Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Gesamtreflexion der Lehrinhalte der Veranstaltungen
1.1. Welche Lerninhalte haben meine fachlichen und didaktischen Kompetenzen erweitert?
1.2. Welche Impulse für mein persönliches Studium wurden mir durch die Lehrveranstaltungengeliefert?
1.3. An welchen Punkten sind Fragen offengeblieben?
2. Vertiefende Auseinandersetzung mit der Thematik „Tod und Trauer im Religionsunterricht“
2.1. Fachwissenschaftliche Grundlagen
2.1.1. Sterben
2.1.2. Suizid
2.1.3. Trauer
2.2. Fachdidaktik
2.2.1. Sterben & Trauern
2.2.2. Tod-Interreligiös
2.3. Konkrete Umsetzungsansätze
2.3.1. Fallbeispiel„Lisa ist gestorben“
2.3.2. Unterrichtsanstätze zum Themenschwerpunkt für einen lang vorbereiteten Unterricht
3. Dokumentation: Meine Umsetzung eines Scrapbooks für den Religionsunterricht
4. Quellenverzeichnis
5. Anhang
1. Gesamtreflexion der Lehrinhalte der Veranstaltungen
Ich besuchte innerhalb von zwei Semestern die zusammengehörigen Lehrveranstaltungen 'Subjekte in religiösen Lernprozessen' und 'Lernprozesse im RUplanen, gestalten, bewerten'. Nachfolgend möchte ich diese Lehrveranstaltung, hinsichtlich ihrer individuellen Bedeutungfür mich, reflektieren. Dabei betrachte ich zum einen die Erweiterung meiner fachlichen und didaktischen Kompetenzen, die Impulse,welche mir für mein weiteres Studium geliefert wurden, aber auch die, für mich,offen gebliebenen Fragen.Während des gesamten Portfolios verwende ich die genderneutrale Schreibweise mittels Doppelpunkt.
1.1 Welche Lerninhalte haben meine fachlichen und didaktischen Kompetenzen erweitert?
Die Lehrveranstaltungen boten eine große Fülle an durchaus sehr interessanten Inhalten, die mich zum Nachdenken anregten undesimmer noch tun. Angefangen hat mein Besuch der Lehrveranstaltungen mit dem Thema der Gottesbilder in der eigenen Lebensgeschichte. Ich nahm mit, dass die verschiedenen Gottesbilder der Schüler:innen abhängig von äußeren Einflüssen sind. Gott kann demnach beispielsweise als der liebe Hirte angesehen werden, weil eine sympathische Religionslehrerin ihn als diesen präsentiert.1 Ich selbst muss demnach für mich verinnerlichen, dass meine Beschreibungen über Gott nur selten wertfrei sindund ich somit den Schüler:innen einen freien Raum für Interpretationen über meine Beschreibungen gebe.
In meiner eigenen Schulzeit waren Dilemmageschichten nicht wegzudenken. Seit Beginnmeiner Schulzeit, waren sie der Weg meiner Lehrer:innen in ein Thema einzuleiten. Auch heute noch treffe ich hin und wieder bei verschiedenen Dozent:innen auf sie. In der Lehrveranstaltung 'Subjekte in religiösen Lernprozessen' wurde mir klar, dass ich überdenken muss, ob auch ich die Dilemmageschichten derart oft benutzen möchte. Aus tiefenpsychologischer Sicht konstruieren sie zwar einen religiösen oder moralischen Konflikt, sagen dann schlussendlich aber wenig über die Handlungs- und Denkweise in Alltagssituationen aus.
Die großen philosophischen Fragen der Kinder und Jugendlichen nach Rainer Oberthür habe ich mir sofort notiert und abgespeichert. Auch wenn ich im Nachhinein dachte, es sei klar, dass es genau diese Fragen sind, bin ich mir sicher, ich könnte schnell den Überblick verlieren. Ich möchte die möglichen großen Fragen sichtbar für mich haben, damit ich nicht eine übersehe bei der Vor- und Nachbereitung meines künftigen Unterrichts. Ähnlicher Ansicht bin ich auch im Bereich des Theologisierens.
