Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Agoraphobie mit Panikstörung
3 Gesundes Atmen
4 Einführung in die Atemtherapie
5 Atemtherapie in der Psychotherapie
6 Therapiemethoden bei Agoraphobie
6.1 Psychoedukation
6.2 Kognitive Umstrukturierung
6.2 Atemübungen als körperliche Entspannungsmethode
6.3 Abbau verstärkter Selbstbeobachtung
6.4 Richtung der Aufmerksamkeit nach außen
6.6 Expositionstherapie
6.7 Verlaufsbeobachtung
7 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Atmen ist lebenswichtig. Das menschliche Gehirn kann maximal acht Minuten ohne Sauerstoff auskommen. Ohne Wasser oder feste Nahrung kann der menschliche Organismus deutlich länger überleben. Einige Tage ohne Wasser und mehrere Wochen ohne feste Nahrung ermöglichen es trotz Mangel weiterzuleben. Wasser und Energie kann im Körper gespeichert werden, Sauerstoff nicht. Beim Atmen gelangt mit Sauerstoff angereicherte Umgebungsluft durch die Nase oder den Mund in den Kehlkopf, dann in den Rachen und die Luftröhre und schließlich in die Bronchien der Lunge. Dort findet ein Gasaustausch von mit Kohlendioxid angereicherter Luft, die zur Ausatemluft wird, und Sauerstoff haltiger Luft, die die Einatemluft ist, statt.
Schon wenige Minuten ohne Atmen kann zu irreparablen Schäden am menschlichen Organismus oder sogar zum Tod führen. Auch unzureichendes Aus- und wieder Einatmen, sogenanntes flaches Atmen, kann als Folge von chronischem Stress oder einer körperlichen oder seelischen Erkrankung zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff und einer zu hohen Konzentration von Kohlendioxid im Körper führen. Bei manchen psychischen Störungen verstärken sich die Symptome durch zu flachen Atem. In dieser Hausarbeit wird die Atemtherapie als Bestandteil der Therapie bei einer Agoraphobie mit Panikstörung vorgestellt. Der Patient hat immer wieder Panikattacken, wenn er sich ein einer auslösenden Situation befindet, wie im Supermarkt einzukaufen. Das läge aber nicht am Supermarkt selber, sondern passiere besonders oft, wenn er schwere Wasserkisten in den Einkaufswagen hebe. Auch an anderen Orten passiere ihm das und auch in anderen Situationen.
Es werden Therapiebestandteile wie Psychoedukation über Angststörungen, verhaltenstherapeutische Expositionstherapie, Abbau verstärkter Selbstbeobachtung und Richtung der Aufmerksamkeit nach außen sowie als Form der körperlichen Erregungskontrolle Atemübungen und -kontrolle integriert. Die gesamte Therapie dauert mit den anderen Komponenten zusammen acht Wochen (Lieb et al., 2020).
2 Agoraphobie mit Panikstörung
Die Agoraphobie mit Panikstörung wird in der ICD-10 mit der Codierung F40.01 dargestellt (WHO, 2019). Leitsymptome sindÄngste in Menschenmengen, auf öffentlichen Plätzen, auf Reisen oder bei Entfernung von Zuhause. Solche Situationen werden von Patienten gemieden, oft aus Angst, in dieser Situation eine Panikattacke zu erleiden. Das schränkt ihre Lebensqualität erheblich ein. Hinzu können vegetative Symptome kommen wie Palpitation (Herzklopfen mit erhöhter Frequenz), Schweißausbrüche, Fein- oder grobschlägiger Tremor (Zittern), Mundtrockenheit, Atembeschwerden, Beklemmungsgefühl, Thoraxschmerzen oder -missempfindungen (Lunge), Nausea oder abdominelle Missempfindungen (Übelkeit, Bauch), Gefühl von Schwindel oder Unsicherheit oder Schwäche oder Benommenheit, Angst vor Kontrollverlust, Angst zu sterben, Hitzewallungen oder Kälteschauer, Gefühllosigkeit oder Kribbeln. Als gestörte Elementarfunktionen können Ich-Störungen in Form von Derealisation oder Depersonalisation auftreten (Höck, 2021).
3 Gesundes Atmen
Ein gesunder Erwachsener atmet in der Minute bis zu sechzehnmal. Dabei wird zwischen Einatmung (Inspiration) und Ausatmung (Exspiration) unterschieden (Schmitz-Harwardt, 2021a). Im Normalfall kann ein gesunder Erwachsener solange einatmen, bis der sogenannte Hering-Breuer-Reflex die Alveolen in den Bronchien vor einer Überdehnung schützt, indem das Einatmen begrenzt wird (Dehnungszustand der Alveolen (Schmitz-Harwardt, 2021a).
Der Antrieb zum Atmen kommt bei einem Gesunden nicht etwa durch einen erkannten Sauerstoffmangel, sondern durch zu viel Kohlendioxid im Blut. Bei Lungenerkrankungen wie beispielsweise Chronischer Obstruktiver Bronchitis (COPD), die durch Rauchen entstehen kann, verändert das Körpersystem diesen Mechanismus und steuert den Atemantrieb über einen Sauerstoffmangel im Blut (Schmitz-Harwardt, Es liegt nahe zu vermuten, dass dieser Mechanismus auch bei psychischen 2021a).
Erkrankungen wie einer Agoraphobie mit Panikstörung greift, wenn gleichzeitig die Atmung verflacht und der Atemrhythmus verloren geht. In unserem Fall würde in auslösenden Moment, wenn der Patient einen Supermarkt betritt, ein verflachter Atem das Panikgefühl mit Angst und Stress verstärken. Daher ist es angebracht dem Patienten nicht nur für den Moment eine Verbesserung seines Befindens zu ermöglichen, sondern ihm durch Atemtherapie ein Trainingsverfahren an die Hand zu geben, durch das er sein Atemverhalten langfristig verändern und situativ kontrolliert einsetzen kann.
4 Einführung in die Atemtherapie
Atmen in der Psychotherapie, also als Atemtherapie, kann als Therapieform verstanden werden, mit der über die Arbeit am Atem ein therapeutischer Effekt erzielt werden soll (Mehling, 2009).
„Unter Atemarbeit oder Atemtherapie versteht man eine angeleitete Selbsterfahrung mit besonderer Aufmerksamkeit auf dem Atem.. Die zugrundeliegende Theorie besagt, dass der Mensch dazu neigt, in belastenden oder überfordernden Situationen eingeschränkte und verspannte Atemmuster anzunehmen, um sich nicht der Intensität der mit der Situation verbundenen Gefühle aussetzen zu müssen“ (Ehrmann, 2000; S. 47). Diese Aussage betrifft eher traumatherapeutische Anliegen, hingegen verflachter Atem gleichwohl aus stressbesetzten Situationen oder chronischem Stresserleben sowie aus psychologischen Erkrankungen resultieren kann, wie in dieser Hausarbeit exemplarisch bei einer Agoraphobie mit Panikstörung auftretend dargestellt. Der Atem wird dann immer auftretend dargestellt. Der Atem wird dann immer flacher und unrhythmischer (zkm, 2019).
In dieser Hausarbeit wird die diagnostisch-therapeutische Arbeitsweise vertreten, dasdem erfahrbaren Atem äußere Aspekte hinzugefügt werden, die aus dem psychosozialen Hintergrund des Patienten stammen mit all seinen Auswirkungen (hier: dem Störungswissen um Agoraphobie mit Panikattacken).
5 Atemtherapie in der Psychotherapie
Ein Ziel von kognitiver Verhaltenstherapie und hier konkret der Expositionstherapie (sich dem Reiz aussetzen) mit dem Ziel der Habituation (Gewöhnung) ist, den sogenannten Teufelskreis der Panik zu durchbrechen. Das Teufelskreismodell der Panikattacke besagt, dass in einer auslösenden Situation beispielsweise Herzklopfen wahrgenommen wird, kognitiv verarbeitet wird als „jetzt geht das wieder los“, worauf eine emotionale Reaktion folgt – hier „Angst“. Hierauf entwickelt sich schnell eine physiologische Reaktion – hier „Stress“, der sich als körperliche Empfindung manifestiert. Der Kreis schließt sich mit der Kognition „ich hatte wieder Recht, mein Herzklopfen ist schlimm und gefährlich“ (weil es sich am Ende wie echter körperlicher Stress anfühlt und sogar echter Stress ist, der durch die Kognitionen des Patienten erzeugt worden ist).
Der Atem ist eng mit physischen und psychischen Vorgängen im Menschen verbunden. Es gibt eine mechanische Wechselwirkung zwischen der Atembewegung und Körperorganen und deren Funktion. Die Atembewegung erfolgt in Abstimmung mit dem Herzen und dem Herz-Lungen-Kreislauf. Chemisch wird über die Atmung der Sauerstoffgehalt, der Kohlendioxidgehalt und damit der gesamte Stoffwechsel beeinflusst. Nervös-reflektorisch wirkt sich die Atmung auf Organe und deren Funktion aus. Und das Empfindungs- und Gefühlsleben des Menschen wird stark beeinflusst vor allem von der Atem-Motorik, die auf Großhirn- und Bewusstseinsvorgänge einwirkt (Schmitz-Harwardt, 2021d).
Bewusst trainiertes Atmen kann also recht zügig die Sauerstoff-Mangelsituation im Körper auflösen und das vegetative Nervensystem günstig beeinflussen. Der Patient kann schnell mehr Wohlbefinden und Gesundheit erlangen und in einen körperlich entspannten Zustand kommt. Das zu lernen ist wichtig, bevor ein Patient im Rahmen einer Psychotherapie mit einem Expositionsverfahren in eine Stress auslösende Situation geschickt wird, um die auslösende Situation besser aushalten zu können. Denn das Ziel der Exposition ist, dass der Patient die Situation lange genug aushalten kann um zu erfahren, dass der Teufelskreis im besten Fall nach eingehender Therapie und Übung nicht zu starten braucht beziehungsweise die in der auslösenden Situation wahrgenommenen Emotionen, wenn sie lange genug ausgehalten werden, nach spätestens zwanzig Minuten wieder abflachen ohne dass etwas Schlimmes passiert ist.
[...]