerung, wie er hier Verwendung findet, definiert werden. Kriegsdienstverweigerung meint in dieser Arbeit die Ablehnung jeglicher staatlichen Pflicht zum Dienst an der Waffe, auch wenn es im speziellen Fall nie zu einem heißen Krieg kam. Also ist auch die Verweigerung der Wehrpflicht beziehungsweise die Ausübung von Ersatzdiensten eine Form der Kriegsdienstverweigerung, da dadurch auch im Kriegsfalle keine Ausbildung an der Waffe vorhanden gewesen wäre. Kriegsdienstverweigerung im Sinne von Militärdienstverweigerung. Sie umschließt auch die Totalverweigerer, welche jede Art von Dienst für einen Staat ablehnen, dies war aber im untersuchten Zeitraum die kleinste Gruppe. Schon in der ersten Verfassung der Bundesrepublik gab es den Art. 4 III GG, der die Verweigerung zum Kriegsdienst aus Gewissensgründen ermöglichte. Aus diesem Absatz wurde dann auch auf den Wehrdienst und den Dienst an der Waffe generell geschlossen.2

3. Kriegsdienstverweigerung in der DDR

3.1Entstehung desErsatzdienstes

In der ersten Verfassung der DDR, von 1949, gab es zunächst weder Regelungen zu einem Kriegsdienst noch zu einer möglichen Verweigerung aus Gewissensgründen.3 4 5 Erst mit der zweiten Verfassung von 1968 fanden sich diesbezüglich Regelungen, allerdings nur im Kriegsfalle. Dann jedoch war jeder Bürger (also auch Frauen) zur Verteidigung des Staates verpflichtet.[4],[5] Im Duktus der DDR war der Sozialismus gleichgesetzt mit Frieden und Frieden gleich Sozialismus. Da die NVA als sozialistische Armee demnach per definitionem dem Frieden diente, war ein Verweigern des Wehdienstes auch gleichzeitig sowohl ein Akt gegen den Frieden als auch den Sozialismus selbst.6 So beschrieb es auch der Verteidigungsminister Hoffmann in seiner Rede zur Einführung der Wehrpflicht, dass der „Soldat seinem eigenen Staat, seinem Volk und der gerechten Sache des Sozialismus und des Friedens“ diene.7 Dennoch war die NVA zunächst als Freiwilligenarmee konzipiert, was zum einen damit zusammenhing, dass man sie so moralisch gegenüber der Bundeswehr aufwerten wollte und der Aufbau, nur mit den treuesten Anhängern der Ideale des Staates, sozialistisch geschehen sollte. Andererseits hatte die DDR auch kaum eine andere Chance, da die Flucht in die BRD bis zum Mauerbau eine Möglichkeit darstellte, eine mögliche Pflicht zu umgehen.8 Andererseits sollte die DDR gleichzeitig Vorgaben der Sowjetunion zur Größe der Streitkräfte einhalten. Diese Sollgröße wurde kaum erreicht, auch wegen der sinkenden Geburtenraten, welche dafür sorgten, dass sich quasi immer der komplette männliche Teil eines Jahrganges freiwillig hätte melden müssen.9 Daher wurde sehr kurz nach dem Mauerbau, am 24. Januar 1962, auch die Wehrpflicht eingeführt.10

Die erste eingeführte Wehrpflicht sah keinerlei Möglichkeit vor, diesen Dienst zu umgehen. Dazu kam, dass in allen anderen Staaten des Warschauer Paktes bei Verweigerung Gefängnis oder Arbeitslager als Strafe standen und durchgesetzt wurden.11 Solche Strafen standen auch für Verweigerer in der DDR im Gesetz, allerdings war es wegen der deutschen Vergangenheit und der damit verbundenen internationalen Reputation, die unter solchen Strafen gelitten hätte, für die DDR keine Möglichkeit, Verweigerung dementsprechend zu ahnden.12 Neben der Unahnbarkeit und der damit verbundenen Schwäche des Staates sorgte auch die Evangelische Kirche der DDR für eine Änderung der Lage. Zwar scheiterte ihr Versuch, einen zivilen Ersatzdienst zu schaffen, allerdings konnte sie erringen, dass es einen Dienst innerhalb der Armee gibt, welcher ohne Waffenausbildung auskommt, die sogenannten Bausoldaten,13 ein Kuriosum, da diese Soldaten ohne Waffe und Eid waren.14 Allerdings muss auch gesagt werden, dass nicht nur die Kirche einen Anteil an der Erschaffung dieses Dienstes hatte, sondern auch ganz praktische Gründe für die DDR-Führung im Vordergrund standen. So sollte die Legitimität der DDR-Führung erhöht werden, indem für die Weltöffentlichkeit sichtbar die

