"Der Tod des Sardanapal" von Eugène Delacroix


Hausarbeit (Hauptseminar), 2015

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Bildbeschreibung und Aufbau

3. Zur Person des Sardanapal – Legende und Symbol

4. Interpretation und Deutungsansätze
4.1 Romantik und Klassizismus im zeitgenössischen Frankreich
4.2 Orientalismus
4.3 Lord Byron und Delacroix
4.4 Der Dandy und das Erhabene

5. Zusammenfassung und Fazit

Literaturverzeichnis:

Abbildungsverzeichnis:

1. Einleitung

Spricht man heute von Romantik, denkt man fast augenblicklich an Sonnenuntergänge, rote Rosen und Kerzenschein. In seltenen Fällen lässt sich auch noch der geheimnisvolle, exotische Orient als romantisches Sujet verstehen. Spätestens bei grausamen Massakern und zelebrierten Frauenmorden hört die Toleranz jedoch langsam auf und niemand wird mehr ernsthaft von Romantik sprechen – eher sogar vom genauen Gegenteil. Das Gemälde „Der Tod des Sardanapal“ zeigt aber eben diesen Inhalt. Gemalt wurde es wiederum von Eugène Delacroix (1798-1863), der als Vorreiter der romantischen Malerei im restaurativen Frankreich angesehenen wird. Wie sich dieses düstere und kontroverse Bild nun genau einordnen lässt, soll im Folgenden näher behandelt werden.

Die Forschung über dieses Gemälde beginnt genau genommen bereits mit Delacroix' Zeitgenossen. Der Skandalgehalt des „Sardanapal“ führte direkt nach der Ausstellung im Salon zu massiver Kritik und vor allem zu Unverständnis, welches für über 100 Jahre das Interesse des Publikums, aber auch der Forschung zügelte und konsequent auf andere Werke Delacroix' ablenkte.1 Erst in den letzten Jahrzehnten wandte sich die Kunstwissenschaft wieder dem einstmals verschmähten Bild zu, allerdings auch nur abgeschwächt. Das Hauptaugenmerk der Forschung liegt überwiegend auf der Schilderung und Einordnung seines Gesamtwerks, auf seiner Farbtheorie oder auch auf seiner Darstellung des Orients vor und nach seiner Marokkoreise2.

Um das Gemälde erfassen und einordnen zu können, erfolgen nun zunächst eine Bildbeschreibung, danach kurze Erläuterungen zum Aufbau, dem Entstehungskontext sowie dem Forschungsbefund. Im darauf folgenden Kapitel wird die Person und die Legende des Sardanapals an sich dargelegt. Dann konzentriert sich die Arbeit auf die Interpretation und die Deutungsansätze. Es sollen nacheinander das zeitgenössische Frankreich mit den beiden Schulen des Klassizismus und der Romantik, der Begriff des Orientalismus, ein Vergleich des Schriftstellers Lord Byron und dessen gleichnamigem Drama mit Delacroix' „Sardanapal“ sowie abschließend die Symbolfigur des Dandy und die Darstellung des Erhabenen im Gemälde behandelt werden. Eine Zusammenfassung samt Fazit rundet die Arbeit ab.

2. Bildbeschreibung und Aufbau

„Der Tod des Sardanapal” von Eugène Delacroix aus dem Jahr 1827 ist ein querformatiges Gemälde mit den Maßen 3,95 auf 4,95 Meter. Es ist in Öl auf Leinwand gemalt und befindet sich heute im Louvre in Paris.3

Dargestellt ist ein prachtvoll eingerichteter, orientalisch anmutender Raum, in dem sich 15 Personen befinden. Auf einem zentralen, schräg im Bildraum positionierten Bett mit Elefantenkopfpfeilern thront der titelgebende König Sardanapal, in wertvolles Weiß gekleidet, mit langem Bart und Turban, umgeben von seinen Dienern, Konkubinen und den im Raum angesammelten Kostbarkeiten aus Gold und Edelsteinen.

