Die Bildwelt im Amosbuch im Kontext seiner Sozialkritik und im schulischen Kontext


Masterarbeit, 2022

75 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Analyse: Die Bildwelt im Amosbuch im Kontext seiner Sozialkritik
2.1 Überblick zum Amosbuch
2.1.1 Gliederung
2.1.2 Datierung
2.1.3 Die Figur Amos
2.2 Zeitgeschichte: Israel im 8. Jh. v. Chr
2.2.1 Politisch-militärischer Überblick
2.2.2 Wirtschaftlicher Überblick
2.2.3 Gesellschaftlicher Überblick
2.3 Die Bildwelt im Amosbuch
2.3.1 Am 2,6-8: Die Vergehen Israels
2.3.1.1 Am 2,6: Ein Paar Schuhe
2.3.1.2 Am 2,7: Köpfe in Staub und Entheiligung des heiligen Namen
2.3.1.3 Am 2,8: Wein vom Gelde der Bestraften
2.3.1.4 Am 2,6-8: Zusammenschau
2.3.2 Am 4,1: Die Kühe des Baschan
2.3.2.1 Am 4,1: Zusammenschau
2.3.3 Am 5,7.10-12: Gegen die Unterdrücker
2.3.3.1 Am 5,7: Recht und Wermut
2.3.3.2 Am 5,10.12: Der im Tor Recht spricht
2.3.3.3 Am 5,11: Quadersteine und Weinberge
2.3.3.4 Am 5,7.10-12: Zusammenschau
2.3.4 Am 6,4-6: Gegen Schwelgerei und Selbstsicherheit
2.3.4.1 Am 6,4: Lager aus Elfenbein
2.3.4.2 Am 6,5.6: David, Öl und Josef
2.3.4.3 Am 6,4-6: Zusammenschau
2.3.5 Am 8,4-6: Menschenhandel und Handelsbetrug
2.3.5.1 Am 8,4: Arme und Elende
2.3.5.2 Am 8,5: Efa und Schekel
2.3.5.3 Am 8,6: Abfall von Korn
2.3.5.4 Am 8,4-6: Zusammenschau

III. Auswertung: Die Bildwelt im Amosbuch im Kontext seiner Sozialkritik .
3.1 Auswertung der Gegenüberstellung der sozialkritischen Textpassagen im Amosbuch
3.2 Ergebnisse der Gegenüberstellung der sozialkritischen Textpassagen im Amosbuch
3.3 Zusammenfassung: Die Bildwelt im Amosbuch im Kontext seiner Sozialkritik

IV. Religionspädagogische Anknüpfung: Amos im schulischen Kontext
4.1 Curriculare Einordnung
4.2 Unterrichtsvorhaben
4.2.1 Umsetzung I
4.2.2 Umsetzung II
4.3 Lebensweltbezug und Zukunftsbedeutung für Schülerinnen

V. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Bilder begegnen uns überall im Alltag - sei es in der Schule, bei der Arbeit oder in den sozialen Medien. Besonders der letzte Bereich lebt von Bildern. Allein das auf Video- und Fotosharing fokussierte soziale Netzwerk Insta­gram hat laut einer Hochrechnung rund 1,22 Milliarden aktive Nutzerinnen weltweit.1 In Deutschland waren es in der Altersgruppe der 16- bis 29-Jähri­gen im Jahr 2020/21 rund 80%, die das soziale Netzwerk nutzten.2 In dieser zunehmend digitalen Welt werden Nutzerinnen auch mit Scheinbildern der Gesellschaft konfrontiert, die eine kritische Auseinandersetzung erfordern. Eine Sensibilisierung für Ungerechtigkeiten sollte daher schon bei Kindern und Jugendlichen, möglicherweise in der Schule, so früh wie möglich umge­setzt werden. Im schulischen Kontext nimmt der Evangelische Religionsun­terricht hierbei eine wichtige Rolle ein, denn durch ihn soll verantwortliches Handeln gelehrt werden.3 In diesem Zusammenhang führt eine Sensibilisie­rung für Ungerechtigkeiten zu einer Auseinandersetzung mit prophetischem Protest,4 weshalb sich eine nähere Betrachtung des Propheten Amos mit sei­ner starken Sozialkritik aus seiner Zeit anbietet. Die „weite räumliche und zeitliche Kluft zu heutigem mitteleuropäischem Bewusstsein“5 scheint eine Verbindung mit Amos zunächst zu beeinträchtigen. In Anbetracht fast tägli­cher Nachrichten über missachtete Menschenrechte, lässt die Sozialkritik Amos in einem aktuellen Licht erscheinen.6 Die zum Teil falsch eingesetzte Macht der Herrscher gegen Schwächere im Land zeigt sich auch bei uns in Europa, aktuell im November 2021: Der Grenzkonflikt zwischen Polen und Belarus führte dazu, dass Migrantinnen die Möglichkeit, in Europa ein bes­seres Leben zu führen, versperrt bleibt. Die Gesellschaft wird nahezu täglich mit solchen, meist beängstigenden Nachrichten konfrontiert. Es herrschen so­ziale Missstände vor, mit denen sich auch Schülerinnen kritisch auseinander­setzen sollten, sodass sich an dieser Stelle ein aktueller Lebensweltbezug zum Amosbuch ergibt. Im Zusammenhang sozialkritischer Textpassagen zeigt das Amosbuch eine reiche Bildwelt, weshalb es sich daher besonders für eine Un­tersuchung eignet. Der Aussage R. Kesslers, dass es im Amosbuch noch viel zu entdecken gibt,7 gilt es zuzustimmen: In den 1960er-Jahren wurde Amos als „Sozialkritiker und Vorkämpfer für Recht und Gerechtigkeit entdeckt“8, Martin Luther King zitierte in seiner berühmten Rede aus dem Jahr 1963 aus Am 5,24. In den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg hat sich die Wissenschaft mit der Sozialkritik des Amos und der Rekonstruktion der gesellschaftlichen Hintergründe beschäftigt,9 und für das 21. Jahrhundert erscheint Amos mit seiner Sprache und seinen Denkvorstellungen aktueller denn je, wenn es heißt, dass „soziale Gerechtigkeit und ökologische Katastrophen unmittelbar Zusammenhängen“10. W. Schottroff11 setzte sich 1979 mit dem Versuch, das Auftreten des Amos unter sozialgeschichtlichem Aspekt zu würdigen, ausei­nander und auch H. Weippert12 hat sich 1985 bereits mit Amos‘ Bildern und ihrem Milieu beschäftigt. Aktuellere, einschlägige Literatur mit einer detail­lierten Analyse der Bildwelt im Amosbuch im Kontext seiner Sozialkritik ist jedoch, trotz der dargestellten heutigen Bewandtnis, nicht vorhanden. Die vorliegende Arbeit zur Erlangung des Grades eines Master of Education soll einen Beitrag dazu leisten, diese Forschungslücke zu schließen. Um die Bild­welt im Amosbuch im Kontext seiner Sozialkritik zu analysieren, werden die folgenden eingrenzenden Fragen beantwortet: Wie wird die Sozialkritik im Amosbuch anhand von Bildern zum Ausdruck gebracht? Welche Bilder kom­men hierbei zum Einsatz und wie werden diese sprachlich umgesetzt?

