Wohl jeder von uns kennt im Bereich der somatischen Störungen das breite Spektrum zwischen leichten
körperlichen Beeinträchtigungen und Irritationen und einer schweren Krankheit, die sämtliche unsere Kräfte
bindet und intensive medizinische, therapeutische Maßnahmen erfordert.
Ebenso weit reicht das Spektrum zwischen leichten psychischen Behinderungen und Beeinträchtigungen
und schweren psychischen Erkrankungen. Die Grenze zwischen psychisch gesund und krank ist oft schwer
zu setzen. Der erlebte Leidensdruck ist das subjektive Kriterium, das einen Menschen dazu veranlaßt, die
Hilfe eines Psychotherapeuten zu suchen.
Psychische Störungen können das Leben, die Arbeit, die Fähigkeit, befriedigende Beziehungen aufzubauen,
beeinträchtigen. Ob solche Störungen genetisch bedingt oder durch die Lebenssituation der betreffenden
Menschen entstanden sind, ist eine auch heute noch umstrittene Frage, die aber angesichts der Tatsache,
daß dem Betroffenen geholfen werden muß, von sekundärer Bedeutung ist. Diese teilweise dramatischen
Störungen der Gefühle und die Reflexion ihnen gegenüber zeigen die Bedeutung der Emotionen für den
Gesamtbereich des Psychischen. Ohne Pflege seiner Gefühle kann der Mensch dem Leben nicht standhalten.
[...]
Gliederung
A. EINLEITUNG
A.1. NORM UND SEELISCHE GESUNDHEIT
A.2. DIE EINTEILUNG PSYCHISCHER STÖRUNGEN
B. DIE NEUROSE
B1. VORLÄUFIGE CHARAKTERISTIK DER NEUROSE
B2. DIE ZWANGSNEUROSE (ANANKASMUS)
B3. DIE ANGSTNEUROSE
B4. DIE PHOBIE
B5. DIE KONVERSIONSNEUROSE
B6. PSYCHO-VEGETATIVE ERSCHÖPFUNGSSYNDROME
(VEGETATIVE DYSTONIE)
B7. ANOREXIA NERVOSA
B8. DIE NEUROSENLEHRE NACH SIGMUND FREUD
B9. ZUR ÄTIOLOGIE DER NEUROSE
C. DIE PSYCHOSE
C1. ZUR CHARAKTERISTIK DER PSYCHOSE
1.1. Wie entsteht Wissensbildung beim gesunden Menschen?
1.2. Die Entstehung der Psychose:
1.3. Erscheinungsformen der Psychose:
C2. ZUR PROBLEMATIK DER ABGRENZUNG PSYCHISCHER KRANKHEITEN
(EXPERIMENT VON D.ROSENHAN)
C3. DIE SCHIZOPHRENIE
3.1. Zur Ätiologie der Schizophrenie:
3.1.1. Über das Auftreten von Kindheitspsychosen
3.2. Die wichtigsten Formen und der Krankheitsverlauf:
3.5. Schizophrenie in anderen Kulturen - Ein transkultureller Vergleich:
C4. DIE DEPRESSIVITÄT UND DEPRESSION
C5. DIE MANIE 34
5.1. Zur Charakteristik:
5.2. Symptomatik:
5.3. Zyklische Formen:
C6. PARANOIDE PSYCHOSEN
D. GLOSSAR
E. QUELLENVERZEICHNIS
A. EINLEITUNG
Wohl jeder von uns kennt im Bereich der somatischen Störungen das breite Spektrum zwischen leichten körperlichen Beeinträchtigungen und Irritationen und einer schweren Krankheit, die sämtliche unsere Kräfte bindet und intensive medizinische, therapeutische Maßnahmen erfordert.
Ebenso weit reicht das Spektrum zwischen leichten psychischen Behinderungen und Beeinträchtigungen und schweren psychischen Erkrankungen. Die Grenze zwischen psychisch gesund und krank ist oft schwer zu setzen. Der erlebte Leidensdruck ist das subjektive Kriterium, das einen Menschen dazu veranlaßt, die Hilfe eines Psychotherapeuten zu suchen.
