Selbstdarstellung auf Instagram und ihre Auswirkung auf die Körperwahrnehmung von Jugendlichen


Facharbeit (Schule), 2020

20 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe

Inhalt

1 Einleitung

2 Dynamik sozialer Netzwerke

3 Körperdarstellung auf Instagram.

4 Bildanalyse
4.1 Körperideal erfolgreicher Instagram-Accounts
4.2 Körperinszenierung
4.2.1 Gestellte Bilder
4.2.2 Bildbearbeitung

5 Empirische Untersuchung
5.1 Entwicklung der Untersuchungsthesen und Methodik
5.2 Durchführung
5.3 Ergebnisse
5.4 Diskussion
5.5 Fehlerbetrachtung

6 Fazit

Anhang
I. Literaturverzeichnis
II. Umfrage Komplexe Leistung

1 Einleitung

Die sozialen Medien sind eine Erscheinungsform, welche völlig neue Möglichkeiten der Selbstpräsentation und Kommunikation eröffnet. Nie zuvor war es so einfach, eine Art ausgelagerte Identität zu erschaffen, die ganz nach den eigenen Vorstellungen gestaltet werden kann. Auch die potenzielle Reichweite der von Privatpersonen produzierten Inhalte ist mit dieser Entwicklung drastisch angestiegen. Bilder, Videos und Texte werden millionenfach angesehen, bewertet und kommentiert. Damit geht auch eine Zunahme der Einflussmöglichkeiten auf die Konsumenten einher. Tag für Tag sind die Nutzer der Plattformen einer nahezu grenzenlosen Flut an Informationen ausgesetzt, welche die Illusion einer neuen Realität erschafft. Soziale Medien bieten die Möglichkeit, absolute Kontrolle darüber zu gewinnen, was die Außenwelt vom eigenen Körper und Leben zu sehen bekommt. Welche Art von Inhalten ist auf visuell betonten Plattformen (insbesondere Instagram) in Bezug auf die Körperdarstellung dabei besonders beliebt und aus welchem Grund? Welchen Einfluss hat das Betrachten dieser Fotos darauf, wie Jugendliche ihren eigenen Körper wahrnehmen? Diese Fragen beschäftigen mich bereits seit einer ganzen Weile. Aus diesem Grund möchte ich mit diesen Themen im Folgenden näher auseinandersetzen.

2 Dynamik sozialer Netzwerke

Im Gegensatz zum Alltag kann auf digitalen Plattformen vor der Veröffentlichung eines Beitrages genau selektiert und nach Wunsch gezielt verändert werden. Hierdurch wird ein Ausmaß an Kontrolle über die Selbstdarstellung ermöglicht, das im realen Leben nicht erreicht werden kann. Die Konsumenten wiederum kommunizieren in Form von Likes und Kommentaren, inwiefern die Darstellung sie anspricht. Das Individuum begibt sich durch die Preisgabe von absolut persönlichen Daten in einen für jeden zugänglichen, gigantischen Resonanzraum und wartet auf Reaktionen. Was ist der Grund dafür, dass Menschen freiwillig eine derartige Angriffsfläche erschaffen?

Die Möglichkeiten der Reaktionsmuster des digitalen Publikums weisen dabei signifikante Unterschiede zum analogen Umfeld auf; die Wahrnehmung einer Person geht unmittelbar und vor allem für alle sichtbar mit eindeutig positiven (Like), neutralen (wobei Ignorieren eines Beitrags durchaus auch als Abwertung aufgefasst werden kann) oder negativen Bewertungen (Dislike) einher. Die dadurch entstehende Transparenz der allgemeinen Bedingungen für Anerkennung in der digital vernetzten Welt lässt deutliche Auswirkungen auf das Verhalten des sozialen und äußerst anpassungsfähigen Menschen erwarten.

Dessen genetisch veranlagtes Streben nach Anerkennung1 könnte in dem Fall, dass der Einzelne ein soziales Medium als relevanten Teil seines Soziallebens begreift, zu einer Angleichung der Selbstdarstellung an die vermeintlich ansprechendste Form zur Folge haben. Bei visuellen Präsentationsformen betrifft das größtenteils den menschlichen Körper, der einen beträchtlichen Teil zur Identitätswahrnehmung beiträgt. Bei Jugendlichen, deren Identitätsbildung noch nicht abgeschlossen ist, kann in Form dieser Art von Netzwerken möglicherweise ein die Persönlichkeit beeinflussender Faktor festgestellt werden.

Anhand der quantifizierbaren Beliebtheit, gemessen an der Anzahl der Follower einer Person kann eine Aussage über deren Übereinstimmung mit dem durchschnittlichen Ideal der Plattformnutzer getroffen werden.

3 Körperdarstellung auf Instagram

Die Nutzung von Körperdarstellungen in sozialen Netzwerken erweist sich zunächst als äußerst vielfältig. Aufgrund der hauptsächlich visuellen Inhalte wurde exemplarisch die Plattform Instagram unter dem Gesichtspunkt der Darstellungsweise geprüft. Das Spektrum reicht von Porträtbildern über Aufnahmen beim Sport bis hin zu Strandbildern. Insgesamt nehmen Darstellungen, die menschliche Körper beinhalten, auf Instagram einen deutlich größeren Teil ein als beispielsweise Landschaftsaufnahmen oder Tierfotos. Dennoch dürfen soziale Medien trotz der suggerierten Alltagsnähe nicht als digitale Abbildung der Realität verstanden werden. In den veröffentlichten Momentaufnahmen einer Person liegt funktionell der Fokus bedingt durch die Abwesenheit von veränderlicher Mimik und Gestik sowie Ton und weiteren Sinneseindrücken fast ausschließlich auf der Optik. Diese relative Einseitigkeit verstärkt damit die Relevanz des Aussehens bei der Beurteilung der Darstellung. Insbesondere in Bezug auf Körperdarstellungen fällt auf, dass diese auf Instagram einer von der individuellen Wirklichkeit abweichenden Gleichförmigkeit unterliegen. Obwohl auf vielen Profilen die eigene Individualität beschworen wird, ist eine eindeutige Homogenität der Darstellungen in Bezug auf Aussehen, Pose und Setting ersichtlich. Die offensichtliche Ähnlichkeit nimmt mit steigender Reichweite der Accounts tendenziell zu. Diese Beobachtung lässt darauf schließen, dass um auf Instagram durch die Darstellung des Körpers eine Vielzahl an Leuten anzusprechen, offensichtlich ein bestimmtes Aussehen erforderlich ist.

4 Bildanalyse

4.1 Körperideal erfolgreicher Instagram-Accounts

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Kim Kardashian „Selfie“

Kim Kardashian ist mit aktuell 166 Millionen (Stand April 2020) Followern die erfolgreichste Frau auf Instagram. Auf ihrem Account teilt sie Bilder von professionellen Fotoshootings sowie von Veranstaltungen und aus ihrem privaten Leben. Darstellungen ihres Gesichts und Körpers stehen dabei meist im Zentrum. Aufgrund der extrem positiven Bewertung durch die Instagram-Nutzer sollen einige ihrer Bilder im Folgenden als Modell für die Ableitung eines instagramspezifischen weiblichen Schönheitsideals dienen; zu diesem Zweck werden jeweils Gesicht und Figur gesondert betrachtet. Kim Kardashians Gesicht ist eher schmal und weist hohe Wangenknochen auf. Die Haut erscheint leicht gebräunt, absolut ebenmäßig und makellos. Die Augen sind mandelförmig und werden von langen, dunklen Wimpern umrahmt. Die Nase ist sehr schmal und eher klein. Die Augenbrauen sind nahezu lückenlos und geschwungen. Die Stirn ist eher hoch, das Kinn dezent. Die Lippen sind voluminös und glatt. Die schwarzen Haare trägt sie meist gestylt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Kim Kardashian Bikinibild

Die Haut kopfabwärts erscheint ebenso wie im Gesicht leicht gebräunt und glatt. Kim Kardashians Körperbau gleicht der typischen „Sanduhr“-figur: sehr schmale Taille sowie voluminöse Oberweite und Hüften. Die meisten erläuterten Gesichts- und Körpermerkmale von Kim Kardashian können in sehr ähnlicher Form bei allen zehn weiblichen Accounts mit den meisten Followern nachgewiesen werden. Konstant über diese besonders erfolgreiche Spitze hinaus sind im Speziellen Hautbeschaffenheit, lange Haare und eine schmale Taille. Die Ausprägung dieser Merkmale verstärkt sich jedoch tendenziell mit steigender Followeranzahl der Influencerinnen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Cristiano Ronaldo Ganzkörperbild

Cristiano Ronaldo ist mit 219 Millionen Followern (Stand Mai 2020) der erfolgreichste Mann auf Instagram. Dort teilt er Bilder von seiner Tätigkeit als Fußballspieler, seinem Privatleben und vom Krafttraining. Seine Haut ist ebenfalls gebräunt, die kurzen schwarzen Haare stylt er auf vielen Bildern nach hinten. Das Gesicht ist eher kantig, die Augenbrauen dunkel und geschwungen. Die Zähne sind weiß und gerade. Der Kiefer wirkt markant; die Lippen schmal. Der Körperbau ist athletisch-muskulös; er weist deutlich sichtbare Bauch- und Oberschenkelmuskeln, eher breite Schultern sowie trainierte Arme auf. Der Körperbau anderer erfolgreicher männlichen Influencer weist deutliche Ähnlichkeiten mit dem von Cristiano Ronaldo auf. Konstant ist dabei eine deutliche Sichtbarkeit von Muskeln, markante Gesichtszüge sowie eine gebräunte Hautfarbe. Die Gesichter unterscheiden sich deutlich stärker voneinander als die von Frauen und scheinen also für das Schönheitsideal nicht so eine große Rolle zu spielen. Die individuelle Ausprägung der Körpermerkmale variiert zum Teil recht stark; die Ausprägung von Muskeln ist beispielsweise bei dem zweiterfolgreichsten männlichen Influencer (Dwayne Johnson), dessen Accountname „therock“ bereits auf eine hohe persönliche Relevanz der sehr kräftigen physischen Erscheinung hinweist, nochmals deutlich stärker.

4.2 Körperinszenierung

Im vorangegangenen Abschnitt wurden auf Instagram besonders positiv bewertete Gesichts- und Körperdarstellungen analysiert. Wie diese auf den Bildern in Szene gesetzt wurden, möchte ich im Folgenden näher betrachten. Eine große Rolle bei der Präsentation des Gesichts spielt bei weiblichen Influencern der Einsatz von Makeup. Kim Kardashian präsentiert sich auf nahezu sämtlichen Bildern ihres Accounts geschminkt. Ihre durch Botox-Injektionen ohnehin recht ebenmäßige Haut lässt sie durch Foundation und Concealer nochmals glatter erscheinen, wobei dieser Effekt auch mit Bildbearbeitungstools erreicht worden sein könnte. Die Wimpern werden durch künstlich angefertigte Wimpernkränze sowie Mascara (Wimperntusche) optisch verdichtet. Die Wangenknochen werden durch sogenanntes „Contouring“ (Modellieren des Gesichtes durch den Einsatz von dunkleren Farbnuancen) betont und durch leicht schimmernde Puderpartikel die Nase optisch etwas geschmälert. Die Augenbrauen wurden vermutlich durch „Microblading“ optisch verdichtet und geformt. Durch Lippenstift wirken die Lippen voller, wobei auch der Einsatz von „Lipfillern“ nicht ausgeschlossen werden kann. Kim Kardashian gibt in Interviews an, abgesehen von den Botox-Behandlungen keine Schönheitsoperationen durchgeführt zu haben; viele Experten sehen jedoch eindeutige Anzeichen für eine Nasenoperation, chirurgische Veränderungen der Gesichtsknochenstruktur sowie Eigenfettinjektionen an Oberweite und Gesäß. Durch enganliegende und oft auch sehr knappe Kleidung betont sie die ausgeprägte Sanduhrfigur. Auf einigen Bildern wird diese Körperproportion zusätzlich durch die Positionierung, beispielsweise das einseitige Einknicken der Taille, hervorgehoben. Andere beliebte Varianten von Influencerinnen zur optischen Veränderung der Proportionen sind das Überkreuzen der Beine, Anspannen von Bauch- und Armmuskeln oder das Aufstellen der Zehenspitzen zur scheinbaren Verlängerung der Beine. Der Kopf ist oft leicht zur Seite geneigt, die Haare dekorativ über die Schultern drapiert. Das „zufällig“ genau im richtigen Winkel einfallende Sonnenlicht verstärkt die Sichtbarkeit der perfekt konturierten Wangenknochen. Die Körperhaltung ist meist eher zurückhaltend und nimmt nicht viel Raum ein. Durch diese Körperinszenierungen wird ein stereotypes Bild von Weiblichkeit bedient: wenig durchsetzungsstark, weich und eher unselbstständig.

Insgesamt dienen die Maßnahmen der künstlichen Körperveränderung dazu, ein Idealbild zu erreichen, welches auf natürliche Weise nicht möglich ist. Angestrebt wird dabei offensichtlich das größtmögliche Maß an „Perfektion“; keine Falten, Hautunebenheiten oder anderweitige individuelle Merkmale. Diese Art der Zurschaustellung von Lebensstil und Körper fungiert als eine Art Statussymbol, über welches sich die Identität einer Person auf der Plattform definiert. Cristiano Ronaldo nutzt auf seinen Bildern oft Haargel oder -spray, um seine Haare glatt nach hinten zu stylen. Häufig zeigt er sich oberkörperfrei, um seine Bauchmuskeln zu präsentieren. Diese wirken dabei überwiegend angespannt, wodurch deren Sichtbarkeit nochmals gesteigert wird. Auf einigen Fotos erscheint die Haut dabei übermäßig glänzend; ein Effekt, der durch Ölprodukte oder Bildbearbeitung erreicht worden sein könnte, und nochmals den Körperbau betont. Neben diesen applikativen Methoden verbringt er zudem den vielen Fotos zufolge, die ihn beim Krafttraining zeigen, viel Zeit mit der Formung seines Körpers. Muskeln werden intuitiv mit physischer Stärke assoziiert, wodurch auch in diesem Fall ein klischeebehaftetes Geschlechterbild vermittelt wird. Die Posen männlicher Influencer sind häufig sehr raumergreifend mit breitbeinigem Stand und betont ernstem Gesichtsausdruck. Dadurch wird der Eindruck von Dominanz und Selbstbewusstsein vermittelt, welcher durch die Präsentation von Statussymbolen wie Autos oder teuren Uhren noch zu verstärken versucht wird.

In beiden Fällen wird der immense Aufwand deutlich, den beide Personen für die gezielte Veränderung ihres Aussehens in Kauf nehmen. Es stellt sich die Frage: Sind diese Schönheitsideale der unnatürlichen Perfektion evolutionär2 veranlagt und kommt in seiner extremen Ausprägung aufgrund der modernen technischen Möglichkeiten erst jetzt zum Vorschein oder hat die Entwicklung dieses Ideals einen anderen Ursprung? Möglicherweise liegt dieser auch teilweise in dem Wunsch des Menschen nach Kontrolle und Anerkennung3. Indem man den eigenen Körper verändert, erlebt man „hautnah“ die Wirksamkeit des eigenen Tuns, welches unter Umständen auch dazu in der Lage ist, naturgegeben Umstände zu überwinden. In extremen Fällen könnte die Methode der Aussehensveränderung beziehungsweise -perfektionierung als eine Art Kompensationsversuch der Angst vor Kontrollverlust auch in anderen Lebensbereichen verstanden werden. Die Kontrolle über das eigene Aussehen erfährt über Instagram nochmals ganz neue Möglichkeiten, indem Bildbearbeitungswerkzeuge verwendet werden, worauf im weiteren Verlauf der Ausarbeitung noch eingegangen werden soll. Zudem ist der Mechanismus der direkten Resonanz auf das eigene Erscheinungsbild grundlegend im Algorithmus der Plattform durch Likes, Follower und Kommentare verankert. Anders als im realen Leben erfährt die veröffentlichende Person sofort und unmittelbar, welche Reaktionen ihre Bilder bei anderen auslösen. Das Wissen um die Möglichkeit, auf diese Art durch negative Kommentare verletzt zu werden oder im Vergleich zu anderen weniger Likes4 zu erhalten erhöht vermutlich die Hemmschwelle, sich so sich zu zeigen, dass man eine potenzielle Angriffsfläche bietet. Zudem sind viele Menschen auf der anderen Seite vermutlich bestrebt, möglichst viele positive Reaktionen zu erhalten, da das menschliche Gehirn Anerkennung von anderen mit einem Ausstoß von Glückshormonen belohnt5. Als Erklärungsmodell kann an dieser Stelle der sogenannte Behaviorismus6 dienen, welcher die Konditionierung des Verhaltens eines Individuums (im konkreten Fall die Selbstdarstellung auf Instagram) auf einen positiven Reiz von außerhalb (Like) beschreibt (https://lexikon.stangl.eu/182/behaviorismus/ Abs. 1).

Aus diesem Grund bemühen sich viele Instagram-Nutzer, dem angenommenen Erwartungsbild möglichst gut zu entsprechen und bei Influencer*innen kommt bei gewerblicher Ausübung noch die finanzielle Abhängigkeit von der Gunst des Instagram-Publikums hinzu.

4.2.1 Gestellte Bilder

Wenn man sich auf der bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen stark genutzten Plattform Instagram umsieht, erwecken viele Abbildungen den Eindruck von spontan erstellten Momentaufnahmen aus dem Alltag der Menschen; sie muten auf den ersten Blick wie zufällige Schnappschüsse an. Alles soll möglichst „natürlich“ wirken7. Die Bildersteller gewähren dadurch Einblicke in ihr Leben und über Bildunterschriften (Captions) auch in ihre Gedanken. Dennoch ist die körperliche Erscheinung trotz ihrer starken Sichtbarkeit nicht der einzige Faktor für Erfolg auf Instagram. Die hohen Follower-Zahlen von prominenten Persönlichkeiten wie beispielsweise Fußballern, Sängern und Schauspielern weisen darauf hin, dass Sympathie und Popularität ebenfalls eine große Rolle spielen. Die Instagram-Nutzer möchten auf diese Weise am Leben ihrer „Stars“ teilnehmen und der Bewunderung für deren Tätigkeit Ausdruck verleihen. Zudem erweisen sich Bilder in emotionalen Kontexten als erfolgreich; Hochzeits- oder Babyfotos haben meist eine deutlich überdurchschnittliche Likezahl. Entscheidend für maximale Reichweite ist, dass die Vermittlung einer persönlichen Geschichte, die Sympathie weckt, mit einer ansprechenden optischen Darstellung kombiniert wird. Dabei wird der Fokus jedoch nahezu ausschließlich auf positive Darstellungen gelegt. Mit einem Lächeln auf den Lippen vor dem Hintergrund eines exotischen Strandes wird den Followern die Illusion eines perfekten, aufregenden und permanent glücklichen Lebens vermittelt. Das Streben vieler Influencer*innen nach diesem „Idealbild“ lässt unter anderem auch an dem Einsatz von Methoden erkennen, welche die physische Erscheinung verändern, wie bereits gezeigt wurde. Die scheinbare Spontaneität der Bilderstellung ist in vielen Fällen ebenfalls eine Illusion, wie die Dokumentation von Foto-Shootings zeigt, deren Zweck die Kontent-Erstellung für die Plattform ist. Häufig werden Dutzende Bilder geschossen, bevor eines als „instagram-tauglich“ eingestuft wird8. Dabei wird bei der Wahl des Fotomotivs ebenfalls selektiert; besonders häufig sind auffällig harmonische oder besonders außergewöhnlich wirkende Hintergründe wie Natur, ein farblich stimmig eingerichtetes Wohnzimmer oder eine allseits bekannte und beliebte Stadt wie New York oder Los Angeles. Mithilfe der Wahl des entsprechenden Ortes wird in den Betrachtern des Bildes ein bestimmter Eindruck vom Leben des Influencers geweckt: aufregende, spannende Erlebnisse wie exklusive Events und Urlaube wechseln sich mit Momenten vollendeter Harmonie beim Sonnenuntergang auf einer sommerlichen Blumenwiese ab. Zudem wird der Körper möglichst vorteilhaft in Szene gesetzt, indem beispielsweise eine leicht gedrehte Position eigenommen und die Taille seitlich eingeknickt wird, um diese schmaler aussehen zu lassen. Die Konsumenten verbinden aufgrund der fast ausschließlich positiven Darstellung der Lebensweise diese im Vergleich zu ihrem persönlichen Leben als besser und erstrebenswerter. Hinzu kommt möglicherweise noch die Wirkung des Mere-Exposure-Effekts, welcher die positivere Wahrnehmung einer Sache durch frühere Konfrontation beschreibt (https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/mere-exposure-effekt/9583). Je häufiger die Konsumenten sich den nicht der Realität entsprechenden Darstellungen aussetzten, desto positiver nehmen sie diese unbewusst wahr. Das dadurch hervorgerufene Defiziterleben kann daher sowohl in Bezug auf die Körperwahrnehmung als auch in anderen Lebensbereichen zu aufgrund einer verzerrten Sichtweise zu Unzufriedenheit führen.

4.2.2 Bildbearbeitung

Nicht nur der ausgeklügelte Selektionsmechanismus bei der Bilderstellung ist Teil der Erschaffung einer neuen virtuellen Realität. Nach der ausgedehnten Foto-Session stehen zahlreiche Methoden der Bildbearbeitung zur Verfügung, die über die Wirkung eines günstigen Winkels hinausgehen. Für jeden zugängliche Programme wie Photoshop stellen vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung, um Hautoberflächen zu glätten, die Augen zu vergrößern und die Proportionen von Körperteilen zu verändern. Zahlreiche Influencer machen von diesen Methoden Gebrauch, ohne dies unter ihren veröffentlichten Bildern zu kennzeichnen. Eine entsprechende Kennzeichnungspflicht wurde bereits diskutiert, jedoch nicht eingeführt. Bei einer professionellen Bearbeitung ist daher in einigen Fällen nicht eindeutig zu erkennen, ob eine Bearbeitung stattgefunden hat. Durch diese Form der Intransparenz wird die Illusion der Realitätsnähe erhalten und von Konsumenten ohne das nötige Hintergrundwissen nicht hinterfragt. Nochmals deutlich geringeren Aufwand verursacht die Nutzung von bereits in der App Instagram integrierten Filtern. Diese „optimieren“ das Gesicht schon vor der Fotoaufnahme, indem sie Kontur und Textur weichzeichnen oder auch zusätzliche Wimpern hinzufügen. Bei einer häufigen Nutzung dieser Tools erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass sich die eigene Wahrnehmung an die Filterversion des optischen Selbst gewöhnt. Möglicherweise kommt es zu einer leichten Umkehrung des bereits beschriebenen Mere-Exposure-Effekts. In Bezug auf das eigene, der Realität entsprechende Aussehen könnte dies bedeuten, dass aufgrund der ständigen Konfrontation mit bearbeiteten Versionen die natürliche, unverfälschte Optik potenziell als zunehmend ungewohnt und damit defizitär empfunden wird. Zudem erzeugt der permanente Vergleich mit stark bearbeiteten Bildern auf der Plattform zusätzlichen Druck. Mit dessen konkreten Auswirkungen auf das Bildbearbeitungsverhalten von Jugendlichen hat sich der Fotograf Rankin in Form des Fotoprojektes „Selfie Harm“ beschäftigt. Er fertigte dazu Porträtaufnahmen von Mädchen und Jungen zwischen 14 und 19 Jahren ohne Makeup an und forderte sie anschließend auf, ihr Bild „social media ready“, also für Instagram tauglich, zu bearbeiten. Die gewählten optischen Veränderungen decken sich größtenteils mit dem bereits analysierten Schönheitsideal: makellose Haut, größere Augen, schmaleres Gesicht etc. Auch bei den Jugendlichen wird Natürlichkeit gegen künstliche Perfektion eingetauscht. Zusammengefasst kann gesagt werden, dass digitale Bildbearbeitung im Vergleich zu applikativen Methoden (Makeup) sowohl vielfältiger als auch potenziell wirkungsvoller ist. Im Gegensatz zu operativen Methoden ist sie um ein Hundertfaches günstiger und nicht mit einem chirurgischen Eingriff und dem damit einhergehenden medizinischen Risiko verbunden. Durch die allgemeine Verfügbarkeit kommen die extremen Ausprägungen der Perfektionierung auf Instagram zum Vorschein.

5 Empirische Untersuchung

5.1 Entwicklung der Untersuchungsthesen und Methodik

Die in der Analyse dargelegte Beobachtung der Angleichung von Attraktivitätsnormen auf Instagram sowie die Beeinflussbarkeit des Gehirns durch soziale Medien9 sind Ausgangspunkt für die erste übergeordnete These: Die Attraktivitätswahrnehmung von häufig Instagram nutzenden Jugendlichen passt sich an das auf der Plattform dominierende Schönheitsideal an. Von der Vorab-Analyse ausgehend kann vermutetet werden, dass Jugendliche, die Instagram mindestens täglich nutzen (im Folgenden „Intensivnutzer“ genannt), ein an das auf Instagram vorherrschende Schönheitsideal weitgehend angenähertes weibliches Gesicht attraktiver einstufen werden als ein von diesem Ideal abweichendes Gesicht.

Die zweite übergeordnete These lautet: Die Nutzung von Instagram wirkt sich negativ auf die Wahrnehmung des eigenen Körpers von Jugendlichen aus. Diese These basiert wieder auf der Voranalyse sowie mehreren Erfahrungsberichten von jugendlichen Mädchen10.

Zur Überprüfung der Thesen wurde eine Umfrage unter Jugendlichen durchgeführt. Dabei wurde einerseits die Art und Quantität des Nutzungsverhaltens von Instagram erhoben, andererseits wurden insgesamt zehn Bilder vorgelegt, die auf einer Skala von 1-10 bewertet werden sollten. Außerdem wurden die Zufriedenheit mit dem eigenen Körper sowie die Nutzung von körperverändernden Methoden erfragt. (Fragebogen und Bilder siehe Anhang)

Vier der zehn Bilder beziehen sich auf die Attraktivität weiblicher Gesichter. Dabei wurden jeweils ein dem Instagram-Schema entsprechendes einem von diesem Ideal abweichendes Bild gegenübergestellt und von den Teilnehmern eine Attraktivitätsbewertung auf einer Skala von 1-10 erfragt. Auswahlkriterien von Bild 1 und 2, sowie 3 und 10 sind der bereits beschriebene Mere-Exposure-Effekt sowie das in der Voranalyse ermittelte, auf Instagram vorherrschende Schönheitsideal. Dem Schönheitsideal für weibliche Gesichter sind B2 und B10 deutlich näher als B1 und B3. Daher war zu erwarten, dass Intensivnutzer (Frage 11), die zudem auf Instagram anderen Personen folgen, die ihren Körper präsentieren (Frage 13) B2 und B10 als attraktiver bewerten als B3 und B1. Bei den nicht oder nur selten Instagram nutzenden Jugendlichen sollte keine Diskrepanz bestehen – oder die Bewertung sogar zugunsten des vom Instagram-Ideal abweichenden Bildes ausfallen, da diese Befragten dem Einfluss der Plattform nicht permanent ausgesetzt sind. Sollte dieser Fall eintreten, wäre das ein bestätigendes Indiz dafür, dass die allgemeine These zur Anpassung des Schönheitsideals in Bezug auf das weibliche Gesicht von Instagram nutzenden Jugendlichen an das auf Instagram vorherrschende zutrifft.

Des Weiteren ist eine Bandbreite von Körperdarstellungen zur Bewertung erforderlich, welche entweder als dem Körperideal stark angenähert oder davon abweichend charakterisiert werden. Dementsprechend basierten die Kriterien für die Bildauswahl von B4-B9 auf dem Analyseergebnis zu den Figur-Idealen auf Instagram für beide Geschlechter. B5, B6 und B8 entsprechen diesen deutlich mehr als die anderen. Sollte auch hier der bereits geschilderte Fall eintreten, dass Intensivnutzer die dem Ideal angenäherten Darstellungen stärker bevorzugen als Nichtnutzer, wäre die Anpassung des Schönheitsideals auch in Bezug auf den weiblichen und männlichen Körperbau bestätigt.

Frage 17 widmet sich der Annahme, dass Instagram das Selbstwertgefühl von Jugendlichen negativ beeinflusst. Wenn die Körperzufriedenheit bei Intensivnutzern (Frage 11+13) geringer ausfällt als bei den anderen Gruppen, dann ist das ein bestätigendes Indiz.

Mithilfe von Frage 12 können eventuelle geschlechtsspezifische Unterschiede aufgedeckt werden: Sollten Mädchen im Durchschnitt eine geringere Körperzufriedenheit aufweisen als Jungen, dann könnte das auf einen Einfluss in der geschlechtsbezogenen Sozialisation hinweisen.

Ausgangspunkt für die Fragen zur Nutzung von Methoden zur Aussehens-Veränderung (14-16) ist die Annahme, dass diese ein Versuch zur Angleichung an das Instagram-Schönheitsideal sind. Wenn Instagram nutzende Personen davon häufiger Gebrauch machen als die anderen, ist das wieder ein bestätigendes Indiz. Korrelieren diese Methoden zusätzlich mit einer geringen Körperzufriedenheit, kann auch die Vermutung der Funktion als Kompensation als bestätigt angesehen werden.

Grundlage für Frage 18 ist wieder die Voranalyse. Gibt es bei Instagram-Intensivnutzern Übereinstimmungen mit dem vorherrschenden Schönheitsideal auf der Plattform, ist das eine weitere Bestätigung für die Angleichung.

Ausgangspunkt für Frage 19 ist die Annahme, dass Menschen, die sich mit Body Positivity beschäftigen, nicht intuitiv ihre Schönheitswahrnehmung preisgeben und die Bilder im Allgemeinen deutlich positiver bewerten. Sollte das zutreffen, müssen diese Personen aus den anderen Ergebnissen herausgerechnet werden, um deren Aussagekraft zu erhalten.

[...]


1 https://www.zeit.de/zeit-wissen/2013/04/psychologie-soziale-anerkennung

2 https://www.dasgehirn.info/wahrnehmen/schoenheit/vom-sinn-der-schoenheit Abb. 8 Entwicklung der Selbstinszenierung

3 https://www.thieme.de/de/psychiatrie-psychotherapie-psychosomatik/persoenlichkeit-einfluss-nutzung-sozialer-netzwerke-63233.htm

4 https://de.wikipedia.org/wiki/Theorie_des_sozialen_Vergleichs

5 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27247125/?from_single_result=sherman+l%2C+psychological+science&expanded_search_query=sherman+l%2C+psychological+science

6 https://lexikon.stangl.eu/182/behaviorismus/

7 https://malisastiftung.org/wp-content/uploads/Selbstinzenierung-in-den-neuen-Medien.pdf S. 2

8 https://malisastiftung.org/wp-content/uploads/Instagram-Studie.pdf

9 https://www.thomashutter.com/social-media-die-nutzung-von-social-media-beeinflusst-unser-gehirn/

10 https://malisastiftung.org/wp-content/uploads/Instagram-Studie.pdf

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Selbstdarstellung auf Instagram und ihre Auswirkung auf die Körperwahrnehmung von Jugendlichen
Note
1,0
Jahr
2020
Seiten
20
Katalognummer
V1305629
Sprache
Deutsch
Schlagworte
selbstdarstellung, instagram, auswirkung, körperwahrnehmung, jugendlichen
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Selbstdarstellung auf Instagram und ihre Auswirkung auf die Körperwahrnehmung von Jugendlichen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1305629

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