II. Analyse: Die Bildwelt im Amosbuch im Kontext seiner Sozialkritik

Für die folgende Analyse zur Bildwelt im Amosbuch im Kontext seiner So­zialkritik erfolgt zunächst ein Überblick zum Amosbuch, woraufhin die Zeit­geschichte Israels für das 8. Jh. v. Chr. beleuchtet wird. Nach diesen einlei­tenden Kapiteln erfolgt im Hauptteil die konkrete Analyse der sozialkriti­schen Textpassagen.

2.1 Überblick zum Amosbuch

Zunächst soll ein Überblick darüber gewonnen werden, wie das Amosbuch aufgebaut ist, in welche Zeit es zu datieren ist und wer die Figur „Amos“ war. Hierdurch soll ein grundlegendes Verständnis für das Amosbuch geschaffen werden, worauf dann die anschließende Exegese unter Berücksichtigung der Fragestellungen aufbauen wird.

2.1.1 Gliederung

Das Amosbuch zählt zu den Schriften des Zwölfprophetenbuches und enthält neun Kapitel, die sich an R. Kessler13, J. Jeremias14 und P. Höffken15 anleh­nend wiederum in vier Teile gliedern lassen, wie Tabelle 1 zeigt:

Tabelle 1: Gliederung des Amosbuches

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bevor der Zyklus der Völkersprüche in Am 1,3 beginnt, stellt die Überschrift des Amosbuches den Propheten und seine Herkunft vor und gibt Ort und Zeit seines Wirkens an. Im gesamten Text wird kein Verfasser genannt, sondern nur die Information, dass es sich um „die Worte des Amos“ (Am 1,1) handele. Das Amosbuch ist also eine anonyme Schrift, „die sich als Sammlung von Amosworten ausgibt“16.

Der Zyklus der Völkersprüche (Am 1-2) folgt dem Aufbau eines Gedichts, das in acht Strophen aufgeteilt ist. In den ersten sechs Strophen werden fremde Völker angesprochen. Die siebte Strophe richtet sich an die Verbre­chen Judas, woraufhin sich die achte Strophe gegen Israel wendet. Die Kapi­tel 3-6 richten sich mit Gerichtsworten fast ausschließlich gegen Israel. Sie bestehen aus einer Sammlung längerer und kürzerer Sprüche, die mit „Unter­gang, Verbannung und Fremdherrschaft“17 drohen. Die Kapitel 7,1-9,6 bein­halten fünf Visionen, die in Ich-Form aus Sicht des Propheten berichtet wer­den. Hier erfahren die Leserinnen außerdem, wie Amos zurück in seine Hei­mat in das Südreich Juda geschickt wird, da er aus dem Nordreich ausgewie­sen wurde (7,10-17). Das angedrohte Ende, das aus den Kapiteln 3-6 bekannt ist, wird in diesem Teil des Amosbuches erneut aufgenommen und weiter ausgebaut, sodass die fünfte Vision ein „eindrückliches Finale“18 dieser Reihe darstellt. Die Gottesrede in Am 9,7-15 hingegen eröffnet eine Zukunft, die voller Hoffnung steckt. Dieses abschließende Kapitel bringt Heilsworte, die eine „wunderbare Wiederherstellung Jerusalems und des davidischen König­tums [...] und eine überwältigende Fruchtbarkeit des Landes“19 versprechen.

2.1.2 Datierung

Amos gilt als der älteste Schriftprophet, der zusätzlich der schärfste Sozial­kritiker war.20 Sein Wirken wird in die Zeit um 760 v. Chr. im Nordreich Israel, hauptsächlich in der Hauptstadt Samaria (Am 3,9-4,3; 6,1-11) und in Bet-El (Am 7,10-17; 4,4f., 5,4f.), datiert. Am 1,1 und Am 7,10 verweisen nämlich jeweils auf die Regierungszeit Jerobeams II. (787-747 v. Chr.); Am 1,1 verweist außerdem auf die Regierungszeit desjudäischen Königs Usija. Amos‘ prophetisches Wirken belief sich auf circa ein Jahr. Das Buch nimmt mit seinen Angaben eine immanente Selbstverortung vor, aber auch andere Referenzen der geschichtlichen Ereignisse, wie beispielsweise die Übergriffe der Aramäer von Damaskus in Gilead (Am 1,3), lassen sich in das 8. Jh. v. Chr. einordnen.21 Da die Buchüberschrift mit ihrer Eingrenzung hin­sichtlich Datierung, Ort und Person allerdings als nachträglich hinzugefügte Ergänzung auszumachen ist, bleibt eine exakte Rekonstruktion des öffentli­chen Auftretens Amos‘ nur als ungefähre Angabe hinzunehmen.22

Die redaktionelle Endfassung des Amosbuches stammt aus (spät-)nachexili- scher Zeit.23 Für das Amosbuch ist von einer längeren Entstehungsgeschichte auszugehen, da eine literarische Vielfalt im Buch vorhanden ist. Eine dia­chrone Betrachtung und somit eine genaue Rekonstruktion der Entstehung des Buches und der ursprünglichen Amosworte in ihrem Wortlaut ist nur schwer möglich.24 R. Kessler folgend lässt sich die Entstehung des Amosbu- ches am besten in Blöcken, die mit der Zeit fortgeschrieben wurden, verste­hen. In einer ersten redaktionellen Stufe ist von dem Auftreten eines Prophe­ten Amos in der Mitte des 8. Jh. v. Chr. auszugehen. Er kritisierte die Ent­wicklungen im Nordreich und drohte mit Unheilsankündigungen. Ursprüng­liche Amosworte sind wahrscheinlich in den Kapiteln 3-6 zu finden, sodass sich eine erste Sammlung von Amosworten in die Zeit um 722 v. Chr. datie­ren lässt. Eine zweite redaktionelle Stufe ist für die Zeit nach dem Untergang des Nordreiches anzusetzen. In dieser zweiten Stufe wurden der ersten Sammlung von Amosworten die Sammlung der Völkersprüche und die Visi­onsberichte hinzugefügt. In der dritten redaktionellen Stufe ist der Untergang des Südreichs Juda im Jahr 586 v. Chr. vorauszusetzen. Für die dritte Stufe ist demnach von einer übergreifenden Bearbeitung der Textteile auszugehen, sodass die Fortschreibung nicht mehr nur auf einzelne Teile beschränkt war. Die vierte und letzte Redaktionsstufe ist dem Schluss des Amosbuches,

Am 9,7-15, zuzuschreiben, sodass die letzte Stufe in die persische Zeit zu datieren ist.25 Die Redaktion des Amosbuches lässt sich also in vier Stufen unterteilen, bei der die früheren Texte allerdings erhalten blieben. Was genau verändert, weggelassen oder hinzugefügt wurde, lässt sich kaum noch nach­bilden. Verschiedene Perspektiven (Nordreich Israel, Südreich Juda), unter­schiedliche Kritiken (Ende des Staates Israel, Sozial- und Kultkritik) und Hoffnungsperspektiven werden nicht aufgehoben, sondern bleiben weiterhin bestehen. Diese Vielfalt der Aspekte prägt bis heute die Rezeption des ferti­gen Amosbuches.26

2.1.3 Die Figur Amos

Für die vorliegende Arbeit und besonders für die Auslegung der relevanten sozialkritischen Textpassagen spielt die Erfassung der Figur Amos im Kon­text seiner Position und den Beweggründen seiner Sozialkritik eine zentrale Rolle. Zu diesem Zweck wird Amos in diesem Kapitel hinsichtlich seiner Herkunft, seines Berufes und dem Ort seines Auftretens vorgestellt, sodass sich zusammen mit der in Kapitel 2.2 aufgezeigten Zeitgeschichte Israels im 8. Jh. v. Chr. die gesellschaftlichen Vorgänge zu dessen Zeit analysieren las­sen.

Amos stammte aus dem Südreich Juda, wo er in dem Ort Thekoa einem bäu­erlichen Doppelberuf (Am 7,12-15) nachging.27 Er war wahrscheinlich Vieh­hirte und Maulbeerfeigenritzer, was ihn wirtschaftlich unabhängig machte. Die Unabhängigkeit und sein bäuerlicher Beruf begünstigen dabei seine glaubwürdige Verkündigungsart des Gotteswortes, wodurch Amos als „Für­sprecher der Armen“28 zu verstehen ist. Außerdem zeigt der bäuerliche Beruf an, dass Amos sich selbst nicht als Prophet oder Prophetenschüler gesehen hat: „Ich bin kein Prophet, und ich bin kein Schüler eines Propheten, sondern ich bin ein Viehhirt und ritze Maulbeerfeigen.“ (Am 7,14) In Am 7,15 berich­tet er außerdem von der Erwählung Gottes, die ihn zum Weissagen gegenüber dem Volk Israel beauftragte: „Der HERR aber hat mich weggenommen von den Schafen, und der HERR hat zu mir gesprochen: Geh, weissage meinem Volk Israel!“ Amos hat sich seine Aufgabe also keineswegs ausgesucht, son­dern hat den Auftrag, dem Volke Israel zu prophezeien, von Gott auferlegt bekommen. Zusätzlich charakterisieren die zwei Übersetzungen des Namens Amos die Gestalt, die das Gotteswort an das Volk weitergibt: „getragen hat JHWH“ oder „JHWH hat eine Last aufgeladen“. Hierdurch lässt sich das un­gewöhnliche Auftreten im Nordreich eines aus dem Südreich stammenden „Propheten“ erklären: Der aus dem Südreich stammende Amos wurde von Gott in das Nordreich geschickt, um dort großes Unheil anzukündigen.29 Amos war zudem der einzige Prophet, bei dem das Herkunftsland nicht mit dem Land übereinstimmt, in dem er das Wort Gottes verkündigte. Nach der Ausweisung aus dem Nordreich (Am 7,10) ist über Amos nichts weiter be­kannt. G. Fleischer folgend wird er in seine Heimat Juda zurückgekehrt sein, wo er vermutlich weiterwirkte und seine Botschaft festgehalten wurde, sodass mit der Zeit das uns heute vorliegende Amosbuch entstehen konnte.30

2.2 Zeitgeschichte: Israel im 8. Jh. v. Chr.

Zunächst soll ein kurzer Überblick darüber gewonnen werden, in welche Zeit das Amosbuch hineinspricht. Denn nur mit dem Verständnis über die poli­tisch-militärischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse und dessen Veränderungen im 8. Jh. v. Chr., lassen sich die sprachlichen Bilder im Amosbuch richtig deuten.

2.2.1 Politisch-militärischer Überblick

Jerobeam II. (789-748 v. Chr.) konnte die über Jahrzehnte andauernden Kriege mit den Aramäern erfolgreich beenden, wodurch das mittlere Ostjor­danland zurückerobert und die Ausdehnung des Landes beinahe auf die der Größe unter der Herrschaft Davids gebracht werden konnte.31 2Kön 14,25 folgend konnte das Gebiet Israel von Lebo-Hamat bis zum Toten Meer wiederhergestellt werden.32 Die Zeit unter Jerobeam II. lässt sich deshalb als Zeit des außenpolitischen Friedens bezeichnen. Die Ruhe an den Landesgren­zen lässt sich außerdem mit einer Schwäche sowohl der Aramäer als auch der Assyrer erklären.33

Die Blütezeit des Nordreichs Israel zeigte sich auch im Ausbau befestigter Städte, was auch archäologische Zeugnisse des Wachstums Samarias zei­gen.34 Der Ausbau bezog sich auch auf administrative und militärische Bau­ten sowie bedeutende Kultzentren des Landes in der Stadt Bet-El.35 Bet-El wird sich am Ende des 10. Jh. v. Chr., nach der Teilung in das Nordreich Israel und das Südreich Juda, als Grenzstadt strategisch etabliert haben. Unter Jerobeam I. könnte die Stadt Bet-El zum Ort für den königlichen Staatstempel (Am 7,13) geworden sein, was zur „Herrscherlegitimierung und innenpoliti­schen Festigung des neuen Staates“36 in seinem Interesse gewesen sein dürfte. Der Bau des Kultzentrums in Bet-El ist auf Jerobeam I. zurückzuführen, der eine „goldene Stierstatue als Kultbild Jahwes“37 aufstellte. Jerobeam II. hielt diesen Kult aufrecht - was ihm als Nachkommen der Sünde Jerobeams nega­tiv nachgesagt wurde.38

Unter Jerobeam II. wurde auch der Verwaltungs- und Militärapparat erwei­tert, sodass Steuern und Abgaben die Bevölkerung zusätzlich belasteten.39 Der Ausbau des Staatsapparates, der auch den prachtvollen Aufbau der Hauptstadt Samaria beinhaltete, erzeugte ein „soziales Gefälle zwischen den städtischen Verwaltungszentren und dem Land“40. Der Staatsbildungsprozess war Ende des 8. Jh. v. Chr. sehr intensiv, sodass von einer Krisenzeit in der Geschichte der Verwaltung und der Rechtsprechung gesprochen werden kann. Durch eine höhere Anzahl der Aufgaben, die der Staat nun erledigen musste, wurde der Zugriff auf die gesamte Gesellschaft erhöht. Die Funktio­nen der Gesellschaftsschichten, die bisher nicht über den Staat reguliert wur­den, wurden somit schwächer.41 Der Einsatz von Beamten und dessen Ver­sorgung, konnte nur durch eine Erhebung der Steuern, die hauptsächlich in Naturalien erfolgte, funktionieren. Weshalb das zu innergesellschaftlichen Problemen führte, wird in Kapitel 2.2.3 Gesellschaftlicher Überblick näher erläutert.

In der frühen Zeit der Staatsbildung wurden Konflikte der Familien gewohn­heitsrechtlich geregelt, in der Königszeit haben sich daraus dann feste Nor­men gebildet. Die gewohnheitsrechtliche Konfliktregelung der Familien lief auf „Friedlichlegung“42 hinaus und war keinem juristischen Begehren unter­worfen, sodass von einer Ortsgerichtsbarkeit der Ältesten auszugehen ist.43 Im Laufe der Zeit gewannen die Ältesten mehr Einfluss auf die Rechtspre­chung. Die Torgerichtsbarkeit der Ältesten (s. u.) wurde teilweise professio­nalisiert und königlichen Beamten unterstellt, was die prophetische Sozialkri­tik als Textbasis beweist. Die königlichen Beamten, die wohl hauptsächlich in Jerusalem auftraten, beugten aber das Recht der sozial Schwachen und neigten zur Korruption.44 Es ist von einer „Zentralisierung der Gerichtsbar­keit“45 während der Entwicklung der staatlichen Organisationen auszugehen, woraus die Interessengruppe des Staates und der Beamten entstand. Diese konnten ihren Einfluss auf die Entwicklung und Funktion der Gerichtshöfe geltend machen. Der große Zuwachs der königlichen Gerichtsbarkeit, die sich von Jerusalem aus in die größeren Städte verbreitete, führte für die Großfa­milien und Stämme auf dem Land vermutlich zu erheblichen Veränderungen im Vergleich zu früheren Lebensbedingungen. Die königliche Gerichtsbar­keit wird zur Zeit der sozialkritischen Propheten noch nicht an allen Gerichts­höfen vertreten gewesen sein, sie etablierte sich in dieser Zeit aber als eine der letzten großen administrativen Veränderungen.46 Eine Rechtsprechung ohne Berufsbeamte, also die Torgerichtsbarkeit, wiederum stützte sich haupt­sächlich auf den Kreis der Ältesten, der einen Richter stellte, und die Verläss­lichkeit von Zeugenaussagen. Der freie Raum zwischen Außen- und Innentor beziehungsweise der freie Raum in Tordurchgängen mit seinen Kammern der dicht besiedelten Städte des Alten Orients boten Platz für ein Verfahren, wenn Gerichtshöfe noch nicht vorhanden waren oder familiäre Angelegenheiten geregelt werden mussten. Durch Korruption und Bestechungsgelder konnten Reiche und Mächtige die Rechtsprechung zu ihren Gunsten beeinflussen, so­dass die eigentlich Unschuldigen bestraft wurden. Die Torgerichtsbarkeit um­fasste im Alten Testament umfangreiche zivile Ansprüche, die mit der heuti­gen Justiz nicht vergleichbar sind: Sie entschied über Recht, Ehre sowie Stel­lung und Anerkennung in der Gesellschaft.47 Der Reichtum der Oberschicht konnte durch eine „korrupte Jurisdiktion“48 wachsen, indem verarmte Groß­grundbesitzer falsch beschuldigt wurden und der Einspruch vor Gericht ver­hindert wurde, wenn Leute der Oberschicht versuchten an Land zu kommen.

Betrachtet man die zunehmend verstaatlichte Gerichtsbarkeit mit dem Bevöl­kerungswachstum in einem Zusammenhang, so kann herausgestellt werden, dass die „lokale Gerichtsbarkeit [...] in Konkurrenz zur königlichen Gerichts­barkeit“49 stand, denn den Einfluss, den die Großfamilien bei der Rechtspre­chung ursprünglich hatten, wurde allmählich vom staatlichen Einfluss ver­drängt. Das Bevölkerungswachstum ist an dieser Stelle insofern von Bedeu­tung, dass es vermehrt Menschen gab, die „außerhalb der sozialen Kontrolle der Ortsgemeinde lebten“50. Ihre Lebensbereiche sollten im Normalfall durch die Rechtsprechung geregelt werden - die Rechtsfälle, die sonst mit den tra­ditionellen Normen der Gesellschaft geregelt wurden, vermehrten sich aber so stark, dass dies nicht mehr möglich war.51

2.2.2 Wirtschaftlicher Überblick

Israel ist lange Zeit eine Agrargesellschaft gewesen, was die Produktionsver­hältnisse des Landes prägte. Das wichtigste Wirtschaftsfeld bildeten über ei­nen langen Zeitraum der „Acker- und Gartenbau mit Getreide, Oliven und Wein sowie Gemüse [...] sowie die Zucht von Kleinviehherden“52. Um das Jahr 1.000 v. Chr. sind erste Nachrichten von verschuldeten Menschen, meis­tens Bauernfamilien, zu vernehmen. Die verschuldeten Familien liehen sich bei den Wohlhabenderen Geld und wenn sie es nicht zurückzahlen konnten, kam es zu Pfändungen oder zur Schuldsklaverei. Rund 200 Jahre später ent­wickelten sich die Verschuldungen zu Überschuldungen und Schuldsklav:in- nen arbeiteten auf Großgrundbesitzen.53 Hierdurch entwickelte sich der Mensch zur Ware, die verkauft wurde, da die Aneignung menschlicher Ar­beitskraft und Großgrundbesitzes das Ziel war.54 In der Königszeit gab es ei­nen Übergang von der „Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft“55, sodass ge­schuldete Abgaben nicht mehr direkt mit den eigenen Erzeugnissen beglichen werden konnten, sondern erst Geld beschafft werden musste, um die beste­hende Schuld zu begleichen. Gab es Ernteausfälle oder andere schlechte Be­dingungen, gerieten kleinere Bauernfamilien schnell in Abhängigkeiten, die sie in den Ruin trieben.56

Zur Blütezeit Israels unter Jerobeam II. zählte auch ein ökonomischer Auf­schwung. Es konnte ein Überschuss in der Landwirtschaft erzeugt werden, sodass auch in diesem Bereich expandiert werden konnte. Durch den expan­dierenden Handel eröffneten sich neue internationale Handelsmöglichkeiten, die beispielsweise den Import von Luxusgütern, etwa Möbel mit Elfenbein­schnitzereien, ermöglichten.57

Neben importierten Luxusgütern zeigte sich der Reichtum der Oberschicht auch in der gesteigerten Bautätigkeit. Es wurden aber nicht nur die Kultzen­tren ausgebaut und Städte befestigt, sondern die reichen Familien besaßen für ihr Komfortbedürfnis Winter- und Sommerhäuser (Am 3,15).58

Der Nordstaat Israel konnte sich, im Vergleich zum Südstaat Juda, aufgrund guter Verkehrsanbindungen und Handelsstraßen effektiv entwickeln. Die wichtigste Handelsstraße, die via maris, kam aus Ägypten und führte über Akko in den Norden. Die zweite wichtige Handelsstraße war die sogenannte Königsstraße, die Nord und Süd miteinander verband. Weiter gab es drei Ost­West-Verbindungen, sodass das gesamte Land sehr gut vernetzt und im inter­nationalen Handel eingebunden war.59

2.2.3 Gesellschaftlicher Überblick

Die Gesellschaft in Israel entwickelte sich zusätzlich von einer verwandt­schaftsbasierten Gesellschaft hin zu einer im 8. Jh. v. Chr. lebenden klassen­differenzierten Gesellschaft: Es bildete sich die Gruppe der „ökonomisch po­tenten Großgrundbesitzern“60 und die der immer mehr verarmenden Bauern­familien. Die soziale Entwicklung der Gesellschaft ging stark auseinander und lässt sich demnach in Ober- und Unterschicht unterteilen.

Reichtum auf der einen Seite muss nicht zwingend zu Armut auf der anderen Seite führen, was bedeutet, dass die „Ausbildung einer wirtschaftlich starken Schicht“ nicht zur Erklärung der gesellschaftlichen Situation im 8. Jh. v. Chr. allein ausreicht.61 Es muss also ein „Interessenwandel von den segmentären Interessen zu den Interessen des Staates“62 stattgefunden haben, was wiede­rum zugunsten der sich neu bildenden Oberschicht geschah, denn diese stütze sich auf die Interessen des Staates. Die wirtschaftlichen Möglichkeiten der wohlhabenden Familien wuchsen, wohingegen sich die Solidarität in der Gesellschaft verringerte.63 Der neue Reichtum im Land brachte nicht nur Vor­teile, sondern verursachte auch soziale Missstände, die demnach besonders die ärmeren Gesellschaftsschichten betrafen.64 Die sozialen Missstände ka­men vor allem dadurch zustande, dass die Großgrundbesitzer mit ihren Pro­duktionsmitteln große Profite erlangen konnten, die Landbevölkerung aller­dings durch Abhängigkeiten in Überschuldungen geriet. Die Bauernfamilien mussten das Land, das sie anbauten, von den Großgrundbesitzern pachten und den Pachtzins wiederum durch ihre Erträge bezahlen.65 Die Abhängigkeiten und Überschuldungen der ärmeren Landbevölkerung kamen unter anderem durch die Schuldsklaverei zustande. Wenn eine „Familie durch Missernte, Naturkatastrophe, Krankheit, drückende Steuerlast oder irgendeine andere Unbill in Not geraten war“66, mussten sie sich Getreide oder Geld leihen. Um Getreide oder Geld zu leihen, musste wiederum Pfand abgegeben werden, was in Form einer Sach- oder Personenhaftung geschah. Konnte eine Familie ihre Schulden mit fortschreitender Zeit nicht mehr bezahlen, mussten sie diese mit Arbeitskraft begleichen. Mit diesem Schuldausgleich kamen beide Parteien, Schuldner und Gläubiger, zu ihrem Recht, sodass Schuldsklav:innen nicht rechtlos, sondern eher human und sozial behandelt wurden. Im 8. Jh. v. Chr. kam es aber auch zur Ausnutzung dieser wirtschaftlichen Arbeitskraft, sodass viele Familien, die zuvor eigenständig waren, in eben diese Abhängig­keiten gerieten. Hieraus ergab sich die immer größer werdende Kluft zwi­schen Arm und Reich, die im Amosbuch angeprangert wird.67

Während der Blütezeit unter Jerobeam II. gab es außerdem einen starken Be­völkerungswachstum, sodass die landwirtschaftlichen Ressourcen an ihre Grenzen getrieben wurden. Die Abstände zwischen Arm und Reich wuchsen immer weiter, da die zahlenmäßig kleinere Oberschicht mit dem vorhandenen Kapital Handel treiben konnte, sodass sie ein Leben in Luxus führte.68 Die auftretende Verarmung der unteren Bevölkerungsschicht kam nicht allein durch das Bevölkerungswachstum und die Begrenztheit der Bodenressourcen zustande, sondern auch durch ungleiche Erbteilung. Die ungleiche Erbteilung, die in Israel vorherrschte, sah vor, dass der Erstgeborene bis zu zwei Drittel des väterlichen Grundbesitzes erhalten konnte. Das restliche Drittel des Besitzes wurde auf die weiteren Söhne verteilt. Da im 8. Jh. v. Chr. die Bodenressourcen knapp waren und steigende Bevölkerungszahlen die Begebenheiten zusätzlich verschärften, entstanden Kleingrundstücke, die wirtschaftlich wohl meistens eher weniger gewinnbringend waren oder erst gar keine Wirtschaftlichkeit mehr gegeben war. Eine schlechte Wirtschaft­lichkeit der Kleingrundstücke zwang die meisten Besitzer zum Verkauf, so­dass Großgrundbesitztümer entstehen konnten.69

