Professionelle Netzwerke im Allgemeinen Sozialen Dienst. Bedeutung und Analyse von Kooperationsstrukturen im Kinderschutz


Bachelorarbeit, 2022

189 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsbestimmungen
2.1 Rechtsbegriff Kindeswohlgefährdung
2.2 Allgemeiner Sozialer Dienst.
2.3 Kooperation
2.4 Netzwerk

3. Forschungsstand
3.1 Kindeswohlgefährdung
3.2 Allgemeiner Sozialer Dienst..
3.3 Kooperation
3.4 Netzwerkarbeit

4. Theoretische Grundlagen
4.1 Falleingang am Beispiel des Case-Management-Konzepts
4.2 Bedingungsfaktoren guter Kooperation
4.2.1 Hürden bei der Zusammenarbeit
4.3 Prüfkriterien für die Gestaltung guter Kooperationsbeziehungen
4.3.1 Weitere Gelingensbedingungen
4.4 Interdisziplinäre Vernetzung im Kinderschutz – Frankfurter Modell

5. Zusammenfassung der theoretischen Grundlagen

6. Eigene Forschung
6.1 Qualitative Untersuchung
6.2 Forschungsmethodisches Vorgehen
6.3 Ergebnisdarstellung

7. Bezüge zwischen Theorie und Forschung

8. Methodenbewertung

9. Implikationen für die weitere Forschung und Praxis
9.1 Implikationen für die zukünftige Forschung
9.2 Implikationen für die Gestaltung gelingender Kooperationen
9.3 Implikationen für den Umgang mit Hemmnissen beim Eingehen von Kooperationen
9.4 Implikationen für die Relevanz der Kooperationspartner*innen

10. Fazit

11. Literaturverzeichnis

12. Eidesstattliche Erklärung
Anhang 1: Transkriptionen
Anhang 2: Fragebogen

Abkürzungsverzeichnis

Abs. Absatz

Anmerk. Anmerkung

Art. Artikel

ASD Allgemeiner Sozialer Dienst

B.A. Bachelor of Arts

BAG ASD Bundesarbeitsgemeinschaft Allgemeiner Sozialer Dienst

BGB Bürgerliches Gesetzbuch

BGH Bundesgerichtshof

BKiSchG Bundeskinderschutzgesetz

BVerfG Bundesverfassungsgericht

bzgl. bezüglich

bzw. beziehungsweise

CM Case-Management

ebd. ebenda

et al. et alii

f. folgende

ff. fortfolgende

gem. Gemäß

GG Grundgesetz

ggf. gegebenenfalls

i.d.R. in der Regel

J. Jahr

KICK Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe

KJHG Kinder- und Jugendhilfegesetz

KJS Kinder- und Jugendhilfe Sozialdienst

KJPD Kinder- und Jugendpsychiatrischer Dienst

KJSG Kinder- und Jugendhilfestärkungsgesetz

KKG Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz

KoKi Konzept der Koordinierenden Kinderschutzstelle

ländl. ländlich

M. Monate

m. männlich

M.A. Master of Arts

NZFH Nationales Zentrum Frühe Hilfen

SGB VIII Achtes Sozialgesetzbuch

SGB X Zehntes Sozialgesetzbuch

SPFH Sozialpädagogische Familienhilfe

städt. städtisch

v.a. vor allem

vgl. vergleiche

w. weiblich

Z. Zeile

z.B. zum Beispiel

ZfE Zentrum für Erziehungshilfe

zit. zitiert

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Sampling

Tabelle 2: Häufigkeit der Nennungen

Tabelle 3: Methodenbewertung

1. Einleitung

„Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig“ (§ 1631 Abs. 2 BGB).

Diese Rechtsvorschrift aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch, welche die Grenzen und den Inhalt der Personensorge fokussiert, stellt in Deutschland leider nicht für alle Kinder die Realität dar: Im Jahr 2018 konnte anhand von Daten des Statistischen Bundesamtes der höchste Stand an Kindeswohlgefährdungen seit der Einführung der Statistik im Jahre 2012 verzeichnet werden (vgl. 2019). Der Fall Kevin, der im Jahr 2006 großes öffentliches Entsetzen hervorrief (vgl. Jüttner 2006), verunsicherte das gesamte Kinderschutzsystem und markierte den zentralen Wendepunkt für den Kinderschutz in Deutschland (vgl. Biesel et al. 2019, 19). Aufgrund der medialen Thematisierung von Kindstötungen bzw. schwerer Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen wurde der § 8a in das Achte Sozialgesetzbuch aufgenommen, der auch freie Träger der Jugendhilfe über Vereinbarungen verpflichtet, Meldungen über Verdachtsfälle im Hinblick auf gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung im Rahmen von Gefährdungseinschätzungen zu überprüfen (vgl. ebd., 67). Aus dem Diskurs um den Fall Kevin, resultierte u.a. die Verabschiedung des Bundeskinderschutzgesetzes im Jahre 2012 (vgl. ebd., 25f.). Zur Lokalisation der Gefährdungsquelle (Eltern, Peers, usw.) sowie zur Ersteinschätzung stehen u.a. Einschätzskalen zur Verfügung (Bensel et al. 2015, 88).

„Der ASD ist aus fachlichen und rechtlichen Gründen zur Erfüllung seiner Aufgaben auf interinstitutionelle Kooperationen angewiesen“ (Santen/Seckinger 2015, 738).

Mit Verabschiedung des § 8a SGB VIII im Jahr 2005, dem Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung, erlangte das Thema Kooperation und Vernetzung in Verbindung mit der Verabschiedung des Bundeskinderschutzgesetzes (BKiSchG) im Jahr 2012 größere Bedeutung und setzte eine erhebliche Dynamik in Gang (vgl. Gissel- Palkovich/Schubert 2015, 85). Sowohl im Zusammenhang mit den Frühen Hilfen, als auch bei der Stärkung von Institutionen wurden richtungsweisende Entscheidungen im Hinblick auf Kooperationen im Kinderschutz, in die Wege geleitet (Gissel-Palkovich/Schubert 2015, 85). Im Zusammenhang mit dem in § 8a SGB VIII verankerten Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung muss das Vorliegen einer solchen im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte überprüft werden (vgl. § 8a Abs. 1 S. 1 SGB VIII). Die elementaren gesetzlichen Grundlagen, welche die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt betreffen, basieren auf zwei unterschiedlichen Paragraphen im Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) und im Achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII), welche sich gegenseitig ergänzen, ohne sich zu widersprechen (Goldberg 2015, 35). Beide Paragraphen, in welchen die Umsetzung der Kooperation im Kinderschutz konkretisiert wird sind uneingeschränkt nebeneinander anwendbar und legen jeweils den Fokus auf die unterschiedlichen Akteure, die beruflich im Kontakt mit Kindern stehen (vgl. ebd.). In § 8a Abs. 3 SGB VIII werden z.B. das Jobcenter, niedergelassene Ärzte, die Gerichtsmedizin, Einrichtungen der Erwachsenen- sowie der Kinder- und Jugendpsychiatrie und der Polizei mit in die Verantwortung zur Kooperation genommen, wenn diese zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung notwendig sind (vgl. Gerber 2015, 542). Der 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz nimmt hingegen Berufsgeheimnisträger*innen wie z.B. Ärzt*innen und Lehrer*innen in den Blick: Halten diese das Tätigwerden des Jugendamts für erforderlich und waren diese bereits im Sinne des Gesetzes tätig, so sind diese befugt, das Jugendamt zu informieren. Durch die gesetzlich formulierten Anforderungen des Schutzauftrags bestand und besteht für die Jugendämter seitdem (unmittelbarer) Handlungsbedarf: Diese befinden sich sowohl in der unmittelbaren Fallverantwortung im Kinderschutzverfahren und sind zugleich für den Abschluss entsprechender Vereinbarungen gem. § 8a Abs. 4 SGB VIII, als auch für deren Einhaltung verantwortlich (vgl. Santen et al. 2016, 26f.). Die Verbindlichkeit der Zusammenarbeit lässt sich anhand von Kooperationsvereinbarungen zwischen dem Jugendamt und den jeweiligen Kooperationspartner*innen illustrieren. Diese schließen nach § 8a Abs. 4 SGB VIII Einrichtungen und Dienste, die Leistungen nach diesem dem SGB VIII tätig sind, wie z.B. Tagespflegepersonen mit ein.

Die vorliegende Forschungsarbeit widmet sich der Forschungsfrage „Wie kann eine Kinderschutzfachkraft Kooperation unter Berücksichtigung geltender Rahmenbedingungen gut gestalten?“ In dieser wird untersucht, welche Gelingensbedingungen eine Kinderschutzfachkraft für eine gelingende Kooperation benötigt.

Zu Beginn werden im 1. Kapitel „Begriffsbestimmungen“ die grundlegenden Begriffe definiert, der grundlegende Forschungsstand wird im 2. Kapitel, dem „Forschungsstand“ dargestellt. In den theoretischen Grundlagen, -dem 3. Kapitel der Thesis- wird aufgezeigt, wie der ASD mittels des fallbezogenen Handlungskonzeptes Case-Management (CM) einen Falleingang bearbeiten kann. Das CM, in dessen Mittelpunkt das Hilfeplanverfahren als kooperativer Akt festgeschrieben steht, besteht aus sechs Phasen, welche anschließend dargestellt und erläutert werden. Anschließend werden die neun von van Santen/Seckinger entwickelten Prüfkriterien für die Gestaltung guter Kooperationsbeziehungen erläutert, zudem weitere Gelingensbedingungen für gute Kooperation vorgestellt. Anhand des Frankfurter Modells wird im selben Kapitel exemplarisch verdeutlicht, wie gute Kooperation durch interdisziplinäre Kooperation im Kinderschutz realisiert werden kann. Eine Kurzzusammenfassung der theoretischen Grundlagen vom 3. Kapitel, erfolgt sogleich im 4. Kapitel, in welchem die zentralen Erkenntnisgewinne dieser Bachelorarbeit abschließend zusammenfasst werden.

