Analyse der Möglichkeiten und Barrieren bei Wissensmanagement-Aktivitäten in Wirtschaftskanzleien


Studienarbeit, 2008

43 Seiten, Note: 1,4


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungen

1. Einleitung

2. Wissensmanagement in der wissenschaftlichen Diskussion
2.1 Wissen in der Kanzleipraxis
2.2 (Kanzlei-)Wissen erfolgreich managen
2.2.1 Wissensziele definieren
2.2.2 Wissen identifizieren
2.2.3 Wissen erwerben
2.2.4 Wissen entwickeln
2.2.5 Wissen (ver)teilen
2.2.6 Wissen nutzen
2.2.7 Wissen bewahren
2.2.8 Wissen bewerten
2.3 Folgerungen für das Wissensmanagement in einer Kanzlei

3. Möglichkeiten im Wissensmanagement
3.1 Wissensmanagement-Maßnahmen zur Förderung einer wissensbewussten Kanzleikultur
3.1.1 Kanzleibibel
3.1.2 Handbücher
3.1.3 Persönliche WM-Strategien
3.2 Wissensmanagement-Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz der wissensintensiven Geschäftsprozesse
3.2.1 Dokumentenmanagement (DMS)
3.2.2 Wissensmanagementportal
3.2.2.1 People Directory
3.2.2.2 Mandanten-Datenbank
3.2.2.3 Marketing-Datenbank
3.2.2.4 PG / IG Directory
3.2.2.5 Online Bibliothek

4. Barrieren im Wissensmanagement
4.1 Kanzleikultur
4.2 Projektmanagement
4.3 Wissensmanagement in der Praxis

5. Schlussbetrachtung

6. Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Der wissensintensive Wertschöpfungsprozess in einer Kanzlei

Abb. 2 Bausteine des Wissensmanagements

Abb. 3 Einbindung von WM-Instrumenten in den Wertschöpfungsprozess

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

„Vorsprung durch Wissen über Wissen – das ist das aktuelle Management- Thema Nummer Eins“1 – so oder ähnlich titeln die unzähligen Ratgeber zum Thema Wissensmanagement (WM). Daneben gibt es viele Kritiker, die der De- batte um das WM „zahlreiche theoretische Unebenheiten“2 auf „begrifflicher, me- thodischer und kategorialer Ebene“3 nachsagen.

Auch wenn der große Hype um das Thema WM bereits vorbei ist, kann nicht ge- leugnet werden, dass die kritische Auseinandersetzung mit Wissen in einem Un- ternehmen immer noch von großer Bedeutung für den langfristigen Unterneh- menserfolg ist. Entscheidend ist, dass man bei der Auseinandersetzung mit dem Thema WM nicht nur nach einer technischen Lösung sucht oder sich auf strenge betriebswirtschaftliche Denkweisen beschränkt. Vielmehr spielt wohl auch die soziale Ebene eine Rolle, denn Wissensmanagement lebt vor allem durch die Menschen, die in einem Unternehmen beschäftigt sind.

Ziel meiner Arbeit ist es deshalb, die Möglichkeiten und Barrieren des Wissens- managements zu identifizieren. Den praktischen Bezug liefert dabei die Kanzlei Taylor Wessing. Als Beratungsunternehmen bewegt sich die Kanzlei in einem besonders wissensintensiven Umfeld. Hauptsächlicher Bestandteil des Wert- schöpfungsprozesses sind, anders als in einem Produktionsunternehmen, nicht Maschinen oder Ressourcen, sondern das Wissen der Anwälte. Zusätzliche Be- sonderheit ist die Tatsache, dass es sich um eine Partnerschaftsgesellschaft handelt. Partner sind Eigentümer der Kanzlei und haben andere Motivationen als normale leitende Angestellte in einem Unternehmen.