Psychische Störungen können das Leben, die Arbeit, die Fähigkeit, befriedigende Beziehungen aufzubauen, beeinträchtigen. Ob solche Störungen genetisch bedingt oder durch die Lebenssituation der betreffenden Menschen entstanden sind, ist eine auch heute noch umstrittene Frage, die aber angesichts der Tatsache, daß dem Betroffenen geholfen werden muß, von sekundärer Bedeutung ist. Diese teilweise dramatischen Störungen der Gefühle und die Reflexion ihnen gegenüber zeigen die Bedeutung der Emotionen für den Gesamtbereich des Psychischen. Ohne Pflege seiner Gefühle kann der Mensch dem Leben nicht standhalten.
Eine psychische Störung umfaßt per definitionem
"die Gesamtheit aller psychischen Zustände, die in den Bereich 'Abnormalität' fallen."
A.1. NORM UND SEELISCHE GESUNDHEIT
Abnorm kann - je nach Wertung - sowohl ein 'Zuviel' (Exzeß), 'Zuwenig' (Defizit), oder 'Fehlerhaft' (Defekt) im Sinne eines persönlichen, fachlichen oder gesellschaftlichen Erwartungswertes (kultureller Sollzustand) sein.
Beim Begriff der Norm unterscheiden wir grundsätzlich:
1:
Die Soziale Norm ist durch eine bestimmte Sozietät bestimmt[1] .
2:
Die Statistische Norm nimmt den rechnerischen Durchschnitt als Maß.
3:
Die Idealnorm orientiert sich am Optimum.
4:
Die Funktionale Norm orientiert sich am Individuum; in ihr fühlt es sich wohl.
(siehe Abbildung nächste Seite)
Was ist gesund? - Für lange Zeit ging das Denken dahin, daß Gesundheit einfach die Abwesenheit von Krankheit ist. Demgegenüber wurde aber bald erkannt, daß seelische Gesundheit durch eigene positive Merkmale definiert werden muß. MARIE JAHODA postuliert in ihrer beispielgebenden Studie sechs grundlegende Merkmale der seelisch gesunden Persönlichkeit:
1. Der Gesunde hat eine adäquate Einstellung zu sich selbst; er sieht sich realistisch so, wie er ist, und steht sich selbst kritisch gegenüber, ohne andererseits an Selbstachtung einzubüßen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2. Der Gesunde ist an seiner adäquaten inneren Entwicklung und Selbstverwirklichung interessiert. Er will die besten Potentialitäten aus sich hervorbringen.
3. Der Gesunde bemüht sich um innere Einheit oder Integration seiner Strebungen. Er läßt sich von Strebungen, die miteinander nicht vereinbar sind, nicht zerreißen, sondern versucht, seine Konflikte zu lösen.
4. Der Gesunde ist ein autonomer Mensch: dh, einer, der sich aus sich selbst bestimmt und sich nicht von anderen abhängig macht.
5. Der Gesunde hat eine adäquate Wahrnehmung der Realität, wie sie ist. Dh, er läßt sich nicht durch Wünsche und Befürchtungen in seiner Erfassung der Außenwelt beeinflussen.
