Die Schuldfähigkeitsbegutachtung bei schizophrenen Straftätern im deutschen Rechtswesen


Hausarbeit, 2020

17 Seiten, Note: 1,2

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Theoretischer Hintergrund
1.1.1 Schuldfähigkeit nach StGB
1.1.2 Schizophrenie nach ICD-10
1.2 Aktueller Forschungsstand
1.3 Forschungsfrage und Hypothesen

2 Methode

3 Ergebnisse

4 Diskussion
4.1 Einordnung und Diskussion der Ergebnisse
4.2 Fazit

Literaturverzeichnis

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit dient der Beantwortung der Frage nach der Relevanz der Schuldfähigkeitsbegutachtung bei schizophrenen StraftäterInnen. Besondere Beachtung erhält hierbei die Delinquenz bei Personen mit Schizophrenie. Darauf aufbauend wird der Zusammenhang zwischen Einsichtsfähigkeit – als Bestandteil der Schuldfähigkeit nach §§ 20, 21 StGB – und der Symptomatik einer schizophrenen Erkrankung untersucht. Nach umfassender Recherche kann festgehalten werden, dass dieser Zusammenhang deutlich zu erkennen ist. Folglich kann davon ausgegangen werden, dass die schizophrene Symptomatik maßgeblich zu einer eingeschränkten oder sogar aufgehobenen Einsichtsfähigkeit führen kann.

1 Einleitung

In der Forensik spielt die Begutachtung der Schuldfähigkeit eine zentrale Rolle. Sie entscheidet über die Art der Unterbringung und das Strafmaß (Oefele, 2011). Schuldfähigkeitsbegutachtungen werden eingesetzt, um festzustellen, ob StraftäterInnen mit psychischen Erkrankungen während des Tathergangs (teilweise) unzurechnungsfähig waren oder nicht. Die Gutachten werden dem Gericht vorgelegt und beeinflussen das Urteil oft maßgeblich. Besonders die Diagnose einer Schizophrenie führt oftmals zu einem Gutachtenauftrag hinsichtlich der Schuldfähigkeit (Oefele, 2011). Im Fall von Anders Behring Breivik, der am 22. Juli 2011 77 Menschen tötete, wurde ein Gutachten zu dessen Schuldfähigkeit in Auftrag gegeben. Breivik legte an jenem Tag eine Bombe am Osloer Regierungsgebäude der Sozialdemokraten und führte am selben Tag einen Anschlag auf ein Jugendcamp auf der norwegischen Insel Utøya durch. Es wurde berichtet, Breivik habe sich neun Jahre auf die Anschläge vorbereitet (Leggewie, 2016). Das Gutachten nach Husby und Sørheim erklärte Breivik für schuldunfähig, was die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bedeutet hätte (Leggewie, 2016). Husby und Sørheim diagnostizierten bei Breivik nach 35 Stunden in 13 Sitzungen, Explorationsgesprächen mit Breiviks Mutter und 130 Stunden Sichtung des Videomaterials aus den Polizeiverhören eine Paranoide Schizophrenie (Stroeve, 2015). Ob Breivik akustische Halluzinationen hatte, wurde nicht geklärt. Den GutachterInnen waren jedoch andere psychotische Symptome aufgefallen (Oefele, 2011). Breivik wollte durch seine Anschläge als Anführer der Tempelritter einen Völkermord verhindern (Oefele, 2011). Dieses Gutachten wurde stark kritisiert, weshalb ein zweites Gutachten angefordert wurde. Die Gutachter Aspaas und Tørrissen hielten Breivik für voll schuldfähig. Das hätte nach § 17 des norwegischen Strafgesetzbuches 21 Jahre Haft zur Folge gehabt (Alex, Feltes & Kudiacek, 2013). Aspaas und Tørrissen fanden bei Breivik in 37 Stunden Exploration und einer Beobachtung über 24 Stunden keine Hinweise auf psychotische Symptome. Stattdessen sollte Breivik eine narzisstische und antisoziale Persönlichkeitsstörung haben, welche jedoch keine Schuldunfähigkeit nach sich ziehen (Alex, Feltes & Kudiacek, 2013). Bei der Staatsanwaltschaft bestanden zum Prozessende weiterhin Zweifel hinsichtlich Breiviks psychischer Verfassung, weshalb sie forderte, Breivik für schuldunfähig zu erklären (Oefele, 2011). Gegensätzlich dazu plädierte die Verteidigung, Breiviks Wunsch folgend, auf volle Schuldfähigkeit. Sie stellte Breiviks Extremismus als vorrangigen Grund seiner Taten dar und nicht seine psychische Erkrankung (Alex, Feltes & Kudiacek, 2013). Das Amtsgericht Oslo erklärte Breivik am 24. August 2012 für voll schuldfähig und verurteilte ihn zu 21 Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung.