Gewissensfreiheit gestärkt wurde, dazu beabsichtigte man durch diesen Schritt, die Verweigerer besser in die Gesellschaft integrieren zu können und diese gleichzeitig ein Stück weit zu befrieden. Ein weiterer praktischer Grund war der enorme militärische Baubedarf, welcher in den 60er Jahren bestand und für welchen billige Arbeitskräfte gebraucht wurden.15 Wie die Organisation des Dienstes ohne Waffe aussah, veränderte sich im Laufe der Zeit und wird nach Eisenfeld in drei Perioden eingeteilt, die hier kurz umrissen werden sollen. Die erste Phase reichte vom ersten Durchgang an Bausoldaten 1964 bis 1975 und kennzeichnete sich durch einen fast ausschließlich militärischen Alltag in konzentrierten Einheiten.16 Der Alltag fand gemeinsam mit den bewaffneten Baupionieren statt und förderte immer wieder Gewissenskonflikte bei den eigentlichen Militärdienstverweigerern.17 Es kam auch immer wieder zum abtasten von Grenzen, bis zu welchen die Offiziere bestimmte Verweigerungen noch tolerierten, so wurden beispielsweise beim Gelöbnis einige Textpassagen nicht nachgesprochen und der leisere Chor durch dabeistehende reguläre Soldaten ergänzt. Das funktionierte, weil auch die Befehlhabenden nicht genau wussten, wie sie mit den Verweigerern genau umzugehen hatten.18 Die Lebensbedingungen waren bestimmt vom jeweiligen Arbeitsort, zumeist allerdings sehr einfach und hart, mit 6-Mann-Zelten, kalten Duschen und regelmäßig mehr als zehn Stunden Arbeitszeit.19 Für ihre schwere körperliche Arbeit bekamen sie keine technischen Hilfsmittel zur Verfügung, die eigentlich verfügbar waren, dies führte oft zu Befehlsverweigerungen.20 Insgesamt wurde die Arbeitseinstellung beschrieben als einen für die Befehlshaber guten Eindruck machen, aber sobald diese nicht mehr anwesend waren, den Arbeitseifer in ein verdecktes „Gammeln“ zu wandeln.21 Die zweite Periode von 1975 bis 1982 charakterisierte sich durch eine Entspannung im Verhältnis der NVA und der Bausoldaten, es kam zu einigen Lockerungen im Alltag. So wurde die Grundausbildung verkürzt, die maximale Dienstzeit auf sieben Stunden pro Tag festgesetzt und auch die Arbeit an sich war weniger kräftezehrend.22

[...]


1 Wenzke, Wehrpflicht im Spiegel, S. 120

2 GG - Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (gesetze-im-internet.de), abgerufen am: 23.02.22, 11:04

3 documentArchiv.de - Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (07.10.1949); abgerufen am: 23.02.22, 11:11

4 documentArchiv.de - DDR-Verfassung (06.04.1968/14.10.1974) Artikel 23 I, abgerufen am 23.02.22, 11:17

5 Wenzke, Wehrpflicht im Spiegel, S. 126

6 Widera, Kriegsdienstverweigerung, S. 403

7 Wenzke, Wehrpflicht im Spiegel S. 125

8 Wenzke, Wehrpflicht im Spiegel S. 125

9 Rogg, Armee des Volkes S. 72

10 Gesetz über die allgemeine Wehrpflicht vom 24.01.1962

11 Wenzke, Wehrpflicht im Spiegel S. 130

12 Widera, Kriegsdienstverweigerung, S. 404

13 Echternkamp & Wenzke, Frieden und Krieg, S. 395

14 Eisenfeld, Horch und Guck

15 Helmberger, Blauhemd und Kugelkreuz, S. 256f.

16 Helmberger, Blauhemd und Kugelkreuz, S. 262

17 Eisenfeld & Schicketanz, Bausoldaten in der DDR, S. 121

18 Ebd., S. 126

19 Ebd., S. 138

20 Helmberger, Blauhemd und Kugelkreuz, S. 263

21 Eisenfeld & Schicketanz, Bausoldaten in der DDR, S. 139

22 Helmberger, Blauhemd und Kugelkreuz, S. 264

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Kriegsdienstverweigerung in Ost- und Westdeutschland im Vergleich. Folgen für die jungen Männer
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Geschichte)
Veranstaltung
Militär und Gesellschaft in der DDR und der Bundesrepublik. Neuere Forschungen zu einer integralen deutschen Zeitgeschichte
Note
2,3
Autor
Jahr
2022
Seiten
18
Katalognummer
V1215245
ISBN (eBook)
9783346642929
ISBN (Buch)
9783346642936
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Militärgeschichte, DDR, BRD, Wehrdienst, Wehrpflicht, NVA, Bausoldaten, Verweigerer, Zivildienst, Eisenfeld
Arbeit zitieren
Tom Weber (Autor:in), 2022, Kriegsdienstverweigerung in Ost- und Westdeutschland im Vergleich. Folgen für die jungen Männer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1215245

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Kriegsdienstverweigerung in Ost- und Westdeutschland im Vergleich. Folgen für die jungen Männer



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden