Zwei musikalische Formideen, die seit der musikalischen Klassik bis heute in Kompositionen verlässlich auftreten, stehen im Zentrum dieser Arbeit: Periode und Satz werden einander gegenübergestellt und nach musikalischen Parametern (Harmonik, Metrik, Motivik) eingeordnet.
Die Begriffe Satz und Periode und die mit ihnen verbundenen Formideen sollen beleuchtet und in ihrer Gegensätzlichkeit gegenübergestellt werden. Nach einem Blick in die Geschichte beider Begriffe, der Bedeutungswandel offenbaren und damit auch ihre heutige Ambiguität nachvollziehbar machen soll, betrachte ich die heute gebräuchlichen Definitionen und versuche beide Formideen möglichst genau zu charakterisieren.
Anschließend möchte ich die theoretischen Betrachtungen konkretisieren, indem ich jeweils den Beginn von Mozarts A-Dur-Sonate, KV 331 und Beethovens f-Moll-Sonate, Op. 2 Nr. 1 sowie das erste Thema des Finalsatzes aus Mozarts g-Moll-Sinfonie, KV 550 betrachte.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Periode und Satz - zwei Begriffe im historischen Wandel
2. Definition und Beschreibung zweier Modelle
3. Analyse
3.1 WolfgangAmadeusMozart: Variationsthema der A-Dur-Sonate, KV331,1. Satz
3.2 LudwigvanBeethoven: Beginn der f-Moll-Sonate, Op. 2Nr.l, 1. Satz
3.3 WolfgangAmadeusMozart: Finale der g-Moll-Sinfonie, KV 550, 4. Satz
Literaturverzeichnis
Einleitung
„Es istnatürlich, dass wir bei jeder Mittheilung, also auch bei der musikalischen, ruhiger beginnen, und uns aus dieser Ruhe zu grösserem, eindringlicherem Eifer erheben, ebensowohl vom Antheil an der uns beschäftigenden Sache oder Empfindung, als von dem Verlangen gereizt, mit unserer Mittheilung zu wirken, durchzudringen. Endlich muss für unsern Eifer oder für unsere Kraft ein höchster Punkt erreicht sein. Hier also schliessen wir, - das wäre die Satzform; oder gehn allmählig zur Ruhe zurück, durchmessen den entgegengesetzten Weg, - das ist die Periode mit steigendem Vorder- und fallendem Nachsatz.“1
Das schreibtAdolfBernhard Marx in seiner Lehre von der musikalischen Komposition und bringt damit auf den Punkt, was Inhalt dieser Arbeit sein soll. Die Begriffe Satz und Periode und die mit ihnen verbundenen Formideen sollen beleuchtet und in ihrer Gegensätzlichkeit gegenübergestellt werden. Nach einem Blick in die Geschichte beider Begriffe, der Bedeutungswandel offenbaren und damit auch ihre heutige Ambiguität nachvollziehbar machen soll, betrachte ich die heute gebräuchlichen Definitionen und versuche beide Formideen möglichst genau zu charakterisieren. Anschließend möchte ich die theoretischen Betrachtungen konkretisieren, indem ich jeweils den Beginn von Mozarts A-Dur-Sonate, KV331 und Beethovens f-Moll-Sonate, Op. 2 Nr. 1 sowie das erste Thema des Finalsatzes aus Mozarts g-Moll-Sinfonie, KV 550 betrachte.
Der Begriff Satz wird in der Musik mit verschiedenen Bedeutungen verwendet: Zum einen bezeichnet er einen musikalischen Gedanken, der sich mehr oder weniger symmetrisch aus wenigen Motiven zusammensetzt und eine Einheit, ein Ganzes bildet. Zum anderen ist er mitunter ein Synonym für das Wort Thema (beispielsweise spricht man von Haupt- und Seiten satz im Sonatenhauptsatz), bezeichnet die einzelnen Teile eines mehrteiligen Musikstücks wie einer Sinfonie oder Sonate (zum Beispiel: Sonatenhaupt satz oder Final satz einer Sinfonie) und beschreibt überdies die Einrichtung eines Musikstücks für verschiedene Besetzungen (zum Beispiel: Chor satz oder Klavier satz). In dieser Arbeit soll Satz stets nur in der zuerst genannten Bedeutung verwendet werden, denn nur in dieser Bedeutung kann er als Gegenstück zur Periode verstanden werden.
1. Periode und Satz - zwei Begriffe im historischen Wandel
Der Satz (oder früher: Das Gesetzte) meint ursprünglich ein sinnvolles Wortgefüge. Von dieser sprachlichen Ebene wurde der Begriff auf die Musik übertragen und bezeichnet eine sinnvolle musikalische Einheit als Baustein für ein Musikstück.
