Jugoslawien seit 1980 - Geschichte einer Staaterosion


Hausarbeit (Hauptseminar), 1994

13 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Historischer Rückblick auf Osteuropa
1. Der Befreiungskampf gegen die Türken
2. Jugoslawien im 19. Jahrhundert
3. Die 80er Jahre. Anfang des Zerfalls
4. Das Ende von Jugoslawien

III. Zusammenfassung

Anhang

IV. Literatur

I. Einleitung

Mit dieser Arbeit will ich an dem Beispiel Jugoslawiens den Zerfall des ehemaligen Ostblocks zeigen. Der Osten Europas ist heute ein Krisenherd des Kontinents. Seitdem die alten Strukturen die innere Ruhe nicht mehr garantieren, existiert die Bedrohung von sozialen und nationalen Konflikten. Es müssen die Deformationen überwunden werden, die das System angerichtet hat. Der Zusammenbruch wirtschaftlicher Strukturen führte zu einer Verunsicherung der Bevölkerung. Es gibt weder das traditionelle System zentraler Planung, noch das wirtschaftliche System funktioniert.

Ich möchte zeigen, daß oft auf die heutigen Probleme ohne die notwendige Tiefe vor allem der historischen Kenntnisse gesehen wird. Ich bin Bulgarin, und es ist mir gut bekannt, daß die Menschen aus Westeuropa oft nicht die richtigen Vorstellungen über die Balkanhalbinsel haben. Sie kennen die kulturellen und historischen Gründe nicht, die die Menschen zu verschiedenen Taten in der Gegenwart treiben. Ich will darlegen, daß der Nationalismus auf der Balkanhalbinsel für die Menschen dort notwendig ist. Es ist eine Art, sich als Volk und Nation zu bewahren und zu behaupten. Natürlich führt der Nationalismus zur Unterdrückung eines Volkes von anderen. Ich bin der Meinung, daß die vorgeschlagenen Friedensmodelle für Jugoslawien nicht erfolgreich sein können. Die internationalen Organisationen unterstützen die wenigen Initiativen, die aus Jugoslawien kommen, nicht. Diese Initiativen, die sie vorgeschlagen haben, können nicht akzeptiert werden, weil sie fremd für die Menschen in Jugoslawien sind.

II. Historischer Rückblick auf Osteuropa

Damit man besser die heutigen Ereignisse in Jugoslawien versteht, muß man sich mit der Geschichte dieses Landes bekannt machen. Die Grundlagen für viele Konflikte liegen in der Vergangenheit. Oft wird der Haß zu einem anderen Volk von Mutter zum Sohn übergeben. Das nationalistische Potential innerhalb der Bevölkerung ist groß. Es gibt politisch einflußreiche Kräfte, die das ausnutzen.

1. Der Befreiungskampf gegen die Türken

Die Anfänge der heutigen Konflikte liegen im 14. Jahrhundert, als die Serben den südlichen Balkan beherrschten. Skopje war die Hauptstadt. Die Serben übten einen großen Einfluß auf die Balkanhalbinsel aus. Der weiteren Expansion nach Süden und Südosten stand jedoch das Osmanische Reich entgegen. Die Türken bereiteten ihre weitere Expansion nach Norden mit dem Sieg über die Bulgaren und kleine serbische Verbände. Am 28. Juni 1389 kam es zu einem wichtigen historischen Ereignis in Kosovo. Das ist das so genannte Amselfeld. Es kam zu einer Entscheidungsschlacht zwischen den beiden regionalen Großmächten. Die serbische Armee verlor diese Schlacht, und 1521 eroberten die Türken Belgrad und später Ungarn. Aus dieser Zeit stammt das von Klemens Ludwig genannte serbische Nationalbewußtsein. "Das, was heute als serbisches Nationalbewußtsein von unterschiedlichen Ideologen zur Grundlage der Politik gemacht wird, ist eine unentwinbare Mischung aus Träumen von einstiger Größe, dem Mythos einer Opfernation, sowie der realen Erfahrung mit einem Genozid." (Ludwig 1993:136) Die serbische Armee bestand damals nicht nur aus Serben. In ihr waren außer Serben noch Albaner, Walachen und Bulgaren. Die Serben vergessen aber oft diese Tatsache. Mit der Zeit wurde die Niederlage auf dem Amselfeld zu einem Heldenepos, das eine wichtige Rolle für das serbische Nationalbewußtsein spielt. Einen großen Beitrag zum Werden von diesem Heldenepos hat die orthodoxe Kirche geleistet. Der Führer der vereinten Armee Lazarevic (Lazar) wurde als Glaubensmartyrer heiliggesprochen. Die Kirche hatte aber auch eine andere wichtige Rolle. Bis zum 19. Jahrhundert war sie Garant für die Pflegung der serbische Sprache und Kultur. Hierbei spielte sie eine positive Rolle. "Die Kirche verstand sich immer als Martyrerkirche, genau wie das Volk." (Ludwig 1993:137) Deswegen gab es wenige Serben, die zum Islam übergangen sind. Auf der Balkanhalbinsel gibt es außer der orthodoxen Kirche das so genannte lateinische Christentum. Man versteht darunter katholische und protestantische Kirche (Kroaten, Slowenen). Nur zwei Völker gehören nicht zu dieser Aufteilung, nämlich die Albaner und Bosniaken, die islamisierte Slawen sind. Die religiösen Unterschiede beeinflussen Mittel- und Osteuropa und bilden eine eher kulturhistorische als politische Einheit. Grundlagen für eine kulturhistorische Einheit sind die religiösen Zusammengehörigkeitsgefühle und die gemeinsame Erfahrung der Unterjochung durch die Türken.

Schon die Türken benutzten die Albaner und die Bosnier, um ihre Herrschaft auf den Balkan zu festigen. Viele Albaner wurden in serbisches Stammland angesiedelt. Die Serben zogen nach Norden (Richtung habsburgisch-österreichische Grenze). Die Habsburger bedienten sich der Serben, um sich gegen die Türken zu schützen. Sie richteten entlang der Südgrenze auf kroatischem Gebiet (seit 1526 gehörte Kroatien zur Habsburgischen Monarchie) Wehrdörfer von serbischen Flüchtlingen ein. So bekamen die Serben in diesem Gebiet eine Wehrfunktion. Der Anspruch Serbiens auf Kosovo als eigentliches Kernland hat die Jahrhunderte aber überlebt. Die großen Konkurrenten der Türken auf dem Balkan waren die Kroaten. Kulturell und ethnisch sind Serben und Kroaten verwandt. Sie gehören zu den Slawen und sprechen nahezu dieselbe Sprache. Historisch und religiös gingen sie aber verschiedene Wege. Kroaten sind Katholiken. Ihre ethnisch-kulturelle Identität ist bis ins heutige Jahrhundert für die ausländischen Beobachter selbstverständlich. Wuk Karadzic (1787-1864) hat mit seiner Hinwendung zur Volkspoesie die moderne serbo-kroatische Sprache geschaffen.

2. Jugoslawien im 19. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert haben sich die slawischen Völker vom türkischen Joch befreit. Auf dem Berliner Kongreß 1878 wurde die serbische Souveränität anerkannt. Die Nationalbewegungen begannen langsam zuzunehmen. "Die Serben verstanden sich als Speerspitze für den Befreiungskampf aller südslawischen Völker. Ihre territorialen Forderungen gingen dabei weit über das eigentliche Siedlungsgebiet hinaus. Bei den Kroaten gab es ähnliche Entwicklungen. Ihre territorialen Ansprüche waren auch groß. Großkroatien sollte sich von Südkärnten bis Albanien und Warna in Bulgarien erstrecken." (Ludwig1993:139)

Das 19. Jahrhundert war auch die Blütezeit des "Jugoslawismus", der auf die Idee, daß Kroaten und Serben ein Volk sind, und daß sie einen gemeinsamen Staat anstreben, beruhte. Am Ende des 1. Weltkrieges hat der "Jugoslawismus" seinen Höhepunkt erlebt. 1918 wurde Jugoslawien als "Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen" gegründet. Der entstandene Staat war nicht ideal. Die Serben dominierten den Staat, ohne viel auf die Rechte der anderen Völker zu geben. Die aufgetretenen Konflikte eskalierten so rasch, daß König Alexander I im Jahre 1929 eine "Königsdiktatur" kündete. Im Oktober 1934 wurde der König in Marseille von Ustaschen und VMRO (Innere Revolutionäre Mazedonische Organisation) erschossen. 1939 entstand Banovina Kroatien, die Kroatien, Dalmatien und den grüßten Teil Bosniens umfaßte. Banovina Kroatien war ein Staat im Staat. Das war eine Vorbereitung für den Unabhängigen Staat Kroatien, den 1941 Ante Pavelic mit Hitlers Hilfe schuf. Kroatien sollte "serbenrein" werden. Die Serben wurden den Juden gleichgestellt. Sie wurden gettoisiert, völlig rechtlos, willkürlich verhaftet, gefoltert und erfordert. Am 1. September 1941 schrieb die Londoner "Times": "Am meisten verhaßt, besonders bei Serben, sind die kroatischen Emigranten und Renegaten, die Ustaschi, die mehrheitlich mit den Invasoren zurückkehrten und denen die Regierungsgewalt über das vergrößerte Kroatien gegeben wurde ... Die numerische Schwäche der Ustaschi machte sie um so williger, ihre Gegner aufzuhängen, zu erschießen und zu vertreiben, proserbische Kroaten und Serben des römisch-katholischen oder orthodoxen Bekenntnisses, als sie spüren, daß sie selbst bei deutscher Unterstützung nur durch Terror gegen ihre Kritiker und Gegner überleben konnten." (W. Oschlies, "Aus Politik und Zeitgeschichte", B37/93,10.9.1993, S. 5)

Bei dem Terror beteiligte sich aktiv direkt oder indirekt die katholische Kirche. Ein Drittel der Serben müßten durch katholische Taufe zu Kroaten gemacht werden. Der Terror erzeugt Gegenterror. Der Gegenterror kam von der Seite der Kommunisten, die nach dem Sieg nicht zwischen tatsächlichen Kriegsverbrechern und zwangsrekrutierten Jugendlichen unterscheiden konnten. Die größten Kriegsverbrecher wurden nicht nach Jugoslawien zurückgeschickt, obwohl es entsprechende Anträge gab. Es wurde manchem Kriegsverbrecher möglich, daß sie später zurückkehrten. Beispiel dafür ist der General Franjo Tudjman, der nach Kroatien zurückkehrte.

Tito versuchte, Jugoslawien neu zubauen. Die Völker im Jugoslawien mußten gleichberechtigt werden. Es gab sechs Republiken - Slowenien, Kroatien, Bosnien- Herzegowina, Serbien, Montenegro und Mazedonien. Es existierten zwei autonome Gebiete innerhalb der Republik Serbien: Vojvodina und Kosovo. In Jugoslawien lebten Angehörige von etwa 30 verschiedenen Völkern zusammen. 1974 wurde eine neue Verfassung geschaffen, die mehr Spielraum für die Republiken bereitstellte. Die Autonomierechte der Provinzen Kosovo und Vojvodina wurden festgeschrieben. Die Resultate dieser Verfassung sind wie folgt in "Aus Politik und Zeitgeschichte" formuliert: "Bundeskompetenzen wurden bis zur Lächerlichkeit ausgehöhlt, der gemeinsame jugoslawische Markt zerschlagen, die republikanischen Partei- und "Staats" - Bürokratien versechst-, ja verachtfacht. Im Grunde hat der jetzige Krieg seine Wurzeln in jener Konstitution von 1974..." (W. Oschlies, „Aus Politik und Zeitgeschichte“, B37/93, 10.9.1993, S. 7) Noch erstaunlicher für mich ist, daß schon Suvar im Jahre 1972 genau die heutigen Kriegsziele zeigen konnte. "Eine der typischen Reaktionen des kroatischen Nationalismus ist, die größere Kultur der kroatischen Nation gegenüber anderen zu beweisen - was eine Lüge, ein Stereotyp, ein Mythos ist. Gleichfalls muß der serbische Nationalismus seit jeher Serben als heldenhaftes, tapferes, unbeugsames Volk herausstreichen. Den kroatischen Nationalismus dient also die Kultur, den serbischen das Waffengeklirr als Kompensation ...Der serbische Nationalismus will ein Groß-Serbien, das Mazedonien, Montenegro, Bosnien-Hercegovina einschließt. Worauf der kroatische Nationalismus mit Thesen antwortet, daß die Slowenen 'Alpen-Kroaten', die Muslime 'Dialekt-Kroaten', die Serben bis zur Drina 'orthodoxe Kroaten', die Montenegrier 'Ost- Kroaten' seien. Also auch die kroatischen Nationalisten würden ihren enträumten Nationalstaat gern um einen Teil Sloweniens, ganz Bosnien-Hercegovina, Süd-Montenegro, Nord- und Mittelserbien abrunden." (W. Oschlies, "Aus Politik und Zeitgeschichte", B37/93, 10.9.1993, S. 6)

3. Die 80er Jahre. Anfang des Zerfalls

Tito hat Jugoslawien nach dem 2. Weltkrieg vereinigt. Er hat Jugoslawien davor bewahrt, ein von Stalins Satelliten zu werden. Jugoslawien wurde als eine Brücke zwischen Ost und West weltweit geschätzt. Für Mazedonien war das Titoische Jugoslawien eine Möglichkeit, sich national-kulturell zu emanzipieren. Nach dem Tod Titos, am 1. Mai 1980, war es nicht mehr möglich, weiter Jugoslawien als Union von sechs Republiken zu erhalten. Schon 1980/81 kam es in Kosovo zu Unruhen zwischen der albanischen Bevölkerungsminderheit und den Serben. Es war ein Streit über Dominanz. Die Gezänke über Bedrohungen der eigenen Sprache sind aber älter. 1974 gab es Menschen, die gegen die "Zweisprachigkeit" in Kosovo und die "Mehrsprachigkeit" in Vojvodina waren. Oft wird auch der Beitrag der Serben in diesem Konflikt als der einzige betrachtet.

[...]

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Jugoslawien seit 1980 - Geschichte einer Staaterosion
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Soziologie)
Veranstaltung
Regionalismus und Nationalismus in Europa
Note
2,0
Autor
Jahr
1994
Seiten
13
Katalognummer
V123203
ISBN (eBook)
9783640276202
ISBN (Buch)
9783640276295
Dateigröße
499 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jugoslawien, Geschichte, Staaterosion, Regionalismus, Nationalismus, Europa
Arbeit zitieren
Dr. Mariana Parvanova (Autor:in), 1994, Jugoslawien seit 1980 - Geschichte einer Staaterosion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123203

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Jugoslawien seit 1980 - Geschichte einer Staaterosion



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden