Würde im Alter - grundlegende Aspekte und sozialpädagogisches Wirken


Hausarbeit, 2009

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1 Vorwort

2 Das Alter als Lebensphase
2.1 Der soziologische Aspekt
2.2 Der biologisch — medizinische Aspekt
2.3 Der psychologische Aspekt
2.3.1 Altern als Bewältigung von Entwicklungsaufgaben (Havighurst)
2.4 Zwischenfazit

3 Wiirdevolles Altern — Erfolg und Misserfolg im Alltag
3.1 Begriffsbestimmung — Was ist Wiirde?
3.1.1 Autonomie — „sich selbst zu bestimmen"
3.1.2 Beziehung/ Teilhabe — „sich in der Umwelt auszuwirken"
3.1.3 die eigenen vier Wände — „sich zu gestalten"
3.1.4 gewaltfreies Altern - Freiheit und körperliche Unversehrtheit
3.2 Zwischenfazit

4 Sozialpädagogische Relevanz — methodischer Lösungsansatz
4.1 Methodenauswahl

5 Schlusswort

1 Vorwort

Die Wtlirde des Menschen ist unantastbar (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz). Doch so erstrebenswert das höchste Gut unserer Gesellschaft auch ist, es bietet doch in seiner facettenreichen Gestalt gentligend Angriffsfläche. Gerade in der Lebensphase, in der zwischenmenschliche Beziehung verloren gehen, eigene physische Beschwerden die Abhängigkeit von fremder Hilfe erfordern und die Gesellschaft die Alten scheinbar nicht mehr gebrauchen kann, wird der Wert des alten Menschen besonders in Frage gestellt. Und so ist es an der Zeit sich diesem Thema gerade vor dem Hintergrund eines demographischen Wandels zuzuwenden, um die Gegenwart und die eigene Zukunft zu hinterfragen und zu verändern.

In einem ersten Schritt widme ich mich dem Alter als Lebensphase und versuche unter soziologischen, psychologischen und biologisch — medizinischen Aspekten ein paar Stichpunkte dieser Altersphase herauszuarbeiten. In einem zweiten Schritt stelle ich Chancen und Misserfolg eines wtlirdevollen Alter(n)s gegentliber und versuche dies mit einleitenden Beispielen zu illustrieren. Als Abschluss stelle ich die Methode der Sozialen Netzwerkarbeit vor, die es meiner Meinung nach besonders gut versteht, die vielschichtigen Probleme und Problemlagen der alten Menschen zu erkennen und zu beheben.

2 Das Alter als Le bensphase

Das Alter zu beschreiben und einen Einstieg in die Thematik zu liefern, bedeutet wichtige Fragen, wie beispielsweise die Fragen nach der Zeitspanne des Alters oder nach bestimmten Merkmalen, die diesen Lebensabschnitt von einem anderen unterscheiden, abzustecken. Es wird für die weitere Bearbeitung immer wieder unabdingbar sein, auf diesen Abschnitt zurückzugreifen.

Der Beginn der Altersphase lässt sich nicht genau bestimmen. Weder die Sozial- und Verhaltenswissenschaften noch die Medizin liefern hierfür eindeutige Kriterien (vgl. Grjasnow 2005). Vielmehr wird der Eintritt sozial-administrativ festgelegt, beispielsweise durch das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben oder der Festlegung der gesetzlichen Altersgrenze (vgl. ebd.).

Um sich nun den Begriffen Alter und Altern weiter sukzessive anzunähern, möchte ich einige soziologische, biologische und psychologische Aspekte nennen, die diese Begriffe mit Inhalt füllen sollen.