Bei dem Prozess der sozialen Spaltung waren mehrere Generationen seit Be­ginn der Monarchie beteiligt, denn die Verarmung entwickelte sich über einen längeren Zeitraum.70 Eine mächtige Oberschicht konnte sich vor allem in der Hauptstadt Samaria entwickeln, der wohl hauptsächlich Beamte angehörten. Sie besaßen Ländereien, von denen nicht viele Menschen ernährt werden mussten und die nicht unter die Erbteilung fielen. Dadurch konnten sie wirt­schaftliche Unabhängigkeit und Profit erlangen, der wohl wiederum Tausch­geschäfte ermöglichte. Das Streben nach Luxusgütern in der Oberschicht könnte der Wille zur Imitation „königlichen Prestigekonsums“71 begünstigt haben, sodass eher der Austausch mit Handelspartnern in der Stadt statt einem Austausch mit Handelspartnern auf dem Land erfolgte. Hierdurch wurden die städtischen Handelspartner unterstützt, wohingegen die ländlichen Handels­partner keine Gewinne erzielen konnten. Im Zuge der Hierarchisierung der Gesellschaftsstruktur erfolgte auch eine Hierarchisierung der Bedürfnisse. Die Landbevölkerung hatte die Existenzsicherung im Blick, wohingegen die Oberschicht nach (mehr) Luxus strebte.72

Es ist festzuhalten, dass sich die Oberschicht auf Kosten der zunehmend ver­armenden und hilflos ausgelieferten ländlichen Bevölkerung entwickelte.73 Die veränderten Strukturen in der Gesellschaft werden sich nicht gleichzeitig mit den Gewohnheiten der Menschen verändert haben, jedoch hatte der Staat den größten Einfluss zunächst in den Städten, sodass in den Dörfern und in der Landbevölkerung die „alte Ordnung der Gesellschaft“74 beibehalten wer­den konnte. Durch die verstaatlichten Strukturen ergaben sich konkurrierende soziale Strukturen und Unterschiede zwischen den verschiedenen Bevölke­rungsgruppen. Die einst von den Großfamilien verteidigte Solidarität war von einem „überlegenen gesellschaftlichen System bedroht“75, sodass sich ein großer Kontrast zwischen den Gesellschaftsschichten entwickelte.

2.3 Die Bildwelt im Amosbuch

Im Amosbuch begegnen den Leserinnen viele Bilder, die sich jeweils durch „Metaphern, Gleichnisse, Redewendungen [oder] Vorstellungen“76 äußern. Diese sind einem bäuerlichen Milieu zuzuordnen. Das Amosbuch bildet mit seiner bäuerlichen Sprache keine Ausnahme im Alten Testament, stellt aller­dings ein eindrückliches Beispiel dar: Die von Amos hervorgebrachte Sozi­alkritik richtet sich an eine größere Gesellschaftsschicht, was im Alten Testament in dieser Form bisher nicht vorkam.77

Zu Beginn des Amosbuches werden die Vergehen und Kriegsverbrechen der einzelnen Völker in bäuerlichen Bildern geäußert, so beispielsweise in Am 1,3, wenn es heißt, dass Damaskus mit eisernen Dreschschlitten Gilead gedroschen habe. Aber auch die angedrohten Strafen gegen die Völker, die die Vergehen ausgeübt haben, sind vernichtend: „Ich sende Feuer in das Haus Chasael, und es wird die Paläste Ben-Hadads fressen!“ (Am 1,4) Auch das Vergehen der Ammoniter in Am 1,13 zeigt ein verstörendes Bild, wenn es heißt, dass sie „die Schwangeren des Gilead aufgeschlitzt [haben], um ihr ei­genes Gebiet zu erweitern“. Die zunächst durch Fürbitte des Amos abgewen­deten Strafen über Israel münden in der vierten Vision im „Ende Israels“ (Am 8,2). Die Geduld Gottes ist am Übermaß der Schuld seines Volkes vo­rüber. Die hart bestraften Verbrechen der Nachbarvölker führen zu den weit­aus schlimmeren Verbrechen des Volkes Israel. Die Vergehen, die an den ei­genen Volksmitgliedern verübt werden, werden in bildlicher Sprache geäu­ßert und kritisiert.78 Auch die weiteren Teile des Amosbuches sind mit bildlicher Sprache durchzogen, so etwa, wenn es um den Luxus der Ober­schicht geht (Am 4,1; 6,1-7) und deren Rechtsbeugung (Am 5,7.10-12; 6,12).

Die exegetische Arbeit erfolgt anhand zweier Bibelübersetzungen, nämlich anhand der Lutherübersetzung aus dem Jahr 2017 und der Zürcher Überset­zung aus dem Jahr 2007. Im schulischen Kontext wird hauptsächlich mit der Lutherübersetzung gearbeitet, sodass es für die religionspädagogische An­knüpfung dieser Arbeit sinnvoll ist, mit dieser Übersetzung zu arbeiten. Zu­sätzlich wird aber auch mit der Zürcher Übersetzung gearbeitet, da hier zum Teil die Übersetzung und/oder die Bedeutung der Wortwahl für sinnvoller und ergebnisreicher in Anbetracht der Analyse erachtet wird. Eine nähere Er­läuterung zur entsprechenden Übersetzungswahl wird bei den jeweiligen Stellen in der folgenden Analyse erfolgen.

Die Bildwelt, die in der vorliegenden Arbeit im Kontext der Sozialkritik Amos‘ untersucht wird, findet sich in allen Teilen des Buches wieder. Nach gründlicher Lektüre zeigen folgende Textpassagen ein vielseitiges Tableau an Bildern: Am 2,6-8; 4,1; 5,7.10-12; 6,4-6 und 8,4-6. Diese Textpassagen werden im Folgenden kursorisch und synchron bearbeitet, um eine etwaige Entwicklung der Bildwelt im Buchganzen feststellen zu können.