Der Begriff Periode (griechisch: periodos - Umlauf, Kreislauf) fand ebenfalls lange vor seiner Verwendung in musikalischen Zusammenhängen in der Rhetorik Gebrauch und bezeichnet einen abgerundeten Redesatz, ein kunstvoll gegliedertes Satzgefüge. Auch er ist auf die Musik übertragen worden und meint dementsprechend einen abgerundeten musikalischen Gedanken. Seit dem Mittelalter ist er vereinzelt in der Musiklehre zu finden, so war beispielsweise periodus harmonica im frühen 18. Jahrhundert eine Bezeichnung für das erste Kanonglied.2
1787 erschien der zweite Band von Heinrich Christoph Kochs Versuch einer Anleitung zur Composition. Darin schreibt er, ein Komponist habe nach dem fertigen Entwurf eines Werkens, die entstandenen Teile „in verschiedenen Wendungen und Zergliederungen durch verschiedene Hauptperioden durchzuführen."3 Vor allem durch diese Perioden erhalte das Stück seinen Umfang und seine Form.4 Detaillierter wird Koch in seinem Musiklexikon von 1802: Hier behandelt er Satz, Periode und Absatz. Demnach sei ein Satz „jedes einzelne Glied eines Tonstücks, welches an und für sich selbst einen vollständigen Sinn bezeichnet“5, und eine Periode die Vereinigung verschiedener Sätze, die immer mit einer Kadenz, und damit in Analogie zur Rhetorik in einem „vollkommensten Ruhepunkte des Geistes“6 endete. Ein Absatz hingegen sei im weiteren Sinne jeder Ruhepunkt der Melodie, im engeren Sinne jedoch ein Bestandteil einer Periode mit vollständigem Sinn, der sich in weitere kleinere Teile gliedere.7 Damit charakterisiert Koch die Begriffe Satz und Absatz als weitgehend synonym, die Periode dagegen als eine Einheit mehrerer Sätze mit variablem Umfang und Kadenzschluss. Es stellt aber auch fest, dass die Begriffe auch im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert nicht einheitlich verwendet wurden. Viele bezeichneten einen solchen Teil mit vollständigem Sinn (also einen Satz) als Periode.
Das könne unter anderem daran liegen, dass in der Rhetorik häufig nur ein Satz zu Bildung einer Periode diene, dafür aber eine Rede aus sehr vielen Perioden bestehe; in der Musik hingegen fasse eine Periode in der Regel mehrere Sätze, ein Musikstück enthalte aber im Vergleich zu einer Rede nur wenige Perioden.8
Anton Reicha beschreibt 1834 einen zusätzlichen Aspekt: die Symmetrie. Eine gute Melodie müsse in gleiche beziehungsweise ähnliche Abschnitte mit symmetrischen Ruhepunkten geteilt sein. Die Periode als wichtigster Gegenstand der Melodie sei also aus symmetrischen Gliedern zusammengesetzt und endete immer mit einer vollkommenen Kadenz.9
Bei einem Blick in Adolf Bernhard Marx’ Lehre von der musikalischen Komposition von 1887 fällt ein beginnender Bedeutungswandel des Begriffs Periode auf. Er beschreibt die Entstehungvon Melodien aus zwei symmetrischen Hälften, von denen sich die erste steigernd bis zu einem Ruhepunkt und die zweite wieder zurück zum Ausgang, dem wahren Ruhepunkt, bewege. Diese beiden Hälften, bezeichnet mit Vordersatz und Nachsatz, ergänzten sich in ihrer Gegensätzlichkeit zu einem größeren Ganzen, das man Periode nenne. Ein Satz sei zwar auch für sich schon abgeschlossen, entwickle sich aber nur in eine Richtung. Sofern ein zweiter Satz, der diese Entwicklung umkehre, hinzutrete, entstehe eine Periode.10 Bei Marx ist also die Periode, genau wie bei Koch, eine größere Einheit aus mehreren Sätzen und, genau wie bei Reicha, symmetrisch aufgebaut. Allerding legt Marx die Anzahl der Sätze, die eine Periode bilden, auf zwei fest und konkretisiert deren Funktion als steigenden Vordersatz und sinkenden Nachsatz (wenngleich er auch schreibt, es seien ebenso Perioden mitsinkendemVorder- und steigendem Nachsatz denkbar[10]). Vor allem aber, und das unterscheidet seine von den zuvor betrachteten Ausführungen, entwirft er die Ideen Satz und Periode als gegensätzliche Modelle, als grundsätzliche Gegenstücke, die dem Komponisten zwei Möglichkeiten bieten, eine Melodie zu entwickeln (vgl. Zitatvon Marx in der Einleitung). Damitist der Satz nicht mehr nur ein Bestandteil der Periode, sondern kann genauso als eigenständiges Gegenmodell verstanden werden.
In Hugo Leichtentritts Musikalischer Formenlehre von 1911 tauchtnun der Begriff Satz in einer veränderten Bedeutung auf. Hier wird Satz nicht als Gegenstück, sondern als Oberbegriff zur Periode verwendet. Dabei wird unter Periode genau eine solche musikalische Einheit verstanden, wie sie Marx beschrieben hat, allerdings legt Leichtentritt ihren Umfang auf 8 Takte (4 Takte Vorder- und 4 Takte Nachsatz) fest. Jede Periode, so Leichtentritt, sei ein Satz, es gebe aber auch nicht periodische Sätze. Ein Satz sei genau dann periodisch gestaltet, wenn zwischen den beiden Viertaktgruppen (Vorder- und Nachsatz) Ähnlichkeit vorliege. Der Grad derÄhnlichkeit könne variieren zwischen lediglich der Übereinstimmung des fünften mit dem ersten Takt und einer Gleichheit beider Teile bis auf die Kadenz. Weiter existierten fünf verschiedene Typen von Perioden, die anhand der Harmonik zu unterscheiden seien: 1. Halbschluss im Vordersatz und Ganzschluss im Nachsatz; 2. Modulation zu Dominate im Vordersatz und Ganzschluss (Tonika) im Nachsatz; 3. Ganzschluss im Vordersatz und Modulation zur Dominante im Nachsatz; 4. Halbschluss im Vordersatz und Modulation zur Dominate im Nachsatz; und 5. Ganzschluss im Vordersatz und Ganzschluss im Nachsatz. Schließlich werde häufig ein nicht periodischer achttaktiger Satz als Vorersatz einer größeren, sechzehntaktigen Periode verwendet.11 In dieser Hinsicht liegt Leichtentritt trotz der veränderten Bedeutung des Begriffs Satz wieder relativ dicht bei Marx. Dennoch: Er legt hier einen regelhaften Umfang (8 Takte) fest.
Da bei Leichtentrittjede Periode ein Satz ist, besteht auch ein Satz aus Vorder- und Nachsatz (im Regelfall 4+4 Takte). Sind diese beiden einander ähnlich, so liegt eine Periode vor. Indem man vernachlässigt, dass Satz als Oberbegriff gebraucht wurde, und stattdessen ergänzt, dass der Satz ein Gegenstück zur Periode ist, gelangt man durch die Kombination von Marx’ und Leichtentritts Gedanken in die Nähe des heutigen Verständnisses der beiden Begriffe Periode und Satz.
2. Definition und Beschreibung zweier Modelle
Periode und Satz sind zwei gegensätzliche syntaktische Grundmuster, die vor allem für die Musik der Klassik sehr typisch und seither nichtmehr wegzudenken sind. Sie umfassen modellhaft acht Takte und setzen sich nach dem Frage-Antwort-Prinzip aus jeweils vier Takten Vorder- (Spannung, Frage) und Nachsatz (Entspannung, Antwort) zusammen. Je nach Taktart, Tempo und Charakteristik der Komposition treten sie ebenso häufig als sechzehntaktige (8+8) oder auch viertaktige (2+2) Einheiten auf.
Für die Periode sind drei zentrale Merkmale entscheidend: „metrische Korrespondenz der Taktgruppen, motivische Entsprechung von Vorder- und Nachsatz, harmonische Ergänzung von Halb- und Ganzschluß. Dies sorgt für die in sich ruhende Geschlossenheit der klassischen Periode.“12 Metrische Korrespondenz meint in erster Linie die symmetrische Gliederung der Periode in zwei Viertaktgruppen, in Vorder- und Nachsatz, die sichje- weils nochmals symmetrisch in zwei Zweitaktgruppen unterteilen lassen. Die Korrespondenz dieser beiden Halbsätze, die im Verhältnis Öffnen - Schließen stehen, betrifft aber nicht nur die Metrik, sondern auch die Harmonik und Motivik. Harmonisch wird das Öffnen und Schließen besonders deutlich: Ein öffnender Halbschluss im Vordersatz (derVordersatz führt von der Tonika zur Dominante) wird durch einen schließenden Ganzschluss im Nachsatz (der Nachsatz führtvon der Dominante zurück zur Tonika) ergänzt. Dadurch wird die Periode vom Zuhörer wie vom Musiker sofort als Einheit aufgefasst. Dazu trägt selbstverständlich auch der dritte zentrale Aspekt, die motivische Entsprechung bei. Typisch für die Periode ist ein Vordersatz, der sich aus zwei verschiedenen, jeweils zweitaktigen Motiven zusammensetzt (seien diese mit a und b bezeichnet). Motivische Entsprechung bedeutet nun, dass der Nachsatz die Motive des Vordersatzes aufgreift und an die umgekehrten harmonischen Verhältnisse anpasst. Dabei ist die Übereinstimmung der Takte 5+6 mit den Takten 1+2 in der Regel größer als die zwischen den Takten 7+8 und 3+4. Durch die unterschiedlichen Kadenzen in den beiden Halbsätzen ergibt sich für den Nachsatz die Motivfolge a - b'. „In schöner Balance greifen dann motivische Entsprechung (a b | a b') und harmonischer Gegensatz (TD|DT) ineinander.“[12]
[...]
1 Marxl887,S. 30
2 Vgl. Blumröder 1996
3 Koch2007,S. 249f.
4 Vgl. ebenda
5 Kochl802,1289f.
6 ebenda, 1149 f.
7 Vgl. ebenda, 13
8 Vgl. Kochl802,1150
9 Vgl. Reicha 1834
10 Vgl.Marx 1887, S. 29f.
11 Vgl. Leichtentritt 1987, S.9 ff.
12 Kühn 2010, S. 55
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