Der Roman "Une vie française" (2004) von Jean-Paul Dubois: Analyse der Figuren, ihrer Beziehungen zueinander und deren thematische Funktionen


Hausarbeit, 2020

18 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Die Beziehungsstrukturen der Figuren und deren Funktionen im Kontext der Romanhandlung
2.1. Pauls Beziehung zu seinem verstorbenen Bruder Vincent
2.2. Das ambivalente Verhältnis zwischen dem Protagonisten Paul Blick und seinen Eltern
2.3. Die Beziehung des Protagonisten zu seiner Ehefrau Anna
2.4. Paul Blicks Scheitern in der Vaterrolle?

3. Formen von gesellschaftlicher Hypokrisie und die Macht der Konventionen
3.1 Marie Blick als Inkarnation der gesellschaftlichen Konventionen
3.2 Martine und Jean Villandreux als Verkörperung thematischer Kontraste
3.3 Das befreundete Paar Milo zwischen Schein und Sein

4. Die thematische Relevanz von Verwurzelung
4.1 François Lande und die Thematik der räumlichen Wurzeln
4.2 Die Sehnsucht des Protagonisten nach familiären Wurzeln

5. Die schonungslose ehrliche kritische Selbst(ein)sicht des Protagonisten Paul Blick
5.1 Paul Blick zwischen Einsamkeit und (unerfüllter) Liebe
5.2 Die kritische Selbstreflexion des Protagonisten

6. Fazit

7. Bibliographie
7.1 Primärliteratur
7.2 Sekundärliteratur

1. EINLEITUNG

Der RomanUne vie françaisevon Jean-Paul Dubois, der im Jahre 2004 veröffentlicht wurde, beschreibt das Leben des im Zentrum der Handlung stehenden Protagonisten Paul Blick, welcher zwischen Einsamkeit und unerfüllter Liebe steht. Der Titel des Romans verdeutlicht den Anspruch des Autors mittels seines Werkes ein Portrait der französischen Lebensweise der Generation des Protagonisten zu entwerfen, um je- ner eine Identität zu verleihen.1 Das Portrait dieser Generation wird durch die Figuren des Romans, ihrer Beziehungen zueinander und deren thematischen Funktionen dar- gestellt und charakterisiert. Im Zuge der Romanhandlung thematisiert Dubois die Macht der Konventionen und stellt diesen die Thematik der gesellschaftlichen Hypo- krisie gegenüber. Darüber hinaus wird die Problematik der räumlichen und familiären Verwurzelung und die Sehnsucht nach dieser aufgegriffen. Jean-Paul Dubois arbeitet das Sujet des Romans mit Paradoxien und Kontrasten heraus, um die Komplexität der Thematik und deren Problematik zu verdeutlichen. Die Familie Blick dient als Bei- spiel für die Folgen einer traumatischen Erfahrung von unverarbeitetem Leid, daher soll im Folgenden auch analysiert und diskutiert werden, inwiefern sich der Verlust von Vincent Blick auf das Verhalten der Familie und die Persönlichkeitsentwicklung der Hauptfigur im Kontext des RomansUne vie françaisevon Jean-Paul Dubois aus- wirkt.

2. DIE BEZIEHUNGSSTRUKTUREN DER FIGUREN UND DEREN FUNKTIONEN IM KONTEXT DER ROMANHANDLUNG

2.1. Pauls Beziehung zu seinem verstorbenen Bruder Vincent

Die Beziehung zwischen dem Protagonisten Paul Blick und seinem verstorbenen Bru- der Vincent zeichnet sich durch eine enge Bindung aus, welche viel mehr als eine gewöhnliche Beziehung zwischen Geschwistern darstellt. Im Alter von acht Jahren verliert Paul seinen zwei Jahre älteren Bruder Vincent an den Folgen einer Blinddarm- entzündung. Als Claire und Victor Blick, die Eltern der Hauptfigur, ihm „annonce[nt] la fin du monde“2, erklärt Paul „Je me précipitais dans la chambre de Vincent et m’em- parai de son carrosse“3, um seinem Bruder im Moment des Verlustes auf diese Weise so nahe wie möglich sein zu können. Der Protagonist Paul Blick, welcher im Werk auch als heterodiegetischer Erzähler fungiert, macht schon zu Beginn der Roman- handlung deutlich welchen Stellenwert sein Bruder für ihn hat, da dieser immer „ce géant tant aimé et admiré“4 bleiben wird, bei dem „[il se] sentai[t] à l’abri des inconstances de la vie.“5 Obwohl der Protagonist im Schatten seines Bruders steht, da Vincent Blick in den Augen seiner Großmutter Marie Blick als „le seul et unique héritier des Blicks“6 gilt, und Paul dementsprechend eine zweitranginge Behandlung seiner Familie erfährt, verliert er nur positive Worte über seinen verstorbenen Bruder.

„Le petit cimetière de campagne où Vincent avait été enterré“7 besucht der Protago- nist im Alter von 24 Jahren zum ersten Mal. Als Auslöser dafür gilt „l‘avortement de Marie“8, wodurch Paul Blick das erste Mal nach dem Verlust seines Bruders Vincent mit der Thematik des Kindestods konfrontiert wird. Am Grab von Vincent offenbart Paul diesem „côté à côté, comme autrefois“9 seine innersten Gefühle und stellt sich vor wie das Leben der Familie wäre, wenn sein Bruder noch am Leben wäre. Paul offenbar sich Vincent gegenüber auch indem „[il] lui a[…] demandé pardon […] [il] lui a[…] avoué“10, da es ihm wichtig ist was sein Bruder über ihn denkt. Trotz des Todes von Vincent Blick bleibt dieser im Rahmen der Handlung sehr präsent für den Prota- gonisten und nimmt durch den Halt, den er seinem Bruder gibt, eine bedeutende Rolle in Dubois Roman ein. Für Paul Blick stellt sein verstorbener Bruder ein Vorbild dar, zu dem er insbesondere in Momenten der Krise aufschaut, daher erfüllt Vincent für seinen Bruder die Funktion einer Art Orientierung im Leben. Die Momente wichtiger Lebensabschnitte oder Krisensituationen gelten für die Analyse der Beziehung zwi- schen der Hauptfigur und seinem verstorbenen Bruder als Schlüsselszenen, da Paul in diesen Situationen immer einen emotionalen Bezug zu seinem Bruder herstellt. Dementsprechend bestimmen die Gedanken des Protagonisten darüber, was sein Bruder denken würde oder wie er handeln würde, die Konstruktion seiner persönli- chen Werte und die Werthaftigkeit der Romanfigur Paul Blick. Dieser Rückbezug auf seinen Bruder gilt als Leitmotiv, die sich durch das gesamte Werk zieht, und lässt die Charakteristik der Figur des Erzählers in einer Tiefe und Komplexität erscheinen. An- hand der Grabszene wird verdeutlicht, dass Vincent Blick auch als Modell zur Kom- pensation des Defizits an emotionalen Bindungen und sozialer Kommunikation des Protagonisten, fungiert. Paul Blick, welchem es in der Realität schwerfällt, emotionale Bindungen aufzubauen und aufrecht zu erhalten, sieht in seinem verstorbenen Bruder die Chance, dieses Defizit zu kompensieren. Durch die Kommunikation zu seinem verstorbenen Bruder gleicht der Protagonist seinen Mangel an sozialer Kompetenz und fehlender familiärer Zugehörigkeit aus. Daraus folgt, dass die innere Vertiefung der Beziehung zu Vincent als Mittel der versuchten Verarbeitung des Leides und der Kompensation dieses Verlustes dient. Darüber hinaus begleitet Paul Blick schon seit Kindestagen an die fehlende Anerkennung, welche er sich durch seine Offenbarung von seinem Bruder erhofft. In Pauls Vorstellung wünscht sich dieser, dass „[son] frère […] veille sur [lui]“11 und auch in seiner Traumfrau sucht er nach Zügen seines ver- storbenen Bruders Vincent. Eine besondere Wertschätzung wird seinem verstorbe- nen Bruder zuteil, indem der Protagonisten einen eigenen Sohn nach Vincent be- nennt. Auch dies verdeutlicht wie sehr „Vincent [lui] manquait“12 und, dass der frühe Verlust seines Bruders für Paul Blick eine traumatische Erfahrung darstellt, welche in ihm Leid ausgelöst hat, das er immer wieder versucht zu verarbeiten, es jedoch nie schafft und es daher eher verdrängt.

2.2. Das ambivalente Verhältnis zwischen dem Protagonisten Paul Blick und seinen Eltern

Die Beziehung zwischen dem Protagonisten Paul Blick und seinen Eltern Claire und Victor kann als ambivalent bezeichnet werden, da sich diese sowohl durch eine tiefe Verbundenheit als auch durch Distanz und Abwesenheit kennzeichnet. Vor dem Tod ihres erstgeborenen Sohnes wird Claire als Mutter mit „gestes de tendresse“13 darge- stellt, während der Vater der Kinder eine redegewandte Figur repräsentiert. Der Ver- lust von Vincent Blick hat signifikante Folgen auf das Verhalten innerhalb der Familie, was der Erzähler mit den Worten „Malgré nos efforts, mes parents et moi-même n’avons jamais pu parvenir à reformer une véritable famille“14 verdeutlicht. Die Mutter der Hauptfigur wird nach dem Tod ihres Sohnes als „une inconnue“15, die sich „indif- férente et distante“16 verhält, beschrieben. Auch Victor Blick nimmt der Verlust seines Sohnes so sehr mit, dass er „s’est muré dans la tristesse, le silence“17. Der Protago- nist Paul Blick beschreibt die Folgen des Verlustes seines Bruders innerhalb der Fa- milie mit den folgenden Worten „La mort de Vincent nous a amputé d’une partie de nos vies et d’un certain nombre de sentiments essentiels“18. Hierdurch wird deutlich, dass das Ehepaar Blick mit dem schmerzlichen Verlust ihres Sohnes Vincent sehr zu kämpfen hat, wodurch das Familienleben von Stille geprägt ist und „de Gaulle prit [la] place [de Vincent] à table“.19 Paul Blick leidet unter dem distanzierten und abwesenden Verhalten seiner Eltern, welche ihm gegenüber ihren Gefühlen und Ge- danken keinen Ausdruck verleihen.

[...]


1 cf. William Deresiewicz: „His Generation“, in:The New York Times Book Review201 (2007), 23.

2 Jean-Paul Dubois:Une vie française, Le Seuil, Éditions de l‘Olivier 2004, 12.

3 Ibid.

4 Ibid.

5 Dubois: op.cit., 12.

6 Ibid., 18.

7 Ibid., 122.

8 Ibid.

9 Ibid., 123.

10 Ibid.

11 Dubois: op. cit., 124.

12 Ibid., 22.

13 Ibid., 15.

14 Ibid., 14.

15 Ibid.

16 Ibid., 15.

17 Ibid.

18 Ibid., 14.

19 Ibid., 16.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Der Roman "Une vie française" (2004) von Jean-Paul Dubois: Analyse der Figuren, ihrer Beziehungen zueinander und deren thematische Funktionen
Hochschule
Universität Mannheim
Note
1,3
Jahr
2020
Seiten
18
Katalognummer
V1239833
ISBN (eBook)
9783346661913
ISBN (Buch)
9783346661920
Sprache
Deutsch
Schlagworte
roman, jean-paul, dubois, analyse, figuren, beziehungen, funktionen
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Der Roman "Une vie française" (2004) von Jean-Paul Dubois: Analyse der Figuren, ihrer Beziehungen zueinander und deren thematische Funktionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1239833

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