Die Charakterisierung der Figur Karls des Großen im "Rolandslied" des Pfaffen Konrad


Hausarbeit, 2019

19 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1 Karl als Christ
2.2 Karl als Kriegsherr
2.3 Karl als zorniger Kaiser
2.4 Karl als Herrscher

3. Schlussbetrachtungen

1. Einleitung

Das Leben Karl des Großen, sowohl alle wirklichen Begebenheiten als auch ausgeschmückte Zusätze, ist der Stoff bzw. die Quelle für zahlreiche literarische Werke. Als historische Person war der Kaiser vor allem geprägt durch seine militärisch-politischen Errungenschaften. Die Ausdehnung des Herrschafts- und Einflussbereichs war Hauptziel seiner Bemühungen.1 Doch auch die Förderung von Wissenschaft und Kunst war während seiner Herrschaft ein wichtiges Anliegen. So führte er eine Bildungsreform ein, versuchte Buchbestände von Klöstern aufzustocken, förderte die Vereinheitlichung der Schrift sowie Buchmalerei und Elfenbeinschnitzerei.2

Karls Rezeption in der Literatur begann zwischen 8803 und 890 mit dem im Kloster St. Gallen entstandenen Werk ‚Gesta Karoli Magni‘ vom Mönch Notker Balbulus. Darin wird Karl sowohl als gerecht, besorgt und auf das Wohl seiner Untertanen bedacht beschrieben als auch als Bekämpfer der Heiden, Kreuzfahrer und Pilger dargestellt.4 Es muss jedoch bedacht werden, dass das Werk, wie viele Karl Adaptionen in der Literatur, zum Teil stark märchen- bzw. sagenhafte Erweiterungen des realen Leben Karls beinhaltet.5 Auch in anderen Ländern war Karls Person eine sehr beliebte Grundlage für literarische Werke und so entstanden zum Beispiel in Frankreich im 11./12. Jahrhundert die ersten Texte über Karl den Großen. Dazu zählten bspw. ‚Descriptio‘ und der ‚Pseudo-Turpin‘, welche beide in lateinischer Sprache verfasst wurden. Das erste volkssprachige Werk entstand um 1100 als erste ‚Chanson de geste‘. Das Werk mit dem Titel ‚Chanson de Roland‘ weist die für seine Gattung typischen Merkmale auf: das christliche Heilskonzept wird in ein Zusammenspiel mit einem Staatsheilkonzept gebracht, bei welchem Karl im Schnittpunkt beider Konzepte steht. Dieses Werk übersetzte der Pfaffe Konrad in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts ins deutsche, wobei er seinen Akzent eher auf das Kreuzzugsgeschehen legte.6 Somit gehört das ‚Rolandslied‘ in eine Zeit, in der in Deutschland sozusagen eine Karlsfaszination entstand.7 Mit ‚Karl‘ des Strickers erschien eine weitere Adaption der ‚Chanson de Roland‘ in deutscher Sprache.8 Auch in den darauffolgenden Jahrhunderten findet Karl der Große als Stoffgrundlage noch großen Anklang. Das zeigt sich zum Beispiel an dem Ende des 14. Jahrhunderts entstandenen ‚Karlmeinet‘, welcher in 35000 Versen das Leben Karls zyklisch behandelt oder die im 15. Jahrhundert entstandenen Romane der Gräfin Elisabeth von Nassau: ‚Herpin‘, ‚Sibille‘, ‚Loher und Maller‘ und ‚Hugo Scheppel‘.9