Der Fall Breivik ist durch seinen Bekanntheitsgrad, die unterschiedlichen Gutachten und die dem deutschen Rechtswesen sehr ähnliche Vorgehensweise ein nennenswertes Beispiel für die Schuldfähigkeitsbegutachtung bei schizophrenen StraftäterInnen im deutschen Rechtswesen. Der Fall zeigt, wie komplex und umstritten Gutachtenergebnisse unter verschiedenen Sachverständigen sein können. In den folgenden Kapiteln wird der theoretische Hintergrund zu dem Konstrukt Schuldfähigkeit und der Diagnose Schizophrenie erläutert sowie der aktuelle Forschungsstand beleuchtet. Anschließend werden die abgeleitete Forschungsfrage und die Hypothese dargestellt.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im folgenden Text die männliche Sprachform gewählt, selbstverständlich gelten die entsprechenden Aussagen für alle geschlechtlichen Identitäten.

1.1 Theoretischer Hintergrund

In diesem Kapitel werden die Schuldunfähigkeit bzw. verminderte Schuldfähigkeit nach §§ 20, 21 Strafgesetzbuch (StGB) sowie die Symptomatik und Klassifikation der Schizophrenie nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten, 9. Auflage (ICD-10) erläutert.

1.1.1 Schuldfähigkeit nach StGB

Die Schuldfähigkeit im deutschen Rechtssystem erfährt nähere Betrachtung in §§ 20, 21 StGB. In § 20 ist die Schuldunfähigkeit definiert: die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit einer Person muss innerhalb eines der vier Eingangsmerkmale krankhafte seelische Störung, tiefgreifende Bewusstseinsstörung, Schwachsinn, schwere andere seelische Abartigkeit gänzlich aufgehoben sein (StGB). In § 21 müssen Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt sein, damit ein Explorand für vermindert schuldfähig erklärt werden kann. Diese Beeinträchtigung muss wie in § 20 aus einem der vier Eingangsmerkmale hervorgehen (StGB). Die Schizophrenie ist hierbei den krankhaften seelischen Störungen zugeordnet (Oefle, 2019). Bei einer Begutachtung der Schuldfähigkeit werden Einsichts- und die Steuerungsfähigkeit des Exploranden untersucht. Diese Komponenten werden in der Psychopathologie nicht unterschieden, im strafrechtlichen Kontext sind sie jedoch voneinander abzugrenzen (Nedopil, 2007). Die Einsichtsfähigkeit kann entweder durch verminderte Intelligenz oder durch die Unfähigkeit, die innere von der äußeren Realität zu unterscheiden, verändert sein (Oefle, 2019). Bei beeinträchtigter bzw. aufgehobener Einsichtsfähigkeit muss die Steuerungsfähigkeit nicht mehr geprüft werden, da §§ 20 oder 21 bereits als erfüllt zu betrachten sind. Kommt es jedoch zu einer Prüfung der Steuerungsfähigkeit, stehen dabei die Fähigkeit der Selbstkontrolle und die Reaktion auf Außenreize im Fokus (Oefle, 2019).

1.1.2 Schizophrenie nach ICD-10

In Deutschland werden Diagnosen üblicherweise mithilfe der aktuellen ICD-10 vergeben. Das Kapitel F2 beinhaltet die Schizophrenie sowie schizotype und wahnhafte Störungen. Der Code für die Schizophrenie ist F20. Die allgemeinen Kriterien befinden sich unter G1. Für eine Schizophrenie-Diagnose muss mindestens ein Merkmal aus der ersten Auflistung (a. Gedankenlautwerden, Gedankeneingebung etc. b. Wahn, Gefühl des Gemachten etc., c. Stimmenhören, d. anhaltender, kulturell unangemessener bzw. unrealistischer Wahn) oder zwei Merkmale aus der zweiten Auflistung (a. Anhaltende Halluzinationen jeder Sinnesmodalität mit undeutlich ausgebildetem Wahn, b. Neologismen, Gedankenabreißen etc., was beispielsweise zu Danebenreden führt, c. Katatone Symptome, beispielsweise Erregung, wächserne Biegsamkeit, Mutismus, Stupor etc., d. Negativsymptome) zutreffen (Dilling & Freyberger, 2016). Weiterhin muss der Ausschlussvorbehalt unter G2 beachtet werden (Dilling & Freyberger, 2016). Bei einer Paranoiden Schizophrenie F20.0, die den häufigsten Subtyp der Schizophrenie darstellt (Oefle, 2019), sind A. die eben aufgezählten allgemeinen Kriterien G1 und G2, B. vor allem Wahnphänomene und/oder Halluzinationen und C. nur in leichter Ausprägung verflachter, inadäquater Affekt, katatone Symptome oder Zerfahrenheit vorhanden (Dilling & Freyberger, 2016).

Im Hinblick auf das Strafrecht ist eine diagnostizierte Schizophrenie häufig der Auslöser für eine Begutachtung der Schuldfähigkeit (Tsimploulis, Niveau, Eytan, Giannakopoulos & Sentissi, 2018).

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Details

Titel
Die Schuldfähigkeitsbegutachtung bei schizophrenen Straftätern im deutschen Rechtswesen
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Note
1,2
Jahr
2020
Seiten
17
Katalognummer
V1239327
ISBN (eBook)
9783346658876
ISBN (Buch)
9783346658883
Sprache
Deutsch
Schlagworte
schuldfähigkeitsbegutachtung, straftätern, rechtswesen
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Die Schuldfähigkeitsbegutachtung bei schizophrenen Straftätern im deutschen Rechtswesen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1239327

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