Mithilfe von Expert*inneninterviews wurde in der vorliegenden Forschungsarbeit auch qualitativ geforscht. Anhand von fünf Forschungsfragen wurde erhoben, welchen Stellenwert die Kooperation im Kinderschutz für die befragten Kinderschutzfachkräfte einnimmt, des Weiteren die konkrete Gestaltung des Kinderschutzes untersucht, sowie wichtige Kooperationspartner*innen von den Interviewpersonen eruiert. Des Weiteren wurden auch die Gründe für die Relevanz der Kooperationspartner*innen, den Gelingensbedingungen für erfolgreiche Kooperation, sowie der eigene Beitrag der Interviewpersonen zu diesem erforscht. Es werden hemmende Faktoren bzgl. der Konstituierung der Kooperation identifiziert, sowie in diesem Zusammenhang auf Datenschutzbestimmungen eingegangen. Auch konnten durch die Interviews die Wünsche, die eine bessere Kooperationen im Kinderschutz möglich machen eruiert und vorgestellt werden. Die gesamten Ergebnisse werden im 6. Kapitel „Eigene Forschung“ dargestellt. Nach der Darstellung des Forschungsteils und der Ergebnisse werden im Kapitel „Bezüge zwischen Theorie und Forschung“ hergestellt und danach die verwendeten Methoden im 8. Kapitel („Methodenbewertung“) bewertet. Gegen Ende der Arbeit werden im 9. Kapitel mehrere „Implikationen für die weitere Forschung und Praxis“ gezogen. Zuletzt schließt im 10. Kapitel ein Fazit über die systematisch gewonnenen Erkenntnisgewinne die vorliegende Bachelor-Thesis ab.

2. Begriffsbestimmungen

2.1 Rechtsbegriff Kindeswohlgefährdung

Grundlegende Rechtsquellen des Rechtsbegriffs

Das Recht des Kindes auf gewaltfreie Erziehung (vgl. § 1631 Abs. 2 S. 1 BGB) besteht erst seit dem Jahr 2000 bundesweit in Deutschland (vgl. Biesel et al. 2019, 67). Dieses Recht hat die Funktion eines Erziehungsleitbilds, demzufolge es auch nicht einklagbar ist (vgl. ebd.). Die Kindeswohlgefährdung stellt im deutschen Bundesgebiet einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der sich aus der zentralen Norm zur Kindeswohlgefährdung aus § 1666 BGB (Anm. sogenannte „Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdungen des Kindeswohls“) ableitet (vgl. Haug/Höynck 2012, 20). Den zentralen Ausgangspunkt für die Gefährdung des Kindeswohls bildet jedoch das Grundgesetz (vgl. ebd., 34), wobei die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern ist und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht, über deren Betätigung die staatliche Gemeinschaft wacht (vgl. Art. 6 Abs. 2 GG). Das Vorrecht der Eltern ist die Kindererziehung, wobei der Staat laut dem Grundgesetz die Rolle des sogenannten staatlichen Wächteramtes innehat (vgl. ebd., 24). Der Staat ist somit nicht nur im Recht, sondern auch in der Pflicht „[…] die Pflege und Erziehung des Kindes sicherzustellen“ (BVerfG Karlsruhe, Urteil v. 03.02.2017, 1 BvR 2569/16, lexetius, Rn 41).

Diese Verpflichtung ist auf den Referenzpunkt „Kind als Grundrechtsträger“ zurückzuführen, demzufolge das Kind Anspruch auf den Schutz des Staates hat (vgl. Wiesner 2006, 13). Eine Konkretisierung, ab wann eine Kindeswohlgefährdung als gegeben erachtet werden kann, erfolgte vonseiten des Bundesgerichtshofs, wonach eine Kindeswohlgefährdung dann anzunehmen ist, wenn sich beim Kind „eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt“ (Haug/Höynck 2012,

festzustellen ist. Weitergehend konkretisierte das Bundesverfassungsgericht, dass eine Kindeswohlgefährdung im juristischen Sinne dann vorliegt, wenn ein Schaden des Kindes bereits eingetreten ist oder gegenwärtig eine Gefahr derartigen Ausmaßes vorhanden ist, sodass sich mit ziemlicher Sicherheit eine erhebliche Schädigung voraussehen lässt (vgl. BVerfG v. 07.04.2014, BVERFG 1 BvR 3121/13).

Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung und Vereinbarungen gem. § 8a SGB VIII

Die Prüfung auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung und die damit verbundene Anwendung des Rechtsbegriffs Kindeswohlgefährdung, erfolgt im direkten Zusammenhang mit dem Verfahrensgesetz § 8a SGB VIII (vgl. § 8a Abs. 1 S. 1 SGB VIII). Auch für Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe stellt der § 8a SGB VIII die konkrete Grundlage für das Handeln bei (vermuteten) Kindeswohlgefährdungen dar (vgl. § 8a Abs. 1 S. 1 SGB VIII). Hiernach erfolgt eine Einschätzung des Gefährdungsrisikos „im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte“ (§ 8a Abs. 1 S. 1 SGB VIII), zu der auch eine insoweit erfahrene Fachkraft in beratender Funktion bei vermuteter Kindeswohlgefährdung hinzugezogen werden kann (vgl. § 8b Abs. 1 SGB VIII). Diese verfügt über eine entsprechende Berufsausbildung, sowie einschlägige Erfahrungen im Bereich des Kinderschutzes (vgl. Heinkel 2008, 6 f.). Fälschlicherweise werden die Bezeichnungen Achtes Sozialgesetzbuch und Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) in der Praxis häufig synonym verwendet (vgl. Reinhard 2019). In der vorliegenden Thesis wird -um Mehrdeutigkeiten auszuschließen- ausschließlich die Bezeichnung Achtes Sozialgesetzbuch oder die dazugehörige Abkürzung SGB VIII verwandt. Das Case Management (CM) steht dem Jugendamt zur Bearbeitung von Kindeswohlgefährdungen als fallbezogenes Handlungskonzept zur Verfügung (vgl. Schrapper 2015, 436). Es dient der Verknüpfung methodischer Elemente, sowie der „personenbezogenen Beratung und Unterstützung mit Elementen des fallbezogenen Managements (Fallsteuerung)“ (ebd.), sodass durch CM Vernetzung als eine professionelle und institutionelle Pflichtaufgabe implementiert wird (vgl. ebd.).

Kooperation und Netzwerke im Kinderschutz

Da der ASD allein schon aufgrund seiner Stellung auf interinstitutionelle Kooperationen angewiesen ist, fällt die Sicherung des Kindeswohls nicht nur in seinen, sondern auch in den Aufgabenbereich vieler unterschiedlicher Institutionen und Organisationen (vgl. Santen/Seckinger 2015, 746ff.). Im Zusammenhang mit der Verabschiedung des 8a SGB VIII im Jahr 2005 durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (KICK) (vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter 2005, 1f.), dem hiermit verbundenen Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung, ist zugleich auch das Gesetz zur Information und Kooperation im Kinderschutz (KKG) zu erwähnen.

Durch das KKG und weitere Ländergesetze erfolgte eine Präzisierung von Kooperationsanforderungen, z.B. indem die Bildung von lokalen Netzwerken vorgeschrieben wurde (vgl. Santen/Seckinger 2015, 747). Zudem ist das Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) zu erwähnen, welches in seinem ersten Artikel neben anderen Gesetzen auch das Gesetz zur Information und Kooperation im Kinderschutz (KKG) beinhaltete (vgl. Biesel et al. 2019, 68). Auch wurden im Rahmen des BKiSchG Änderungen in bestehenden Gesetzen, wie z.B. dem SGB VIII vorgenommen (vgl. ebd.). Das BKiSchG dient der Stärkung der Institutionen und sonstigen Akteuren im Hinblick auf dessen Kooperationen: Diese sollen system- und bereichsübergreifender werden, sowohl im Kinderschutz als auch bei den Frühen Hilfen (vgl. Gissel-Palkovich/Schubert 2015, 85). Das KKG besagt, dass sich die zuständigen Institutionen und Leistungsträger über das jeweilige Angebots- und Aufgabenspektrum informieren, die strukturellen Fragen zur (weiteren) Angebotsgestaltung und - entwicklung klären, sowie Verfahren im Kinderschutz aufeinander abstimmen (vgl. § 3 Abs. 1 S. 1 KKG). Die Organisation der verbindlichen Zusammenarbeit im Netzwerk des Kinderschutzes soll gem. durch den örtlichen Träger der Jugendhilfe, also durch das Jugendamt erfolgen (vgl.§ 3 Abs. 3 S. 1 KKG).

Die Beteiligten des Netzwerkes sollen des Weiteren die Grundsätze für eine verbindliche Zusammenarbeit in Vereinbarungen festlegen, wobei auf „vorhandene Strukturen zurückgegriffen […] werden“ (§ 3 Abs. 4 S. 2 KKG) soll. Auch die Einrichtungen der Pädiatrie und der Geburtshilfe wurden im Kontext der frühen Kindheit mit der in 3 KKG vorgegebenen örtlichen Netzwerkstruktur, für den Kinderschutz in den Blickpunkt gerückt (vgl. Nonninger/Meysen 2015, 221). In demselben Paragraphen des KKG werden insbesondere Frühe Hilfen in den Fokus genommen werden (vgl. § 3 Abs. 1 KKG). Als Frühe Hilfen werden lokale und regionale Unterstützungssysteme mit koordinierenden Hilfsangeboten für Eltern mit Kindern von 0-3 Jahren bezeichnet (vgl. Behrens et al. 2014, 13) Im Zusammenhang mit institutioneller Kooperation und um das gesamte gesetzliche Spektrum diesbezüglich abzubilden, ist zudem der § 81 SGB VIII zu erwähnen, welcher allgemein eine Zusammenarbeit mit den dreizehn dort genannten Stellen vorschreibt. Mit diesen muss das Jugendamt zusammenarbeiten, wenn sich deren Tätigkeit auf die Lebenssituation junger Menschen und ihrer Familien auswirkt (vgl. Nonninger/Meysen 2015, 221).

2.2 Allgemeiner Sozialer Dienst

Rechtsgrundlage des ASD sowie Eingliederung in das Jugendamt

Die zentrale Rechtsgrundlage für die Arbeit des ASD ist das SGB VIII (vgl. Nonninger/Meysen 2015, 188), wobei eine der zentralen Aufgabe die Wahrnehmung des Schutzauftrags bei Kindeswohlgefährdung ist (vgl. ebd., 209). Das Jugendamt als zuständige Behörde bearbeitet die Fälle der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe (vgl. ebd., 188). An sich unterliegt der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) jedoch den Regelungen des Sozialverwaltungsverfahrensrechts, dessen maßgebliche Rechtsquelle hauptsächlich im Zehnten Sozialgesetzbuch (SGB X) zu verorten ist (vgl. Waschull 2015, 166 ff.). Der ASD ist Teil des Sozialverwaltungsverfahrens, weshalb die Prüfung von Anspruchsvoraussetzungen für die jeweilige Leistung erfolgt (vgl. ebd., 173). Der ASD ist somit eine Behörde im Sinne von § 1 Abs. 2 SGB X, welche die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (vgl. ebd., 166). Auch wenn die Behörde ASD im Gesetz nicht explizit erwähnt wird, wird z.B. die Hilfeplanung gem. §§ 36 und 36a SGB VIII als deren Kernaufgabe definiert (vgl. ebd., 189). Aufgrund der kommunalen Gestaltungshoheit gem. Art. 28 Abs. 2 GG existieren eine Vielzahl von heterogenen Organisationsvarianten im ASD (vgl. Landes/Köhler 2015, 79). Dies wirkt sich z.B. auch auf die Gestaltung des Falleingangs bei § 8a SGB VIII-Fällen aus, der in den einzelnen ASD unterschiedlichen Regelungen unterliegt (vgl. Schrapper 2015, 440). Aufgrunddessen, die für den ASD maßgebliche Rechtsgrundlage in 95 % der Fälle das SGB VIII für das Handeln desselben ist, erfolgt zumeist die Eingliederung des ASD zur Organisationseinheit Jugendamt (vgl. Hielscher et al. 2013, 133). Eine weitere Möglichkeit der Eingliederung des ASD besteht darin, diesen neben weiteren als Teil von dezentralen Einheiten zu bilden, sowie die Möglichkeit, dass der ASD als eigenes Amt besteht (vgl. Landes/Köhler 2015, 92).

Rolle, Verfahren und Vorgehensweisen des ASD im Kinderschutzverfahren

Das Jugendamt in Gestalt der Behörde ASD vertritt neben dem Familiengericht, der Polizei, den Gesundheitsämtern und weiteren Behörden in seinem Handeln das staatliche Wächteramt (vgl. Nonninger/Meysen 2015, 289). Der bildet den Mittelpunkt des Verfahrens, da er Träger des Kinderschutzverfahrens ist und hat dabei „[…] eine eher mit dem Gericht vergleichbare Rolle inne“ (Waschull 2015, 174). Der ASD tritt jedoch als eigentlicher Leistungserbringer oder letztendliche Entscheidungsinstanz im Tagesgeschäft i.d.R. nicht auf, da der ASD in diesem als zuständige Behörde die Pflichtaufgabe wahrnimmt „Abklärungen von Problemsituationen vorzunehmen und vor diesem Hintergrund geeignete Maßnahmen zu disponieren und zu organisieren“ (Bode/Turba 2014, 68). Rechtlich verbindliche Grundsätze sind an dieser Stelle die Partizipation der Betroffenen, sowie die respektvolle, ihre Autonomie achtende Zusammenarbeit (vgl. Nonninger/Meysen 2015, 187). Aufgrunddessen der ASD sowohl Träger sowie als Amtswalter*in bis auf Weiteres auch Hauptverantwortlicher des Kinderschutzverfahrens ist, bestimmt dieser gem. § 20 Abs. 1 S. 2 SGB X selbst Art und Umfang der Ermittlungen im Kinderschutzfall (vgl. Waschull 2015, 174). Der ASD arbeitet gemäß der im SGB VIII definierten Aufgaben nicht nur unmittelbar aktiv in der Beratung und Hilfeleistung, sondern zugleich auch partnerschaftlich zum Wohl der Klienten mit Dritten zusammen, deren Hilfen er zugleich begleitet und koordiniert (vgl. Nonninger/Meysen 2015, 187). Der ASD muss die für die Beteiligten günstigen Umstände berücksichtigen (vgl. § 20 Abs. 2 SGB X), die Sachverhaltsermittlung muss ergebnisoffen sein, des Weiteren ist er zur unparteiischen Amtsausübung verpflichtet (vgl. Waschull 2015, 175).

Um das Kindeswohl gewährleisten zu können muss der ASD -neben seiner Funktion als Leistungsverwaltung, welche den Bürger*innen Leistungen anbietet- auch als Eingriffsverwaltung z.B. bei Kindeswohlgefährdungen nach §§ 8a SGB VIII, 1666, 1666a BGB tätig sein und handeln (vgl. Waschull 2015, 168). Auf dieser Grundlage können gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls erfolgen, bei welchen Entscheidungen über die Inobhutnahme eines Kindes oder den Entzug (Anm. ggf. von Teilbereichen, z.B. des Aufenthaltsbestimmungsrechts) der elterlichen Sorge getroffen werden können. Der ASD kann die Hinzuziehung des Familiengerichts erwirken (vgl. Bode/Turba 2014, 77). Das Jugendamt nimmt dem Familiengericht gegenüber eine Hinweis-, Unterrichtungs-, Unterstützungs- und Mitwirkungsfunktion wahr. Des Weiteren ist der Sozialdatenschutz wichtig, die der ASD bei der Arbeit zu beachten hat: Gem. § 62 Abs. 1 SGB VIII dürfen Sozialdaten nur von Fachkräften im ASD erhoben werden, wenn diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind (vgl. Kindler et al. 2006, 252). Bei der Informationsweitergabe durch Fachkräfte wird zwischen der Weitergabe anvertrauter gem. § 65 SGB VIII und sonstiger Sozialdaten gem. § 64 SGB VIII unterschieden (vgl. Kindler et al. 2006, 253). In § 65 SGB VIII ist der Schutz der besonderen Vertrauensbeziehung zwischen Fachkraft und Klient*in geregelt (vgl. ebd., 254). Diese Daten sollen vertraulich behandelt werden und nur an Dritte weitergeben werden, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen (vgl. ebd.), zum Beispiel wenn der/die Klient*in mit der Weitergabe einverstanden ist (vgl. § 65 SGB VIII Abs. 1 S. 2 Nr. 1), so sie zur Anrufung des Familiengerichts nach 8a Abs. 3 S. 1 SGB VIII notwendig erscheinen (vgl. § 8a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB VIII) oder gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen vgl. ebd.. Am jeweiligen erzieherischen Bedarf orientiert, stehen gem. § 27 ff. SGB VIII den Personensorgeberechtigten im Einzelfall erzieherische Hilfen zu (Anm. die sogenannten Hilfen zur Erziehung), wenn keine Gewährleistung dafür gegeben werden kann, dass die Erziehung dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entspricht oder geeignet ist, sowie die Gewährung von Hilfen notwendig erscheint (vgl. § 27 Abs. 1 SGB VIII). Der Hilfeplan stellt die Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfen dar (vgl. Nonninger/Meysen 2015, 195). In dessen Rahmen stellen die erzieherischen Hilfen sowohl das zentrale Instrument zur Gewährleistung einer am Wohl des Kindes entsprechenden Erziehung dar und können implizit zur Abwehr von Gefährdungsmomenten für das Kindeswohl genutzt werden (vgl. Schone 2015, 310f.).

Sowohl der Personensorgeberechtigte als auch das Kind oder der Jugendliche sind gem. § 36 Abs. 1 S. 1 SGB VIII zu beteiligen, da diese sowohl über die Inanspruchnahme einer Hilfe, als auch vor einer möglichen Änderung der Art und Form der Hilfe zu beraten sind. Die Erstellung eines Hilfeplans als kooperativer Akt ist in § 36 SGB VIII gesetzlich normiert (vgl. Santen/Seckinger 2015, 756) und kann im Rahmen eines fallbezogenen Handlungskonzeptes wie dem CM erfolgen (vgl. Schrapper 2015, 436). Das CM ist jedoch „[…] nicht auf erzieherische Hilfen beschränkt und berücksichtigt darüber hinausgehende Ressourcen und Bedarfe“ (ebd., 442). Sowohl die Personensorgeberechtigten als auch die Empfänger*innen der Hilfe(n) selbst, sollen bei der Entwicklung der Art und Ausgestaltung der Hilfe(n) beteiligt werden und diese Beteiligung in regelmäßigen Abständen wiederholt werden (vgl. Santen/Seckinger 2015, 756). Kooperation sollte als Managementaufgabe verstanden werden (vgl. ebd., 739). Das fallbezogene Handlungskonzept CM stellt Kooperation als Managementaufgabe in den Mittelpunkt, da es sowohl eine effektive, effiziente als auch kooperative Hilfeleistung fokussiert (vgl. Gissel-Palkovich 2015, 436). Die Kinderschutzfachkraft ist im Rahmen des CM in der Funktion des sogenannten Case Managers für die Planung, Steuerung und Kontrolle von Prozessen verantwortlich, wobei als Beispiele fallbezogene Zielvereinbarungen, Kontrakte sowie Netzwerkmanagement genannt werden können (vgl. ebd., 437).

2.3 Kooperation

Van Santen/Seckinger definieren Kooperation als ein Verfahren „[…] der intendierten Zusammenarbeit […]“ (Santen/Seckinger 2003, 29), welches „[…] voraussetzungsvoller Handlungsstrategien“ [bedarf], „die von den sozialen Diensten in vielfältigen Kontexten eingesetzt werden müssen“ (Santen/Seckinger 2015, 759). Kooperationen erfordern ein „[…] großes Maß an Vertrauen, das sich nicht durch Kontrolle ersetzen lässt“ (van Santen/Seckinger 2011, 387 ff.), finden auf den Ebenen der Organisation, der handelnden Personen und dem Kooperationszusammenhang statt und stellen aufgrund dessen inhaltlich und kommunikativ hohe Anforderungen an die handelnden Organisationen und Personen (vgl. van Santen/Seckinger 2005/2005, 201 ff.). Die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten muss abgestimmt werden: Eine Erhöhung der Handlungsfähigkeit bzw. der Problemlösungskompetenz soll durch das Kooperationsverfahren, sowie durch geteilte und sich überschneidende Zielsetzungen angestrebt werden (vgl. Santen/Seckinger 2003, 29). Van Santen/Seckinger stellen fest, dass von Praktikern Kooperationen häufig dann als Kooperationen gesehen werden, wenn diese in einer „positiven, konfliktfreien Atmosphäre“ (2015, 753) ablaufen, sowie das Ergebnis mit der Ergebniserwartung übereinstimmt (vgl. ebd., S. 753 f.). Handlungsroutinen im Berufsalltag gegenüber anderen Institutionen, wie z.B. das Abgeben einer Stellungnahme, werden häufig nicht als Kooperation betrachtet (vgl. 2015, 754).