Die vorliegende Arbeit ist in fünf Kapitel aufgeteilt. Nach dieser kurzen Einleitung werden im zweiten Kapitel die Grundlagen vermittelt. Es wird zunächst geklärt, was unter dem Begriff Wissen in einer Rechtsanwaltskanzlei zu verstehen ist und auf welche Arten von Wissen im Verlauf des Wertschöpfungsprozesses zugegrif- fen wird. Danach wird, auf Basis der sechs Bausteine des WM nach Probst et al., aufgezeigt, wie der WM-Kreislauf auf theoretischer Ebene funktioniert. Zum Ab- schluss des zweiten Kapitels werden die Besonderheiten, die sich für WM in Wirtschaftskanzleien ergeben, abgeleitet.

Im dritten Kapitel werden die Möglichkeiten identifiziert, die sich unter Berück- sichtigung der Besonderheiten von WM für Kanzleien ergeben und konkrete Maßnahmen beschrieben. Im vierten Kapitel wird auf die Barrieren eingegangen, die bei der Umsetzung von WM-Maßnahmen in einer Wirtschaftskanzlei über- wunden werden müssen.

Im fünften und letzten Kapitel werden die Ergebnisse zusammengefasst und ein Ausblick auf offene Fragestellungen gegeben.

2. Wissensmanagement in der wissenschaftlichen Diskus- sion

Sucht man allein im Online-Verzeichnis der Bayerischen Staatsbibliothek nach Veröffentlichungen zum Thema Wissensmanagement, erhält man knapp 1.000 Treffer. Erweitert man seine Suche auf die englischsprachige Literaturdatenbank EBSCO finden sich über 12.000 Artikel zum Thema Knowledge Management. Diese beeindruckenden Publikationszahlen machen den prominenten Platz des Themas in der betriebswirtschaftlichen Diskussion deutlich. Problem dabei ist, dass mit steigender Zahl an Veröffentlichungen auch die verschiedenen Meinun- gen und Theorien unübersichtlicher werden.

Im folgenden Kapitel soll deshalb geklärt werden, wie der Bergriff Wissen in einer Rechtsanwaltskanzlei zu verstehen ist und welche Maßnahmen Wissensmana- gement beinhaltet. Die vorliegende Arbeit befasst sich ganz gezielt mit den Be- sonderheiten einer Rechtsanwaltskanzlei. Den praktischen Hintergrund liefert die Kanzlei Taylor Wessing, deren Tätigkeitsbereich zum Einstieg kurz vorgestellt werden soll. Um den Kanzleibezug zu wahren, werden Definitionen und Erklä- rungen um Beispiele aus der Kanzleipraxis erweitert.

2.1 Wissen in der Kanzleipraxis

Als Wirtschaftskanzlei berät Taylor Wessing in sämtlichen Bereichen des natio- nalen und internationalen Wirtschaftsrechts. 260 Partner und mehr als 1.000 Mit- arbeiter bieten Unternehmen der unterschiedlichsten Branchen in den drei größ- ten Wirtschaftsmärkten Europas maßgeschneiderte Beratungsdienstleistungen an.4

Eine Rechtsberatung ist eine Dienstleistung, also ein Produkt, dass nicht auf ei- ner Produktionsanlage sondern in den Köpfen der Anwälte entsteht. Die Haupt- aufgabe eines Anwalts besteht aus dem Sichten und Bewerten von Informatio- nen.

Dieser hohe Wissensanteil in der vermarkteten Dienstleistung bezeichnet North als Produktintelligenz, die ein Merkmal eines wissensintensiven Unternehmens darstellt. Taylor Wessing erfüllt als Wirtschaftskanzlei auch das zweite Merkmal eines wissensintensiven Unternehmens: Mit einer hohen Prozessintelligenz meint North eine hohe Wissensintensivität in der Wertschöpfungskette, die sich insbe- sondere durch maßgeschneiderte Lösungen auszeichnet.5 Nach Remus zeich- nen sich wissensintensive Prozesse durch eine Reihe weiterer Merkmale aus. Der Ablauf wissensintensiver Prozesse kann nicht genau bestimmt werden, sie sind komplex und es sind meist viele unterschiedliche Experten beteiligt.6 Rechtsberatung kann nie ein Standardprodukt sein. Für jedes Mandat wird ad hoc ein Team von Experten zusammengestellt und eine auf die jeweiligen Be- dürfnisse des Mandanten zugeschnittene Lösung erarbeitet.