6. Der Gesunde ist fähig, seine Lebensumstände zu bemeistern. Dazu gehört die Fähigkeit zu lieben, die Adäquatheit von Liebe, Arbeit & Spiel, die Adäquatheit der zwischenmenschlichen Beziehungen, Fähigkeit zur Anpassung, zum Lösen von Problemen sowie Fertigkeit in der Behandlung der Erfordernisse gegebener Situationen.[2]
A.2. DIE EINTEILUNG PSYCHISCHER STÖRUNGEN
Einerseits ist die Fülle von Störmöglichkeiten nicht kleiner als die Fülle von positiven Formen psychischen Verhalten und Erlebens. Eine Einteilung in hauptsächliche Störgruppen engt daher notwendigerweise die Vielfalt ein. Andererseits waren an dieser Einteilung drei vorrangige therapeutische Richtungen beteiligt, die von unterschiedlichen Standpunkten aus die psychischen Störungen klassifizierten: die Psychiatrie, die Psychoanalyse und die Verhaltenstheorie. Daraus ergaben sich letztendlich - unter besonderer Betonung des Schweregrades - vier Hauptbegriffe, die sich teilweise auch überschneiden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Verhaltensstörungen
% 1. Funktionsstörungen:
zB psychogener Schmerz, Eßstörungen
% 2. Entwicklungstörungen:
zB Anorexia nervosa, Midlife-crisis
% 3. Leistungsstörungen:
zB Schulphobie, Legasthenie
% 4. Abweichendes Verhalten:
zB Alkoholismus, Drogenabusus[5], Pyromanie, Arbeitsgetriebenheit[6]
% 5. Mentalstörungen:
zB Purgatie (Rechthaberei), Moria (Witzelsucht), Altersdemenz
% 6. Sexualstörungen:
zB Potenzschwäche, Frigidität, Paraphilie
% 7. Sprachstörungen:
zB Aphasie, Stottern, Agrammatismus
% 8. Existenzielle Leidensformen:
zB Selbstmordgefährdung, Opferreaktion, Hospitalismus, Sinnlosigkeitsgefühl
$ [7] Die Einordnung der psychischen Störungen ist eines der schwierigsten Probleme der Klinischen Psychologie. Grundsätzlich ist jede psychische Leistung mehrfach störbar. So ergibt sich eine unendliche Fülle an Störungen mit mannigfaltigen Symptomen und Syndromen (i.e. Symptomeinheiten). Die Störungsbezeichnungen haben sich zum Teil über mehrere Jahrtausende entwickelt, andere sind neueren Datums. Es ist daher nicht verwunderlich, daß sie sich nicht ohne weiteres in ein System einfügen.
$ Das Verständnis für psychische Krankheit und Gesundheit hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Durch häufigeres Auftreten von psychischen Krisen, Störungen und Beeinträchtigungen erhöhte sich nicht nur in der Fachwelt, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit die Bereitschaft, psychische Krankheit als eine Form der Beeinträchtigung und Störung anzusehen wie andere Behinderungen auch und sie von ihrer Stigmatisierung zu befreien.
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B. DIE NEUROSE
Der Begriff wurde schon im 18. Jht. durch den schottischen Arzt WILLIAM CULLEN im §1091 seines Werkes "First Lines in the Practice of Physics" (1776-84) für Sinnesaffekte oder Bewegungen eingeführt, für die keine körperlichen Ursachen festgestellt werden konnten. Im Laufe der Zeit wurde dieser Begriff mehrfach modifiziert. Den meisten modernen Definitionsversuchen ist gemeinsam, die Neurose als Störung zu verstehen, die die "inadäquate Verarbeitung von länger anhaltenden Konflikt- und Frustrationssituationen, die meist in die Kindheit zurückreichen, zur Voraussetzung haben."[8] - Andere Definitionen deuten die Neurosen als Form einer abnormen Erlebnisreaktion, wobei es infolge einer abnormen (= neurotischen) Entwicklung zu einer Komplexverselbständigung kommt.
Heute werden im gebräuchlichen "Diagnostischen und Statistischen Manual psychischer Störungen" (DSM-III-R) unter Neurose genannt:
- Hysterien
- Phobien
- Anankastische, neurasthenische, hypochondrische Störungen
- Dysthyme Depressionen
- Generalisierte Angstsyndrome
- Dissoziative Störungen
- Psychogene Schmerzsyndrome
Ähnliche Einteilungen enthalten auch die Internationale Klassifikation der WHO (ICD-9) und das "Manual zur Dokumentation psychiatrischer Befunde" (AMP).
Trotz der vagen Definition der Neurose und ihrer vielschichtigen Erklärung[9] umreißt dieser Begriff eine beobachtbare Gruppe von psychischen Leidenszuständen, die durch andere Begriffe nicht voll abgedeckt werden kann.
B1. VORLÄUFIGE CHARAKTERISTIK DER NEUROSE
Die neurotische Persönlichkeit wird im Gegensatz zu früher nicht mehr als das Opfer eines einzigen psychischen Traumas in früher Kindheit gesehen, sondern als ein Mensch, der nicht die Möglichkeit hatte, Konflikte zu lösen. - Eine Krisensituation an sich macht noch keine Neurose aus.
"An der Wurzel neurotischer Störungen steht ein Konflikt, der durch zwei oder mehrere einander widersprechende vitale Bedürfnisse entsteht, wobei die neurotischen Symptome Abreaktionen der daraus resultierenden Spannungen sind."
Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Begriff der Seelischen Disposition [10]. Diese spezifische Beschaffenheit eines Organismus, die die Voraussetzung für die Wirkung schädigender Einflüsse ist äußert sich beim Neurotiker in der Hauptsache in einer Überempfindlichkeit gegenüber gewissen Reizen (Hypersensibilität). Die seelischen Störungen, die sich beim Hypersensiblen in einer Durchschnittsumgebung einstellen, beginnen demgemäß bereits in der frühesten Kindheit.
Das folgende Schema[11] zeigt nun, wie zur Neurose disponierende Merkmale sowie aus der Umwelt und den Lebenserfahrungen herstammende schädigende Einflüsse zusammenwirken. Bei Gruppe 1 können selbst in günstiger Umwelt die dehr starken Dispositionen eine Neurose hervorbringen, wie dies bei Gruppe 3 bei verhältnismäßig sehr günstigen Dispositionen in äußerst ungünstiger Umwelt geschehen kann. Dazwischen liegen proportional gleitende Anteile beider Faktoren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
- Die Symptomatik der Neurose ist eindeutig durch die jeweilige Lebensform der Gesellschaft geprägt; ihr Erscheinungsbild ist daher einem ständigen Wandel unterworfen. Während um die Jahrhundertwende Symptome der Hysterie im Vordergrund standen, sind es heute eher vegetative Symptome wie zB Müdigkeit und Schwindel.
- Neben der intrakulturellen ist überdies die interkulturelle Betrachtungsweise von Bedeutung, stellen doch chronische neurotische Störungen (und auch Verhaltensstörungen) - in entwickelten Gesellschaften eine der größten Diagnosegruppen - in außereuropäischen Kulturen, besonders in tropischen Regionen, die ein geringes Pro-Kopf-Einkommen aufweisen, kein dringendes Problem dar: Obwohl die geschätzte Häufigkeit auch in den Tropen den Verteilungsmustern der westlichen Welt entspricht, finden diese Erkrankungen aber in den armen Gesellschaften wenig Aufmerksamkeit und sind folglich in der transkulturellen Psychologie und Psychiatrie kaum Inhalt von vergleichenden Studien. Ein weiterer Grund liegt in der Schwierigkeit, neurotische Störungen von den Folgen der Mangelernährung, der Anämie, des Parasitenbefalls oder anderer akuter körperlicher Erkrankungen abzugrenzen.
Neurotische Störungen fallen darüberhinaus in die therapeutische Domäne der angestammten Gruppe des heilkundigen Priesters mit seinen überkommenen Ritualen oder der Großfamilie mit den engen Gefühlsbindungen. Es kann jedoch als belegt gelten, daß die Häufigkeit von Neurosen und Persönlichkeitsstörungen sich in den ärmeren Teilen der Welt kaum von derjenigen unterscheidet, die die entwickelten Gesellschaftsstrukturen kennzeichnet.[12]
In Zeiten zielgerichteter Anspannung sowie in Zeiten akuter existenzieller Bedrohung und Not (zB Krieg) treten die Neurosen ebenso wie die psychosomatischen Erkrankungen seltener auf. Nicht die hohe Belastung ist ausschlaggebend für die Bildung der Neurose, sondern die fehlende Motivation, solche Belastungen auf sich zu nehmen.
Manchmal - aber durchaus nicht immer - stehen bei der Neurose bestimmte Symptome sehr stark im Vordergrund, woraus sich folgende Ausprägungsformen ableiten lassen:
B2. DIE ZWANGSNEUROSE (ANANKASMUS)
"Die Zwangsneurose äußert sich darin, daß die Leidenden von Gedanken beschäftigt werden, für die sich eigentlich nicht interessieren, Impulse verspüren, die ihnen fremdartig vorkommen und zu Handlungen veranlaßt werden, deren Ausführung ihnen zwar kein Vergnügen bereitet, deren Unterlassung ihnen aber ganz unmöglich ist."[14][13]
Neurotiker solchen Typs kommen also beispielsweise von Namen, Rhythmen oder Melodien nicht los (Perseverationen); oder sie fühlen zwanghafte Impulse, bestimmten, an sich normalen Tätigkeiten in abnormaler Häufigkeit nachzugehen (zB Waschzwang, Kontrollzwang, Ordnungszwang,...). Auch Kleptomanie ("Stehlzwang") und Pyromanie ("Brandstiftungszwang") sind sowohl ihrer Entstehung als auch ihrer Symptomatik nach Anankasmen.