Tenhaken konstatiert, dass für Kooperation immer eine zielorientierte Form von Arbeitsbündnis vonnöten sei, für die ein fallspezifischer oder fallübergreifender Arbeitsauftrag vorliegt (2011, 97). Unabhängig von van Santen und Seckinger kann Kooperation jedoch auch anders definiert werden, da keine eigenständige Definition vorgegeben ist. Manche Definitionen von Kooperation beziehen sich ausschließlich auf die Kooperation zwischen Unternehmen, wobei an dieser Stelle z.B. Kutschker zu nennen ist, für den Kooperationen dann entstehen, wenn zwei oder mehrere rechtlich selbstständige Unternehmen davon überzeugt sind, angestrebte Unternehmensziele mit einem oder mehreren Partnern zusammen besser verwirklichen zu können als ohne Kooperation (vgl. Etter, 41). Rotering definiert Kooperation als bewusste und explizit vereinbarte, jederzeit einseitige kündbare Zusammenarbeit zwischen Unternehmen (vgl. ebd.). Die Aspekte Intensität, Dauer und Zielrichtung der Kooperation beziehen Weerth & Mecke in ihren Kooperationsbegriff mit ein, definieren Kooperation als Zusammenarbeit unterschiedlicher Intensität, zeitlicher Dauer und Zielrichtung zwischen rechtlich selbstständiger Unternehmen (vgl. 2018). Tenhaken/Schone konkretisieren in ihrer Definition, dass Kooperation eine in der Regel konkrete, auf spezifische Zielsetzungen gerichtete, zumeist befristete Zusammenarbeit im Einzelfall ist (vgl. 2015, 271). Kooperation kann jedoch auch schlicht als „Form gesellschaftlicher Zusammenarbeit zwischen Personen, Gruppen oder Institutionen“ (Spieß 2019) bezeichnet werden, welche sich durch bewusstes, planvolles Herangehen bei der Zusammenarbeit auszeichnet (vgl. ebd.). Im weiteren Verlauf der Arbeit werde ich mich der Begriffsbestimmung von van Santen / Seckinger anschließen, da diese auf dem Feld der Kooperationsforschung im ASD weitestgehend führend sind.

2.4 Netzwerk

Beim sozialwissenschaftlichen Netzwerkbegriff werden Netzwerke als offene Beziehungsgeflechte verstanden. Gruppen grenzen sich gegenüber Netzwerken durch ihre Kohäsion (Anm. steht für das Ausmaß von Zusammenhalt in Gruppen) aus. Gruppen weisen feste soziale Bindungen zwischen den Gruppenmitgliedern auf und können Mitglieder und Außenstehende eindeutig benennen (vgl. Volk et al. 2020, 5). Bei Fushe handelt es sich bei Netzwerken im Gegensatz zu Gruppen um soziale Strukturen, sind durch eine intensive Zweierbeziehung (Anm. sogenannte „dyadische Beziehungen“) gekennzeichnet (vgl. 2006, 252) und verknüpfen sich zu sich „[…] zu interrelationalen und kaum abgrenzbaren Netzwerkstrukturen“ (ebd.). Mit Interrelationaliät ist in diesem Zusammenhang gemeint, dass Netzwerke sich durch Offenheit und Fluidität sowie durch lockere und unklare Zuständigkeitsverteilungen gekennzeichnet sind (ebd., 253). Der sozialwissenschaftliche Netzwerkbegriff geht also von der sozialen Struktur der Dyade aus, welcher sich zu einer offenen Beziehungsstruktur verknüpft, womit sich zusammenfassend festhalten lässt, dass im Unterschied zur Gruppe, die eine feste Beziehungsstruktur aufweist, der sozialwissenschaftliche Netzwerkbegriff durch eine offene Beziehungsstruktur gekennzeichnet ist (Volk et al. 2020, 5). Neben dem sozialwissenschaftlichen Netzwerkbegriff benennt und definiert Fushe organisationale Netzwerke als „Strategien zur Gestaltung von Kooperationsbeziehungen“ (2006, 255), welche weniger offen als soziale Netzwerke im sozialwissenschaftlichen Sinn seien und sich auf die Kooperation von Organisationen untereinander fokussieren (vgl. ebd.). Netzwerke können zudem als Zusammenschlüsse verschiedener Akteur*innen gesehen werden. Kennzeichnend hierfür ist laut Stange et al., die diesen Begriff von Netzwerk favorisieren, dass diese aus unterschiedliche Institutionen, Einrichtungen und Projekten stammen und gemeinsame Ziele verfolgen stange (vgl. 2008, 154).

Hingegen fokussiert Röhrle, dass die „Gesamtheit der Beziehungen zwischen einer definierten Menge von Personen, Rollen oder Organisationen“ (1988, 225) seien. Fischer et al. differenzieren zwischen primären, sekundären und tertiären Netzwerken. Mit primären Netzwerken beschreibt er Netzwerke, die nicht organisiert und informell angelegt sind, wie dies z.B. bei der Familie oder Verwandten der Fall ist. Des Weiteren erwähnt er sekundäre Netzwerke, also Nachbarschaftsnetze wie Vereine , die z.B. durch eine Mitgliedschaft gekennzeichnet sind, also durch ihren informellen Charakter geprägt sind (vgl. Fischer/Geene 2017, 147). Mit tertiären Netzwerken meint Fischer öffentliche, gemeinnützige und marktbezogene Akteure, deren Erfolg sich dadurch auszeichnet, dass sie über eine klare Zielstruktur und verbindliche Umgangsformen verfügen und ihre Aktivitäten im Rahmen professionellen Handelns bündeln (vgl. ebd.). Eine weitere Definition, die sich direkt auf Vernetzung im Kinderschutz bezieht, lässt sich mit der Begriffsbestimmung des Nationalen Zentrums Früher Hilfen am Beispiel der Frühen Hilfen anführen. Die im Jahre 2009 vom Beirat verabschiedete Definition besagte, dass ein Netzwerke in Form von Frühen Hilfen dann etabliert ist, wenn „eine enge Vernetzung von Institutionen und Angeboten aus den Bereichen der Schwangerschaftsberatung, des Gesundheitswesens, der interdisziplinären Frühförderung, der Kinder- und Jugendhilfe und weiterer sozialer Dienste [besteht]“ (Behrens et al. 2014, 13). Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird weitergehend der organisationale Netzwerkbegriff verwendet und sich der Begriffsbestimmung des Nationalen Zentrums Früher Hilfen (NZFH) angeschlossen.

3. Forschungsstand

3.1 Kindeswohlgefährdung

Biesel et al. (2019) stellten fest, dass der Kenntnisstand über das Ausmaß von Kindeswohlgefährdungen als „[…] erstaunlich lückenhaft […]“ (Biesel et al. 2019, 39) zu bezeichnen ist, da es an „[…] verlässlichen und empirischen […]“ (ebd.) über die Häufigkeit von Kindeswohlgefährdungen mangele.

Dem Statistischen Bundesamt ( Destatis) zufolge gab es in Deutschland rund 55.500 Fälle von Kindeswohlgefährdung (vgl. Statistisches Bundesamt 2021), womit das zweite Mal in Folge 10 % mehr Fälle festgestellt wurden als im jeweiligen Vorjahr (vgl. ebd.). Die häufigste Form der Kindeswohlgefährdung stellt dabei die Vernachlässigung mit 45 % von allen Kindeswohlgefährdungen dar (vgl. ebd.). In jedem fünften Fall lagen sogar mehrere Gefährdungsarten gleichzeitig vor (vgl. ebd.) Neben der Vernachlässigung gehören auch körperliche (15 %) und psychische (16 %) Misshandlungen sowie sexuelle Gewalt (4 %) zu den vier Gefährdungsarten der Kindeswohlgefährdung dazu (vgl. ebd.).

Dem Statistischen Landesamt Baden-Württemberg zufolge lag eine Kindes-wohlgefährdung in Baden-Württemberg in 4.700 Fällen vor (vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2020). Im Jahr 2019 wurden 14.429 Verfahren zur Gefährdungseinschätzung nach § 8a Abs. 1 SGB VIII für Kinder und Jugendliche vorgenommen, was einer Steigerung von 5 % gegenüber dem Jahr 2018 entsprach (vgl. ebd.). Von den 14.429 Verfahren stellten sich dabei 2.287 als akute Kindes-wohlgefährdungen während sich 2.393 als latente Kindes-wohlgefährdungen herausstellten (vgl. ebd.), während in 5.306 Fällen keine Kindeswohlgefährdung vorlag, jedoch ein Hilfebedarf festgestellt werden konnte (vgl. ebd.). In den restlichen 4.443 Verfahren wurde kein (weiterer) Hilfebedarf, als auch keine Kindeswohlgefährdung festgestellt (vgl. ebd.).

Laut offizieller Polizeistatistik (2020) sind in Deutschland im Jahre 2020 insgesamt 152 Kinder gewaltsam zu Tode gekommen (vgl. Bundeskriminalamt/UBSKM 2021, 1). Schätzungen zufolge ist zudem davon auszugehen, dass im selben Jahr in Deutschland pro Schulklasse ein bis zwei Schüler*innen sexueller Gewalt ausgesetzt waren (vgl. ebd.).

3.2 Allgemeiner Sozialer Dienst

Der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) ist ein von der Wissenschaft und Forschung vernachlässigter Bereich, weshalb gezielte empirische Studien eher dünn gesät sind (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend et al. 2013, 293). Der vorliegende Forschungsstand informiert über die allgemeinen Rahmenbedingungen und Eigenschaften, und bündelt für einer zusammenfassenden Überblick die wichtigsten Studien zu diesem Berufsfeld.