2.1 Der soziologische Aspekt

Das Alter erlebt nach heutigem Wissensstand einen Strukturwandel1, der an fünf Subkonzepten sichtbar wird. So sind eine deutliche Verj u ngung des Alters , eine Entberuflichung , eine Singularisierung , eine Feminisierung und die Hochaltrigkeit als Ambivalenzen dieser Lebensphase erkennbar (vgl. Schneider, Welling 2004, S. 34). Andere Unterscheidungsmerkmale, wie das kalendarische Alter (jüngere Senioren bis 75 Jahre, Hochbetagte bis 85 Jahre, Höchstbetagte ab 85 Jahre und Langlebige über 100 Jahre), der physische und psychische Gesundheitszustand sowie die Familiensituation und das soziale Netzwerk machen deutlich, dass man bei den alten Menschen nicht mehr von einer homogenen Gruppe sprechen kann. Folgend möchte ich die fünf Konzepte näher konkretisieren.

Verjüngung des Alters

Neben der allgemein gestiegenen Lebenserwartung, haben das frühe Ausscheiden aus dem Berufsalltag, dazu beigetragen, dass sich das Alter in unserer Gesellschaft verjüngte. Die älteren Menschen fühlen sich zunehmend jünger und bleiben ,,...wirtschaftlich potent, mobil, sozial jeweilige Lebenssituation wird durch besondere Altersmerkmale charakterisiert." (Schneider, Welling 2004, S. 34) Die Subsysteme haben aber ]auch eine ,,...analytische Funktion im Hinblick auf gesellschaf lich — strukturelle Veränderungen" (Schneider, Welling 2004, S. 34) integriert und aktiv..." ( Bormet 2001, S. 11). Kurz gesagt, es findet eine Biographisierung des Alters statt. Parallel dazu finden wir aber auch die Alten, bei denen der ,,...Verlust von Fähigkeiten und sozialen Kontakten (Alte/Hochbetagte)..." (ebd.) genau das gegenteilige Bild vom Alterwerden bedeutet — nämlich Prozesse des Abbaus. Von Bedeutung ist dies vor allem hinsichtlich der Frage, welchen Platz man in einer Gesellschaft zugewiesen bekommt und welchen Einfluss diese auf den ,,...Aktionsradius, das Selbsterleben und Selbstbild der Alternden..." (ebd.) hat.

Entberuflichung

Das höhere Alter wird immer stärker entberuflicht. Ausschlaggebend ist das friihe Renteneintrittsalter, welches vor allem durch Berufs- und Erwerbsunfähigkeit, Altersarbeitslosigkeit etc. bedingt ist. Damit einher geht der Ubergang von Produktivität hin zum Unproduktivem, was f-r die Gesellschaft den Wegfall von Beteiligten am Bruttosozialprodukt bedeutet sowie f-r den Einzelnen einen möglichen Statusverlust zur Folge hat (vgl. ebd., S. 12).

Singularisierung

Unfreiwillig leben viele alte Menschen allein in unserer Gesellschaft. Die Ursachen sind vielfältig und gleichzeitig aber auch Indikatoren f-r die Machtlosigkeit gegen diese typische Alterserscheinung. Zunehmendes Alter geht einher mit Krankheiten und Behinderungen, welche einerseits das Aufrechterhalten von bestehenden sozialen Netzen (Gleichaltrige) erschweren, andererseits aber auch Verwitwung mit sich bringen können. Häufiger sind dabei die Frauen Betroffene eines Partnerverlusts, da sie zumeist jiinger als ihr Lebensgefährte sind und auch eine höhere Lebenserwartung (Feminisierung) haben. Infolge von Verwitwung zerfallen unter Umständen auch Kontakte die der Verstorbene zu Lebzeiten pflegte.

Einschränkungen kann es auch bei Kontakten zur eigenen Familie geben, wenn die Kinder nicht mehr im Hause der Eltern, sondern in einem anderen Stadtteil oder in einer anderen Stadt leben (Riickgang der Drei — Generationen — Haushalte). Der Wunsch nach auflerfamiliären zwischenmenschlichen Beziehungen zu Gleichaltrigen wird daher wachsen (vgl. Schneider, Welling 2004, S. 33), aber nicht immer erfüllbar sein.

Feminisierung

Frauen prägen aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung in der jetzigen Gesellschaft das qualitative und quantitative Bild vom Alter (vgl. Schneider, Welling 2004, S. 35). Nach Tews zeigt sich der Feminisierungseffekt daran, dass Frauen häufiger ( Bildungs-)Angebote der Altenhilfe nutzen, von Altersarmut stärker betroffen sind (aufgrund diskontinuierlicher Erwerbsbiographien) und öfter von ambulanten oder stationären Hilfeleistungen versorgt werden müssen (vgl. ebd.).

Hochaltrigkeit

Hochaltrigkeit ist ein Privileg der Frauen, welches allerdings mit Einschränkungen verbunden ist. Für die Lebenssituation der über 80-Jährigen formuliert Tews typische Benachteiligungen, wie geringe soziale Netzwerke, familiäre Isolierung, Multimorbidität, psychische Erkrankungen, Pflegebedürftigkeit (vgl. ebd.).

2.2 Der biologisch — medizinische Aspekt

Das Altern beginnt mit der Zeugung und endet mit dem Tod (vgl. Hagen 2004, S. 11 In: Bunzendahl, Hagen 2004). Als Prozess ist er insbesondere durch körperlichen Auf- und Abbau gekennzeichnet. Im höheren Alter setzt aber verstärkt ein körperlicher Verfall ein, der insbesondere bei Hochaltrigen durch Multimorbidität gekennzeichnet ist (vgl. Bormet 2001, S. 13). Dabei ist es aber nicht zwingend, dass die verschiedene Abbauprozesse zeitgleich einsetzen. Neben der genetischen Veranlagung sind es vor allem exogene Faktoren, wie „...Gesundheit, Umwelt, Emotionen, frühere Gewohnheiten, Lebensstandard..." (ebd.), die das empfindliche Gleichgewicht zwischen Regeneration/Kompensation und körperlichem Abbau beeinflussen. Innerhalb einer Jahrgangskohorte lieflen sich so erhebliche biologische Unterschiede feststellen (vgl. Hagen 2004, S. 13 In: Bunzendahl, Hagen 2004).

2.3 Der psychologische Aspekt

Die Bedeutung der psychologischen Perspektive ergibt sich aus dem Forschungsgegenstand, das Verhalten und Erleben im Altersprozess zu beobachten und zu verstehen. Es ist noch einmal notwendig zu notieren, dass das Altern ein hochkomplexer Vorgang ist, der Veränderungen von körperlichen Voraussetzungen (Gesundheit/Krankheit), sozialen Bedingungen ( Berufsstand/soziale Netzwerke), Verhaltensvoraussetzungen (geistige Leistungsfähigkeit/Problemlösungsverhalten) und des Erlebens (Selbstbild) umfasst (vgl. Grjasnow 2005). Diese Auswahl an Gegebenheiten bildet den Hintergrund für die Forschung und für verschiedene Alterstheorien. Eine bekannte Entwicklungstheorie, die auch Aspekte des Alterns und Alters mit einschlieflt, soll hier Erwähnung finden.

2.3.1 Altern als Bewältigung von Entwicklungsaufga ben (Havighurst)

Je mehr wir das Alter als eine eigenständige und sich stetig verlängernde Lebensphase begreifen, desto bedeutsamer werden die psychologischen Richtungen, die das Altern und Alterwerden im Rahmen lebenslaufbezogener Entwicklung sehen (vgl. Bormet 2001, S. 14). Havighurst als ein bedeutender Vertreter ordnet in seinem Konzept verschiedene alterstypische Entwicklungsaufgaben einem von sieben nach ihm klassifizierten Lebensabschnitten zu2 (vgl. Langfeld (Nothdurft 2004, S. 74ff.). Die speziellen Aufgaben werden wichtig, sobald eine Diskrepanz zwischen dem aktuellen Ist — Zustand und dem gewiinschten Entwicklungsziel besteht. Ausgelöst durch interne (physische Reife; individuelle Wiinsche, Zielsetzungen; Werte) oder externe ( Berufsaustritt, gesellschaftliche Erwartungen) Anderungsbedingungen. Um ein Fliellgleichgewicht (Aquilibration) wiederherzustellen, kommen Bewältigungsstrategien zum Einsatz, die ihrerseits unter anderem von Kontrolliiberzeugungen (Vorhersagbarkeit und Kontrollierbarkeit von Situationen), ”soft skills3 ", Attributionen (Ursachenzuschreibung) und sozialer Unterstiitzung abhängig sein können. Bei der Nennung möglicher Entwicklungsaufgaben4 geht Havighurst aber nur auf die die gesellschaftlichen Vorstellungen vom Altern ein (vgl. Grjasnow 2005) und nicht auf die individuell und biographisch begriindbaren Unterschiede im Entwicklungsverlauf.

2.4 Zwischenfazit

Im vorliegenden Kapitel habe ich das Alter und Altern aus der soziologischen, biologisch — medizinischen und psychologischen Perspektive betrachtet. Kurz zusammenfassend betonte der soziologische Aspekt vor allem die sozialstrukturellen Bedingungen (Kohorte, Geschichte, Kultur, Tradition etc.), innerhalb derer das Alter ein in und durch Gesellschaft geformter Prozess ist (vgl. Hagen 2004, S. 12 In: Bunzendahl, Hagen 2004). Als typische Merkmale sozialen Alters beschrieb Tews fiinf Subkonzepte, die Verjiingung des Alters; die Entberuflichung; die Singularisierung; die Feminisierung und die Hochaltrigkeit. Das biologische Alter umfasst indes physiologische Veränderungen (Regeneration/Kompensation vs. Abbauprozesse) in Abhängigkeit von exogenen Faktoren und genetischer Veranlagung. Im dritten Punkt, dem psychologischen Aspekt, ging es hauptsächlich um die individuellen Fähigkeiten, sich der Umwelt anzupassen (vgl. ebd, S. 13) bzw. altersentsprechende Entwicklungsaufgaben zu bewältigen.

[...]


1 Konzept: Strukturwandel des Alters nach Hans Peter Tews (1991). Tews geht davon aus, dass die Subkonzepte alterskorreliert sind, ,,...d.h. die

2 Die Zuordnung einzelner Entwicklungsaufgaben zu einem bestimmten Lebensabschnitt ist lediglich als Ordnungssystem zu betrachten. Manche Aufgaben können sich z. B. je nach Kultur, Epoche etc. zeitlich verlagern (Renteneintritt). Aullerdem unterscheidet Havighurst - wie aus anderen Literaturquellen hervorgeht - z. T. sogar 9 verschiedene Entwicklungsperioden.

3 Der Begriff ”Soft skills" umfasst Personal-, Sozial- und Methodenkompetenzen, wie Selbstwertgefiihl, Stressverarbeitung, Auftreten, Lernfähigkeit etc.

4 Anpassung an abnehmende körperliche Leistungsfähigkeit und Gesundheit; Partnerverlust; Akzeptanz des bisherigen Lebens und der Endlichkeit; Veränderung der sozialen Rollen; Akzeptanz der Zugehörigkeit zu dieser Altersgruppe

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Würde im Alter - grundlegende Aspekte und sozialpädagogisches Wirken
Hochschule
Ernst-Abbe-Hochschule Jena, ehem. Fachhochschule Jena
Veranstaltung
Seminar
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
22
Katalognummer
V124195
ISBN (eBook)
9783640290574
ISBN (Buch)
9783640290758
Dateigröße
597 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit beinhaltet wichtige ethische Aspekte, die im Zusammenhang mit diesem Thema von Bedeutung sind. (Kommentar des Professors)
Schlagworte
Würde, Alter, Sozialpädagogik, Sozialarbeit, Gewalt gegen Alte, Selbstbestimmung, Autonomie, Nachbarschaftshilfe, Havighurst, Lebensphase, biologische Aspekt, soziologische Aspekt, psychologische Aspekt, Teilhabe, Beziehungen, Freiheit, körperliche Unversehrtheit, Hochaltrigkeit, Feminisierung, Singularisierung, Entberuflichung, Verjüngung
Arbeit zitieren
Etienne Clauß (Autor:in), 2009, Würde im Alter - grundlegende Aspekte und sozialpädagogisches Wirken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124195

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