Bei der Beschäftigung mit dem Themenbereich des Theologisierens mit Kindern und Jugendlichen wurde mir erstmalig klar, dass Kinder und Jugendliche genauso fähig für eine Glaubensreflexion sind, wie die Erwachsenen. Klar für mich ist, theologisiere ich mit meinen künftigen Schüler:innen, so muss ich mich gefasst auf Fragen machen, auf die es keine eindeutige Antwort gibt. Da ich das Lehramt für Haupt- und Realschulen anstrebe, muss ich mir außerdem im Klaren darüber sein, dass Jugendliche weniger spontan und offen auf die verschiedensten tiefgründigen Fragen reagieren. Die Konsequenz daraus ist, dass ich den Schüler:innen verschiedene Wege der Kommunikation anbieten sollte.
Woran ich bisher noch nie dachte, ist die Tatsache, dass der Themenbereich Schöpfung und der Themenbereich Sterben und Tod miteinandereinhergehend betrachtet werden sollten. Alles, was als Schöpfung Teil der Erde ist, ist vergänglich und muss auch genau als dies betrachtet werden. Bei der Thematisierung von Tod und Trauer, ist es meine Aufgabe als künftige Religionslehrerin die Situation genau wahrzunehmen und meine weitere Verlaufsplanung darauf auszulegen. Es ist ein großer Unterschied, ob die Thematik behandelt wird, weil der Lehrplan sie gerade vorsieht oder aber, weil es einen Todesfall in der Schule gab.
Natürlich regten mich die Lehrveranstaltungen auch zum Nachdenken über meine Persönlichkeit als künftige Religionslehrerin an. Anhand des Didaktischen Dreiecks stieß ich auf die Fragen, die Lehrer:innen an die Religion stellen und entschloss mich dazu mir die Zeit zu nehmen, um diese Fragen ausführlich für mich selbst zu beantworten. Dies half mir enorm dabei, mir klar darüber zu werden, was eigentlich mein Ziel als künftige Religionslehrerin ist.
Ein Themenbereich, den ich ebenfalls nochmals hervorheben möchte, ist der Themenbereich ' Nach Religionen fragen ', welcher meine Kompetenzen um das Wissen der interreligiösen Kompetenzen erweiterte. Diese Kompetenzen sind von mir nicht nur an meine künftigen Schüler:innen weiterzugeben, sondern vorab von mir zu verinnerlichen. Ich machte mir also klar, von welchen religiösen und kulturellen Dingen ich geprägt bin, damit ich dies differenziert betrachten kann. Ebenso animierte mich dieses Thema dazu, bewusst das Gespräch mit gleichaltrigen Gläubigen des Judentums, des Islam und des Buddhismus zu suchen, um so noch mehr zu erfahren und mein interreligiöses Wissen zu erweitern. Ich bin dankbar für die Möglichkeiten und die Erfahrungen, die sich mir dadurch eröffnet haben.
1.2 Welche Impulse für mein persönliches Studium wurden mir durch die Lehrveranstaltungen geliefert?
Bevor ich tatsächlich voll an einer Schule unterrichten werde, werde ich noch mindestens zwei Jahre studieren. Die Lehrveranstaltungen erweiterten nicht nur meine fachlichen und didaktischen Kompetenzen, sondern weiteten auch meinen Blickwinkel für meinen weiteren Studienverlauf.
In erster Linie wurde mir bewusst, dass ich mir, innerhalb meiner weiteren Studienzeit, klar darüber werden muss, wie ich über meinen eigenen Glauben denke. Nur wenn ich in meinem Glauben gefestigt bin und weiß, woran ich glaube, bin ich in der Lage meinen Glauben differenziert zu betrachten, um meinen Schüler:innen möglichst wertfrei die Religion nahe zu bringen.