Laut Biesel et. al. (2019) unterlag das Kinderschutzsystem in den vergangenen zwanzig Jahren massiven Sparmaßnahmen (vgl. Biesel et al. 2019, 123 f.). Gleichzeitig stieg die Inanspruchnahme der Leistungen in der Kinder- und Jugendhilfe ebenso wie die Erwartungen und Ansprüche an die Ergebnisse, die die Arbeit des ASD hervorbringen soll stetig an (vgl. ebd., 124). Mehrmalige Umstrukturierungen des Kinderschutzsystems verhinderten zudem Kontinuitäten in der sozialpädagogischen Arbeit und führten dazu, dass der Kontakt zu Familien in prekären Lebenssituationen unterbrochen wurde (vgl. Biesel/Wolff 2014, 65 ff.). Auch die Bedingungen auf welche Kinderschutzfachkräfte zurückgreifen können, haben sich grundlegend verändert: In den 1990er Jahren war für eine ambulante Familienhilfe zwischen acht und zwölf Fachleistungsstunden pro Woche üblich, in begründeten Fällen sogar mehr (vgl. Biesel et al. 2019, 122). Demgegenüber ist es heute so, dass Familien in ungünstigen Lebenslagen kaum noch Leistungen erhalten (vgl. ebd.).

Die Studie „Berufliche Realität im Jugendamt: der ASD in strukturellen Zwängen“ (2018) ergab, dass die Verteilung der Zeitkapazität zu 63 % für Dokumentation und lediglich zu 37 % der Zeit dem Kontakt mit Klient*innen zugutekam. Zugleich vertraten 40 % der befragten ASD-Fachkräfte die Auffassung, dass „mindestens die Hälfte der Dokumentation überflüssig [sei]“ (Beckmann et al. 2018, 65f.). Die Studie stellt eine repräsentative Stichprobe dar, die entlang einer im Vorfeld berechneten optimalen Streuung stattfand, wobei die Datenerhebung der Bottom-up-Studie durch 175 Jugendämter aus dem gesamten Bundesgebiet in drei Erhebungswellen erfolgte (vgl. ebd., 40f.). Sowohl jedes Bundesland war in dieser Studie in sich repräsentativ vertreten, sowie der Rücklauf aus den einzelnen Bundesländern im Bundesvergleich ist als repräsentativ zu bezeichnen (vgl. ebd., 41).

Anhand des Fragebogens wurden die vier Hauptthemen Personalsituation, Arbeitsbedingungen, professionelle sozialpädagogische Arbeit und weitere Einflusskriterien anhand von insgesamt 44 Fragen und 120 Antwortmöglichkeiten eruiert (vgl. Beckmann et al. 2018, 43 ff.). Die Studie war von Beginn an auf den Zeitraum Oktober 2017 bis März 2018 angelegt (vgl. ebd., 39), wobei insgesamt 652 Kinderschutzfachkräfte an der Befragung teilnahmen (vgl. ebd., 76). Nach dem erfolgten Pretest wurden die ASD-MitarbeiterInnen zuerst mithilfe eines klassischen Fragebogens befragt, was den quantitativen Teil der Studie darstellte (vgl. ebd., 40). Anschließend fanden vertiefende Interviews zu ausgewählten Befunden des quantitativen Teiles statt, die schließlich mittels der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet wurden und somit auch den qualitativen Teil der Untersuchung darstellten (vgl. ebd.). Die Studie ergab zudem, dass viele Berufseinsteiger „eine viel zu kurze oder gar keine erfolgte Einarbeitung“ monierten: Ein Einarbeitungsmodell war bei 68 % vorhanden, wonach jedoch im Umkehrschluss 32 % über kein Einarbeitungsmodell verfügen (vgl. ebd., 53). Die Befragten gaben in 15 % der Fälle an, dass die Einarbeitung einen Monat in Anspruch genommen habe, bei 41 % der Befragten dauerte diese zwischen einem und drei Monaten (vgl. ebd.). Immerhin stand für 14 % der befragten Interviewpartner*innen ein/eine fester Ansprechpartner*in vor Ort zur Verfügung (vgl. ebd.).

Die größte Fallzahlbelastung konnte in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Berlin, sowie in Sachsen ausgemacht werden (vgl. Beckmann et al. 2018, 54). In diesen Bundesländern waren zum Teil mehr als 100 Fälle pro Kinderschutzfachkraft zu verzeichnen, während die geringste Fallzahlbelastung von bis zu 50 Fälle in Hamburg, Bremen, Hessen und Brandenburg zu finden war (vgl. ebd.). Der häufigste Grund für eine wechselnde Zuständigkeit beim Klient*innen war in der Fluktuation von Mitarbeiter*innen (456 von 1.182 Nennungen) zu verorten. Zu den überwiegenden Aufgaben (die von Jugendamt zu Jugendamt variieren) gehören zuvörderst die Aktenführung bzw. administrative Tätigkeiten (452 Nennungen), die Hilfen zur Erziehung (439 Nennungen), Beteiligung bei familiengerichtlichen Angelegenheiten (366 Nennungen) sowie der Kinderschutz (363 Nennungen) (ebd., 61f.). Der Aussage, dass die Dokumentation primär der rechtlichen Absicherung dient, stimmten 82 % der Befragten zu (vgl. ebd., 65).

Bezüglich der Weiterbildungs- und Fortbildungssituation ist festzuhalten, dass die Möglichkeit Fortbildungen zu besuchen für 97 % der befragten Kinderschutzfachkräfte besteht (vgl. Beckmann et al. 2018, 58). Hinsichtlich der Arbeitssituation konstatierten 54 % der befragten Interviewpersonen, dass eine Einschränkung der pädagogischen Arbeit im ASD durch die kommunale Kassenlage besteht (vgl. ebd., 92). Des Weiteren gaben 58 % der befragten Interviewpartner*innen an, dass die vorhandenen Räume nicht ausreichen würden (vgl. ebd., 125). Von den insgesamt 652 befragten Kinderschutzfachkräften, die sich an der Studie beteiligt haben, waren 33 % zwischen 20 bis 39 Jahre alt, 32 % zwischen 31 bis 40 Jahren und 35 % älter als 40 Jahre. Berufseinsteiger im ASD, die weniger als drei Jahre Berufserfahrung mitbringen, machen 38 % der Mitarbeitenden aus, während der Anteil derer, die mehr als drei Jahre im ASD arbeiten bei 62 % liegt (vgl. ebd., 76f.). Die Mehrzahl der befragten Interviewpartner*innen im ASD sind weiblich (78 %), 19 % sind männlich, 3 % transgender oder enthielten sich einer Angabe. Hauptsächlich sind im ASD Mitarbeitende mit abgeschlossenem Studium im Bereich der Sozialen Arbeit tätig, der Stellenumfang beträgt bei 76 % der Befragten 38,5 bis 40 Stunden pro Woche, was einer Vollzeitstelle entspricht (vgl. ebd., 76).

Wie repräsentative Organisationsbefragungen u.a. von Merchel et. al. (2012) ergaben, war beim ASD ein erheblicher Stellenzuwachs zu verzeichnen: Von 9.133 Stellen im Jahre 2010 wurde die Zahl der Vollzeitäquivalente auf 13.996 Stellen im Jahre 2016 aufgestockt. Dies entsprach einer Erweiterung des Personals um 53 % innerhalb von sechs Jahren. Die Zunahme von Inanspruchnahmen der Hilfen zur Erziehung gem. § 27 Abs. 2 und 29-34 SGB VIII lag in diesen Jahren bei insgesamt 21,4 %, die Zahl der Eingliederungshilfen gem. § 35a SGB VIII nahm von 54.930 im Jahr 2010 auf 94.166 Stellen zu, was einer Steigerung von 71,4 % entsprach und die markante Ausweitung des Personalbestandes in einem Großteil der ASD erklärt. Die Zahl der vorzunehmenden Gefährdungseinschätzungen stieg ebenfalls von 106.623 im Jahr 2012 auf 136.925 Fälle im Jahr 2016 an. Steigerungsquoten zwischen 50 und 100 % können auftreten, wenn als Berechnungsgrundlage die Fallzahlen in einem jeweils anderen Jugendamtsbezirk herangezogen wird (vgl. Merchel 2015a, 801ff.). Auskünften von Leitungskräften des ASD zufolge, fühlten sich 74 % der Befragten überlastet (vgl. ebd., 813).

Laut dem DJI-Jugendhilfeb@rometer beschreiben im Jahre 2008 fast alle ASD-Fachkräfte (98,2 %) eine Verdichtung ihrer Tätigkeit (vgl. Seckinger et al. 2008, 40), wobei schlüssig dazu 94 % der Ämter angaben, dass die psychische Belastung für die Kinderschutzfachkräfte zugenommen hat (vgl. Seckinger et al. 2008, 40). Bei nur ungefähr jedem sechsten Allgemeinen Sozialen Dienst ist die Anzahl der Überlastungsanzeigen in zwei aufeinanderfolgenden Jahren (Erhebungszeitraum von 2004 bis 2007) zurückgegangen (vgl. ebd., 43). Die negativen Folgen der Arbeitsbelastung sind bei ASD mit Überlastungsanzeigen signifikant höher: Bei 66 % der Befragten bleiben mehr unerledigte Aufgaben liegen, mehr Krankheitstage gab es bei 51 der Befragten mit Überlastungsanzeige, ebenso konnten mehr Fehler bei der Aufgabenerledigung verzeichnet werden (31 %). Als Bewältigungsstrategien kommen Umstrukturierungen, Qualifizierungsangebote, die Schaffung von mehr Stellen und Effizienzsteigerungen infrage: Keine der genannten Bewältigungsstrategien wurde bei mehr als der Hälfte der Befragten umgesetzt (vgl. ebd., 49).

3.3 Kooperation

Der Bericht Bundeskinderschutzgesetz in der Kinder- und Jugendhilfe – Empirische Befunde zum Stand der Umsetzung auf kommunaler Ebene stellt eine Auswertung der verschiedenen Erhebungen in der Kinder- und Jugendhilfe in Bezug auf die retrospektive Gesetzesevaluation des Bundeskinderschutzgesetzes für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe dar (vgl. Santen et al. 2016, 7). Bei 94 % der Jugendämter war im Jahre 2014 eine Vereinbarung mit mindestens einem Träger von Einrichtungen der Kindertagesbetreuung im jeweiligen Zuständigkeitsbereich vorhanden (vgl. ebd., 29). In 61 % der Fälle haben Jugendämter mit allen Trägern und weitere 33 Prozent mit mindestens einem Träger Vereinbarungen getroffen (vgl. ebd., 27). Im Jahre 2014 war im Arbeitsfeld der Kindertagesbetreuung eine Vereinbarung mit mindestens einem Träger vorhanden (vgl. ebd., 28ff.). Der Anteil der Jugendämter, die Vereinbarungen nach 8a SGB VIII abgeschlossen haben, „in den letzten fünf Jahren […] angestiegen“ (ebd., 27). Der Anteil der Jugendämter mit Vereinbarungen mit allen freien und öffentlichen Trägern in der Kindertagesbetreuung lag 2014 bei 61 % (vgl. ebd.).

Van Santen/Seckinger (2015) konstatieren dass die Kooperationsanforderungen an die Fachkräfte des ASD gestiegen sind, weshalb 69 % der ASD-Fachkräfte als insoweit erfahrene Fachkräfte für Einrichtungen des öffentlichen Trägers zur Verfügung stehen (vgl. Santen/Seckinger 2015, 748). Hinsichtlich der Bewertung der Kooperationspartner*innen erfahren die Polizei und die Familienhebammen vonseiten der ASD-Fachkräfte die beste Bewertung. Diese korreliert mit der Häufigkeit der Kooperation mit beiden Kooperationspartner*innen (vgl. ebd., 75ff.) . Van Santen/Seckinger gehen des Weiteren auf Datenschutzbestimmungen als Kooperationshemmnis ein. So ist es möglich, dass der ASD zurückhaltend mit seinen Informationen gegenüber seinen Partnern im Feld ist, um nicht das gesamte Vorgehen zu gefährden. Auch für die Kooperationspartner*innen des ASD ist dies u.U. ein Kooperationshemmnis, da diese befürchten, dass die Weiterleitung von Daten gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen könnte, sowie diese das Vertrauensverhältnis zu den Familien bzw. Jugendlichen bei Datenweitergabe gefährden könnten (vgl. ebd., 750). Van Santen / Seckinger führen aus, dass die Kooperationsbeziehungen in der Regel dann schwieriger werden, umso mehr der unmittelbare Handlungsdruck steigt, sowie die Kooperation wenig von wechselseitiger Freiwilligkeit und Unabhängigkeit bestimmt ist (vgl. ebd.). Bei der Analyse von Kinderschutzfällen konnte zudem gezeigt werden, dass problematische Fallverläufe sich durch unzureichende Kooperationen in Krisenfällen verfestigen können (vgl. ebd., 751). Anhand von empirischen Forschungsergebnissen konnten neun Prüfkriterien für die Gestaltung guter Kooperationsbeziehungen entwickelt werden (vgl. ebd., 759). Hierzu gehören:

- die Klärung von Erwartungen und Ressourcen,
- die Ergebnissicherung,
- die systematische Rückkoppelung von den Ergebnissen der Kooperation,
- die doppelte Zielkongruenz und multiple Adhärenz,
- das Wissen über die Kooperationspartner,
- die Vertrauensbildung,
- die zeitliche und persönliche Kontinuität,
- die institutionelle Verankerung der Kooperation
- ein klar erkennbares Kooperationsprofil (vgl. Santen/Seckinger 2015, 759 ff.).

Aktuelle Forschungsprojekte

Das im September 2019 gestartete zweieinhalbjährige Forschungs- und Diskursprojekt „Profil und Profilentwicklung im ASD“ wurde in einer Kooperation der Fachhochschule Münster und der BAG ASD e.V. durchgeführt (vgl. Merchel et al. 2021, 1). Hierzu wurden Mitte 2020 mittels Fragebogen 272 ASD Leitungen (Rücklaufquote 47,2 %), u.a. zu dem Themenbereich amtsinterne Kooperation und Kooperation mit externen Organisationen / Personen befragt (vgl. ebd.). Die Befragungen ergaben, dass - wahrscheinlich bedingt durch persönliche Faktoren z.B. wie die durch räumliche Nähe entstandene Bekanntschaft - die einzelfallbezogene Kooperation zwischen ASD und anderen Abteilungen bzw. Sachgebieten des Jugendamts insgesamt tendenziell positiv und funktionierend bewertet wurden (vgl. ebd., 2). Anzunehmen ist daher, dass weniger durch Kooperationsregeln oder durch Ansiedelung und Verstärkung einer einzelfallübergreifenden Kooperationsebene eine gute Kooperation mit Personen aus anderen Abteilungen/ Sachgebieten des Jugendamts stattfinden kann, sondern eher durch die räumliche Nähe und die Zugehörigkeit zum gleichen Amt bedingt ist (vgl. ebd.). Als bemerkenswert können auch die als besonders gut empfundenen Kooperationsbezüge mit freien Trägern der Erziehungshilfe eingeordnet werden. Hier scheinen sich hier verlässliche und tragfähige Kooperationsmodalitäten entwickelt zu haben (vgl. ebd.).

3.4 Netzwerkarbeit

Im Modellprojekt „Guter Start ins Kinderleben“ im Jahre 2010 wurden drei verschiedene Ebenen der Kooperation differenziert (vgl. Ziegenhain et al. 2020, 49). Für die Evaluation der Wirksamkeit von Vernetzung und präventiven Hilfen wurden insgesamt

22 (halbstrukturierte) Expert*inneninterviews anonymisiert durchgeführt und anschließend transkribiert wurden. Dreizehn Interviewpartner*innen aus dem Gesundheitssystem, acht Interviewpartner*innen aus der Kinder- und Jugendhilfe und ein/e Interviewpartner*in aus der Justiz bildeten die Grundlage für die Erhebung. Beim gewählten methodischen Zugang „Action Research“, war ein interaktives Vorgehen im Forschungsprozess und der regelmäßige Austausch und Abgleich mit den Teilnehmern der regionalen Runden Tische gegeben. Die „Grounded Theory“ bildete den theoretischen Forschungsansatz. Die Methode der qualitativen Inhaltsanalyse, nach einem vorgegebenen Auswertungsraster, wurde für die Auswertung gewählt. Die Klärung des fallbezogenen Auftrags, die Festlegung der Fallkoordination und Fallführung, sowie die Vereinbarung von Kommunikationsregeln, die Klärung von Absprachen, der Verantwortung und der Aufgabenklärung, sowie die Entwicklung einer gemeinsamen Sicht und Sprache werden als Gelingensbedingungen auf der dritten Ebene, der Ebene der fallbezogenen Aufgaben als Gelingensbedingungen benannt (vgl. Ziegenhain et al. 2020, 49). Des Weiteren bleibt festzuhalten, dass die Kooperationspartner*innen, die sich gegenseitig mit ihren Kompetenzen unterstützen ebenfalls gut miteinander zusammenarbeiten (vgl. ebd.). So betonen Ziegenhain et al. z.B. dass darauf geachtet werden sollte, auf der ersten Ebene der Kooperation „[…] eine Haltung zueinander zu entwickeln […]“ (vgl. ebd.), sodass Interessen ausgeglichen werden, und Win-Win-Situationen entstehen können (ebd., 49). Des Weiteren sollte eine Bereitschaft aufeinander zuzugehen ebenso wie ein lösungsorientiertes Vorgehen vorhanden sein (vgl. ebd.). Auch die Trias Verlässlichkeit, Verbindlichkeit und Vertrauen werden neben der Wertschätzung und der Begegnung auf Augenhöhe als wichtige Gelingensbedingungen genannt (vgl. ebd.). Auf der zweiten Ebene, der Ebene der fallübergreifenden Arbeit wird als wichtig erachtet, dass eine gemeinsame Basis geschaffen wird: Von Bedeutung ist, dass zu Beginn jeder Kooperation eine Kommunikation über die Kooperation mit den jeweiligen Kooperationspartner*innen stattfindet (vgl. ebd., 47). Wenn sich die Kooperationspartner*innen gegenseitig über die jeweils eigenen Systeme informieren, kann ein für jeden ein transparentes Arbeitsumfeld, auch bzgl. der Herangehensweise und der Verfahrenswege hergestellt werden (vgl. ebd.). Zudem kann als weitere Gelingensbedingung festgehalten werden, dass aus Gelingendem und Fehlern gelernt wird (vgl. ebd., 45). Auch sollte in der Kooperation auf die Abklärung von Intentionen, Erwartungen und Zielen geachtet werden (vgl. ebd.). Am Beispiel des Standorts Ludwigshafen wurden zusätzlich der Nutzen und die Kosten Früher Hilfen untersucht.

Das Ergebnis machte deutlich, dass Kosten und Nutzen der Frühen Hilfen gegenüber den Folgekosten durch Kindesmisshandlung und Vernachlässigung deutlich geringer sind, nämlich unter den getroffenen den getroffenen Annahmen im moderaten Szenario 1:13 und 1:34 im pessimistischen Szenario (vgl. Fischer/Geene 2017, 136). Insgesamt konnten fünfzehn Bedingungen für gelingende Kooperation gefunden werden (vgl. Ziegenhain et al. 2020, 49).

Fischer/Meiner betonen ebenfalls, dass eine verbindliche Zielsetzung für professionelles Handeln im Kinderschutz unerlässlich, sowie für einen wirksamen Bestandteil in Netzwerken entscheidend ist (vgl. 2013, 364). Des Weiteren gehen sie auf die gemeinsame Entwicklung von Aufgaben, dem Aufbau von Strukturen die vom Engagement der Beteiligten leben, den transparenten Berichten über ihr Vorgehen und die demokratische Gestaltung der Netzwerke, sowie das Hinterfragen ihrer Wirkungen ein (ebd.).