Die Person Karl der Große scheint für die literarische Welt eine sehr interessante Textgrundlage zu sein. So war er auch Stoffquelle für das die Grundlage dieser Arbeit bildende ‚Rolandslied‘10. Karl nimmt neben Roland und Genelun einen wichtigen Platz in diesem literarischen Werk ein. Gleich im Prolog macht der Pfaffe Konrad klar, dass dies ein Werk über Karl sein wird. Er bittet Gott ihm dabei zu helfen die Wahrheit zu schreiben von eineme tiurlîchem man / wie er daz gotes rîche gewan. (RL 9f.). Da der Kaiser eine so prägnante Rolle im ‚Rolandslied‘ einnimmt, wird diese Arbeit die Figur Karl des Großen zum Thema haben. Es soll untersucht werden wie die Figur charakterisiert wird. Wie wird Karl durch den Autor Konrad, durch andere Figuren oder von sich selbst beschrieben und wie steht sein Verhalten bzw. stehen seine Taten in diesem Zusammenhang. Anders: welches Karlsbild wird im Text geschaffen und steht dieses Bild in Widerspruch zum tatsächlichen Handeln Karls. Dabei beziehe ich mich auf die Figurencharakterisierungstechniken von Pfister, da sie mir im Gegensatz zu anderen Figurentheorien (bspw. Eder oder Köppe/Kindt) für die Fragestellung am angemessensten erscheinen. Durch Pfisters Unterscheidung in explizit-figurale, implizit-figurale, explizit-auktoriale, implizit-auktoriale Charakterisierungstechniken lässt sich die Problemstellung dieser Arbeit am besten bearbeiten. Methodisch teile ich die Bearbeitung der Fragestellung in mehrere zentrale Eigenschaften / Positionen / Emotionen Karls, welche gesondert untersucht werden sollen. Natürlich ist bei Figurencharakterisierungen eine klare Abgrenzung der einzelnen Aspekte einer Figur schlecht möglich, weshalb es zu Überschneidungen bzw. Vermischungen der einzelnen Thematiken kommen kann.

2. Hauptteil

2.1 Karl als Christ

Das Heilskonzept ist im ‚Rolandslied‘ ein grundlegendes Motiv. Konrad setzt, anders als seine altfranzösische Vorlage, den Hauptaspekt mehr auf das Kreuzzugsgeschehen und somit auch auf das Heilskonzept.11 Karl behaftet man als Anführer der christlichen Armee mit dem Bild eines vorbildlichen, fehlerfreien Christen. Ob und inwieweit er diesem Bild entspricht, soll in diesem Absatz untersucht werden.

Im Prolog zu Beginn des ‚Rolandslieds‘ schreibt der Pfaffe Konrad über Karl. Durch diese explizit-auktoriale Charakterisierungstechnik beschreibt er Karl als tiurlîchem man (RL 9) und schafft sogleich eine Verbindung Karls zu Gott, indem er davon schreibt wie Karl dasz gotes rîche gewan (RL 10).12 In den nächsten Versen redet Konrad von den zahlreichen Eroberungen des Kaisers und wie er diese mit Gottes Hilfe erreichte (vgl. RL 11-15), so erwarb Karl êre unde frum (RL 18) für alle Christen. Schon im Prolog wird die Beziehung von Karl zu Gott ein zentrales Thema. Nellmann sieht Karls unmittelbares Verhältnis zu Gott als ein Hauptmotiv des ‚Rolandslieds‘.13 Gott hilft Karl bei seinen Erfolgen, damit das Volk Gottes zu Ehre und Ruhm gelangt. Karl erscheint also als Gottes Helfer. Karl ist für die Ewigkeit aufgenommen in Gottes rîche (RL 29), da er Gottes Willen durchsetzt und den Sieg über die Heiden erlangt (vgl. RL 20). In Vers 31 wird Karl von Konrad direkt als gotes dienestman (RL 31) definiert, später nennt er ihn sogar der wâre gotes dienestman (RL 801). Die explizit-figurale Charakterisierung durch den Fremdkommentar eines Engels lässt darauf schließen, dass Gott Karl ebenfalls als seinen Diener einstuft (vgl. RL 55). Der Kaiser betet zu Gott die Heiden bekehren zu dürfen und erhält Gottes Einverständnis; so ist der Krieg gegen die Heiden göttlich legitimiert.14 Außerdem zeigt sich ihre Nähe: Gott erhört Karls Gebete und schickt einen Engel, um ihm seine Antwort mitzuteilen (vgl. RL 47-61).

Auch Karls Verhalten unterstützt auf einer implizit-figuralen Ebene seine Gottesfürchtigkeit und enge Verbundenheit zu Gott, da er häufig zu Gott betet und auch mehrmals eine Antwort auf seine Gebete erhält (vgl. RL 47-61 und 7017-7027).

Eine Kriegsrede Karls an die Fürsten (vgl. RL 83-106) ist grundlegend theologisch. Er fordert die Fürsten nicht auf ihm, dem Kaiser, aus machtpolitischen Gründen im Krieg gegen die Heiden zu unterstützen, sondern allein um Gottes Willen zu erfüllen: er sprach: ‚wol ir mîne vil lieben / nû scul wir gote dienen / mit lûterlîchem muote‘ (RL 87-89). Auch zeigt sich eine christliches Glaubensgrundlage in dieser Szene: Karl verspricht demjenigen, der sein Leben für Gott gibt eine küninclîche crône / in der marter æ re chôre / diu liuchtet sam der morgensterne (RL 103-105). Schon vorher im Text wird klar, dass die Christen den Tod nicht als etwas Schlimmes empfinden, sondern für Gott zu sterben sogar als sehr erstrebenswert wahrnehmen: die Fürsten gerten nichtes mêre / wan durh got ersterben / das hîmelrîche mit der martire erwerben (RL 80-83). Auch der Kaiser selbst scheint keine Angst vor dem Tod zu haben, eher im Gegenteil. Karl gibt in einem Eigenkommentar (explizit-figural) zu verstehen, dass er Got t frœlîche / im opheren en lîb (RL190f.). Der Kaiser selbst betont, dass er lieber sterben würde bevor er Marsilie gewinnen lässt (vgl. 6165-6167). Diese Aussage unterstützt Brechmunda, die Frau Marsilies, indem sie zu den Boten Paligans sagt:

Karles site sint sô getân,

si suochent selbe den tôt,

ê er durch decheiner slachte nôt

ain fuoz iemer entwîche.

(RL 7324-7327)

So wird das Märtyrermotiv sowohl vom Text als auch von Karl selbst als ausschlaggebender Punkt im Krieg profiliert.15 Der Pfaffe Konrad benennt Karl explizit als furchtlos: er ne vorchte neheinen tôt (RL 388), ebenso weiß Genelun: durch got stürbe er gerne (RL 2250).

All diese Textstellen lassen einen vorwiegend christlich motivierten, in einer nahen Beziehung zu Gott stehenden Kaiser erkennen, der den Märtyrertod nicht fürchtet, sondern ihn in Gottes Willen als erstrebenswert begreift. Dieses Bild ergibt sich durch explizit-figurale Charakterisierungstechniken wie die Eigenkommentare Karls und die Fremdkommentare sowohl der Christen als auch der Heiden, durch implizit-figurale Charakterisierung wie das Beten Karls und seine Rede, und durch explizit-auktoriale Kommentare des Autors.

Im Gegensatz dazu vermittelt das ‚Rolandslied‘ ein weiteres Karlsbild: der emotionale Kaiser, der wegen seiner tiefen Trauer die Grundsätze seines Glaubens vergisst und somit auch seine Verbundenheit zu Gott untergräbt.

Der Rezipient erlebt Karl in Trauer, nachdem Genelun und die Fürsten Roland als Führer der Nachhut bestimmen (vgl. 2958-2964). Seine Trauer zeigt sich an seinen Worten zu Genelun: ir ne gatâtet mir nie sô laide (RL 2981), war umbe hâst du mir mîne huote benomen? / des trûret mîn sêle (RL 3110f.) und durch den Nebentext, also durch explizit-auktoriale Charakterisierung, vor allem an seinem Körper:

Der kaiser harte erblaichte.

daz houbet er nider naicte.

daz geh œrde von ime flôch.

daz gesiune im enzôch.

vil trûrlîchen er saz.

sich verwandelôte allez, daz an im was,

trübe wâren sîniu ougen.