Der Themenbereich rund um die Push- und Pullfaktoren des Salafismus öffneten mir unabhängig von meinem Studium die Augen und machten mir klar, dass ich nicht genug über andere Religionen weiß. Mein Ziel ist es, bevor ich eigenständig unterrichte, mein Wissen, um ein Vielfaches zu erweitern, denn ich möchte nicht nur in eine Richtung denken und sehen. Ich bin der Auffassung, dass ein Religionsunterricht nur dann gut funktioniert, wenn man zusätzlich zum Christentum das Gesamtkonstrukt Religion betrachtet. Dieser Auffassung bin ich, dank dem Einblick im Rahmen der Lehrveranstaltung ' Lernprozesse im Religionsunterricht planen, gestalten, bewerten '.
Ebenso habe ich durch die Lehrveranstaltung gelernt, unvoreingenommen mit verschiedenen Gottesvorstellungen umzugehen. Ein Gottesbekenner kann mir genauso gut dabei helfen meinen eigenen Glauben zu erweitern, wie ein Gottespolemiker, wenn ich mich auf konstruktive Gespräche einlasse.
Durch die Lehrveranstaltung habe ich auch meine Liste mit Möglichkeiten nach dem Studienabschluss erweitert. Den Themenbereich der Schulseelsorge empfand ich nicht nur als äußerst interessant, sondern auch als unfassbar wichtig, vor allem in der aktuellen Zeit. Bei intensiverer Auseinandersetzung mit der Seelsorge in Schulen merkte ich schnell, dass ich mir sehr gut vorstellen könnte mich langfristig in diesem Bereich des Schulalltages zu engagieren. Vor dem Besuch der Lehrveranstaltung habe ich selbst nie Berührungspunkte mit einer Schulseelsorge gehabt, weshalb ich diesen möglichen Werdegang gar nicht in Erwägung ziehen konnte.
Die sogenannten 'Big Five', welche die persönlichen Eigenschaften des geringen Neurotizismus, der Extraversion, der Offenheit für neue Erfahrungen, der Gewissenhaftigkeit und der Verträglichkeit umfassen, übernahm ich nicht nur für meine künftige Lehrerinnenpersönlichkeit. In meinem weiterem Studienverlauf und auch in meinem weiterem Lebensverlauf werde ich auf viele verschiedene Menschen treffen. Diesen Menschen möchte ich so gegenübertreten, wie es die Big Five empfehlen, denn ich bin der Meinung, dass nur wer Gutes gibt, selbst Gutes erfahren wird.
Auch den Gedanken der Osterbrille erweiterte ich für mich selbst. Die Osterbrille dient als Symbolbild für die Perspektivität der Wahrnehmung. Wie bereits auf die verschiedenen Religionen bezogen, möchte ich nicht nur in eine Richtung schauen. Unabhängig von meinen Studiengängen, ist es mein Ziel immer häufiger unvoreingenommen alle Möglichkeit zu betrachten und über sie nachzudenken, anstatt sie sofort auszuschließen.
1.3 An welchen Punkten sind Fragen offengeblieben?
Im Verlauf der beiden Lehrveranstaltungen, rund um das Thema Religionsunterricht, kamen mir einige Fragen auf, die mich bis heute noch beschäftigen. Unteranderem beschäftige mich die Thematik der Gottesbilder sehr und ich fragte mich, was denn meins sei. Ich fragte mich, wie ausführlich ich mein eigenes Gottesbild den Schüler:innen gegenüber kommunizieren kann und darf, damit es dennoch möglichst wertfrei geschieht. Ich denke auf diese Frage, finde ich in der Praxis eine Antwort, wenn ich selbst versuchen kann ein gutes Gleichgewicht zu finden. Eine Frage, auf die ich vermutlich auch erst in der erprobten Praxis eine Antwort finden werde, ist die Frage danach, wie ich die kognitionspsychologischen Ansätze in sehr heterogenen Gruppen berücksichtigen kann. In inklusiven Klassen kann es durchaus vorkommen, dass sich Schüler:innen in verschiedenen Entwicklungsebenen befinden. Meine Aufgabe diesbezüglich, ist es dann herauszufinden, wie ich einen Unterricht gestalte, der jede:n da abholt, wo er oder sie sich zu dem Zeitpunkt befindet und keinen unterfordert.