Tenhaken erachtet die frühzeitige Abklärung der wechselseitigen Erwartungen, mit Blick auf die gemeinsame fachliche Verantwortung für einen Kinderschutzfall als wichtig. Die Abklärung der Fallverantwortung erachtet er als wichtig, um einer Verantwortungsdiffusion vorzubeugen (vgl. Tenhaken 2015, 273 f.). Des Weiteren konstatiert Tenhaken, dass nur wenige konkrete Handlungsmodelle zur Verfügung stehen, die sich der Frage widmen, wie Kooperation gelingend gestaltet werden kann (vgl. ebd., 273).

Aktuelle Forschungsprojekte

Der Ergebnisbericht, welcher eine erste Teiluntersuchung zum gleichnamigen Projekt „Bundesweites Bestandsaufnahme zu Kooperationsformen im Bereich Früher Hilfen“ zeigt auf, dass die Wirksamkeit und Tragfähigkeit der Zusammenarbeit der Fachkräfte sowohl „[…] verbindlicher Formen der Kooperation als auch klar geregelte Verfahrenswege und Zuständigkeiten zwischen den beteiligten Disziplinen und Hilfesystem bedarf“ (Arlt et al. 2009, 6).

4. Theoretische Grundlagen

Im folgenden Abschnitt der Arbeit werden die theoretischen Grundlagen behandelt. Vorab wird der Falleingang am Beispiel des Case-Managements (CM) dargestellt sowie der weitere Fallverlauf im Rahmen der Erstellung eines Hilfeplans erörtert. Ein Hilfeplangespräch ist gesetzlich vorgesehen, wenn über die Inanspruchnahme einer Hilfe zur Erziehung entschieden werden soll (vgl. § 36 Abs. 1 S. 1 SGB VIII).

4.1 Falleingang am Beispiel des Case-Management-Konzepts

Die Verpflichtung zur permanenten Erreichbarkeit des ASD ergibt sich gem. den 42, 42a SGB VIII, da die dauerhafte Handlungsfähigkeit des staatlichen Wächteramts gegeben sein muss (vgl. Nonninger/Meysen 2015, 190). In den Arbeitsmethoden der Jugendhilfe findet sich zunehmend auch der Netzwerkgedanke wieder, wonach die Aufgabe von Kinderschutzfachkräften in der „[…] Ermittlung, Konstruktion und Überwachung eines problemadäquaten Unterstützungsnetzwerks“ (Fischer/Kosellek 2013, 376) besteht, welches durch gezielte Vernetzung Doppelversorgung vermeidet und Synergieeffekte nutzt (vgl. von Kardorff 1998, 204). Kooperation wird „noch zu oft in die Eigenverantwortung einzelner Mitarbeiter gelegt“ (Santen/Seckinger 2015, 738). CM beinhaltet Elemente des fallbezogenen Managements (Fallsteuerung) und verknüpft diese mit methodischen Elementen personenbezogener, psychosozialer Beratung und Unterstützung (vgl. Gissel-Palkovich 2015, 438). Das Ziel von CM besteht darin, eine Hilfeleistung unter den Gesichtspunkten der Kooperation, Effektivität und Effizienz anbieten zu können (vgl. ebd., 436). Es existieren unterschiedliche Modelle von Handlungsphasen, wobei an dieser Stelle das Modell von Wendt (vgl. 2001, 142 ff.), Riet van / Wouters (vgl. 2002, 227 ff.) und Neuffer (vgl. 2007, 70 ff.) kurz dargestellt und erläutert werden soll.

In Phase eins (Intake) stellt die Falleingangsstelle die Erreichbarkeit des ASD sicher, dient der ersten Informationsaufnahme bzgl. der Aufnahme des Anliegens, sowie der Daten und endet mit der Fallübernahme. Die erste Phase befasst sich mit der Art und Weise des Falleingangs, der Klärung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeiten, dient als Informations- und Weitervermittlungsstelle und der sonstigen Voraussetzungen für das CM.

Die Falleingangsstelle vermittelt -falls erforderlich- an eine Stelle außerhalb des ASD bzw. an die zuständige Fachkraft im ASD, eine erste Situationsklärung z.B. mithilfe eine Aufnahmebogens wird vorgenommen (vgl. Gissel-Palkovich 2015, 440). Die Falleingangsstelle ist hierbei in kurzer beratender Funktion tätig, indem Informationen weitergegeben werden, für welche keine umfassende Beratung erforderlich ist (vgl. ebd.) An dieser Stelle ist zugleich zu konstatieren, dass der ASD im Hinblick auf die Sozialdaten zu einem besonderen Vertrauensschutz in der persönlichen und erzieherischen Hilfe gem. § 65 SGB VIII verpflichtet ist. Bis vor Kurzem befand sich der ASD in einer exponierten Stellung bzgl. der Rückmeldung über den weiteren Fortgang des Verfahrens bei Kindeswohlgefährdung gegenüber dem/der Melder*in.

Durch das Inkrafttreten des Kinder- und Jugendhilfestärkungsgesetzes am 10.06.2021 (Anm. auch als KJSG-Reform bekannt) ist diese exponierte Stellung des ASD relativiert worden: Zuvor war der ASD den Melder*innen zu keiner Rückmeldung über den weiteren Fortgang eines Falles verpflichtet, da eine solche Form der personenbezogenen Rückmeldung noch bevor kurzen, wie z.B. Köckeritz et al. betonten, mit dem Datenschutz unvereinbar (vgl. Köckeritz/Dern 2012, 88f.). Im Zuge der Verabschiedung des KJSG wurde zugleich auch das Gesetz zur Kooperation und Information (KKG) entsprechend angepasst. Seit dem 10.06.2021, zum Zeitpunkt, an dem das die KJSG-Reform in Kraft trat, ist eine Rückmeldung an die Melder*innen (sogenannte Berufsgeheimnisträger*innen) vorgesehen (vgl. § 4 Abs. 4 S. 1 KKG i.V.m. § 4 Abs. 1 KKG). Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn dadurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen in Frage gestellt wird (vgl. § 4 Abs. 4 S. 2 KKG).

In Phase zwei (Assessment-Situations- / Bedarfseinschätzung) erfolgt die Prüfung der gewichtigen Anhaltspunkte auf eine Kindeswohlgefährdung (vgl. Gissel-Palkovich 2015, 441f.). Für Diagnoseprozesse liegen verschiedene Konzepte, wie z.B. die sozialpädagogische Diagnose und das Assessment vor, in welchen jeweils eine Situations- und Bedarfseinschätzung vorgenommen wird und die Bedarfe des Adressaten herausgearbeitet werden (vgl. ebd., 441). Durch die Hypothesenbildung erfolgt die Erfassung und Analyse der Lebenslage des Adressaten, sowie die fachliche Beurteilung der aktuellen Situation (vgl. ebd.).

Zur Erfassung und Analyse der Lebenslage gehört dazu, informelle (z.B. Freundeskreis) sowie formelle Netzwerke (z.B. Schule) des/der Hilfeempfänger*in sichtbar zu machen (vgl. ebd.) Um Transparenz über die Netzwerke des Adressaten herzustellen, können hierzu methodische Instrumente der Netzwerkarbeit und -steuerung (z.B. Netzwerkkarten) zum Einsatz kommen (vgl. Gissel-Palkovich 2015, 441).

In Phase drei ((Hilfe-)Planung) wird das Hilfeplanverfahren in das CM integriert, da die Planung von erzieherischen Hilfen in der Mehrheit der Fälle der ASD vornimmt, somit den Kernprozess des CM bilden (vgl. Meysen/Nonninger 2015, 436; 442 f.). Die Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung nahm im Jahr 2015 um 21 % deutlich zu (vgl. Merchel 2015b, 391), was die Relevanz dieser, als wesentliches Instrument für die Leistung und Ausgestaltung erzieherischer Hilfen, verdeutlicht. Auch bildet das Hilfeplanverfahren die Grundlage zur Bestimmung eines Hilfebedarfs, die Überprüfung des Hilfeplans und auch eine Anpassung der Hilfeform ist ggf. vorgesehen (vgl. Santen/Seckinger 2015, 756ff.). Van Santen/Seckinger weisen auf den verbindlichen Charakter hin, den Kooperation im Case-Management einnimmt:

„Somit ist die Erstellung des Hilfeplans als kooperativer Akt gesetzlich normiert, der in regelmäßigen Abständen wiederholt werden soll“ (ebd., 756).

In Phase vier („Linking“- Umsetzung des Hilfeplans) beginnt die Hilfedurchführung, in welcher die Erschließung und Bereitstellung der Hilfeleistungen sowie die Umsetzung des (Hilfe-)Plans erfolgt (vgl. Gissel-Palkovich 2015, 442). CM verbindet zudem die Fallberatung mit der Fallsteuerung, die fallbezogene Arbeit mit fallübergreifenden Maßnahmen, weshalb u.a. auch die Netzwerkarbeit dazugehört (vgl. ebd., 436). Netzwerkarbeit und -steuerung wird spätestens in dieser Phase zu „einer zentralen Aufgabe im CM“ (ebd., 443), da in dieser Phase neben dem gegenseitigen Kennenlernen von Adressat und Leistungserbringern auch die Kontaktaufnahme des Case Managers mit den infrage kommenden Leistungserbringern, der Festlegung des Hilfebeginns, sowie Absprachen im konkreten Einzelfall zwischen Leistungserbringer, Adressat und Sozialarbeiter stattfindet (vgl. ebd., 442f.). Die Rolle von Netzwerkarbeit bzw. Netzwerkmanagement gestaltet sich im CM als eine bewusste Gestaltungsaufgabe, da neben der Identifikation und Benennung von organisationsinternen und regionalen Netzwerkpartnern, die Frage nach dem Veränderungs- bzw. Verbesserungsbedarf eine Leitfrage im CM werden kann (vgl. ebd., 446).