(RL 2965-2971)

[...]


1 Vgl. Wolfgang Spiewok: Karl der Große als Mäzen und literarische Figur. In: Das ‚Rolandslied‘ des Konrad. Greifswald: 1996 (=Reinekes Taschenbuch-Reihe 15). S. 1-14, hier S. 3

2 Vgl. Marianne Ott-Meimberg: Kreuzzugsepos oder Staatsroman? Strukturen adeliger Heilsversicherung im deutschen >Rolandslied<, München: Artemis 1980. S. 5-7.

3 Vgl. Marianne Ott-Meimberg: Kreuzzugsepos oder Staatsroman? S. 9.

4 Vgl. Wolfgang Spiewok: Karl der Große als Mäzen und literarische Figur. S. 10.

5 Vgl. Marianne Ott-Meimberg: Kreuzzugsepos oder Staatsroman? S. 9.

6 Vgl. Wolfgang Spiewok: Karl der Große als Mäzen und literarische Figur. S. 11.

7 Vgl. Marianne Ott-Meimberg: Kreuzzugsepos oder Staatsroman? S. 18.

8 Vgl. Wolfgang Spiewok: Karl der Große als Mäzen und literarische Figur. S. 12.

9 Vgl. Wolfgang Spiewok: Karl der Große als Mäzen und literarische Figur. S. 13.

10 Im Folgenden zitiert nach: Das Rolandslied des Pfaffen Konrad. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch, hg., übers. und komm. von Dieter Kartschoke, Stuttgart: Reclam 1993

11 Vgl. Annette Gerok-Reiter: Der Hof als erweiterter Körper des Herrschers. Konstruktionsbedingungen höfischer Idealität am Beispiel des Rolandsliedes. In: Courtly Literature an Clerical Culture. Hrsg. v. Christoph Huber und Henrike Lähnemann, Tübingen: Attempto Verlag 2002. S. 77-92, hier S. 80

12 Vgl. Stefan Tomasek: Ambivalenz eines Kaisers. Die Figur Karls des Großen im ‚Rolandslied‘ des Pfaffen Konrad. In: Karlsbilder in Kunst, Literatur und Wissenschaft. Hrsg. v. Franz Fuchs und Dorothea Klein, Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann 2015 (=Rezeptionskulturen in Literatur- und Mediengeschichten 1). S. 139-171, hier S. 139

13 Vgl. Eberhard Nellmann: Die Reichsidee in deutschen Dichtungen der Salier- und frühen Stauferzeit. Annolied – Kaiserchronik – Rolandslied – Eraclius. Berlin: 1963 (=Philologische Studien und Quellen 16). S. 179.

14 Vgl Stefan Tomasek: Ambivalenz eines Kaisers. Die Figur Karls des Großen im ‚Rolandslied‘ des Pfaffen Konrad. S. 140.

15 Vgl. Stefan Tomasek: Ambivalenz eines Kaisers. Die Figur Karls des Großen im ‚Rolandslied‘ des Pfaffen Konrad. S. 157.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Charakterisierung der Figur Karls des Großen im "Rolandslied" des Pfaffen Konrad
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Note
1,3
Jahr
2019
Seiten
19
Katalognummer
V1235883
ISBN (eBook)
9783346658555
ISBN (Buch)
9783346658562
Sprache
Deutsch
Schlagworte
charakterisierung, figur, karls, großen, rolandslied, pfaffen, konrad
Arbeit zitieren
Anonym, 2019, Die Charakterisierung der Figur Karls des Großen im "Rolandslied" des Pfaffen Konrad, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1235883

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