Die Tatsache, dass 2017 in Deutschland rund 37% der Jugendlichen religionsfrei lebten ließ mich über die Zukunft des Religionsunterrichtes nachdenken. Die Frage nach der Zukunft des Unterrichtsfaches wird mir nur die Zukunft selbst beantworten können. Dennoch beschäftigt sie mich sehr. Welche Thematik mich ebenfalls sehr beschäftigt ist die des richtigen Umgangs mit dem Tod und dem Sterben? Wie gehe ich sensibel mit dem Thema um, ohne jemandem zu nahe zu treten? Wie gehe ich während der Themenbehandlung mit meinen eigenen Emotionen um? Ist es okay auch einen Teil der Emotionen zuzulassen? Da ich viele Fragen an diesen Themenbereich stellte, entschied ich mich dazu diesen, nachfolgend im zweiten Teil des Portfolios, genauer zu untersuchen.
2. Vertiefende Auseinandersetzung mit der Thematik „Tod und Trauer im Religionsunterricht“
Der Tod ist im Leben aller Menschen allgegenwärtig und zurzeit, aufgrund der Pandemie und des Krieges, so unberechenbarer wie schon lang nicht mehr. Trauerarbeit aber auch die Aufklärung über das Sterben und Trauern ist noch immer eine Art Tabuthema. Umso wichtiger ist es, die Thematik im Unterricht gekonnt zu behandeln. Für viele Schüler:innen, ist die Behandlung im Unterricht das erste und vielleicht auch das einzige Mal, in dem sie offen über das Sterben und Trauern reden, nachdenken, aber auch Fragen stellen können. Einen Bruchteil dessen, was zu beachten gilt und welchen Ansätzen man folgen kann, wird nun nachfolgend dargelegt.
2.1 Fachwissenschaftliche Grundlagen
2.1.1 Sterben
Die Sterblichkeit der Menschen ist eine Konstante in jedem Leben. Jede:r wird früher oder später sterben. Wie ein Mensch stirbt, ist jedoch nie gleich und von Kultur zu Kultur unterschiedlich. In der westlichen Gesellschaft, zu der auch Deutschland gehört, ist der Prozess des Sterbens im Allgemeinen länger und geprägt von verschiedenen Handlungsmöglichkeiten. Der Hauptgrund dafür, ist das hochentwickelte Gesundheitssystem.2 Es befinden sich immer mehr Menschen in einem langen Sterbeprozess, was vor allem an der Entstehung spezieller Einrichtungen, wie beispielsweise Hospize oder Palliativstationen, erkennbar ist.3 Schäfer, Frewer und Müller-Busch fassen es abschließend treffend zusammen:
„Schätzungsweise drei Viertel [...] bis 48 Stunden vor ihrem Tod bewusst einen Sterbeprozess und können eventuell Einfluss auf Ort und Umstände des Sterbens nehmen.“[4]
Nicht nur der Verlauf des Sterbens ändert sich, auch die Wahrnehmung des Sterbens befindet sich derzeit im Wandel. Das Sterben an sich hat eine neue Öffentlichkeit erlangt, nicht zuletzt deshalb, weil sich Betroffene selbst zu Wort melden. Beispielhaft dafür ist unteranderem Harald Mayer, ein ehemaliger Feuerwehrmann, der 1997 die Diagnose Multiple Sklerose erhält. Heute ist er bis zum Kopf gelähmt und kämpft für ein selbstbestimmtes Sterben.5 Gemeinsam mit seiner Freizeitbegleiterin Vanessa, nimmt er unzählige Menschen auf der Medienplattform TikTok dabei mit.6
Das Sterben jedoch wird nicht nur als der Prozess des Sterbens angesehen, sondern auch als Teil des Lebensprozess. Die Sterbeerzählungen bilden den Mittelpunkt der christlichen Glaubensbekennungen. Dennoch beschäftigt sich die christliche Theologie bedeutend intensiver mit dem Tod als mit dem vorangehendem Sterbeprozess.7
2.1.2 Suizid
Der Suizid ist als Teil des Sterbens unbedingt zu berücksichtigen. Kein Thema ist noch immer so sehr umstritten, wie die Frage nach dem Freitod. Die einen betrachten ihn als mutige Vorbildfunktion, sein Leben bewusst zu beenden, andere wiederum betrachten ihn als die schlimmste Sünde sowohl gegen Gott als auch gegen den Menschen.8 Deisenhammer definiert den Suizid als
„Summe aller Denk- und Verhaltensweisen von Menschen, die in Gedanken, durch aktives Handeln, passives Unterlassen oder durch Handeln lassen den eigenen Tod anstreben beziehungsweise als mögliches Ergebnis einer Handlung in Kauf nehmen.“9
Der Suizid wird auch innerhalb der Bibel zum Thema.10 Im Alten Testament finden sich gleich mehrere Fälle, die immer der Rettung der eigenen Ehre oder der Erfüllung einer Pflicht dienen.11 Im Neuen Testament hingegen findet sich lediglich der Fall des Judas Iskariot. Hier fehlt eine Überlieferung der Motive gänzlich.12 Generell ist das Thema des Suizids innerhalb des Christentums noch immer ein sehr komplexes Thema. Es gibt kaum bis keine verlässlichen, repräsentativen und quantitativen Zahlen über tatsächliche Suizide innerhalb der Religion. Im römischhellenistischem Zeitalter wurde der Suizid zwar diskutiert aber nie verboten. Innerhalb der Philosophie galt er sogar als eine gute Möglichkeit aus dem Leben auszuscheiden. Ein Umdenken setzte erst mit Hieronymus und Augustin ein. Augustins Ausführungen gegen den Suizid wurden im Mittelalter weitergeführt und schließlich in staatliches Recht übertragen. Suizid war also verboten und galt als Sünde gegen die Natur, die Gesellschaft und Gott.13
2.1.3 Trauer
Mit dem Sterben geht das Trauern einher. Im Alten Testament stellt das Trauern ein Ritual dar, mit dem man auf ein Unglück reagiert. Dieses Unglück kann ein persönliches Unglück, wie der Tod eines geliebten Menschen oder aber ein kollektives Unglück, wie eine Naturkatastrophe sein.14 Wagner-Rau beschreibt dies noch ausführlicher.
„Trauer ist die Reaktion auf einen Verlust, besonders auf den Verlust eines bedeutsamen Menschen durch Tod oder Trennung. Aber auch der Abschied von körperlicher und seelischer Unversehrtheit und - angesichts des Todes - von Leben überhaupt lösen Trauer aus.“15
Die Trauer ist demnach also auch eine Reaktion auf die Begegnung mit dem Tod. Dennoch rücken Emotionen, wie Schrecken, Angst und Abwehr oft vor die eigentliche Trauer.16
Trauer ist erkennbar an rituellen Ausdrucksformen in Mimik und Gestik. Im Alten Testament, ist das Rasieren einer Glatze als rituelle Ausdrucksform der Gestik tatsächlich belegt.17
2.2 Fachdidaktik
Über Wissen zu einem bestimmten Thema zu verfügen ist eine Teil des Lehrer:innen-Seins. Man braucht außerdem die nötigen didaktischen Kompetenzen, dieses Wissen zu vermitteln. Im nachfolgendem Kapitel werden Ansätze, Hinweise und Besonderheiten der Fachdidaktik zum Thema Tod und Trauer im Religionsunterricht aufgezeigt.
2.2.1 Sterben & Trauern
Die Thematik des Sterbens gilt es nicht nur als Teilthema von 'Tod und Jenseitsvorstellungen' sondern auch als eigenständiges Thema zu behandeln. Das Sterben an sich, ist für Kinder und Jugendliche nicht erst dann präsent, wenn es in ihrem eigenen Umfeld geschieht. In verschiedenen Filmen, Serien, Hörspielen und Büchern wird das Sterben immer häufiger zum Thema. Die Problematik jedoch ist, dass mit den Kindern und Jugendlichen nur selten über das gesehene, gehörte oder gelesene gesprochen wird und sie ganz allein mit dem sensiblen Thema des Sterbens zurechtkommen müssen. Innerhalb des Religionsunterrichts bietet es sich also an, auf die fiktionalen Sterbeerzählungen einzugehen, auf welche die Schüler:innen in ihrem Alltag treffen. Sie ermöglichen eine imaginative Annäherung an die vielen Facetten des Sterbeprozesses. Beispielhaft zu nennen sind Filme, wie ' Oskar und die Dame in Rosa ', ' Wie man unsterblich wird ' oder ' Das Schicksal ist ein mieser Verräter '.18
Hinzu kommen Berichte realer Personen, die in den verschiedensten Sozialen Netzwerken von ihrem Prozess des Sterbens berichten.19
An erster Stelle steht jedoch die Berücksichtigung des jeweiligen Todesverständnis der Kinder und Jugendlichen. Mit dem Grundschulalter kommt erstmalig die Angst gegenüber dem Tod auf. Die Kinder verstehen erstmalig die Endgültigkeit des Todes. Sie trauern wie die Erwachsenen auch, nur wesentlich kürzer. Grund dafür, ist die Tatsache, dass Kinder in dem Alter sich eher auf das Leben im Augenblick fokussieren.20
Sobald die Kinder in die Pubertät kommen, ist der Umgang mit dem Tod und dem Sterben wesentlich schwieriger und komplexer. Die Jugendlichen ziehen sich während der Pubertät lieber zurück und versuchen die Dinge mit sich selbst auszumachen. Nicht selten entwickeln die Jugendlichen in dieser Phase Depressionen, Essstörungen oder gar Suizidgedanken. Die Jugendlichen lösen sich immer mehr von der Familie ab. Stirbt nun ein Familienmitglied kann dies dafür sorgen, dass Schuldgefühle entstehen, weil sie immer weniger Kontakt gehalten haben.21
Nicht nur die verschiedenen Vorstellungen des Todes müssen beachtet werden, sondern auch die Phasen des Trauerns, sollte das Thema im Unterricht aufkommen, weil ein Klassenmitglied oder eine Person innerhalb der Schule verstorben ist. Sowohl Verena Kast22 als auch Yorick Spiegel23 unterscheiden dabei vier verschiedene Phasen, die sich ähneln.
Elementar für die Religionslehrkräfte ist es dann, den Fragen der Kinder und Jugendlichen auf keinen Fall auszuweichen, sondern stattdessen versuchen eine Antwort zu finden. Sie sollten aufrichtig und ehrlich bleiben. Phrase, wie „ Die Oma schläft jetzt tief und fest. “ oder „ Der Papa ist jetzt an einem besseren Ort. “ erwecken den Anschein, dass die Verstorbenen nur für eine Zeit lang weg sind und dann wiederkommen. Es ist von großer Bedeutung den Kindern und Jugendlichen dabei zu helfen, keine Ängste aufzubauen und ihnen zu erklären, dass es zwar traurig für einen selbst aber für den Verstorbenen okay war zu sterben. Als Religionslehrkraft ist es nicht nur in Ordnung, sondern auch äußerst wichtig seine eigene Ratlosigkeit zuzugeben und ehrlich zu sein.24 Es ist von großer Bedeutung mit Kindern und Jugendlichen die Thematik des Sterbens und des Todes zu besprechen. Viele von ihnen werden fernab vom Unterricht kaum die Möglichkeit haben sich so intensiv und vor allem aus neutraler Perspektive mit dem Thema auseinandersetzen zu können. Der Grund dafür ist die hohe Emotionalität, die ein Tod im eigenen privaten Umfeld hervorruft. Stirbt also beispielsweise die Oma, dann sind die Eltern nur selten selbst in der Lage einem Kind bei der Trauerbewältigung zu helfen, da sie selbst trauern. Deshalb müssen Kinder den Umgang mit dem Tod auch aus einer neutralen Sicht heraus kennenlernen. Die Behandlung im geschütztem Raum der eigenen Klasse oder Lerngruppe bietet sich dafür hervorragend an.