Im Vordergrund rechts ersticht ein grimmig dreinblickender Mann gerade eine bis auf ihren wertvollen Goldschmuck nackte, dem König zugewandte Frau. Eine weitere Person mit Kopftuch liegt am Fußende des Bettes und betrachtet fast genüsslich den Mord. Rechts daneben befinden sich zwei ängstliche Diener, der eine erhebt klagend und voller Angst den Arm gegen den König, der andere hält seinen Kopf erschüttert zwischen seinen Händen. Links im Vordergrund tötet ein dunkelhäutiger Mann ein reich geschmücktes Pferd, welches er an den Zügeln hält. Eine weitere Frau liegt regungslos mit ihrem nackten Oberkörper auf dem Bett, dem König zu Füßen. Links neben der Liegestatt befinden sich vier weitere Personen. Ein dunkelhäutiger Mann ersticht sich gerade selbst, die Frau ihm gegenüber lehnt sich an das Bett und verbirgt ihr Gesicht voller Schrecken unter einem grünen Tuch. Dahinter befinden sich zwei Diener mit Turbanen, die gerade goldenes Geschirr auf einem kleinen Tischchen neben dem König servieren. Rechts weicht eine Sklavin, die dem Betrachter den Rücken zugekehrt hat, erschrocken an das Bett zurück, vor ihr zückt eine weitere Wache gerade ihr Schwert. Daneben befindet sich eine ausgestreckte Frau, die sich an einer Säule erhängt. Der Hintergrund der vielfigurigen, bewegten und farbenprächtigen Komposition ist dagegen dunkel gehalten und schwer erkennbar, fast wie Rauchschwaden. Lediglich rechts lässt sich in der Ferne eine palastartige Architektur erahnen, darunter züngeln bereits orangerot die ersten, sich ausbreitenden Flammen.

Das Bild wurde für die zweite Saison des Pariser Salons von 1827 und 1828 geschaffen. Mit 395 auf 495 Zentimeter war es das bis dahin größte Gemälde des noch sehr jungen Delacroix, welches er dennoch innerhalb von sechs Monaten schuf.

Inspiriert war er, neben den antiken Quellen über die Legende des mesopotamischen Herrschers, von der 1821 erschienenen Tragödie „Sardanapalus” des englischen Schriftstellers Lord Byron. Auf beide soll später noch genauer eingegangen werden.

Delacroix versuchte mit seinem Werk ein fantasievolles, exotisches, aber auch glaubhaftes Bild zu erschaffen, welches den gängigen Vorstellungen des Orients entsprach, den die meisten Europäer, respektive Delacroix, selbst allerdings noch nie gesehen hatten. Vorbilder in Bildinhalten, Konstruktion und Gestaltung gibt es kaum. Weder können diese glaubhaft von der Forschung bewiesen werden, noch bringen sie ein tieferes Verständnis des Bildes hervor. Erwähnenswert scheint hinsichtlich der Frauenakte lediglich die Orientierung an Delacroix' Vorbild Peter Paul Rubens. Auch die Personen im Bild bleiben bis auf Sardanapal fast ausschließlich anonym. Lediglich im Ausstellungskatalog benannte Delacroix selbst die erhängte Frau als Aisheh und den Mundschenk, der auch den Raum anzünden wird, als Baleah. Delacroix teilte die dargestellten Personen in mehrere, getrennte Gruppen, beispielsweise Sardanapal und die Frau auf dem Bett sowie der Mann und das Pferd im Vordergrund. Die Zwischenräume füllte er mit wertvollen Objekten, es ist kaum Boden zu sehen.4

Die Forschung hebt als Stärken des Bildes vor allem den virtuosen lasierten Farbauftrag hervor, darüber hinaus den Reichtum und die Wärme der Farben sowie schließlich die diagonale Schattenzone, welche den Blick des Betrachters zugleich auf die – leere – Bildmitte führt.5 „Akzentuiert und miteinander verbunden wird die leidenschaftliche Gestik des Bildpersonals durch einen Stoffstrom in roter Farbe von links oben nach rechts unten.”6 Die Farbenorgie verstärkt nur die Schaulust an dem Blick in den Harem. Der Anblick von verführerischem Reichtum und weiblicher Schönheit ist allerdings nur zusammen mit dem Tod zu haben. Der Betrachter des Bildes kann dadurch leicht die beiden von Delacroix entworfenen Blickkonstellationen nachvollziehen. Zuerst bemerkt er das Massaker und wird mit einer ebenso schrecklichen wie faszinierenden Orgie konfrontiert, um schließlich, wie Sardanapal auf dem Gemälde, über den orientalischen Exzess hinweg Abstand vom Bild zu gewinnen.7

3. Zur Person des Sardanapal – Legende und Symbol

Die Legende um Sardanapal hat ihren Ursprung im archaischen Griechenland und reicht bis vor das fünfte Jahrhundert vor Christus zurück. Der assyrische König wird von mehreren antiken, griechischen Autoren erwähnt, unter anderem von Herodot, und bildet Parallelen zu einer Reihe weiterer, jedoch wesentlich bekannterer mythischer Könige und ihrem sprichwörtlichen Reichtum, wie beispielsweise Midas und Krösus. Auch Alexander der Große soll bei seinen Eroberungszügen an Sardanapals Grab vorbeigezogen sein. Bisweilen wurde in der Forschung auch versucht, ihn mit dem realen König Assurbanipal von Ninive zu identifizieren, der im siebten Jahrhundert vor Christus in Mesopotamien regierte. Insgesamt gibt es jedoch wenig Gesichertes zu der historischen Person, aber viele Fragmente, Variationen und kurze Bezüge, die sich zu der antiken Sage um Sardanapal verdichten sollten, die dann auch Delacroix über zweitausend Jahre später in seinem Gemälde aufgriff.

Die eigentliche Legende um Sardanapal erzählt von ihm als letztem König von Ninive, der Reichtum, aber auch Weichlichkeit repräsentierte. Er lebte in orientalischem Luxus, verbrachte seine Zeit hauptsächlich mit Essen, Trinken, Festgelagen und Frauen zusammen und soll mit ihnen auch Wollarbeiten verrichtet und sich geschminkt haben. Obgleich solch ein als weibisch empfundener Lebensstil den Orientalen selbst wohl als harmloses und glückliches Wohlleben galt, wurde er von den Griechen mit ihrer strengen Ethik und Philosophie der Selbstbeherrschung als durchaus empörend aufgefasst. Im späteren Verlauf seiner Herrschaft wurde Sardanapals Hauptstadt Ninive von einer übermächtigen, persischen Streitmacht belagert. Eine Prophezeihung kündigte dabei bereits im Voraus seine unabwendbare Niederlage an. Als sein Palast schließlich zu fallen drohte, schloss er sich mit all seinem Gut, seinen Schätzen, Konkubinen und Sklaven ein und zündete den Saal an. Indem er sich und alles, was er liebte und besaß, dem Tod und den Flammen überantwortete, wollte er verhindern, dass es seinen Feinden in die Hände fiel. Eben diesen Moment stellt auch Delacroix in seinem Werk dar.

Sardanapal kann zusammenfassend als skandalöse Fantasiefigur aufgefasst werden, die vor allem im Hellenismus, aber auch davor und danach eine quasimythische Funktion im Diskurs von Griechen und Römern um Themen wie Glück, Genuss, aber auch Vergänglichkeit besaß. Historische Faktizität kann man der Legende jedoch kaum zusprechen.8

[...]


1 Vgl. Jobert, Barthélemy. Delacroix. Princeton 1998, S.78ff..

2 Vgl. Daguerre de Hureaux, Alain. Delacroix. das Gesamtwerk. Stuttgart 1994.

3 Vgl. Abb. 1.

4 Vgl. Jobert, Barthélemy. Delacroix. Princeton 1998, S.81.

5 Vgl. Daguerre de Hureaux 1994, S.79f.

6 Vgl. Hoffmann-Curtius, Kathrin. Orientalisierung von Gewalt. Delacroix' „Tod des Sardanapal”. In: Projektionen – Rassismus und Sexismus in der visuellen Kultur. Hrsg. von Annegret Friedrich. Marburg 1997, S.64.

7 Vgl. Hoffmann-Curtius 1997, S.70.

8 Vgl. Dill, Ueli. Antike Mythen. Medien, Tranformationen und Konstruktionen. Berlin 2009, S.502-514.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
"Der Tod des Sardanapal" von Eugène Delacroix
Hochschule
Universität Augsburg  (Philologisch-Historische Fakultät)
Veranstaltung
HS: Romantik
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
19
Katalognummer
V1215593
ISBN (eBook)
9783346643506
ISBN (Buch)
9783346643513
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Romantik, 19. Jahrhundert, Eugene Delacroix, Delacroix, Sardanapal, Sardanapalus, Paris, Kunst, Kunstgeschichte
Arbeit zitieren
Christian Schaller (Autor:in), 2015, "Der Tod des Sardanapal" von Eugène Delacroix, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1215593

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