Kinderschutzfachkräften sollten sich vernetzen, da sie sich Wissen um Ressourcen (fallunspezifische Arbeit) und Kooperationspartner*innen für die fallübergreifende Arbeit erschließen, um Kooperationen auf diese Weise gut gestalten zu können. So können z.B. gemeinsam institutionenübergreifende Projekte entstehen, die in verschiedenen Foren zur Netzwerkarbeit entwickelt wurden, in diesen u.a. Informationen über die Ressourcen der Klient*innen ausgetauscht werden können (vgl. Lüttringhaus 2015, 633). Da Netdachgebieten wie der Wirtschaftlichen Jugendhilfe oder der Jugendhilfe- und Sozialplanung zusammen (vgl. Gissel-Palkovich 2015, 446). Die weitere kooperative Beteiligung kann in Arbeitsgruppen, wie z.B. in Stadtteilkonferenzen oder kriminalpräventiven Räten erfolgen (vgl. ebd.) sowie auch die fallübergreifende Arbeit an dieser Stelle für die Netzwerkarbeit von Bedeutung sein kann, da in verschiedenen Foren Informationen über Ressourcen des Klienten ausgetauscht werden, sowie gemeinsame institutionsübergreifende Projekte stattfinden kann (vgl. ebd.). Auch wenn der ASD sozialräumlich arbeitet der ASD nimmt dieser neben der fallunspezifischen Arbeit und der fallübergreifenden Arbeit auch die Netzwerkarbeit in den Blick (vgl. Lüttringhaus 2015, 623f.).

In Phase fünf (Monitoring) findet die Überwachung der Einhaltung des Hilfeplans statt, sowie ggf. die Anmahnung der Einhaltung desselben und seiner damit verbundenen Vereinbarungen (vgl. Gissel-Palkovich 2015, 443). Ebenso die Prüfung, ob die Durchführung eines Re-Assessments und die Überarbeitung des Hilfeplans in diese Phase als notwendig erachtet werden muss (vgl. ebd.).

Zuletzt steht in Phase sechs (Evaluation und Beendigung) die Verabschiedung des Klienten im Vordergrund, wobei die Beweggründe für die Beendigung unterschiedlicher Natur sein können (vgl. Gissel-Palkovich 2015, 444). Auch eine verbindliche und systematische Überprüfung der Ergebnisse und der Zielerreichung bildet den Kern dieser Evaluationsphase (ebd., 443f.).

4.2 Bedingungsfaktoren guter Kooperation

„Der ASD und seine Mitarbeiter müssen sich [deshalb] mit den Vor- und Nachteilen von Kooperationen, mit den Herausforderungen, die für ihr Gelingen zu bewältigen sind, und mit der Eigendynamik von Kooperationszusammenhängen auseinandersetzen“ (Santen/Seckinger 2015, 738).

Um aufzuzeigen, was hinderlich für Kooperationen sein kann werden in diesem Passus zunächst exemplarisch Hürden zwischen Kooperationspartnern anhand der Studie von Klammerer et al. kurz dargelegt. Anschließend werden in Kapitel 4.3 anhand von Prüfkriterien der Autoren van Santen/Seckinger Gelingensbedingungen für gute Kooperationen vorgestellt und erläutert, wie durch diese die Wirksamkeit von Kooperationen überprüft werden kann. Daraufhin werden weitere Gelingensbedingungen für die Gestaltung von Kooperationsbeziehungen in den Blick genommen. Anhand des Frankfurter Modells wird zum Schluss dieses Kapitels illustriert, wie Kooperation durch Kooperationsvereinbarung interdisziplinär und verbindlich gestaltet werden kann.

4.2.1 Hürden bei der Zusammenarbeit

Beispiel: ASD und Akteur*innen des Gesundheitswesens

Klammer et al. identifizierten drei institutionelle Hürden in der Kooperation zwischen dem ASD und Akteur*innen des Gesundheitswesens: Als erste Hürde wurde übereinstimmend die hohe Arbeitsbelastung, die vor allem beim ASD verortet wurde, identifiziert (Fischer/Geene 2019, 34). Das unterschiedliche Kooperationsverständnis und somit die zweite Hürde wurde „innerhalb der Jugendhilfe (etwa zwischen ASD und anderen Hilfen) als Herausforderung beschrieben, das erschwerend auf die Kooperation zwischen Jugendhilfe und Gesundheitswesen einwirkt“ (ebd.). Die letzte zentrale Hürde bestand in einem verengten Netzwerkverständnis, in welchem Netzwerke primär als Interventionsnetzwerke, die auf Problemlagen reagieren gesehen werden, statt sich zu Präventionsnetzwerken zu entwickeln, in welchem es darum geht, individuelle Problemlagen zu vermeiden (vgl. ebd., 35).

Kooperationshürde Datenschutz

Neben Hürden, die vorrangig auf die spezifisch auf die untereinander kooperierenden Institutionen zurückzuführen sind und aufgrunddessen nicht zu verallgemeinern sind, treffen demgegenüber andere Hürden auf mehrere Kooperationspartner*innen zu. Als ein Beispiel für eine universellere Hürde beim Eingehen von interinstiutionellen Kooperationen im Kinderschutz können die geltenden Datenschutzregelungen sein. Diese erschweren laut van Santen/Seckinger die Kooperation zwischen Einrichtungen der Kindertagesbetreuung und der Jugendarbeit (vgl. 2015, 750).

Im Hinblick auf Datenschutzbestimmungen können befürchtete oder realistisch begründete Probleme auftreten: Um nicht gegen Datenschutzbestimmungen zu verstoßen, gehen Kinderschutzfachkräfte oft vorsichtig und zurückhaltend bei der Weitergabe von Daten vor, um das gesamte Vorgehen nicht zu gefährden, was sich jedoch erschwerend auf die Zusammenarbeit auswirken kann (ebd., vgl.). Hingegen haben die mit dem ASD kooperierenden Institutionen Bedenken bezüglich der Rechtmäßigkeit der Weitergabe der Daten und befürchten u.U. einen Vertrauensverlust zu ihren Klient*innen oder deren Angehörigen (vgl. ebd., 750). Nicht nur van Santen/Seckinger konstatieren die hemmenden Auswirkungen der Datenschutzbestimmungen auf die Kooperation im Kinderschutz. Exemplarisch sind an dieser Stelle auch Ergebnisse des Abschlussberichtes der Kommission Kinderschutz, welche in Baden-Württemberg eingerichtet wurde, anzuführen. In diesem wird explizit eine Verbesserung der Kooperation bzgl. der „weitergehenden Rückmeldung an Berufsgeheimnisträger und behördliche Hinweisgebende“ (Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg 2019, gefordert, womit in Verbindung steht, dass Kinderschutzfachkräfte „zu mehreren Themen mehrheitlich einen besseren Informationsfluss anmahnen“ (ebd., 95).

4.3 Prüfkriterien für die Gestaltung guter Kooperationsbeziehungen

Eine gute Vernetzung geht mit guter Kooperation der Kooperationspartner*innen einher, da diese laut van Santen/Seckinger „voraussetzungsvolle Handlungsstrategien“ (2015, 759) sind, in welchen das Risiko zu scheitern relativ groß ist, da Kooperationen hohe Anforderungen sowohl inhaltlicher als auch kommunikativer Art an die handelnden Organisationen und Personen stellen (vgl. ebd.). Um die Signifikanz der Prüfkriterien aufzuzeigen, sowie um zu verdeutlichen, warum van Santen/Seckinger diese auf der Basis empirischer Befunde entwickelten, werden neben van Santen/Seckinger auch andere Autor*innen, die zu Gelingensbedingungen für Kooperation im Kinderschutz geforscht oder publiziert haben in die Beschreibung des jeweiligen Prüfkriteriums miteinbezogen.

Klärung von Erwartungen und Ressourcen: Als essenziell können Abmachungen für eine gute Kooperationsbeziehungen mit klaren Vereinbarungen gesehen werden, da den beteiligten Kooperationspartner*innen bei der Arbeit häufig auch unterschiedliche institutionelle Handlungsaufträge zugrundliegen, die zudem auf jeweils unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen fußen (vgl. Santen/Seckinger 2015, 751). Auch für Ziegenhain et al. ist die Klärung von Intentionen, Erwartungen und Zielen wichtig: Dies sollte eine Kinderschutzfachkraft bei der Gestaltung guter Kooperationsbeziehungen anstreben, ebenso sollte der Fokus auf eine gute Aufgabenverteilung gelegt werden, um zu verhindern, dass es zu Überschneidungen oder Lücken sowohl in der Wahrnehmung des Problems, als auch im Angebot für die Familie kommt (vgl. 2020, 48).

Aufgrund dessen ist laut van Santen/Seckinger bei diesem Prüfkriterium von Bedeutung, dass bei Fachkräfte im Bereich des Kinderschutzes und deren Kooperationspartner*innen zu Beginn der Kooperation Phasen der Selbstvergewisserung über die „[…] Ziele und Absichten der Zusammenarbeit erfolgen“ (2015, 760). Hierdurch lassen sich Enttäuschungen verhindern, auch die Gefahr, dass falsche an die Zusammenarbeit gerichtete Erwartungen entstehen sind als geringer zu bewerten (vgl. ebd.). Dem ähnelnd benennen auch Fischer/Kosellek in Kinderschutznetzwerken neben einer verbindlichen Zielsetzung die gemeinsame Entwicklung von Aufgaben, nicht nur für die Kinderschutzfachkraft als wirksamen Bestandteil (vgl. 2013, 364). Auch betont Nolte die Notwendigkeit der Konkretisierung der Überschriften „Kinderschutz“ und „Vernetzung“

[...]

Ende der Leseprobe aus 189 Seiten

Details

Titel
Professionelle Netzwerke im Allgemeinen Sozialen Dienst. Bedeutung und Analyse von Kooperationsstrukturen im Kinderschutz
Hochschule
DIPLOMA Fachhochschule Nordhessen; Zentrale
Note
1,3
Autor
Jahr
2022
Seiten
189
Katalognummer
V1215872
ISBN (eBook)
9783346655486
ISBN (Buch)
9783346655493
Sprache
Deutsch
Schlagworte
professionelle, netzwerke, allgemeinen, sozialen, dienst, bedeutung, analyse, kooperationsstrukturen, kinderschutz
Arbeit zitieren
Sven Kiemle (Autor:in), 2022, Professionelle Netzwerke im Allgemeinen Sozialen Dienst. Bedeutung und Analyse von Kooperationsstrukturen im Kinderschutz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1215872

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Professionelle Netzwerke im Allgemeinen Sozialen Dienst. Bedeutung und Analyse von Kooperationsstrukturen im Kinderschutz



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden