Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlagen
2.1 Öffentliche und freie Träger der Jugendhilfe
2.2 Gesetzlichen Grundlagen
2.3 Besonderheiten der Sozialwirtschaft
3 Finanzierungsquellen in der Sozialwirtschaft
3.1 Öffentliche Finanzierung
3.1.1 Direkte vs. indirekte Finanzierung
3.1.2 Formen der Zuschüsse
3.1.3 Leistungsvertrag
3.1.4 Aufwendungsersatz
3.1.5 Leistungsentgelt
3.2 Selbstfinanzierung
3.3 Finanzierung durch Privatpersonen und private Institutionen
3.4 Gemeinwesenökonomie und solidarische Ökonomie
4 Finanzierung einer Inobhutnahmestelle
4.1 Bedeutung der öffentlichen Finanzierung
4.2 Verwendung von Spenden
4.3 Möglichkeiten der Selbstfinanzierung
4.4 Trägerfinanzierung
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Sozialrechtliches Leistungsdreieck
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
In Bayern gibt es ca. 4177 Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, darunter fallen unter anderem Wohngruppen, Kinderheime und Inobhutnahmegruppen. Die damit verbundenen Kosten für Kinder- und Jugendhilfemaßnahmen haben sich in den letzten 10 Jahren fast verdoppelt. Die größte Steigerung der Ausgaben ist auf Kindertageseinrichtungen wie Kindergärten oder Krippen zurückzuführen, da diese in den letzten Jahren massiv ausgebaut wurden. Doch auch die Kosten für Hilfen zur Erziehung sind rasant angestiegen.1 Ein Grund des Kostenanstiegs in der Jugendhilfe ist die stetig steigende Anzahl von Kindern und Jugendlichen, die aufgrund von Kindeswohlgefährdung stationär untergebracht werden.2 Im Jahr 2020 wurden rund 40 000 Kinder in Obhut genommen, im Vorjahr waren es ca. 45 000 Kinder.3
Anlässlich der hohen Fallzahlen stellt sich die Frage, wer die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe finanziert. Die Sozialwirtschaft unterscheidet sich maßgeblich von anderen wirtschaftlichen Bereichen, da sozialen Einrichtungen unterschiedliche Möglichkeiten der Finanzierung zur Verfügung stehen.4
Im Verlauf dieser Arbeit wird der Finanzierungsmix der Sozialwirtschaft verdeutlicht, indem die unterschiedlichen Finanzierungsmöglichkeiten differenziert dargestellt werden. Um die Finanzierung der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen aufzuzeigen, wird am Beispiel der Finanzierung einer Inobhutnahmegruppe erläutert, welche Formen der Einrichtung zur Verfügung stehen und wie diese spezifisch genutzt werden. Des Weiteren werden sowohl die Chancen als auch die Risiken der Finanzierung in einer Inobhutnahme vorgestellt.
In den folgenden Ausführungen wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit die männliche Form verwendet. Jede Aussage gilt für beide Geschlechter. Diese Arbeit berücksichtigt somit den Grundsatz der Gleichbehandlung von Frauen und Männern.
2 Grundlagen
Damit die Finanzierung in der Sozialwirtschaft, konkret in der Kinder- und Jugendhilfe, veranschaulicht werden kann, müssen vorerst grundlegende Strukturen erläutert werden. In diesem Kapitel werden die Unterscheidungsmerkmale der öffentlichen und der freien Jugend-hilfeträger definiert und ein Einblick in die gesetzlichen Grundlagen im Hinblick auf die Finanzierung gegeben. Des Weiteren wird die Besonderheit der Sozialwirtschaft in Form des sozialrechtlichen Leistungsdreiecks vorgestellt.
2.1 Öffentliche und freie Träger der Jugendhilfe
Die bestehenden Unterschiede der öffentlichen und freien Träger werden unter anderem bei der Finanzierung der Jugendhilfe deutlich. Der öffentliche Träger wird regional vom Jugendamt vertreten, überregional ist das Landesjugendamt zuständig. Er stellt den Leistungsträger dar und ist somit verantwortlich für eine Voll- oder Teilfinanzierung der entstehenden Kosten. Der öffentliche Träger steht in der Verantwortung für die Planung und Bereitstellung von finanziellen Mitteln.5
Die freien Träger der Jugendhilfe werden somit durch die öffentlichen Träger teilweise finanziert. Dafür stehen unterschiedliche Finanzierungsarten zur Verfügung, welche in Kapitel 3 vorgestellt werden.
Freie Träger führen Dienstleistungen aus, die sie von ihrem Auftraggeber, dem Jugendamt, zugewiesen bekommen. Um eine Kostenübernahme für die erbrachte Leistungen zu erhalten, muss die Art der Leistung, der Umfang und die Qualität im Vorfeld definiert werden. Freie Träger der Sozialwirtschaft lassen sich in privat freigemeinnützige Träger, sogenannten Nonprofit-Organisationen und privat freiberufliche bzw. gewerbliche Anbieter unterscheiden.6
2.2 Gesetzlichen Grundlagen
Das KJHG wurde am 01.01.1990 eingeführt und ist heute unter dem Titel SGB VIII bekannt. Das SGB VIII beinhaltet die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und definiert die damit verbundene Finanzierung der Maßnahmen. Der fünfte Abschnitt des SGB VIII umfasst unter anderem die Kostenübernahme von Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe. In §78 werden die Anwendungsbereiche für die Übernahme von Leistungsentgelt definiert. Unter §78b werden die Voraussetzungen für die Kosten-übernahme klar definiert. Der Paragraph besagt, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der Kosten verpflichtet sind, sofern eine Leistungs-vereinbarung, Entgeltvereinbarung und Qualitätsvereinbarung abgeschlossen wurde. Der §78c beschreibt die Leistungsmerkmale, die eine Entgeltvereinbarung beinhalten muss, damit der Leistungserbringer seine Kosten vom Leistungsträger, der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe, erstattet bekommt. Darunter fällt die Bereitstellung von qualifiziertem Personal und die Festlegung der Art, des Ziels und der Qualität des Leistungsangebotes. Des Weiteren sollen laut §74 freie Träger der Jugendhilfe finanziell gefördert werden, sofern sie die fachlichen Voraussetzungen, ein gemeinnütziges Ziel und eine Eigenleistung in einem angemessenen Rahmen erbringen. Somit haben freie Träger einen Rechtsanspruch auf Förderung in Form von Zuschüssen.7
Unabhängig von den soeben beschriebenen gesetzlichen Vorgaben muss laut §77 eine Vereinbarung über die Höhe der Kosten geschlossen werden, sofern Dienstleistungen von Trägern der freien Jugendhilfe in Anspruch genommen werden. Diese Vereinbarung trifft der öffentliche Träger mit der Jugendhilfeeinrichtung selbst.8
2.3 Besonderheiten der Sozialwirtschaft
Die Sozialwirtschaft unterscheidet sich in diversen Bereichen von der Marktwirtschaft. Die unterschiedlichen Parteien stehen in einem Dreiecksverhältnis zueinander.9
Abb. 1: Sozialrechtliches Leistungsdreieck
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: In Anlehnung an Albrecht, B. et al., Trägerfinanzierung, 2015, S. 682.
In der Kinder- und Jugendhilfe ist der Leistungsträger das Jugendamt, in Form der wirtschaftliche Jugendhilfe. Er ist zugleich auch der Träger der entstehenden Kosten. Der Leistungsträger entscheidet in Form eines Verwaltungsaktes, ob Kosten für eine Maßnahme bewilligt oder abgelehnt werden.10 Der Leistungsträger führt die Leistungen nicht selbst aus, dies ist Aufgabe des Leistungserbringers. Es wird der Auftrag für eine Maßnahme erteilt und die damit entstehenden Kosten vom Leistungsträger übernommen. Der Leistungserbringer verpflichtet sich die Dienstleistungen am Leistungsempfänger durchzuführen. Meist sind Leistungserbringer freie Träger der Jugendhilfe, darunter fallen unter anderem Wohlfahrtsverbände wie die Caritas.11
Leistungsempfänger sind Privatpersonen. Sie schließen einen Vertrag mit dem Leistungserbringer ab und erhalten dafür eine Dienstleistung. Außerdem haben Leistungsempfänger einen Anspruch auf Leistungen gegenüber dem Leistungsträger, beispielsweise der Hilfe zur Erziehung. Für die erbrachte Leistung kann der Leistungsträger bei den Familien einen Beitrag einfordern, beispielsweise eine Kostenbeteiligung bei einer stationären Unterbringung des Kindes.12
3 Finanzierungsquellen in der Sozialwirtschaft
Im Folgenden Kapitel werden die unterschiedlichen Finanzierungsarten von sozialen Unternehmen vorgestellt. Hierbei gilt es zu beachten, dass in den meisten Unternehmen eine Mischung aus den zukünftig vorgestellten Finanzierungsformen besteht und sie sich meist nicht nur aus einer Quelle finanzieren.
3.1 Öffentliche Finanzierung
Die öffentliche Finanzierung ist in der Regel der Hauptbestandteil des Finanzierungsmix sozialer Einrichtungen. Sie beinhaltet verschiedene Formen der Finanzierung, welche im Folgenden näher erläutert werden.
3.1.1 Direkte vs. indirekte Finanzierung
Die Formen der öffentlichen Finanzierung lassen sich in verschiedene Finanzierungsarten untergliedern. Vorerst muss jedoch eine Unterscheidung zwischen der direkten und indirekten Finanzierung unternommen werden. Die direkte Finanzierung, auch Objektfinanzierung genannt, umfasst Zuwendungen und Zuwendungsverträge, Subventionen, Leistungsverträge und den Aufwendungsersatz. Der Empfänger dieser Leistungen ist immer die Einrichtung, somit der Leistungserbringer. Die indirekte Finanzierung (Subjektfinanzierung) bezieht sich auf die Abrechnung der entstehenden Kosten durch die Dienstleistung am Klienten und wird durch das Entgelt abgerechnet.13
3.1.2 Formen der Zuschüsse
Die Finanzierung in Form von Zuschüssen lässt sich in Zuwendungen und Subventionen untergliedern. Unter Zuwendungen fallen Geldleistungen, welche von Bund oder Ländern getätigt werden. Subventionen werden von den Kommunen finanziert. Sie können sowohl voll- als auch teilfinanziert werden. Eine Vollfinanzierung ist sehr selten und wird nur bewilligt, wenn die Verwirklichung des öffentlichen Zwecks nicht anders realisiert werden kann. In der Regel wird eine Eigenleistung des Zuwendungs-empfängers erwartet. Wird eine Eigenleistung getätigt, handelt es sich um eine Anteilsfinanzierung. Es wird nur ein prozentualer Anteil der Kosten übernommen, die restlichen Kosten werden durch weitere Finanzierungsträger oder einen Eigenanteil in Form von Spenden, Mitgliedsbeiträgen oder kirchlichen Zuwendungen getätigt.14
Neben der Voll- und Teilfinanzierung regelt die Festbetragsfinanzierung einen im Vorfeld festgelegten Betrag, welcher nicht veränderbar ist, auch wenn die Kosten steigen. Dies kann beispielsweise die Förderung von Fachleistungsstunden beinhalten. Der Leistungsträger beteiligt sich über einen gewissen Zeitraum an den entstehenden Kosten.15
Die vierte Form der Finanzierung durch Zuschüsse stellt die Fehlbedarfsfinanzierung dar. Bei einer Fehlbedarfsfinanzierung wird der Restbetrag beglichen, welcher nach Ausschöpfung aller finanziellen Mitteln verbleibt. Dies kann nur erfolgen, wenn keine weiteren eigenen Mittel zur Verfügung stehen und seitens des Zuwendungsgeber großes Interesse an der Maßnahme besteht. Eine Fehlbedarfsfinanzierung kann auch zu einer Anteilsfinanziert werden, wenn mehrere Zuwendungsgeber die Kosten gemeinsam decken.16
Wie bereits erwähnt, können Zuwendungen zeitlich begrenzt sein, dies ist beispielsweise bei einer Projektzuwendung der Fall. Es handelt sich hierbei um eine inhaltliche und zeitliche Begrenzung der Förderung in Form von Zuschüssen eines noch nicht begonnenen Vorhabens.17
Im Gegensatz zu den Projektzuwendungen stehen die institutionellen Zuwendungen. Hierbei wird eine ganze Einrichtung gefördert, nicht nur eine bestimmte Maßnahme wie es beispielsweise bei der Projektzuwendung der Fall ist.18 Um diese Art der Zuwendung zu erhalten, muss die Einrichtung einen Finanzierungs- und Wirtschaftsplan vorlegen. Hierbei handelt es sich um eine langfristige Förderung, meist wird die Förderung erst aufgelöst, wenn die Institution geschlossen wird.19
Der Zuwendungsvertrag ist ein öffentlich- rechtlicher Vertrag und bietet dem Zuwendungsempfänger mehr Planungssicherheit. Es handelt sich hierbei um einen Vertrag zwischen zwei formal eigenständigen Unternehmen. Er beinhaltet meist genaue Leistungsanforderungen und Leistungsmerkmale, die erfüllt werden müssen.20
Grundsätzlich werden Subventionen von Kommunen finanziert. Unter Subventionen fallen neben Sach- und Geldleistungen auch Steuererleichterungen bzw. Steuerbefreiungen. Ein Grund hierfür ist die Gemeinnützigkeit, welche die soziale Arbeit anstrebt.21 Besonders die Träger der freien Jugendhilfe, Jugendsozialarbeit und Beratungsangebote werden über Subventionen finanziert. Die Grundlagen hierfür sind im jeweiligen Landesrecht festgelegt.22
3.1.3 Leistungsvertrag
Eine weitere Form der direkten Finanzierung stellt der Leistungsvertrag dar. Der Leistungsträger schließt mit dem Leistungserbringer einen Vertrag ab. Darin werden konkrete Leistungen beschrieben, wie Inhalt, Umfang und Qualität der Leistung, die der Leistungserbringer zu Gunsten des Leistungsempfängers tätigen muss. Der Vertrag muss nicht auf Basis des SGB erstellt werden, sondern kann unabhängig von den darin geltenden Gesetzen aufgesetzt werden. Die Finanzierung vieler Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung basiert auf einem Leistungsvertrag.23
[...]
1 Vgl. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/12/PD20_504_225.html, Zugriff am 16.6.21 .
2 Vgl. https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Soziales/Kinderschutz/_inhalt.html, Zugriff am 16.6.21.
3 Vgl. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/06/PD21_295_225.html, Zugriff am 16.6.21.
4 Vgl. Wiesner, R., Veränderungen, 2017, S. 18.
5 Vgl. Albrecht, B., Baum, S., Behrend, C., Trägerfinanzierung, 2015, S. 674 f.
6 Vgl. Brinkmann, V., Finanzierungsformen, 2010, 58 ff.
7 Vgl. Albrecht, B., Baum, S., Behrend, C., Trägerfinanzierung, 2015, S. 679 ff.
8 Vgl . Patjens, R.., Förderrechtsverhältnisse, 2015, 157 f.
9 Vgl. Günther, M., Jugendhilferecht, 2020, S. 40.
10 Vgl. Günther, M., Jugendhilferecht, 2020, S. 41 f.
11 Vgl. Kolhoff, L., Sozialwirtschaft, 2017, S. 5f.
12 Vgl. Kolhoff, L., Sozialwirtschaft, 2017, S. 5f.
13 Vgl. Brinkmann, V., Finanzierungsformen, 2010, S. 149.
14 Vgl. Teske, W., Zuschüsse, 2006, S. 63.
15 Vgl. ebd.
16 Vgl. ebd.
17 Vgl. Kolhoff, L., Sozialwirtschaft, 2017, S. 73.
18 Vgl. Kolhoff, L., Sozialwirtschaft, 2017, S. 74.
19 Vgl. ebd.
20 Vgl. Wiesner, R., Finanzierung, 2018, S. 171 f.
21 Vgl. Kolhoff, L., Sozialwirtschaft, 2017, S. 70 f.
22 Vgl. Düx, W., Kinder- und Jugendhilfe, 2018, S. 171.
23 Vgl. Brinkmann, V., Finanzierungsformen, 2010, 158.