Tunesiens Demokratie nach dem arabischen Frühling


Hausarbeit

28 Seiten


Leseprobe

Inhalt

Abstract

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Forschungsvorhaben
1.2 praktische und wissenschaftliche Relevanz

2. Merkels „Eingebettete Demokratie“
2.1 die Theorie der „eingebetten Demokratie“
2.2 Annahmen

3. Forschungsdesign
3.1 Der Bertelsmann Transformation Index
3.2 methodisches Vorgehen und Konzeptualisierung

4. Analyse
4.1 Gesamtüberblick
4.2 Freie und faire Wahlen
4.3 Politische Freiheiten
4.4 Bürgerrechte
4.5 Horizontale Verantwortlichkeit
4.6 Effektive Regierungsgewalt

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abstract

Deutsch:

Thema dieser Forschungsarbeit sind die Folgen des sogenannten arabischen Frühlings und die damit verbundene politische Revolution in Tunesien auf das politische System des Landes. Es wird mithilfe des Bertelsmann Transformation Indexes als Datengrundlage und der zur Zunahme der Demokratietheorie der „eingebetteten Demokratie“ von Wolfgang Merkel als theoretische Grundlage untersucht, ob die politische Revolution tatsächlich eine Verbesserung der Demokratiequalität in Tunesien zur Folge hatte. Da sich im Zeitraum vor dem sogenannten arabischen Frühling keine nennenswerten Veränderungen zugetragen haben und die Daten für 2019 noch nicht bestehen, liegt unser Untersuchungszeitraum zwischen 2011 und 2018. Welche konkreten Veränderungen nach der Revolution eingetreten sind und welchen Herausforderungen dem Land bevorstehen, werden im Folgenden ausführlich behandelt.

English:

The topic of this research work is the impact of the so-called Arab Spring and the associated political revolution in Tunisia on the country's political system. Using the Bertelsmann Transformation Index used as data basis and Wolfgang Merkel's theory of "embedded democracy" used as theoretical basis, the study examines whether the political revolution resulted in an improvement in the quality of democracy in Tunisia. Since there were no significant changes in the period before the so-called Arab Spring, and since the data for 2019 are not yet available, our period of study is between 2011 and 2018. The following section will discuss in detail the concrete changes that occurred after the revolution and the challenges facing the country.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: „Merkels Demokratiemodell“. Wolfgang Merkel 2004,

Abbildung 2: „Kriterien und Indikatoren des BTI“. bti-project.org, 2019.

Diagramm 1: „BTI-Tunisia Market Economy Status (2012-2018)”. atlas.bti-project.org, 2019.

Diagramm 2: „Werte der Untersuchten Indikatoren (2012-2018)”. atlas.bti-project.org, 2019.

1. Einleitung

1.1 Forschungsvorhaben

Vor kurzem haben sowohl Parlaments- als auch Präsidentschaftswahlen in Tunesien stattgefunden. Dies sind bereits die zweiten demokratischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Folge, seit Bestehen der ehemaligen Kolonie. Neben einigen kleinen Skandalen wie Präsidentschaftskandidaten, die aus der Untersuchungshaft kandidierten, Korruption und vorgezogenen Präsidentschaftswahlen, aufgrund des davon Scheidens des damalig Amtierenden Präsidenten, Beji Caid Essebsi, sind die Wahlen im groben ohne größere Komplikationen verlaufen. Es ist jedoch erschreckend zu beobachten, dass eine junge Demokratie wie Tunesien, schon in den zweiten offiziellen demokratischen Wahlen ihrer Geschichte eine Wahlbeteiligung von durchschnittlich unter 50% aufweist. Im Vergleich zu den Wahlen 2015, bei denen es bei den Parlamentswahlen eine Wahlbeteiligung von 69% und bei den Präsidentschaftswahlen eine von 63% gab, ein deutlicher Verlust (Fabien Dabert 2019, o.S.). Wie kommt es zu einer solchen Politikverdrossenheit und das schon zu Anfang eines neuen politischen Systems? Ist es möglich, dass das politische System sich nicht so sehr gewandelt hat, wie es ursprünglich scheint?