Weniger gravierende Zwangssymptome sind übertriebene Rituale bei täglichen Verrichtungen, starr fixierte Gewohnheiten, deren Änderung nicht möglich erscheint u.ä..
Nicht die Inhalte des Zwanges sind bedenklich, sondern ihr dominierender Charakter und die Unfähigkeit, sich von ihnen zu lösen; der Patient ist den Zwangserscheinungen in so starkem Maße ausgesetzt, daß er trotz wiederholter Kontrollen seine Zweifel nicht besänftigen kann und die Zwangshandlungen oft bis zur völligen Erschöpfung wiederholt. Unterbindet man die diese Zwangsphänomene, tritt meist starke Angst auf.
Zwangsneurosen betreffen starre (rigide) Persönlichkeiten mit hochgradig verdrängten, bedeutsamen Konflikten. Der übersteigerte gleichsam moralische Anspruch des ÜberIch ist dabei entscheidend[15]. Dieser resultiert in der Regel aus dem Verhalten und den Wertvorstellungen der Eltern. Dabei mußten natürliche Bedürfnisse und Strebungen (oft sexueller Art) geleugnet werden. Der Waschzwang beispielsweise drückt das Schuldgefühl darüber aus, nicht so rein zu sein, wie das rigide ÜberIch es verlangt. Wird dieser zugrundeliegende Konflikt erkannt, so besteht die Möglichkeit, sich vom Zwang zu lösen. Die Prognose ist allerdings ungünstig; meist ist nur eine partielle Heilung in etwa 50% der Fälle möglich[16].
Die anankastische Reaktion wird durch strenge Erziehung - im besonderen durch unerbittliches Anhalten zur Ordnung, übertriebene Reinlichkeitserziehung des Kleinkindes, Verpönung sexueller Regungen und Frustrierung kindlicher Triebbedürfnisse - gefördert.
-In vielen Fällen ist die Zwangsneurose auch mit phobischen Symptomen gekoppelt. Die Zwangshandlungen sind dabei eine Folge der Erfahrung, die der Patient macht, wenn durch diese bestimmten Handlungen die mit dem Zwangsimpuls verbundene Angst gelöscht wird.
B3. DIE ANGSTNEUROSE
Stefan Zweig, Angst
"Als Frau Irene die Treppe von der Wohnung ihres Geliebten hinabstieg, packte sie mit einem Male wieder jene sinnlose Angst. Ein schwarzer Kreisel surrte plötzlich vor ihren Augen, die Knie froren zu entsetzlicher Starre, und hastig mußte sie sich am Geländer festhalten, um nicht jählings nach vorne zu fallen. [..] Fröstelnd stieg es in ihr auf, dies andere geheimnisvolle Grauen, nun wirr gemengt mit dem Schauer der Schuld und jenem törichten Wahn, jeder fremde Blick auf der Straße vermöchte ihr abzulesen, woher sie käme, und mit fremdem Blick ihre Verwirrung erwidern. [..] Draußen aber stand schon die Angst, ungeduldig sie anzufassen, und hemmte ihr so herrisch den Herzschlag, daß sie immer schon atemlos die wenigen Stufen niederstieg. [..]
Nun saß das Grauen bei ihr im Haus und rührte sich nicht aus den Zimmern. In den vielen leeren Stunden, die immer wieder Welle auf Welle die Bilder jener entsetzlichen Begegnung in ihr Gedächtnis zurückspülten, wurde ihr das Hoffnungslose ihrer Situation vollkommen klar. - Unabwendbar war, das spürte sie jetzt mit entsetzlicher Gewißheit, das Verhängnis, unmöglich ein Entkommen. Aber was ... was würde geschehen? Von Morgen bis Abend rüttelte sie an der Frage. [..] Sie wußte nicht weiter, und ihre Vermutungen stürzten schwindlig ins Bodenlose."[17]
Ist die Angst das vorherrschende Erscheinungsbild, sprechen wir von einer Angstneurose, richtet sich sie sich auf bestimmte Objekte und Situationen, so handelt es sich um eine Phobie.