2.2.2 Tod Interreligiös
Aufgrund vieler Unsicherheiten, welche die Interreligiöse Beschäftigung mit dem Tod hervorruft, wird sie im Unterricht oft umgangen. Die Beschäftigung mit dem Tod in den verschiedenen Religionen, kann jedoch ein enormer Lerngewinn für die Schüler:innen sein. Andere Religionen eröffnen die Möglichkeit, durch den Abstand, neue Perspektiven zu gewinnen und respektvolle und angemessene Kommunikationsformen zu entwickeln. Letztlich werden die Schüler:innen durch die unterrichtliche Auseinandersetzung dazu animiert eigene, wenn auch vorläufige, Positionen einzunehmen.25
Es bietet sich an, Interreligiösität im Zusammenhang mit der Trauerbewältigung zu behandeln. Der Raum des Unterrichts sorgt dafür, dass die Schüler:innen rituelle Handlungen und symbolische Gesten des Trauerns in Form von Rollenspielen für sich verinnerlichen und in ihrem Alltag, sollte es passieren, abrufen können.26
2.3 Konkrete Umsetzungsansätze
2.3.1 Fallbeispiel „Lisa ist gestorben“
Lisa war Schülerin der achten Klasse einer Realschule. Vor knapp vier Monaten wurde bei ihr Leukämie im Endstadium diagnostiziert. Lisa verstarb im Alter von nur vierzehn Jahren. Es ist die erste Woche, nach ihrem Tod.27
Es gibt nie den einen richtigen Lösungsweg für den Umgang mit solchen Ausnahmesituationen. Der Umgang damit ist abhängig von vielen verschiedenen Faktoren, wie beispielsweise der Schulgröße, der einzelnen Schülercharaktere und dem Lehrer:innenkollegium. Nachfolgend wird eine Auswahl an Unterrichtsideen und thematischen Zugängen aufgezeigt.
Klar ist, dass man nach so einem Schicksalsschlag nicht sofort zum gewohntem Schulalltag zurückkehren kann. Nach einer Ansprache durch die Schulleitung, ist es nun die Aufgabe in den Klassen selbst Trauerarbeit zu leisten. Man kann die Schüler:innen Erinnerungen malen lassen oder sie tröstende Zitate28 ausmalen lassen. Währenddessen kann man Musik im Hintergrund abspielen, welche das Trauern zum Inhalt hat.29 Die Klasse kann eine kleine Briefschatulle anfertigen. Jedes Klassenmitglied schreibt der verstorbenen Schülerin einen Brief darüber, was sie ihr noch sagen wollten, oder was sie mit ihr noch erleben wollten. Die Klasse kann gemeinsam einen Baum für die verstorbene Schülerin pflanzen, um so zu symbolisieren, dass ein Leben enden aber auch neues Leben beginnen kann. An den gepflanzten Baum können die Schüler:innen Schwalben und Sternenschnuppen mit ihren letzten Worten an die Verstorbene hängen.30 Viele Schulen stellen einen Trauerkoffer mit noch mehr Material und Anregungen bereit. Dieser sollte in solchen Situationen unbedingt genutzt werden.
[...]
1 Vgl. Bucher, A.: Mittendrin ist Gott. Jahrbuch für Kindertheologie. Stuttgart 2022, S.130.
2 Vgl. Sterben (Peng-Keller, S.): [online]http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/100289 [abgerufen am 12.09.2022]
3 Vgl. Zimmermann, M.: Sterben als Thema der interdisziplinären Forschung. Das Nationale Forschungsprogramm (NFP) 67 „Lebensende“, in: info@onkologie (2017) 1, 40-41.
4 Schäfer, D./Frewer, A./Müller-Busch, C.: Ars moriendi nova. Überlegungen zu einer neuen Sterbekultur, in: Schäfer, Daniel/Frewer, Andreas/Müller-Busch, Christof (Hg.), Perspektiven zum Sterben. Auf dem Weg zu einer Ars moriendi nova?, Stuttgart 2012, 15-23.
5 Vgl. Sterbe-human [online] Sterbe Human Sterbehilfe Harald Mayer Multiple-Sklerose Natrium-Pentobarbital (sterbe-human.de) [abgerufen am 12.09.2022]
6 Vgl. Account [online] Harald.Mayer (@harald.mayer) TikTok | Schau dir die neuesten TikTok-Videos von Harald.Mayer an [abgerufen am 12.09.2022]
7 Vgl. Sterben (Peng-Keller, S.): [online]http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/100289 [abgerufen am 12.09.2022]
8 Vgl. Minois, G.: Geschichte des Selbstmords, Düsseldorf 1996.
9 Deisenhammer, E.A.: Suizid und Suizidalität, in: Fleischhacker, Wolfgang/Hinterhuber, Hartmann (Hg.), Lehrbuch Psychiatrie, Wien 2012, 395-403.
10 Vergleichbare Bibelstellen sind beispielsweise: Ri 9,51-54; Ri 16,23-31; 1Sam 15,10-31; 1Sam 31,1-3; 2Sam 17,1-23; 1Kön 16,15-19
11 Murr,G.: Daseinsbruch - Brüchig-Sein - Angesehen-Sein. Anthropologische Aspekte der Seelsorge mit Menschen, die Angehörige durch Suizid verloren haben, (PThK 26), Freiburg i. Br. 2016.
12 Vgl. Mt 27,3-5
13 Vgl. Suizid (Breuer, T.): [online] http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/200740/ [abgerufen am 14.09.2022]
14 Vgl. Trauer (AT) (Köhlmoos, M.): [online] http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/36154/ [abgerufen am 14.09.2022]
15 Wagner-Rau, U.: Art. Trauer, in: RGG 4. Aufl., Tübingen, Bd. 8 (2005), 555-557
16 Vgl. Trauer (AT) (Köhlmoos, M.): [online] http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/36154/ [abgerufen am 14.09.2022]
17 Vergleiche beispielsweise folgende Bibelstellen: Lev 21,5 [Vollglatze]; Lev 19,27 [Randglatze]; Dtn 14,1 [Stirnglatze]
18 Vgl. Sterben (Peng-Keller, S.): [online]http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/100289 [abgerufen am 12.09.2022]
19 Vgl. Deppermann, A.: Multimediale Narration im Angesicht des Todes: Zeugnisse terminaler Krebspatientinnen im Internet, in: Peng-Keller, Simon/Mauz, Andreas (Hg.), Sterbenarrative. Hermeneutische Erkundungen des Erzählens am/vom Lebensende (2018; in Vorbereitung).
20 Vgl. Plieth, M.: Kind und Tod. Zum Umgang mit kindlichen Schreckensvorstellungen und Hoffnungsbildern. Neukirchen-Vluyn, 2001.
21 Vgl. ebd.
22 Vgl. Kast, V.: Trauern. Phasen und Chancen des psychischen Prozesses. Stuttgart: Kreuz (1990).
23 Vgl. Spiegel, Y.: Der Prozeß des Trauerns. Analyse und Beratung. München: Kaiser (1973).
24 Vgl. Itze, U./ Plieth, M.: Tod und Leben. Mit Kindern in der Grundschule Hoffnung gestalten. Donauwörth 2011 (2.Aufl.).
25 Meyer, K.: Tod, interreligiös. [online] http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/100175/ [abgerufen am 21.09.2022].
26 Vgl. ebd.
27 Dieses Fallbeispiel beruht nicht auf einer wahren Begebenheit (beziehungsweise auf keiner bekannten) und wurde selbst ausgedacht
28 Siehe Anhang „Ausmalbögen - tröstende Worte für Kinder und Jugendliche"
29 Siehe Anhang „Spotify-Playlist - Trauern im Unterricht"
30 Siehe Anhang „Schwalben und Sternschnuppen“