Die Ausbürgerung Biermanns und die Folgen für die DDR


Zwischenprüfungsarbeit, 2004

26 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Die Biermann – Ausbürgerung und die Folgen derselben für die DDR

I. Beginn des Konfliktes

II. 1971 – November 1976

III. Das Konzert in Köln und die Ausbürgerung

IV. Folgen der Ausbürgerung - Folgen des Protestes

V. Fazit

Quellenangaben

Die Biermann – Ausbürgerung und die Folgen derselben für die DDR

Die Ausbürgerung des Liedermacher und Dichters Wolf Biermann aus der DDR wird als eine der großen Zäsuren innerhalb der DDR – Geschichte betrachtet , ähnlich wie der 17. Juni 1953 , der Mauerbau 1961 oder der Fall der Mauer 1989 . Ich möchte in dieser Hausarbeit versuchen , die Gründe aufzuzeigen , die die DDR – Führung zur Ausweisung des Künstlers Biermann bewogen hat , welche Absichten die SED verfolgte und welche Folgen diese Entscheidung für die weitere Entwicklung der DDR v. a. innen – aber auch außenpolitisch hatte . Vorrangig werde ich mich mit der Fragestellung beschäftigen, ob und in wie weit die SED die Auswirkungen, die mit der Ausbürgerung Biermanns einhergingen, voraussehen konnte bzw. diese einkalkuliert hatte.

I. Beginn des Konfliktes

Der Konflikt des Liedermachers Wolf Biermann mit der Staatsmacht begann nicht erst in den 70er Jahren, sondern hatte seinen Anfang bereits ein Jahrzehnt zuvor im Umfeld des 11. Plenums des ZK der SED vom Dezember 1965 . Die SED reagierte in ihren dort getroffenen Entscheidungen auf die angespannte Lage im Bereich der Kultur des Landes. Walther Ulbrichts Ziel war es, durch hartes Durchgreifen sämtliche herrschaftsgefährdenden Tendenzen im Kulturbereich, und seien sie auch nur potentiell, zu eliminieren. Das 11. Plenum leitete den kulturellen "Kahlschlag"[1] ein, der bis zum Ende der Amtszeit Ulbrichts die Kulturpolitik dominierte. Wolf Biermann wurde infolge des Plenums ebenso hart angegriffen wie andere Kulturschaffende des Landes, z. B. Stefan Heym. Man warf dem Liedermacher vor, die DDR durch seine Kritik gegenüber anderen Staaten preiszugeben, sie durch seine Attacken von innen heraus zerstören zu wollen und ein Feind des Sozialismus zu sein. Biermann sprach in seinen Liedern für die SED zum Teil heikle Themen an, so zum Beispiel die Mauer[2], Militär oder auch namentliche Vertreter der DDR. Die SED-Führung hoffte zu Beginn des Konfliktes , Biermann durch gezielte Einflussnahme , d.h. durch Repressalien , Überzeugungsgespräche sowie einzelne Gewährungen von Privilegien ( z.B. Auslandsreisen), in die von der Partei gewünschte staatskonforme Richtung lenken und seine Arbeit auf harmlosere Themen beschränken zu können. Die Erziehungsmaßnahmen zeigten keine Wirkung. Die SED griff zu härteren Strafen indem sie für den Liedermacher und Dichter Wolf Biermann ein umfassendes Auftritts- und Publikationsverbot verhängte. Jede direkte Einflussnahme Biermanns auf die Öffentlichkeit sollte unterbunden werden. Verstärkt wurde dieses Vorgehen durch eine von der SED inszenierte Diffamierungskampagne in den DDR-Medien. Biermann wurde als Staatsfeind geächtet, man versuchte, ihn moralisch wie politisch zu diskreditieren und seine künstlerische Begabung in Zweifel zu ziehen. Ein ehrliches Bekenntnis zum Sozialismus, wie es der tatsächlichen Einstellung Wolf Biermanns entsprach, wurde als Tarnung für seine direkte Kritik an der Parteiführung dargestellt. Der Liedermacher sollte vollständig isoliert werden. Die SED erhoffte sich, auf diesem Wege doch noch Einfluss auf Biermann und seine Arbeit gewinnen zu können.

Biermanns Einstellung zum Staat wandelte sich im Verlauf dieses Zeitraumes stark. Er stand der DDR zu Beginn des Konfliktes kritisch gegenüber, keineswegs aber konfrontativ. Er benannte Missstände, wo sie ihm auffielen und hoffte so auf eine Verbesserung des Staates, in dem zu leben er sich 1953 als 17-Jähriger entschlossen hatte und aus Hamburg übergesiedelt war. Er war aber nicht dazu bereit, seine Ansichten denen der Partei und der Parteidisziplin unterzuordnen:

"Ich hatte nun mal das schwarze Glück, dass mein Vater in Ausschwitz starb und nicht in Stalingrad. Meine Kindheitsmuster sind andere[3], ich hatte nichts wiedergutzumachen. Und ich musste den neuen Machthabern gar nichts beweisen.[4] Ich sprach im anmaßendem Ton des rechtmäßigen politischen Erben. Und das war auch der Grund, warum ich in meinen Liedern nicht in Sklavensprache sprach (...) Die Folgen blieben nicht aus."[5]

Auf Kompromisse ließ sich Biermann zu Beginn des Konfliktes ein, z.B. auf Absprachen, die sein Programm bei Veranstaltungen betraf. Daneben äußerte er wiederholt ernstgemeinte Loyalitätsbekundungen gegenüber der SED und der DDR. Biermann wünschte sich eine stärkere gesellschaftliche Einbindung und ließ keinen Zweifel daran, dass er die DDR für die bessere Alternative der beiden deutschen Staaten hielt und deshalb dort leben wolle. Auf den steigenden Druck der Staatsmacht allerdings reagierte er mit zunehmender Verweigerung und Härte. Er demonstrierte deutlich - zum Nachteil der Glaubwürdigkeit der SED - die Ernsthaftigkeit seiner Ansichten. Die anfängliche kritische Kooperation wandelte sich immer mehr zu einer konfliktreichen Konfrontation.

Auch der Schriftsteller Stefan Heym erfuhr harte Angriffe von Seiten der Staatsführung. Wie Biermann hielt man ihm vor, die stillschweigende Übereinkunft gebrochen zu haben, nach der die Kulturschaffenden der DDR als konkrete Gegenleistung für ihre Privilegien die Werke der Vorstellung der Partei anzupassen hatten.

Die durch das 11. Plenum beschlossene Repressionspolitik zielte durch den Einsatz eines breiten Spektrums an Unterdrückungs- maßnahmen auf die Einschüchterung der Kulturschaffenden. Ende der 60er Jahre, unter dem Eindruck des Prager Frühlings, intensivierte das Ministerium für Staatssicherheit ( MfS ) seine Abwehrarbeit im Kulturbereich. Strukturelle Veränderungen des MfS[6] sollten eine bessere Bekämpfung oppositioneller Ansichten unter den Kulturschaffenden ermöglichen. Ein häufig eingesetztes Mittel zur geistigen Beeinflussung war die politisch – ideologische Überzeugungsarbeit von mächtigen politischen Funktionären, die in Gesprächen kritische Autoren von der Notwendigkeit eines parteikonformen Verhaltens – auch unter Einsatz massiver Drohungen – überzeugen und zur Einsicht bringen sollten, die erhobenen Forderungen des Staates zu erfüllen.

II. 1971 – November 1976

Der einschüchternde Kurs der Ulbrichtregierung hielt bis zum Herbst 1971, einem halben Jahr nach der Ablösung Walther Ulbrichts durch Erich Honecker als Ersten Parteisekretär des ZK der SED, an. Erst mit dem VIII. Parteitag der SED bzw. dem 4. Plenum des ZK der SED kam es für die Kulturschaffenden der DDR zu einer scheinbaren Liberalisierung in der Kulturpolitik.

Dass Honecker den rigiden Kurs seines Vorgängers zu revidieren bzw. abzuändern imstande war, beruht unter anderem auch auf der veränderten internationalen Lage der DDR, in der sie sich im Herbst 1971 befand. Die bundesdeutsche Regierung unter Willy Brandt und Walther Scheel hatte ihren Alleinvertretungsanspruch für ganz Deutschland sowie die bis dahin geltende Hallsteindoktrin aufgegeben. Der am 3. September 1971 zwischen der Sowjetunion und den Westmächten geschlossene Vertrag ( "Berlin-Abkommen") legte den Grundstein für erste deutsch-deutsche Verhandlungen. Im Mai 1972 wurde zwischen der DDR und der BRD der "Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen" ( Grundlagenvertrag ), in dem sich beide zu nachbarschaftlichen Beziehungen auf Grundlage der Gleichberechtigung verpflichteten. Die BRD erkannte im Grundlagenvertrag die staatliche Existenz der DDR an.[7] Die DDR erlangte zunehmend internationale Anerkennung und Prestige und wurde am 18. September 1973 gemeinsam mit der BRD in die UNO aufgenommen. Am 1. August 1975 unterschrieb die DDR die KSZE-Schlussakte von Helsinki inklusive ihrer Verpflichtung zur Gedanken-, Meinungs-, Religions-, Überzeugungs- und Gewissensfreiheit sowie der umfassenden Achtung der Menscherechte.

Die erreichte Öffnung der DDR war für die SED keineswegs unproblematisch, da mit ihr unweigerlich Einflüsse aus dem kapitalistischen Ausland verbunden waren. Wirksame Abgrenzung wurde für den SED-Staat daher zur obersten, existenzsichernden Maxime. Ein massiver Ausbau des MfS sowie verbesserte präventive Überwachungs- und Einwirkungsmethoden waren die Reaktionen des Honeckerregimes. Verstärkt wurden sogenannte Inoffizielle Mitarbeiter zur Beobachtung der verdächtigen Bürger eingesetzt, aber auch durch das MfS sogenannte weiche Repressionsmechanismen einschließlich fein abgestimmten Psychoterrors angewendet.

Für den Bereich der Kulturpolitik legte Erich Honecker im Dezember 1971 die neuen Vorgaben von staatlicher Seite dar:

"Wenn man von der festen Position des Sozialismus ausgeht, kann es meines Erachtens auf dem Gebiet von Kunst und Literatur keine Tabus geben. Das betrifft sowohl die Fragen der inhaltlichen Gestaltung als auch des Stils ..."[8]

Den Künstlern sollte eine relative Freiheit in ihrer Arbeit zugestanden werden, die aber dort ihre Grenzen hatte, wo sie von der Grundlage des Sozialismus im Sinne der Partei abwich. Biermann stand also weiterhin mit der überwiegenden Mehrheit seiner Lieder außerhalb dieses Rahmens und war auch künftig zum Schweigen verurteilt, d.h. an das Auftritts- und Publikationsverbot in der DDR gebunden. Andererseits konnten in der Zeit nach dem VIII. Parteitag der SED viele Werke von Autoren erscheinen, die vorher an der Zensur bzw. an den Druckgenehmigungsbehörden unter Beteiligung der Staatssicherheit gescheitert waren. Zu diesen Werken zählten z.B. Ulrich Plenzdorfs Roman Die neuen Leiden des jungen W. wie auch der Gedichtband Brief mit blauen Siegeln von Reiner Kunze. Auch bestand für die Kulturschaffenden in den Jahren 1971 – 1974 die Möglichkeit zu privaten Zusammenkünften mit westdeutschen Kollegen auf dem Gebiet der DDR. So trafen sich auf Initiative des DDR-Autors Jentzsch und des westdeutschen Schriftstellers Günter Grass Künstler zum regelmäßigen Austausch und zur Stärkung eines gemeinsamen Wir-Gefühls der deutschen Autoren in Ost – Berlin.

Doch bereits 1974 wurde die von Honecker gewährte künstlerische Freiheit erneut eingeschränkt. Die DDR zog sich wieder auf die ängstliche Abgrenzung und auf die Einschränkung in der literarischen Öffentlichkeit zurück. Westlicher Einfluss und westliches Gedankengut, das durch die außenpolitische Öffnung der DDR Einzug gehalten hatte, schien der SED eine Bedrohung, zumindest aber eine unerwünschte Erschwernis ihrer propagandistischen Arbeit ( Abgrenzung vom Westen ) zu sein. Bereits geplante Veröffentlichungen wurden zurückgezogen oder im Nachhinein als bedenklich eingestuft. Das MfS verstärkte seine Ermittlungsarbeit im Bereich der Kultur und setzte nicht staatskonforme bzw. kritische Kulturschaffende mit Drohungen, Observationen und gezielten Zersetzungsmaßnahmen unter Druck. Der Schriftsteller Reiner Kunze wurde nach eingehender Beschattung durch die Staatssicherheit[9] am 3. November 1976 aus dem Schriftstellerverband der DDR ausgeschlossen. Es kam zu vereinzelten Protesten von Seiten der Kulturschaffenden. Auch Biermann kritisierte die scheinbare Praxis, sich seiner politischen Gegner zu entledigen, in dem man sie aus allen öffentlichen Vereinigungen oder Institutionen sowie der Partei ausschloss.

III. Das Konzert in Köln und die Ausbürgerung

In den Jahren 1974 bis 1976 erreichten Wolf Biermann mehrere Einladungen zu Veranstaltungen in der BRD, doch alle Ausreiseanträge des Liedermachers wurden abgelehnt. In der Begründung der Verweigerung einer Reise zur Entgegennahme des J. – Offenbach – Preises der Stadt Köln ( 23. Mai 1974 ) heißt es von Seiten des Staatssekretärs für Kultur, Löffler, :

"Seit Jahren verleumden Sie in Gedichten und politischen Erklärungen gegenüber der Presse kapitalistischer Länder in gehässiger Weise den realen Sozialismus in der DDR und anderen sozialistischen Ländern (...) Die imperialistische Propaganda wurde von Ihnen für ihre antikommunistische Hetze reichlich mit Material versorgt. Dafür sollen Sie nunmehr offensichtlich mit einem Preis einer Institution der BRD belohnt werden. Sie können nicht erwarten, dass die staatlichen Organe der DDR Ihnen aus diesem Anlass eine Ausreisegenehmigung erteilen ..."[10]

[...]


[1] Agde, Günter : Kahlschlag – Das 11. Plenum des ZK der SED 1965 ; Berlin 1991

[2] vgl. Die Ballade von François Villon

[3] vgl. Wolf, Christa : „Kindheitsmuster“

[4] vgl. Literaturszene Prenzlauer Berg in der DDR

[5] ZEIT Nr. 35 / 1990

[6] Einrichtung neuer Abteilungen (wie z.B. der Abteilung VII der Hauptabteilung XX , welche eigens für den Bereich Literatur zuständig war ) , Ausweitung des IM – Systems etc.

[7] Die BRD versagte ihr aber die völkerrechtliche Anerkennung , da sie der Meinung war , dass die beiden

deutschen Staaten füreinander kein Ausland darstellen könnten.

[8] Rüß, Gisela (Hrsg.) : Dokumente zur Kunst-. Literatur- und Kulturpolitik der SED 1971 – 74 ; Stuttgart 1976;

S.287

[9] vgl. Kunze, Reiner : Deckname Lyrik – Geschichte einer Stasiobservation ; Berlin 1990

[10] Keller, Dietmar/ Kirchner, Matthias (Hrsg.) : Biermann und kein Ende – eine Dokumentation zur DDR-Kulturpolitik; Berlin 1991; S. 69f. ( im Folgenden : Keller/ Kirchner: Biermann und kein Ende )

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Die Ausbürgerung Biermanns und die Folgen für die DDR
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
26
Katalognummer
V124040
ISBN (eBook)
9783640296408
ISBN (Buch)
9783640301997
Dateigröße
472 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ausbürgerung, Biermanns, Folgen
Arbeit zitieren
Wencke Thiele (Autor:in), 2004, Die Ausbürgerung Biermanns und die Folgen für die DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124040

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