Wissen in einer Kanzlei wie Taylor Wessing findet sich also sowohl im Produkt selbst als auch im Prozess der Leistungserstellung. Da eine Beratungsleistung in den Köpfen der Anwälte entsteht, ist das individuelle Wissen der Anwälte ent- scheidend für den Erfolg der Kanzlei. Weiterhin entscheidend ist, wie die Anwälte handeln um einen konkreten Fall zu bearbeiten. Holen sie sich Brancheninforma- tionen oder aktuelle Gesetzestexte über Online-Datenbanken ein oder fragen sie einen Kollegen, von dem sie wissen, dass er einen ähnlichen Fall bereits bear- beitet hat. Welchen Weg ein Anwalt wählt um ein bestimmtes Problem zu lösen hängt von seinen persönlichen Einstellungen und Erfahrungen sowie von den gelebten Handlungsnormen der Kanzlei ab.

Eine praktikable Wissensdefinition liefern Probst et al.:

„Wissen bezeichnet die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Perso- nen zur Lösung von Problemen einsetzen. Dies umfasst sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen. Wissen stützt sich auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen im- mer an Personen gebunden. Wissen entsteht als individueller Prozess in einem spezifischen Kontext und manifestiert sich in Handlungen.“7

Die Autoren Nonaka und Takeuchi betonen, dass Wissen nur von Einzelperso- nen geschaffen werden kann und unterscheiden zusätzlich implizites und explizi- tes Wissen. Implizites Wissen ist subjektives Erfahrungswissen und bezieht sich auf das hier und jetzt. Dazu gehört das persönliche Wissen über den eigenen Rechtsbereich, das Wissen und die Erfahrung im Umgang mit Mandanten, das Wissen über relevante Quellen und den Umgang damit sowie das Wissen über Kollegen, die eine mögliche Hilfe bei der Lösung eines Problems bieten könnten. Implizit verankert sind auch die eigene Motivation, Ideale, Werte sowie Überzeu- gungen. Alles Dinge, die schwer erfassbar sind und sich in den unterschiedlichen Handlungsweisen im Umgang mit Problemen oder auch im Umgang mit Kollegen niederschlagen.

Explizites Wissen dagegen ist objektives Verstandeswissen und bezieht sich auf die Vergangenheit. Es ist eindeutig erfass- sowie speicherbar. Explizites Wissen ist zumeist in Dokumenten und Datenbanken erfasst. Das sind beispielsweise Mandanteninformationen, Vertragsvorlagen, Gesetzestexte, Schriftsätze zu ähn- lichen Fällen, Fachartikel sowie Brancheninformationen.8

Bevor dem Mandant eine maßgeschneiderte Lösung präsentiert werden kann greift ein Anwalt neben seinem persönlichen, impliziten Wissen auf die unter- schiedlichsten expliziten Wissensquellen zu. Diesen wissensintensiven Prozess soll Abbildung 1 auf der folgenden Seite darstellen.

Nach Abschluss des Projekts wird neben implizitem Erfahrungswissen explizites Wissen generiert. Dieses explizite Wissen in Form von Vorlagen, Recherchein- formationen, Studien steht dem Anwalt für zukünftige Projekte zunächst als per- sönliche Wissensquelle zur Verfügung. Werden zu dem Projekt zusätzlich bei- spielsweise Best-Practice-Berichte verfasst und in einer allgemeinen Datenbank öffentlich zugänglich gemacht, erweitert sich dadurch das extrinsische Firmen- wissen, auf das alle Mitarbeiter bei ihren Projekten zugreifen können Probst et al. definieren die Kombination von intrinsischem und extrinsischem Wis- sen zur Lösung eines Problems als organisationale Wissensbasis:

„Die organisationale Wissensbasis setzt sich aus individuellen und kollektiven Wissensbeständen zusammen, auf die eine Organisation zur Lösung ihrer Auf- gaben zurückgreifen kann. Sie umfasst darüber hinaus die Daten und Informati- onsbestände, auf welchen individuelles und organisationales Wissen aufbaut.9

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: in Anlehnung an Parsons, Matthew, 2004, S. 61

Abbildung 1: Der wissensintensive Wertschöpfungsprozess in einer Kanzlei

Die Autoren Edwards und Mahling schlagen eine weitere Kategorisierung von Wissen in Rechtsanwaltskanzleien vor und liefern mit der Unterscheidung von deklarativem, prozeduralem und analytischem Wissen eine tiefere Differenzierung des in Abb. 1 beschriebenen, implizit verankerten, persönlichen Fachwis- sens. Die vier Wissensarten10 werden im Folgenden kurz erläutert:

Administratives Wissen ist das Wissen über die internen Prozesse und Abläufe in einer Kanzlei. Dazu zählt beispielsweise das Wissen über Zuständigkeiten sowie das Wissen über Abläufe zur Anlage von Mandanten oder die richtige Ab- rechnung der Arbeitsstunden. Dieses Wissen kann dem internen Firmenwissen zugeordnet werden und ist überwiegend explizit verankert.

Unter deklarativem Wissen wird Faktenwissen verstanden, was im Studium oder in Weiterbildungen erworben wird. Die Autoren Edwards und Mahling ver- stehen darunter das juristische Basis-Wissen, d.h. das Wissen über Gesetze, Verordnungen sowie Rechtsprechungen. Dieses Wissen ist dem persönlichen Fachwissen zuzuordnen und ist zwar implizit verankert, jedoch gilt es als „leicht vermittelbar“11.

Prozedurales Wissen wird als „automatisiertes und durch Übung erworbenes Handlungswissen“12 verstanden. Im Gegensatz zu dem juristischen Fachwissen kann prozedurales Wissen nur durch Erfahrungen in der Anwendung und Ausle- gung von Recht gewonnen werden. Dieses implizit verankerte, persönliche Fachwissen ist schwer zu kommunizieren bzw. weiterzugeben. Die Autoren No- naka und Takeuchi nennen den Austausch von implizitem Erfahrungswissen So- zialisation13 . Ein klassisches Beispiel ist der Lehrling, der durch die Beobachtung seines Meisters lernt. Diese Form der Wissensumwandlung findet in Kanzleien dadurch statt, dass junge Anwälte eng mit einem erfahrenen Partner zusammen- arbeiten und dadurch die Möglichkeit bekommen sich wichtiges, implizites Erfah- rungswissen anzueignen.

[...]


1 vgl. Probst, Gilbert et al., 1999, Klappentext

2 vgl. Schick, Hagen, 2002, 1. Absatz

3 vgl. Schick, Hagen, 2002, 1. Absatz

4 vgl. www.taylorwessing.com

5 vgl. North, Klaus, 2005, S. 21 ff.

6 vgl. Remus, Ulrich, 2002, S. 108 ff.

7 vgl. Probst, Gilbert et al., 1999, S. 46

8 vgl. Nonaka, Ikujiro / Takeuchi, Hirotaka 1997, S. 71 ff.

9 vgl. Probst, Gilbert et al., 1999, S. 46

10 vgl. Edwards, Deborah, L. et al., 1997, S. 159

11 vgl. Lehner, Franz, 2008, S. 46

12 vgl. Lehner, Franz, 2008, S. 46

13 vgl. Nonaka, Ikujiro et al., 1997, S. 75

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Analyse der Möglichkeiten und Barrieren bei Wissensmanagement-Aktivitäten in Wirtschaftskanzleien
Hochschule
Steinbeis-Hochschule Berlin
Note
1,4
Autor
Jahr
2008
Seiten
43
Katalognummer
V122250
ISBN (eBook)
9783640269440
ISBN (Buch)
9783640270484
Dateigröße
658 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Analyse, Möglichkeiten, Barrieren, Wissensmanagement-Aktivitäten, Wirtschaftskanzleien
Arbeit zitieren
Mandy Scholz (Autor:in), 2008, Analyse der Möglichkeiten und Barrieren bei Wissensmanagement-Aktivitäten in Wirtschaftskanzleien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122250

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