Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Die Entstehung der Clown-Figur - ein historischer Umriss
1.1 Etymologie des Clown Begriffs
1.2. Die „Geschichte“ des Clowns - Ursprünge, Abstammung, Ahnen und Funktionen
2. Prototyp Clown
2.1. Die Merkmale der prototypischen Clown-Figur
3. Clowns in der Popkultur - eine Entwicklung
3.1 Der „Evil-Killer-Clown
3.2. Der Horrorclown am Beispiel von Pennywise
Fazit
Quellen- und Literaturverzeichnis
Einleitung
„Spitze, raubtierartige Zähne in einem weit klaffenden Mund, maliziös funkelnde Augen, die weiße Schminke blutverschmiert. [...] Ein soziopathischer, horrender Charakter, der diesem auf den ersten Blick in jedweder Hinsicht wider-spricht und eine Welle der Abneigung einerseits, Faszination und Ehr-furcht andererseits verursacht.“1
Bunte, mit Flicken übersäte Kleidung, riesige Schuhe, ein stark geschminktes Gesicht, die rote Nase, mal ein Ballon, das tollpatschige Verhalten, ein ständiges Stolpern und das breite Grinsen, sind meist die Assoziationen, die Menschen mit der Figur des Clowns verbinden. Doch in der heutigen Moderne findet man den Clown nicht mehr nur als Darsteller im Zirkus oder Theater, der den Rezipienten zum Lachen bringt, sondern vermehrt in filmischen Darstellungen, die eine Kehrseite dieser traditionellen Assoziationen aufweisen. Diese divergierende Entwicklung wird besonders durch das oben aufgeführte Zitat verdeutlich. In dieser Ausarbeitung soll die Frage geklärt werden, welchen Prozess die Clown-Figur in der Popkultur unternimmt und welche Merkmale dieses Charakterisieren. Dabei soll zunächst die Entstehung des Clowns aufgezeigt sowie dessen ursprüngliche Funktion dargestellt werden. Danach werden anhand von wissenschaftlicher Literatur Merkmale der modernen Clown-Gestalt herausgearbeitet. Diese aufgestellten Merkmale sollen dann auf die filmische Darstellung von ES (Pennywise der tanzende Clown, 2017) bezogen werden. Dabei berücksichtigt werden ebenfalls traditionelle clowneske Charakteristika, damit dargestellt werden kann, inwiefern der Entwicklungsprozess der Figur stattfindet. Computerspiele, Musik, Bücher sowie Comics werden dabei nicht berücksichtigt, da die zusätzliche Verwendung dieser Genres den Rahmen dieser Ausarbeitung sprengen würden. Des Weiteren wird die gesamte Handlung des Films ES (2017) vorausgesetzt.
1.Die Entstehung der Clown-Figur - ein historischer Umriss
1.1. Etymologie des Clown Begriffs
Bei der Etymologie des Begriffs um den „Clown“ ist es zunächst wichtig festzuhalten, dass der Terminus in seiner Bedeutung in einem engen Zusammenhang mit der Figur selbst steht, wobei die wirkliche Herkunft des Begriffs unter den Forschern noch divergiert. Eine Theorie, die unter den Wissenschaftlern jedoch viel Zuspruch findet, ist jene, die den Ursprung des Begriffs im lateinischen Wort colonus (Bauer, Siedler, Pächter, Bewohner) definiert. Fried und Keller argumentieren daraus folglich, dass das Besiedeln neuer Gegenden ein Brechen von geltenden Normen sei und demnach gleichzeitig ein Abweichen von Normalität und traditionellen Werten darstelle. Das Abweichen und die Andersartigkeit sind charakteristische Züge der sich über die Geschichte entwickelnden Clown-Figur. Mit dem lateinischen Substantiv colonus ist auch das lateinische Verb colere verbunden, was so viel wie „etwas umdrehen“ bedeutet. Forscher argumentieren, dass die Clown Figur immer wieder Dinge und Situationen verdrehe, um somit einerseits komisch zu wirken und um andererseits die gesellschaftlich etablierten Normalzustände aufzubrechen. Eine Verbindung des Wortes Clown mit dem lateinischen Wort colonus finden Forscher ebenfalls im 19. Jahrhundert in Frankreich. Hier wurde der Begriff unter der Herrschaft von Napoleon als Ausdruck für Bauern verwendet, die durch feudale Herrschaft als unterdrückt galten. Weitere Verbindungen sehen Wissenschaftler im englischen Spätmittelalter, als der Ausdruck clown abwertend für eine Person verwendet wurde, die mit ihrem Verhalten von den geltenden Normen abwich.2 Summiert lässt sich also festhalten, dass der Ausdruck besonders dafür verwendet wurde, um Personengruppen zu beschreiben, die einerseits gesellschaftlichen Konventionen abwichen und andererseits Belustigung durch ihr Auftreten hervorriefen.
Bereits die Etymologie des Begriffs um den Clown zeigt, dass diesem eine lange Geschichte zugrunde liegt. Um also eine Entwicklung der Clown Figur aufzuzeigen, ist es zunächst wichtig, die Hintergründe des Clowns zu Entstehung, Ursprüngen sowie eigentliche Funktion nachzuzeichnen. Dies soll folgendes Kapitel thematisieren. Dabei ist zu beachten, dass bereits der soeben vorgestellte Terminus eng mit der Figur verbunden ist.
1.2. Die „Geschichte“ des Clowns - Ursprünge, Abstammung, Ahnen und Funktionen
Wie sich bereits herausstellte, findetder Clown seinen Ursprung bereits früh in der Geschichte. Aufgrund mangelnder Quellenzeugnisse, lässt sich die Abstammung des Clowns jedoch nur bedingt nachzeichnen. Dennoch soll im Folgenden der Schritt einer kurzen Nachzeichnung zur Herkunft unternommen werden.
Erste Verbindungen lassen sich nachweislich bei den Saturnalien Roms in der Antike finden. Das siebentägige Fest im Dezember, zeichnet sich durch einen Rollentausch von Sklaven und ihren Herren aus („verkehrte Welt“). Es kommt zu einer zeitlichen Aufhebung der sozialen Unterschiede von den Beteiligten. Neben dem erheblichen Alkoholkonsum, stehen vor allem Spaß und Belustigung im Vordergrund. Zudem kommt es zur Wahl eines „Narrenkönig“, wobei nicht nur dessen Auftreten sich durch Parodie und Scherzhaftigkeit auszeichnet, sondern das Verhalten von allen Mitwirkenden.3 Eine weitere Verbindung mit der Clown-Figur zeigt das „Satyrspiel“ des Alten Griechenlands. Es ist die Bezeichnung für ein „heiteres Nachspiel“, das auf drei Tragödien folgt.4 Die sogenannte Tetralogie, auch als scherzhafte Tragödie bezeichnet, kennzeichnet sich besonders durch Ironie, Komik und Satire und kontrastiert spannungslösend zu den drei Tragödien.5 Ebenfalls Ähnlichkeit zum prototypischen Clown weist der „Maccus“ bzw. „Mimus Albus“ aus der römischen Antike auf. Er gehört zum Rollenrepertoires bei Festtagsspielen (Possenspielen) und kennzeichnet sich insbesondere durch sein bizarres und groteskes Auftreten. Zudem wird er in der Forschung auch als Ahne des heutigen Weißclowns be- trachtet.6 Parallelitäten zur behandelten Figur lassen sich auch im Mittelalter bei den sogenannten Hofnarren finden. Diese sind sowohl im Mittelalter als auch in der Renaissance Bestandteil des alltäglichen gesellschaftlichen Lebens. Bei den Narren unterscheidet man grundsätzlich zwischen zwei Arten: den „natural fools“ und den „artificial fools“. Bei den „natural fools“ handelt es sich um Personen, die meist aufgrund ihres missgebildeten Aussehens oder wegen ungewöhnlicher Charakterzüge verspottet werden.7 Wegen des Abweichens von etablierten Normen werden die zum Spott der Gesellschaft und rufen ungewollt Lachen hervor, man lacht demnach über die „natural fools“ und nicht mit ihnen. Insofern trifft es oftmals Außenseiter, Niedriggestellte, oder auch Menschen mit Behinderungen, die von der höheren Gesellschaft engagiert werden, um lächerlich gemacht zu werden.8 Im Vergleich dazu sind es die „artificial fools“, die durch das bewusste Nachahmen der „natural fools“, Lachen und Belustigung hervorrufen wollen. Diese leiden nicht unter bestimmten Beeinträchtigungen oder komischen Persönlichkeitsmerkmalen, sondern sie schlüpfen in eine bestimmte Rolle, die intendiert amüsieren soll.9 Neben den Hofnarren entwickelt sich in der Renaissance die Figur des Harlekins, welche eine Bühnenfigur der italienischen Volkskomödie Commedia dell‘ arte darstellt. Ihr Aussehen zeichnete sich durch ein mit Flicken übersätes Kostüm in bunten Farben sowie dem Benutzen von verschiedenen Masken während der Aufführungen aus. Das Einsetzten von Masken verweist besonders auf die Parallelität mit den heutigen Vorstellungen der Clown Gestalt, dessen Merkmal das auffällig geschminkte Gesicht darstellt. Des Weiteren sind die Auftritte des Harlekins oft mit dem Element der Komik verbunden und ähneln dem sogenannten „KomödienStil“. Auch die Christas Pantomime, ein theatralisches Schauspiel, das sich ende des 17. Jahrhunderts entwickelt, weist Ähnlichkeiten mit der behandelten Figur auf. Das Schauspiel stellt eine Mischung aus Komödie, Märchen und Musical dar, in dem bizarres Auftreten und Handlungen der Figuren wichtige Elemente bei den Aufführungen bilden. Zudem wird hier historisch das erste Mal der Begriff „Clown“ für eine bestimmte Rolle verwendet.10
Im Laufe der Zeit kristallisiert sich der Zirkusclown im 20. Jahrhundert heraus, welcher heutzutage den meisten Menschen bekannt ist. Dieser agierte als Pausenfüller zwischen den verschiedenen und meist spannenden Darbietungen (Reitstücke, Akrobatik). Er parodiert und imitierte das zuvor gesehene Programm meist durch bewusstes Stolpern oder tollpatschiges Verhalten und wirkt durch den herbeigeführten Kontrast spannungslösend. Mit der Wende des 20. Jahrhunderts findet sich der Clown in immer mehr Formaten wie im Wanderzirkus, in MusicalHalls, auf Varieté-Bühnen und im Kino als Stummfilmkomiker finden. Dabei wird sein Aussehen oftmals aus dem Zirkus adaptiert, welches sich insbesondere durch zu große Kleidung und durch eine rote Nase auszeichnet.11
Summiert lässt sich bei der Geschichte des Clowns also festhalten, dass dieser meist mit dem Element des Komischen verbunden ist. Seine Figur soll vor allem Lachen hervorrufen, der Belustigung dienen und Spaß bringen. Im folgenden Kapitel werden die konkreten Merkmale des protypischen, etablierten Clowns vorgestellt, um im Späteren anhand dieser Merkmale eine Entwicklung der Clown-Figur aufzuzeigen.
2. Prototyp Clown
2.1 Die Merkmale der prototypischen Clown-Figur
Zum Erscheinungsbild des Clowns lässt sich festhalten, dass dieser besonders durch sein außergewöhnliches Aussehen auffällt. Wichtig ist aber festzuhalten, dass es nicht eben das eine Kostüm gibt, sondern sich Varianten je nach Situation und Darstellung der Figur ergeben, es also individuell ist. Exemplarisch dafür sind der August und der Weißclown, welches beide Clown Figuren repräsentieren, deren Erscheinungsbilder jedoch gänzlich unterschiedlich sind. Während der August sich meist durch große schwarze Schuhe, einer langen Hose, einem riesigen Sakko mit Fliege sowie einem Hut inklusiver Blume auszeichnet und dabei dem Aussehen des Zirkusclown ähnelt, trägt der Weißclown ein meist elegantes Kostüm aus Seide mit weißen Strümpfen, flachen Schuhen und einer kegelförmigen Kopfbedeckung. Oftmals treten beide zusammen auf, wobei der Weißclown den seriösen Teil der Darsteller übernimmt.12
