Adolf Hitler – eine religiöse Figur?

Über Religiöses Selbstbild und Fremdwahrnehmung Adolf Hitlers


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

25 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0 Einleitung

1 Die Authentizität der Aussagen Hitlers

2 Hitlers Weltbild
2.1 Hitlers geistige Herkunft
2.2 Hitlers Weltbild
2.2.1 Erste Säule: Krieg
2.2.2 Zweite Säule: Blut
2.2.3 Dritte Säule: Persönlichkeit
2.4 Hitlers Kriegsreligion
2.4.1 Hitlers Gottesvorstellung
2.4.2 Gott und Volk
2.4.3 Gott und Kampf/Krieg

3 Hitlers Selbstwahrnehmung – Prophet, Messias, Religionsstifter?
3.1 Hitler als Prophet
3.1.1 Exkurs: Der biblische Prophet
3.2 Hitler als Messias
3.2.1 Exkurs: Der biblische Messias
3.3 Hitler als Religionsstifter
3.4 Hitler als Christus?

4 Hitler – Rezeption im deutschen Volk
4.1 Zur Problematik der „Volksmeinung“
4.1.1 Quellenlage
4.1.2 Meinungsbildung
4.2 Das Bild Hitlers in der Bevölkerung
4.2.1 Die Umstände des Reiches vor der Machtergreifung
4.2.2 Hitler in der Sicht der breiten Masse - Arbeiter und Mittelstand
4.2.2.1 Hitler als Retter
4.2.2.2 Hitler als „Pater Patriae“
4.2.3 Die religiösen Aspekte des Hitlerbildes
4.3 Hitler-Jugend
4.4 Die Katholiken

5 Hitler als religiöse Figur – Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

0 Einleitung

„Wir sind eine Gemeinschaft von Menschen, die erkennen, daß das höchste Gut des höchsten Einsatzes wert ist. Wir sind keine Partei fauler Spießbürger, keine Bewegung fauler Brüder, die sich begnügen an den Tatsachen des Tages und als Männer zu ihren Frauen sagen: Mein liebes Weib, der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen, der Wille des Herrn sei gelobt, und wenn es ihm gefällt, dann macht er uns wieder frei. Nein! Der Herr hat uns seinen Segen gegeben, weil wir ihn verdienten, er hat uns seinen Segen genommen, weil wir seiner nicht mehr würdig waren, der Herr wird uns seinen Segen wiedergeben, wenn er ein neues Volk vor sich hat.“[1]

Mit diesen Worten begeisterte der spätere Führer des Dritten Reiches 1927 die Massen auf einer NSDAP-Versammlung. Es sollte nicht bei einem Ausspruch dieser Art bleiben. Es gibt hunderte von Belegen, in denen deutlich wird, dass er nicht nur eine politische Ideologie vertrat, sondern einen politischen Glauben verkünden wollte.

Welche Rolle Hitler innerhalb dieses Glaubens selber spielte, soll Gegenstand dieser Arbeit sein. Auf den folgenden Seiten gehe ich zunächst auf die Forschungsdiskussion über die Authentizität der Selbstaussagen Hitlers ein, um dann sein Weltbild und seine religiösen Vorstellungen zu beschreiben. In einem nächsten Schritt werde ich versuchen sein eigenes Rollenverständnis darzustellen um dann auf die Außensicht, also die Sicht des Volkes einzugehen.

Ich habe mich dabei im Wesentlichen auf das zweibändige Werk von Thomas Schirrmacher „Hitlers Kriegsreligion“ gestützt, welches sich nicht nur zu einem Großteil mit meinem Thema deckt, sondern in seinem zweiten Band eine vollständige Zitatsammlung religiöser Aussagen Hitlers zur Verfügung stellt.

Da sich gut begründete Aussagen über das Hitlerbild in Selbst- und Fremdwahrnehmung nur mit Textbelegen wagen lassen, ist diese Arbeit ungewohnt zitatlastig.

1 Die Authentizität der Aussagen Hitlers

In der Literatur wird an mehreren Stellen diskutiert, ob es überhaupt ein authentisches Bild von Hitlers Denkweise geben könne. Denn das, was er nach außen hin dem Volk und der Welt verkündete, müsse nicht zwangsläufig das gewesen sein, was er auch selbst dachte.

Bereits Zeitgenossen vertraten die These, Hitlers einziges Ziel sei Macht gewesen und das Glaubensgebäude von Vorsehung und Bestimmung nichts weiter als das propagandistische Mittel, dieses Ziel auch zu erreichen. Aus seinen Reden und Aussagen könne man dementsprechend also keine Rückschlüsse auf Hitlers Weltanschauung und Überzeugungen ziehen. Er sei nur ein Opportunist gewesen, der alles gesagt und getan hätte, hätte es nur seinem Ziel gedient: Macht.[2]

Eine Wende dieser Beurteilung erfolgte durch den Briten Hugh Trevor-Roper und den Deutschen Ernst Nolte. Sie vertraten die These, Hitler habe in einer unglaublichen Konsequenz sein Ideengebäude umgesetzt. „ Mein Kampf “ spiegele eine „völlig durchkonstruierte Philosophie wider“.[3]

Aus den beiden Lagern einer funktionalistischen Sicht (Hitlers Programm diente nur dem Machterhalt) und einer intentionalistischen Sicht (Hitlers Programm war Ausdruck seiner inneren Überzeugung) versucht nicht zuletzt Thomas Schirrmacher eine Synthese, wenn er sagt, dass auf das „Warum“ nur die Intentionalisten und auf das „Wie“ nur die Funktionalisten antworten könnten.

Letztlich bleibt jedoch festzuhalten, dass ohne die Annahme, Hitlers Reden seien ebenfalls auch das, was er selber glaubte und dachte, keine Aussagen über ihn möglich sind und jede wissenschaftliche Arbeit über seine Person hinfällig wird. Zudem geben seine privaten Briefe vor der Machtergreifung sowie Geheimdokumente und Gesprächsaufzeichnungen Grund zur Annahme, dass er wirklich an das glaubte, was er sagte.[4] Vor diesem Hintergrund fällt der Unterschied in der Gewichtung von Reden und persönlicher Korrespondenz Hitlers denkbar klein aus. In ihren Grundaussagen sind sie identisch – es gibt also kein „mehr“ an Wahrheit in seinen Briefen, als in seinen Reden.

2 Hitlers Weltbild

Um zu begreifen, wie Hitler sich selbst sah und was er von sich hielt ist es notwendig zu verstehen, wie er seine Umwelt sah. Seine Anschauungen waren ganz entschieden religiös. Daher soll es hier zunächst um Hitlers Weltbild und dann um die Inhalte seiner Religion gehen.

2.1 Hitlers geistige Herkunft

Hitler war Katholik. Sein Elternhaus war streng katholisch, genau wie seine Schulausbildung in der Kindheit. Zeit seines Lebens hat er vor allem die Institution Kirche bewundert, speziell ihre Fähigkeit, Feste und Feiern zu inszenieren und die Massen an sich zu binden.[5] Dass er versucht hat, auch nach der Machtergreifung Katholik zu bleiben, wird in seinen Versuchen deutlich, die Kirchen zu einen. Erst mit dem Scheitern dieses Versuches kam er zu der Einsicht, dass Kirche und NS-Staat unvereinbar seien.[6]

Er hat den geistlichen Rahmen des christlich-katholischen nie verlassen, was sich im Versuch äußerte, seine Bewegung als konsequente, praktische Weiterführung des christlichen Glaubens darzustellen. So war das wahre Christentum für ihn das „Kampfchristentum“ und Jesus war für ihn in erster Linie deswegen ein Vorbild, weil er den „Bluteinsatz“ am Kreuz für seine Sache geleistet habe. Außerdem sah er in Christus jemanden, der immer schon die Juden bekämpft habe:

„Gerade für den Nationalsozialisten habe das Weihnachtsfest erhöhte Bedeutung, denn Christus sei der größte Vorkämpfer im Kampfe gegen den jüdischen Weltfeind gewesen. Christus sei nicht der Friedensapostel gewesen, den erst die Kirche aus ihm gemacht habe, sondern er sei die größte Kämpfernatur gewesen, die je gelebt hat. Die Lehre Christi sei für Jahrtausende grundlegend gewesen für den Kampf gegen den Juden als Feind der Menschheit. Das Werk, welches Christus angefangen habe, aber nicht beenden konnte, werde er (Hitler) zu Ende führen. Der Nationalsozialismus sei nichts anderes als eine praktische Befolgung der Lehre Christi.“[7]

Hitler arbeitete das Christentum quasi in sein Weltbild ein.

2.2 Hitlers Weltbild

In einer Rede aus dem Jahr 1928 in Zwickau sagt Hitler:

„Wir sehen diesen Kampf in der Natur, durch den die Auslese der Tüchtigsten stattfindet. […] Sie ist das eherne Naturgesetz, dem wir alle unterstellt sind. Darum muß das Leben eines Volkes auf Wahrhaftigkeit, auf Selbstbehauptung, auf Kampf eingestellt sein. […] Völker und Kulturen sind nicht geworden durch die Masse, sondern durch Einzelpersönlichkeiten, die eines Hauptes länger waren als alles Volk. Darum heißt die zweite Forderung neben der Wahrhaftigkeit: Gebt Raum der Persönlichkeit! Der Persönlichkeitswert ist entscheidend! Neben dem Kampfgedanken, neben der Anerkennung der Persönlichkeit ist es der rassische Volkswert, der das Schicksal eines Volkes bestimmt.“[8]

Zusammengefasst heißen die drei Säulen der hitlerschen Weltanschauung Kampf, Blut und Persönlichkeit. Man kann sie auch mit den Worten Franz Feiges mit Nationalismus, Führerprinzip und Heroismus beziehungsweise Militarismus benennen.[9] Demgegenüber stellte Hitler die Gegenpositionen Internationalismus, Demokratie und Pazifismus heraus, deren Träger die Juden waren. Gleichzeitig wurden alle Gegenpositionen zu Hitlers Überzeugungen von ihm mit dem Judaismus verbunden, was ihm wiederum deren Bekämpfung erlaubte.[10]

2.2.1 Erste Säule: Krieg

Es verwundert nicht, dass Hitler seine Weltanschauung sehr stark mit Krieg in Verbindung bringt. Die Zeit des Ersten Weltkrieges hatte ihn extrem geprägt:

„Er [Hitler] bekennt bis zum Ende seines Lebens die Erfahrung des Ersten Weltkrieges als die ‚unvergesslichste und größte Zeit meines irdischen Lebens’. Das irdische Leben ist Prüfung von Gott her, Prüfung des Mannes im Kriege.“[11]

Zeit seines Lebens blieb Adolf Hitler ein Mann der Vergangenheit, fixiert an sein Kriegserlebnis.[12]

Krieg war der Dreh- und Angelpunkt seiner Weltanschauung und seiner religiösen Auffassung. Der Krieg hatte für Hitler die Funktion eines Beweises beziehungsweise einer Bewährungsprobe. Im Krieg und im Kampf bewährt sich eine Persönlichkeit. Analog beweist sich der Wert eines Volkes im Krieg. Die Fähigkeit zu einer kriegerischen Auseinandersetzung zeugt von einem hohen Rassenwert, wohingegen Feigheit beziehungsweise Humanität und Pazifismus einen geringeren Rassenwert bedeuten.[13]

Wie zentral dieser Gedanke für Hitler war, wird noch dargestellt.

2.2.2 Zweite Säule: Blut

Der Begriff des „Blutes“ hat in der Hitler’schen Denkweise eine sehr große Bedeutungsbandbreite.

Besonders häufig kommt dieses Wort in zusammengesetzten Begriffen wie „Blutreinheit“, „Blutwert“, „Blutideal“ oder auch „Blutopfer“ vor.

Dabei kann es einerseits für das Leben stehen im Sinne vom Leben, dass sich im Krieg behaupten und durchsetzen muss.[14]

„Blut“ kann andererseits ein Synonym für Rasse sein. In letzterem Fall ist es dann „[…] die heiligste Verpflichtung […] dafür zu sorgen, daß das Blut rein erhalten bleibt, um durch die Bewahrung des besten Menschentums die Möglichkeit einer edleren Entwicklung dieser Wesen zu geben.“[15]

2.2.3 Dritte Säule: Persönlichkeit

Persönlichkeiten werden nach der Vorstellung Hitlers durch Krieg gestählt und geformt. Sie sind deswegen so wichtig, weil nur sie die Massen bewegen. Nur einer großen Persönlichkeit kann ein Volk folgen.

„Niemals wieder werde ein deutscher Staatsmann so wie er [Hitler] Vertreter des deutschen Volkes sein. Er besitze dadurch eine Autorität, wie sie in Deutschland noch niemand besessen habe.“[16]

Hitler sah sich selbst als Verkörperung des Persönlichkeitsprinzips und dadurch zum Führer auserkoren.[17]

2.4 Hitlers Kriegsreligion

Auf diesen drei Säulen baute nun der Glaube des Adolf Hitler auf. Und dieser beinhaltete im Wesentlichen:

a) Es gibt einen Gott, der die Völker geschaffen hat.
b) Die Völker müssen sich im Kampf beweisen. Das stärkste Volk, welches sich in diesem Kampf hervortut, wird von Gott gesegnet und unterstützt.

[...]


[1] Rede Adolf Hitlers auf einer NSDAP Versammlung in München am 2.4.1927 in: Schirrmacher,
Thomas. Kriegsreligion. Band 2. 116.

[2] Vgl. Schirrmacher, Thomas. Kriegsreligion. Band 1. 73 f.

[3] Trevor-Roper, Hugh. Hitlers Kriegsziele. 121 – 133. zitiert in: Schirrmacher, Thomas.
Kriegsreligion. Band 1. 75.

[4] Vgl. Schirrmacher, Thomas. Kriegsreligion. Band 1. 82.

[5] Vgl. Heer, Friedrich. Glaube. 19 – 22.

[6] Vgl. Schirrmacher, Thomas. Kriegsreligion. Band 1. 311.

[7] Rede auf einer NSDAP-Versammlung in München am 9.1.1922, Polizeibericht. In: Schirrmacher,
Thomas. Kriegsreligion. Band 2. 520.

[8] Schirrmacher, Thomas. Kriegsreligion. Band 2. 426.

[9] Vgl. Feige, Franz G. Varieties. 124.

[10] Vgl. Feige, Franz G. Varieties. 124.

[11] Heer, Friedrich. Glaube. 191.

[12] Heer, Friedrich. Glaube. 191.

[13] Vgl. Schirrmacher, Thomas. Kriegsreligion. Band 1 273.

[14] Vgl. Schirrmacher, Thomas. Kriegsreligion. Band 1 257.

[15] Hitler/Mein Kampf 1937. zitiert nach Schirrmacher, Thomas. Kriegsreligion. Band 2. 379.

[16] Vgl. Schirrmacher, Thomas. Kriegsreligion. Band 2 428 – 429.

[17] Vgl. Schirrmacher, Thomas. Kriegsreligion. Band 1. 274 – 275.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Adolf Hitler – eine religiöse Figur?
Untertitel
Über Religiöses Selbstbild und Fremdwahrnehmung Adolf Hitlers
Hochschule
Westfälische Wilhelms-Universität Münster  (Seminar für allgemeine Religionswissenschaft)
Veranstaltung
Politische Religionen
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
25
Katalognummer
V123681
ISBN (eBook)
9783640291687
ISBN (Buch)
9783640291748
Dateigröße
501 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hitler, Religion im 3. Reich, Religion, Krieg
Arbeit zitieren
Mark Bothe (Autor:in), 2008, Adolf Hitler – eine religiöse Figur?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123681

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