"Wir sprechen immer dann von Angst, wenn ein Gefühl der Beklemmung, der Ausweglosigkeit und qualvollen Erregung zu beobachten ist. Die körperlichen Erscheinungen, wie Herzklopfen, zugeschnürte oder trockene Kehle, motorische Unruhe, Zittern, kalter Schweiß, Harndrang, Durchfall,... sind nicht Folgen der Angst, sondern unmittelbares physisches Korrelat."[18]
z Jeder Neurotiker leidet unter Angst. Wird die Person aber ausschließlich davon beherrscht, kann man von Angstneurose sprechen.
z Nicht jede Angst ist neurotisch. Es kann als geradezu pathologisch angesehen werden, wenn man unfähig ist, Angst zu empfinden[19]. Bei Bedrohung Angst zu verspüren, ist eine für das Überleben notwendige Fähigkeit (Realangst). - Die sogenannte Existenzangst ist etwas spezifisch Menschliches; sie kann empfunden werden, wenn sich der Mensch als endliches und ungeborgenes Wesen begreift, das dem "Schwindel der Freiheit preisgegeben ist" (KIERKEGAARD).
z Die neurotische Angst steht demgegenüber mit verdrängten Triebimpulsen in Verbindung, deren Auslebung als Bedrohung empfunden wird. Hier liegen die Wurzeln der Angst in nicht bewußten Bereichen; oft hat neurotische Angst auch mit gehemmten und verdrängten Aggressionen zu tun, die gegen die eigene Person gewendet werden.
[...]
[1] ZB gilt bei einem Begräbnis im Orient lautes Lamento der Hinterbliebenen, Kleiderzerreißen,... als Norm-Verhalten, in unserer Gesellschaft jedoch als unangemessen.
[2] C. BÜHLER ergänzt:
"Zu diesen Hauptkriterien der gesunden Persönlichkeit kommt meiner Ansicht nach ein weiteres, das mir von der Psychotherapie her als bedeutungsvoll erscheint. Es ist die Fähigkeit des Gesunden, sein Leben in seiner Kontinuität zu überschauen, während der Neurotiker oft ganze Lebensabschnitte mehr oder weniger völlig vergißt."
[3] DD zur Psychose: Echte Psychotiker distanzieren sich bald von diesen flüchtigen Verkennungen der Realität (nach WESIACK).
[4] Der Begriff Verhaltensstörung dient den Verhaltenspsychologen als Sammelbezeichnung für alle 'sozialrelevanten' Störungen: sowohl des Selbstbildes (zB Minderwertigkeitskomplexe) wie innerhalb der Gruppen (zB Anpassungsstörungen) und gegenüber der Gesellschaft (zB kriminelle Delinquenz).
[5] Der Abusus (Mißbrauch) ist eine in einer sinnentleerten und angstmachenden Umwelt zunehmend auftretende Verhaltensstörung.
[6] "workoholics"
[7] Hinweis: Das Symbol "$" ist Abschnitten mit additiven Informationen vorangestellt, die dem Leser von Interesse sein können; für das Verständnis des Gesamttextes sind diese Zusatzinformationen jedoch nicht bedeutsam.
[8] nach SCHULTE-TÖLLE.
[9] vgl. B9.
[10] lat. disposito = planmäßige Anordnung.
[11] nach F.ALEXANDER.
[12] nach H.HINTERHUBER (1987).
[13] syn. SymptomNeurosen.
[14] nach S.FREUD.
[15] Nach FREUD handelt es sich dabei psychodynamisch um eine Konfliktfolge zwischen Triebwünschen und dieser ÜberIch-Reglementierung.
[16] Therapiemöglichkeiten: Psychoanalytische Therapie bzw Verhaltenstherapie; kurzfristig auch Antidepressiva.
[17] STEFAN ZWEIG: "Angst"; Wien 1910.
[18] nach SCHULTE-TÖLLE.
[19] Vergleiche hiezu das Kindermärchen "Von Einem, der auszog, das Fürchten zu lernen", in dem diese Problematik in kindlich-heiterer Weise aufgearbeitet wird.
- Arbeit zitieren
- Mag. Arno Krause (Autor:in), 1996, Psychische Störungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121688
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