Die meisten Clowns zeichnen sich jedoch durch ihre starke, extravagante Schminke aus. Dabei wird meist auf Tragmasten verzichtet, um dem Gesicht für die intendierte Komik genügend Handlungsspielraum geben zu können. Des Weiteren erfüllt das auffällig geschminkte Gesicht zweierlei Funktionen. Einerseits soll es bei Aufführungen im Theater und Zirkus für alle Zuschauer sichtbar sein. Andererseits wird es zusammen mit dem Moment des Übertriebenden verwendet, welches ein Mittel der Komik untermauert, ein charakteristisches Verhalten für den Clown. Ein wichtiges Erkennungsmerkmal ist zudem die rote Nase, welche entweder aufgemalt ist oder aus beispielsweise Schaumgummi besteht. Außerdem auffällig sind die Haare des Kostüms, welche sich durch bunte Farben (z.B. rot, grün, orange) auszeichnen. Dieses Abweichen zu den sonst natürlichen Haarfarben, spiegelt die Andersartigkeit des Clowns zur Gesellschaft wider. Zudem wird die Figur oftmals mit einer Halbglatze dargestellt. Forscher argumentieren daraus, dass Haare einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert besäßen und exemplarisch für Schönheit stünden. Demnach suggeriert dieses Aussehen den unteren sozialen Rang sowie die Schwäche der Figur.13 Neben dem Erscheinungsbild ist auch die Funktion des Prototypens ausschlaggebend. Hier herrscht unter den Wissenschaftlern Einigkeit, denn das ausschlaggebende Kriterium ist das des „Spaßmachers“. Der Clown soll durch sein Verhalten und Auftreten Lachen erzeugen und Spaß bringen. Er ist also durch das Element der Komik selbst verantwortlich, weshalb Andere mit/über ihn lachen.14
Es zeigt sich demnach, dass seine äußere Erscheinung das Handeln und die Funktion als Spaßmacher untermauert. Jedoch steht das Kino kontrastierend zu dem Bild des Komikers. Es gibt zwar viele Clowns, die in Filmen Heiterkeit beim Zuschauer hervorrufen, doch das Bild als Spaßmacher verschiebt sich dahin, dass viele der neuen Clown-Figuren nun eine „horror-Atmosphäre“ schaffen, und das intendiert.15 Die Entwicklung zum Horror soll im weiteren Verlauf der Arbeit wissenschaftlich aufgezeigt und anhand eines Beispiels belegt werden.
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1 Sharma, Lena: Phänomen Evil Clown. Der Trickser-Archetyp seit der Postmoderne. In: Über den Clown. Künstlerische und theoretische Perspektiven. Hrsg. von Richard Weihe. Bielefeld: Transcript Verlag 2016. S. 241.
2 Augustin, Yvonne: Clownsmasken im Film: Wie Maskierungen kulturelle Ängste enthüllen. Bielefeld: Transcript 2018. S. 43f.
3 Versnel, Hendrik S.: Die Saturnalien. Zu Fragen von Ursprung, Funktion und Bedeutung. In: Verkehrte Welten? Forschungen zum Motiv der rituellen Inversion. Hrsg. von Dominik Fugger. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2013. S. 77f.
4 Seidensticker, Bernd: Das Satyrspiel. In: Über das Vergnügen an tragischen Gegenständen. Studien zum antiken Drama. Hrsg. von Jens Holzhausen. Leipzig: Saur München 2005. S. 361.
5 Seidensticker, Bernd: Das Satyrspiel. S. 363.
6 Augustin, Yvonne: Clownsmasken im Film. S. 35.
7 Augustin, Yvonne: Clownsmasken im Film. S. 36.
8 Schörle, Eckart: Herrschaft, Moral und Identität. Über das Nichtkomische am Komischen. In: Wandel und Institution des Komischen. Hrsg. von Friedrich W. Block/ Rolf Lohse. Bielefeld. Aisthesis Verlag 2013 (Kulturen des Komischen, Band 5). S. 27.
9 Augustin, Yvonne: Clownsmasken im Film. S. 36.
10 Augustin, Yvonne: Clownsmasken im Film. S. 39f.
11 Augustin, Yvonne: Clownsmasken im Film. S. 41f.
12 Augustin, Yvonne: Clownsmasken im Film. S. 49.
13 Augustin, Yvonne: Clownsmasken im Film. S. 51.
14 Augustin, Yvonne: Clownsmasken im Film. S. 54.
15 Augustin, Yvonne: Clownsmasken im Film. S. 54.