Die folgende Seminararbeit befasst sich mit den Folgen der politischen Revolution Tunesiens im Rahmen des sogenannten arabischen Frühlings. Der Schwerpunkt liegt auf der Veränderung des politischen Systems Tunesiens. Das Erkenntnissinteresse besteht darin herauszufinden, ob sich das politische System von Tunesien nach der Revolution 2010/2011 verändert hat. Der Fokus zielt hierbei darauf ab herauszufinden, ob das politische System Tunesiens nach 2010/2011 tatsächlich demokratischer ist als zuvor. Es lässt sich konkret folgende Forschungsrage formulieren:

Ist Tunesien seit der politischen Revolution 2010/2011 demokratischer als vorher?

Zur Beantwortung dieser Forschungsfrage dient der Bertelsmann Transformation Index (BTI) als Instrument und Datengrundlage. Der BTI ist ein Projekt, dass Analysen zur rechtsstaatlichen Demokratie und sozialpolitisch flankierten Marktwirtschaft zu 129 Entwicklungs- und Transformationsländern erstellt (bti-project.org „Über uns“ 2019, o.S.). Dadurch eignet er sich besonders gut, ein in einem Demokratisierungsprozess befindliches Entwicklungsland wie Tunesien, zu analysieren. Näheres zu diesem im Unterkapitel 3.1 „Der Bertelsmann Transformation Index“. Da wir einen Demokratisierungsprozess untersuchen, benötigt dieses Unterfangen ein Konzept, welches Demokratie definiert und anhand dessen Faktoren wir unsere Analyse richten können. Als theoretische Grundlage und Demokratiekonzept wird die Theorie der „eingebetteten Demokratie“ von Wolfgang Merkel genutzt. Diese Theorie eignet sich durch seine Vielsichtigkeit und Komplexität, einem Mehrdimensionalen Index wie dem BTI gerecht zu werden. In dem Unterkapitel 2.1 „die Theorie der eingebetten Demokratie“ wird diese Theorie konkreter aufgeschlüsselt. Der BTI und die Demokratietheorie der „eingebetteten Demokratie“ von Wolfgang Merkel werden also unsere beiden Hauptwerkzeuge sein, um unsere Forschungsfrage adäquat zu beantworten.

1.2 praktische und wissenschaftliche Relevanz

Tunesien ist bisher das erste arabische Land, in dem eine Revolution mit demokratischen Bestrebungen friedvoll geglückt ist. Wenn wir uns Länder wie Libyen, Syrien, Jemen oder derzeit die Geschehen in Libanon anschauen, können wir erkennen wie schwer solche Vorhaben sind, meist scheitern, gar in einem Bürgerkrieg münden. Ein Demokratisierungsprozess wie ihn Tunesien derzeit erlebt, ist meist langjährig und mühsam. Vor Allem da Tunesien als Vorreiter in der arabischen Welt, was solche Belange angeht, gilt, lohnt sich ein näherer Blick auf diesen Prozess. Demokratisierungsprozesse in der arabischen Welt, nicht zu Letzt, weil es schlicht und ergreifend an arabischen Demokratien als Untersuchungsgegenstand mangelt, sind bisher in der Politikwissenschaft nur selten Gegenstand von Untersuchungen geworden. Dies bietet hinreichend wissenschaftliche Relevanz sich das Phänomen des tunesischen Demokratisierungsprozesses genauer anzuschauen. Des Weiteren zeigt dieses Forschungsvorhaben, in wie weit sich Merkels Theorie der „eingebetteten Demokratie“, in Kombination mit dem BTI als Datengrundlage, sich dazu eignet Länder zu analysieren, die sich in einer Demokratisierungsphase, wie die Tunesiens, befinden.

Da die die Ereignisse in Tunesien bisher in der arabischen Welt beispiellos sind, können zukünftige Demokratien aus dem Prozess, denn Tunesien durchläuft lernen. Bei näherer Betrachtung der Geschehen in Tunesien, können für Länder in der arabischen Welt, welche sich derzeit in einer Umbruchsphase befinden, wie beispielsweise Algerien Orientierungspunkte vermittelt, Fehler identifiziert und vermieden und Abläufe effizienter gestaltet werden. Wie wir also erkennen liefert Tunesien auch zahlreiche praktische Gründe um als Untersuchungsgegenstand zu dienen.

2. Merkels „Eingebettete Demokratie“

2.1 die Theorie der „eingebetten Demokratie“

Die Theorie der „eingebetteten Demokratie“ wurde von dem Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel Anfang des 21. Jahrhunderts, als Reaktion auf die in der Politikwissenschaft bis dato gängige Demokratiemodelle, entwickelt. Diese als „electoral democracy“ bezeichneten Demokratiemodelle konzentrierten sich, wie der Name schon sagt, hauptsächlich auf freie Wahlen als notwendige Bedingung für eine Demokratie. Merkel bezeichnet diese als „begriffliche minimal Absicherung“ welche „normativ anspruchslos“ seien. Laut Merkel bedürfte es eines Demokratiebegriffes welcher „anspruchsvolleren normativen und analytischen Gütekriterien“ entspräche. Merkel erklärt, dass es für einen idealen Demokratiebegriff nötig sei, neben der Notwendigkeit von freien Wahlen auch jene Teilregimes eines politischen Systems zu erfassen, welche sichern, dass die Wahlen für die demokratische Machtausübung „bedeutsam“ seien. Hinzu sei zwischen den Wahlen die vertikale wie horizontale Verantwortlichkeit der Regierenden gegenüber den Regierten zu garantieren, sowie die Gültigkeit von Normen und Institutionen demokratischer Herrschaft zu gewährleisten. Dazu sei ausdrücklich ein intakter Rechtsstaat zu zählen. Er bezeichnet einen Demokratiebegriff, welcher all diese Kriterien erfüllt als „eingebettete Demokratie“ (Wolfgang Merkel 2004, Seite 7).

Die Idee hinter dem Demokratiebegriff der „einbetteten Demokratie“ ist, dass stabile rechtsstaatliche Demokratien doppelt einbettetet seien, nämlich sowohl intern als auch extern. Für den intern eingebetteten Teil eines politischen Systems, welchen Merkel als „Kern“ bezeichnet, gilt, dass seine einzelnen Teilregime, auf welche im Folgenden näher eingegangen wird, durch ihre jeweils spezifische Interdependenz und Independenz den normativen und funktionalen Bestand der Demokratiequalität gewährleisten. Für den externen Teil, welchen Merkel als „Rahmen“ bezeichnet, gilt, dass dessen Teilregime, auf die im Folgenden ebenfalls näher eingegangen wird, die ermöglichenden Bedingungen der Demokratie darstellten und gegen äußere wie innere Schocks sowie Destabilisierungstendenzen eine schützende Funktion bieten müssten (Merkel et al. 2013, S.270). Zu den internen Teilregimen die eine „eingebettete Demokratie benötige zählen: ein demokratisches Wahlregime (A), das Regime politischer Partizipationsrechte (B), das Teilregime bürgerlicher Freiheitsrechte (C), die institutionelle Sicherung der Gewaltenkontrolle (D) sowie die Garantie, dass die „effektive Regierungsgewalt“ der demokratisch gewählten Repräsentanten de jure und de facto gesichert ist (E) (Wolfgang Merkel 2004, Seite 7).