2.3.1 Am 2,6-8: Die Vergehen Israels

Zu Beginn des Amosbuches finden sich im Bereich der Völkersprüche in der Israelstrophe gleich mehrere Bilder. So heißt es in Am 2,6-8:

„6 So spricht der HERR: Um der drei, ja der vier Frevel willen derer von Israel will ich es nicht zurücknehmen, weil sie die Unschuldigen um Geld und die Ar­men um ein Paar Schuhe verkaufen. 7 Sie treten den Kopf der Armen in den Staub und drängen die Elenden vom Wege. Sohn und Vater gehen zu demselben Mädchen, um meinen heiligen Namen zu entheiligen. 8 Und bei den Altären stre­cken sie sich aus auf den gepfändeten Kleidern und trinken Wein vom Gelde der Bestraften im Hause ihres Gottes.“ (Lutherbibel 2017)

Für die Analyse der ersten Bilder in Am 2,6-8 wird mit der Lutherübersetzung gearbeitet, da sowohl eine verständlichere Übersetzung als auch ein verständ­licherer Satzbau im Vergleich zur Zürcher Bibel vorliegt.

In der Bildreihe in Am 2,6-8 heißt es, dass Gott über die drei beziehungsweise vier Vergehen Israels nicht hinwegsehen will, weil sie die Unschuldigen für Geld und die Armen für ein Paar Schuhe verkaufen. Weiter heißt es, dass Israel den Kopf der Armen in den Staub trete und die Elenden vom Weg ab­dränge. Außerdem gehen Sohn und Vater zum selben Mädchen, womit sie Gottes heiligen Namen entheiligen. In Vers 8 heißt es für diese Bildreihe ab­schließend, dass sie sich bei den Altären auf gepfändeten Kleidern ausstre­cken und Wein im Gotteshaus trinken, der vom Geld der Bestraften kommt.

In den folgenden Abschnitten werden die einzelnen Bilder genauer betrachtet, um die von Amos geäußerte Sozialkritik, die hinter diesen Bildern steht, zu verstehen. Im Gegensatz zu den übrigen Völkersprüchen, in denen besonders die Kriegsverbrechen der Fremdvölker gemahnt wurden, ist der Schuldauf- weis in Am 2,6-8 ein anderer: In diesen Versen werden sowohl soziale als auch, zumindest vage, kultische Vergehen Israels kritisiert.79

In Am 2,6-8 wird eine Gruppe nicht näher benannter Menschen angeklagt, die mit dem Kollektiv „Israel“ angesprochen wird. Durch eine genauere Ein­ordnung nach der Anklage wird aber deutlich, dass es sich nicht kollektiv um Israel handeln kann, denn es werden auch Opfer aus diesem Kollektiv be­nannt, an denen die sozialen Vergehen verübt werden. Die Opfer lassen sich bestimmten soziale Typen zuordnen, sodass deutlich wird, dass ein Täterkol­lektiv, „sie“ als „Israel“, einem Opferkollektiv, in Form sozialer Typen, ge- genübersteht.80 Hieraus lässt sich ableiten, dass eine gesellschaftliche Spal­tung besteht.

[...]


1 Vgl. Rabe, L.: Statistiken zu Instagram, veröffentlicht am 12.07.2021, URL: https://de.sta- tista.com/themen/2506/instagram/#dossierKeyfigures, letzter Zugriff am 10.11.2021.

2 Vgl. Rabe, L.: Umfrage zur Nutzung von Instagram nach Altersgruppen in Deutschland bis 2021, veröffentlicht am 12.07.2021, URL: https://de.statista.com/statistik/daten/stu- die/691584/umfrage/anteil-der-nutzer-von-instagram-nach-alter-in-deutschland/, letzter Zu­griff am 10.11.2021.

3 Siehe dazu Kapitel IV. Religionspädagogische Anknüpfung: Amos im schulischen Kontext.

4 Vgl. Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen: Kernlehrplan für die Sekundarstufe I Gymnasium in Nordrhein-Westfalen, Evangelische Religionslehre, Düsseldorf 2014, S. 27. Im Folgenden als „KLP Sek I“ zitiert. / Siehe dazu Kapitel IV. Reli­gionspädagogische Anknüpfung: Amos im schulischen Kontext.

5 Sticher, Claudia: Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach. Das Buch Amos, Stuttgart 2012, S. 152. Im Folgenden als „Sticher: Gerechtigkeit“ zitiert.

6 Sticher: Gerechtigkeit, S. 152.

7 Kessler, Rainer: Amos (IEKAT), Stuttgart 2021, S. 33. Im Folgenden als „Kessler: Amos“ zitiert.

8 Kessler: Amos, S. 33.

9 Vgl. Jeremias, Jörg: Der Prophet Amos (ATD 24,2), Göttingen 2013, S. IX. Im Folgenden als „Jeremias: Amos“ zitiert.

10 Kessler: Amos, S. 33.

11 Schottroff, Willy: Der Prophet Amos. Versuch der Würdigung seines Auftretens unter so­zialgeschichtlichem Aspekt, in: Willy Schottroff/ Wolfgang Stegemann (Hgg.): Der Gott der kleinen Leute. Sozialgeschichtliche Bibelauslegungen (Band 1 Altes Testament), München 1979. Im Folgenden als „Schottroff: Amos“ zitiert.

12 Weippert, Helga: Amos: Seine Bilder und ihr Milieu, in: Helga Weippert/ Klaus Seybold/ Manfred Weippert (Hgg.): Beiträge zur prophetischen Bildsprache in Israel und Assyrien (Oblis biblicus et orientalis; 64), Göttingen 1985. Im Folgenden als „Weippert: Amos“ zitiert.

13 Kessler: Amos, S. 13.

14 Vgl. Jeremias: Amos, S. XIXf.

15 Vgl. Höffken Peter: Art. Amos / Amosbuch, in: Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de), 2006. Im Folgenden als „Höffken: Amos“ zitiert.

16 Kessler: Amos, S. 12.

17 Kessler: Amos, S. 13.

18 Höffken: Amos.

19 Höffken: Amos.

20 Kessler, Rainer: Art. Sozialkritik (AT), in: Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de), 2008. Im Folgenden als „Kessler: Sozialkritik“ zitiert.

21 Vgl. Kessler: Amos, S. 15.

22 Vgl. Krause, Joachim J.: Amos und das Erdbeben oder: das prophetische Wort bewährt sich in seiner Auslegung, Vortrag auf dem XVII. Europäischen Kongress für Theologie, 05.-08. September 2021 in Zürich, S. 1.

23 Vgl. Höffken: Amos.

24 Vgl. Kessler: Amos, S. 20f.

25 Vgl. Kessler: Amos, S. 24-28.

26 Vgl. Kessler: Amos, S. 28.

27 Vgl. Jeremias: Amos, S. XVf.

28 Höffken: Amos.

29 Vgl. Sticher: Gerechtigkeit, S. 55ff.

30 Vgl. Fleischer, Gunther: Das Buch Amos, in: Christoph Dohmen (Hg.): Die Bücher Joel und Amos (NSK 23/2), Stuttgart 2001, S. 121. Im Folgenden als „Fleischer: Amos“ zitiert.

31 Vgl. Jeremias: Amos, S. XIV.

32 Vgl. Metzger, Martin: Grundriß der Geschichte Israels, Neukirchen-Vluyn 2004, S. 114f Im Folgenden als „Metzger: Israel“ zitiert.

33 Vgl. Fleischer: Amos, S. 122.

34 Vgl. Koenen, Klaus: Art. Bethel [Ort], in: Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de), 2007. Im Folgenden als „Koenen: Bethel“ zitiert.

35 Vgl. Frevel, Christian: Geschichte Israels, Stuttgart 2016, S. 230. Im Folgenden als „Fre­vel: Israel“ zitiert.

36 Koenen: Bethel.

37 Koenen: Bethel.

38 Vgl. Wagner, Thomas: Art. Jerobeam II., in: Das wissenschaftliche Bibellexikon im Inter­net (www.wibilex.de), 2011. Im Folgenden als „Wagner: Jerobeam II.“ zitiert.

39 Vgl. Schmitz: Israel, S. 90.

40 Fleischer: Amos, S. 122.

41 Vgl. Nurmi, Janne J.: Die Ethik unter dem Druck des Alltags. Die Impulse der gesellschaft­lichen Änderungen und Situationen zu der sozialkritischen Prophetie in Juda im 8. Jh. v. Chr., Âbo 2004, S. 192. Im Folgenden als „Nurmi: Ethik“ zitiert.

42 Nurmi: Ehtik, S. 153.

43 Vgl. Nurmi: Ethik, S. 191.

44 Vgl. Staszak, Martin: Art. Gericht / Gerichtswesen (AT), in: Das wissenschaftliche Bibel­lexikon im Internet (www.wibilex.de), 2014. Im Folgenden als „Staszak: Gericht“ zitiert.

45 Nurmi: Ethik, S. 191.

46 Vgl. Nurmi: Ethik, S. 191f.

47 Vgl. Jeremias: Amos, S. 69f.

48 Wagner: Jerobeam II.

49 Nurmi: Ethik, S. 193.

50 Nurmi: Ethik, S. 193.

51 Vgl. Nurmi: Ethik, S. 193.

52 Kessler, Rainer: Lohnarbeit im alten Israel - kreative Antworten des Alten Testaments auf neue soziale Herausforderungen, in: Rainer Kessler (Hg.): Leben und Handeln in der Gesell­schaft. Studien zur Sozialgeschichte Israels und Ethik des Alten Testaments (SBAB 73), Stuttgart 2021, S. 129. Im Folgenden als „Kessler: Lohnarbeit“ zitiert.

53 Kessler: Lohnarbeit, S. 128f.

54 Fleischer, Gunther: Von Menschenverkäufern, Baschankühen und Rechtsverkehrern: Die Sozialkritik des Amosbuches in historisch-kritischer, sozialgeschichtlicher und archäologi­scher Perspektive, Frankfurt am Main 1989, S. 389. Im Folgenden als „Fleischer: Sozialkri­tik“ zitiert.

55 Schottroff: Amos, S. 51.

56 Vgl. Schottroff: Amos, S. 57f.

57 Vgl. Schmitz: Israel, S. 90.

58 Vgl. Schottroff: Amos, S. 51.

59 Vgl. Schmitz: Israel, S. 88.

60 Kessler, Rainer: Differenz und Integration: Reaktionen auf die soziale Krise des 8. Jahr­hunderts, in: Rainer Kessler (Hg.): Studien zur Sozialgeschichte Israels (SBAB 46), Stuttgart 2009, S. 186. Im Folgenden als „Kessler: Differenz und Integration“ zitiert.

61 Fleischer: Sozialkritik, S. 385.

62 Nurmi: Ehtik, S. 192.

63 Vgl. Nurmi: Ethik, S. 192f.

64 Vgl. Schmitz: Israel, S. 87.

65 Vgl. Frevel: Israel, S. 230.

66 Sticher: Gerechtigkeit, S. 71.

67 Vgl. Sticher: Gerechtigkeit, S. 73f.

68 Vgl. Frevel: Israel, S. 230f.

69 Vgl. Fleischer: Amos, S. 122.

70 Fleischer: Sozialkritik, S. 386.

71 Fleischer: Sozialkritik, S. 387.

72 Fleischer: Sozialkritik, S. 389.

73 Fleischer: Sozialkritik, S. 390.

74 Nurmi: Ethik, S. 264.

75 Nurmi: Ethik, S. 263.

76 Weippert: Amos, S. 25.

77 Fleischer: Sozialkritik, S. 384.

78 Vgl. Jeremias: Amos, S. XVII.

79 Vgl. Kessler: Amos, S. 66f.

80 Vgl. Kessler: Amos, S. 67.

Ende der Leseprobe aus 75 Seiten

Details

Titel
Die Bildwelt im Amosbuch im Kontext seiner Sozialkritik und im schulischen Kontext
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
2,7
Autor
Jahr
2022
Seiten
75
Katalognummer
V1280799
ISBN (Buch)
9783346737434
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bildwelt, Amosbuch, Amos, Kontext, Sozialkritik, Israel, Zeitgeschichte, Bibel, Altes Testament, Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Bild, Religionspädagogische Anknüpfung, Masterarbeit, Master of Education, Lebensweltbezug, Zukunftsbedeutung, Schule, Medien, Social Media, Alltag
Arbeit zitieren
Marén Harde (Autor:in), 2022, Die Bildwelt im Amosbuch im Kontext seiner Sozialkritik und im schulischen Kontext, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1280799

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