Abbildung 1: „Merkels Demokratiemodell“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wolfgang Merkel 2004, Seite 7

Das Wahlregime (A) spielt in Merkels Demokratiebegriff die Rolle den Zugang zu den zentralen staatlichen Herrschaftspositionen, über einen offenen Wettbewerb, an die Stimme des Volkes zu binden. Das Wahlregime nimmt unter den Teilregimen eine zentrale Position ein, weil es der sichtbarste Ausdruck der Volkssouveränität sei. Außerdem stelle es aufgrund der offenen pluralistischen Konkurrenz um die zentralen Herrschaftspositionen, die ausschlaggebende Differenz zur Autokratie dar. Darüber hinaus erfüllten freie Wahlen die Funktion der Herrschaftskontrolle in dem sie als Sanktionsmechanismus fungierten. Dies mache sie zu folgenreichen, jedoch zeitlich punktuellen Verfahren vertikaler Verantwortlichkeit. Ein demokratisches Wahlregime ist laut Merkel also eine notwendige, aber längst nicht hinreichende Bedingung für demokratisches Regieren (Wolfgang Merkel 2004, Seite 8).

Merkel erklärt, dass politische Partizipationsrechte (B) den Wahlen vor-, sogar über sie hinaus gingen und diese die vertikale Demokratiedimension vervollständigten. Sie konstituierten eine „Arena der Öffentlichkeit“, welche eine eigenständige politische Handlungssphäre darstelle und in der sich organisatorische und kommunikative Macht entfalten könne. Erst dies ermögliche demokratische Wahlen, da sie an die pluralistischen Interessen komplexer Gesellschaften angeschlossen werden würden. Sie bestünden zunächst aus der uneingeschränkten Geltung des Rechts auf Meinungs- und Redefreiheit, dem Assoziations-, Demonstrations- sowie dem Petitionsrecht. Sowohl öffentliche als auch private Medien müssten von erheblicher Bedeutung sein. Darüber hinaus dürfe die Verbreitung als auch der Empfang von Informationen und Nachrichten keinen politisch motivierten Restriktionen unterliegen. Erst solch eine Öffentlichkeit erlaube die volle Entfaltung der politischen und zivilen Gesellschaft.

Das Teilregime der bürgerlichen Freiheits- und Abwehrrechte (C) stelle sicher, dass der Staat an das geltende Recht gebunden sei und auf der Grundlage definierter Normen handele (Wolfgang Merkel 2004, Seite 8).

Ein weiteres Teilregime, welches für die „eingebettete Demokratie“ notwendig ist, sei laut Merkel die Gewaltenteilung und die durch sie institutionalisierte „horizontale Verantwortlichkeit“ (D). Die Institutionalisierung horizontaler Verantwortlichkeit der Staatsgewalten spiele eine Kontrollfunktion, die die übrigen Teilregime im demokratischen Grundgerüst noch offenließen. Die Kontrollfunktion der Gewaltenteilung ziele auf die Herrschaftsstruktur ab. Sie beinhalte die Rechtmäßigkeit des Regierungshandelns und dessen Überprüfung im Sinne einer balancierten wechselseitigen Interdependenz und Autonomie von Legislative, Exekutive und Judikative (Wolfgang Merkel 2004, Seite 9).

Das Teilregime der effektiven Regierungsgewalt (E) beschreibt Merkel mit der Notwendigkeit, dass es tatsächlich die gewählten Repräsentanten seien, die regierten. Dieses Teilregime lege fest, dass machtvolle Akteure, die keiner demokratischen Verantwortlichkeit unterworfen seien, wie beispielsweise das Militär, keine Verfügungsgewalt über bestimmte Politikbereiche haben. Anhand des Beispiels junger Demokratien in Lateinamerika, Ost-, Süd- und Südostasien, in denen das Militär zum Teil autonome Politikdomänen in der Außen- und Sicherheitspolitik besäße, veranschaulicht er einen Defekt dieses Teilregimes (Wolfgang Merkel 2004, Seite 9).

Die einzelnen Teilregime könnten ihre Wirkung nur dann voll entfalten, wenn sie wechselseitig „eingebettet“ seien. Merkel erklärt diese Wechselseitige Einbettung als die Funktion sowohl unverzichtbare „Zulieferdienste“ für ein anderes Teilregime zu leisten, wie dies die Teilregime B (politische Partizipationsrechte) und C (bürgerliche Freiheitsrechte) für das Teilregime A (demokratische Wahlen) erfüllten, als auch andere Teilregime an Übergriffen in angrenzende Sphären zu hindern, wie dies unter anderem die Teilregime C, D und E gewährleisten würden. Die jeweilige Balance zwischen den einzelnen Teilregimen sei fragil und unterscheide sich von Demokratie zu Demokratie. In Merkels Konzept ist es zwar möglich die Demokratie in die genannten Teilregime zu „disaggregieren“, dennoch stehen diese in wechselseitigem Bezug zueinander. Die Einbettung der Teilregime hebe nicht deren jeweilige Funktion auf, vielmehr verhindere diese Einbettung die Möglichkeit demokratieschädlicher Übergriffe. Gerade die wechselseitige Einbettung der einzelnen Institutionen der Demokratie in ein Gesamtgeflecht institutioneller Teilregime, mache eine Demokratie erst funktions- und widerstandsfähig (Wolfgang Merkel 2004, Seite 9).

Die externen Bestandteile, in die eine Demokratie laut Merkel eingebettet sein müsste, beschreibt er als die Umwelt, welche jede Demokratie umschließe, sie erst ermöglicht und stabilisiere. Er vergleicht diese Umwelt mit einem „Rahmen“ der eine Demokratie umschließe. Defekte und Destabilisierungen von Demokratien seien häufig auf Beschädigung dieses Rahmens zurückzuführen. Den Einbettungsrahmen, welchen die externen Bestandteile bildeten, seien zwar Möglichkeitsbedingungen, aber keine definierenden Bestandteile der Demokratie selbst. Er hält einen sozioökonomischen Kontext, eine vitale Zivilgesellschaft und die internationale Integration für die wichtigsten Bestandteile dieser Umwelt. Aufgrund der Konzeptualisierung und des Umfangs dieses Forschungsvorhabens, werden die externen Bestandteile nicht Gegenstand unserer Analyse sein. Konkreteres dazu in dem Unterkapitel 3.2 „methodisches Vorgehen und Konzeptualisierung“.

Als Gegenstück zu diesem Konzept entwickelte Merkel später den Demokratiebegriff der „defekten Demokratie“. Eigenschaft dieses Demokratiebegriffes ist es, dass in solchen demokratischen Systemen, beispielsweise das Wahlregime gegeben ist, aber die wechselseitige Einbettung der anderen Teilregime und somit die Gesamtlogik der rechtsstaatlichen Demokratie gestört sei. Wenn ein Teilregime nicht mehr seine eigentliche Funktion ausüben könne, so sei das gesamte System keine rechtsstaatliche Demokratie mehr (Merkel et al. 2003, S.57). Dieses Demokratiekonzept spielt für unsere Untersuchung keine Rolle, weshalb nicht auf dieses näher eingegangen wird.

2.2 Annahmen

Aus Merkels Theorie lassen sich verschiedene Annahmen ableiten. Diese können sich sowohl auf die Interdependenz und Dependenz der verschiedenen Regime des Kerns als auch auf die Stabilität des äußeren Rahmens beziehen. Zentral für unser Forschungsvorhaben ist jedoch nur der Kern, welcher sich aus den unterschiedlichen Regimen zusammensetzt. Diese Bestandteile des Kerns stellen ebenso den Kern für Merkels Definition einer rechtstaatlichen Demokratie dar. Die Bestandteile des Rahmens stellen keine definierenden Eigenschaften einer Demokratie dar, weshalb das Hauptaugenmerk unserer Analyse auf den einzelnen Regimen des Kerns liegt.

Da uns die unterschiedlichen Regime des Kerns von Merkels Demokratietheorie, als Demokratiedefinition dienen, müssen wir uns die einzelnen Aspekte unseres 10

Untersuchungsgegenstandes im Hinblick auf diese anschauen. Was bedeutet das für die Untersuchung? Konkret heißt das, dass wir Eigenschaften unseres Untersuchungsgegenstandes analysieren, welche mit den Regimen der Demokratiedefinition, die uns als theoretische Grundlage dient, deckungsgleich sind. Welche diese Eigenschaften genau sind wird in dem Unterkapitel 3.2 „methodisches Vorgehen und Konzeptualisierung“ genauer aufgeschlüsselt. Merkel führt in seiner Demokratietheorie der eingebetten Demokratie, wie bereits im Vorkapitel erläutert, fünf Regime an. Diese sind das Wahlregime (A), das Regime politischer Partizipationsrechte (B), das Regime bürgerlicher Freiheitsrechte (C), die institutionelle Sicherung der Gewaltenkontrolle (D) und die effektive Regierungsgewalt (E). Da unsere Forschungsfrage lautet, ob Tunesien nach dem sogenannten arabischen Frühling demokratischer ist als zuvor und nicht, ob Tunesien nun eine intakte Demokratie ist, konzentrieren wir uns eher auf die einzelnen Regime für sich und nicht wie diese miteinander zusammenspielen und harmonieren. Wir untersuchen jedes einzelne dieser Regime in Tunesien und schauen uns an, ob diese sich jeweils verbessert, verschlechtert oder nicht verändert haben. Daraus lassen sich konkret fünf Annahmen formulieren:

1. Die Wahlen in Tunesien sind freier und fairer als vor dem arabischen Frühling.
2. Die Bürger Tunesiens verfügen über mehr politische Freiheiten als vor dem arabischen Frühling.
3. Die Bürger Tunesiens verfügen über mehr bürgerliche Rechte als vor dem arabischen Frühling.
4. In Tunesien besteht mehr horizontale Verantwortlichkeit als vor dem arabischen Frühling.
5. In Tunesien besteht eine effektivere Regierungsgewalt als vor dem arabischen Frühling.

Lassen sich die Mehrheit dieser Annahmen bestätigen, so ist unsere Forschungsfrage mit einem Ja zu beantworten.

3. Forschungsdesign

3.1 Der Bertelsmann Transformation Index

Da der für die Untersuchung verwendete Index wesentlich für die Konzeptualisierung dieser Forschungsarbeit ist, wird dieses Kapitel zum besseren Verständnis mit der Beschreibung des Indexes eingeleitet.

Als Maßstab für die Analyse des neuen politischen Systems in Tunesien dient der Transformationsindex der Bertelsmann Stiftung (BTI). Dieser erscheint alle zwei Jahre und bewertet 129 Entwicklungs- und Transformationsländer, ob und wie diese einen gesellschaftlichen Wandel in Richtung Demokratie und Marktwirtschaft gestalten. Länderexperten überprüfen anhand eines standardisierten Codebuchs, inwieweit insgesamt 17 Kriterien erfüllt wurden und erstellen für jedes Land ein Ländergutachten. Diese sind online auf der Internetseite des BTI verfügbar. In diesen Ländergutachten werden Punkte für die jeweiligen Kriterien vergeben (bti-project.org 2019, o.S.).

Der BTI setzt sich im groben aus zwei Indizes zusammen. Zum einen der Status-Index, der in zwei Untersuchungsdimensionen unterteilt ist. Diese sind die politische und die wirtschaftliche Dimension, welche einen Überblick über den Entwicklungsstand des untersuchten Landes bieten und dieses auf dem Weg zu einer rechtsstaatlichen Demokratie und einer sozialpolitisch flankierten Marktwirtschaft verorten. Zum anderen der Management-Index, welcher die Qualität der politischen Gestaltungsleistung beurteilt (bti-project.org 2019, o.S.).

Abbildung 2: „Kriterien und Indikatoren des BTI“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Tunesiens Demokratie nach dem arabischen Frühling
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Autor
Seiten
28
Katalognummer
V1283050
ISBN (Buch)
9783346782700
Sprache
Deutsch
Schlagworte
tunesiens, demokratie, frühling
Arbeit zitieren
Rayan Doukali (Autor:in), Tunesiens Demokratie nach dem arabischen Frühling, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1283050

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Im eBook lesen
Titel: Tunesiens Demokratie nach dem arabischen Frühling



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden