Die Nibelungenklage - Analyse und Interpretation


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

21 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Entstehung
2.1 Datierung
2.2 Entstehungszusammenhang

3. Formale Analyse
3.1 strukturell-inhaltliche Bauform
3.2 Texttyp

4. Interpretation
4.1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Nibelungenklage und dem Nibelungenlied
4.1.1 Personen
4.1.2 Schuldfrage
4.2 Rezeption

5. Abschließende Betrachtung

Literaturverzeichnis
Primärliteratur:
Sekundärliteratur:

1. Einleitung

Hie hevet sich ein maere, daz waer vil redebaere und waere ouch guot ze sagene, niwan daz es ze klagene den liuten allen gezimt. swer iz rehte vernimt, der muoz iz jamerliche klagen und jamer in dem herzen tragen [...].[1]

Mit diesen vielsagenden Worten führt der Erzähler in die Nibelungenklage ein.

Der mittelhochdeutsche Terminus: „klage“ steht ursprünglich für Wehgeschrei, als Ausdruck von Schmerz und Klagen hervorrufende Not sowie für den Gegenstand und Inhalt der Klage selbst. Er ist Werktitel und zentrales Thema der Nibelunge n klage (mhd: diu klage), die Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist. Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Werk der Nibelungenklage[2] unter besonderer Berücksichtigung der Frage, inwieweit die Klage bestimmte Personen und Handlungen anders bewertet als das Nibelungenlied selbst und inwieweit dies Rückschlüsse auf eventuelle Rezeptionsprobleme bezüglich des Nibelungenliedes zulässt. Dazu erfolgt zunächst eine kurze Betrachtung ihrer Entstehung. Hierbei werden Fragen nach Datierung und Entstehungszusammenhang geklärt. Die anschließende formale Analyse legt in einem ersten Schritt die strukturell-inhaltliche Bauform der Nibelungenklage dar, um einen Einblick in Werkaufbau und Inhalt zu geben. Im Rahmen der weiteren Untersuchung wird der Versuch einer Gattungsbestimmung vorgenommen. Die anschließende Interpretation befasst sich mit der zentralen Frage nach den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen der Nibelungenklage und dem Nibelungenlied. Hierbei liegt das Augenmerk auf der unterschiedlichen Darstellung von handelnden Personen, der Schuldfrage sowie der Rezeption in beiden Werken. Alle analytischen und interpretatorischen Betrachtungen werden mit konkreten werkimmanenten Textbeispielen belegt und veranschaulicht. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Anhaltspunkte und Bedeutungsperspektiven im Kontext der zentralen Aufgabenstellung darzulegen.

2. Entstehung

2.1 Datierung

Die Frage der Datierung und damit der Benennung der zeitlichen Einordnung ist nicht leicht zu beantworten. In der Forschung gibt es zwei differierende Hauptaussagen dazu. Auf der einen Seite die Spätdatierung um ca. 1220/30 nach Wolfram Eschenbachs Parziva l, hier insbesondere durch die zitierende Erwähnung von „rumolts rat“. Die Annahme, dass die Klage dem Nibelungenlied auch zeitlich nachgeordnet ist, rückt die Klage in die Nähe der *C-Fassung des Liedes, die ebenfalls das Nibelungenlied voraussetzt. Andererseits eine Frühdatierung um 1200, die die Klage in enge zeitliche Relation zum Nibelungenlied setzt. Die Datierungen bewegen sich also zwischen relativ zeitnahem Anschluss der Nibelungenklage an das Lied und größerer zeitlicher Distanz. Es gibt keinen gesicherten Konsens in der Forschung über die Datierungsfrage, doch scheint die Frühdatierung bis heute mehr Zuspruch zu finden.[3]

2.2 Entstehungszusammenhang

Im Folgenden wird kurz der Entstehungszusammenhang der Nibelungenklage dargelegt. Abgrenzend und zugleich anknüpfend an die Datierungsproblematik wird an dieser Stelle der Frage nachgegangen, ob die Klage vor oder nach dem Lied entsteht. Weitgehend unstrittig ist zunächst, dass die Klage und das Lied in einem engen zeitlichen Zusammenhang entstehen, denn es gibt keine Klage überlieferung ohne Nibelungenlied überlieferung und umgekehrt.[4] Es besteht eine große Übereinstimmung darin, dass die Nibelungenklage das Nibelungenlied als schriftlich fixierten Text, voraussetzt. Die Klage sich demnach auf das Lied bezieht und erst nach diesem entsteht. Werkimmanent wird die enge direkte Beziehung beider Texte durch die vielen wörtlichen Übereinstimmungen sowie zahlreichen Handlungskontinuitäten sichergestellt.[5] Es ist davon auszugehen, dass die Klage auf das Lied folgt. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass die eigentliche Handlung des Sagenstoffes nur knapp zusammengefasst wird und der Schwerpunkt auf einer Anschlussgeschichte liegt.

Beweisführend wird an dieser Stelle auf das Korrespondenzverhältnis zwischen dem Schluss des Nibelungenliedes: „[...] hie hat daz maere ein ende: daz ist der Nibelunge not [...]“[6] und dem Anfang der Klage: „Hie hevet sich ein maere, daz waer vil redebaere [...]“[7] verwiesen. Damit werden die Eigenständigkeit beider Werke sowie das kontextuelle Nacheinander gezeigt. Auch dadurch gestützt, dass der erste Teil der Klage, ein Resümieren der Nibelungenlied ereignisse – eine Spiegelung der erwähnten Handlungskontinuität – ist. Abschließend lässt sich bekräftigend feststellen, dass im Rahmen des dichterischen Entstehungsprozesses beider Werke von einem Nacheinander auszugehen ist – erst das Lied dann nachfolgend die Klage. Wohingegen, wie oben bereits dargelegt, die Datierungsfrage ein zeitliches Miteinander beschreibt.[8]

3. Formale Analyse

3.1 strukturell-inhaltliche Bauform

In diesem Abschnitt der Arbeit wird die inhaltliche Struktur der Nibelungenklage untersucht. Durch die Darlegung soll ein erster Deutungsansatz für die Untersuchung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden im 4. Kapitel erfolgen.

Es ist eine Grobgliederung der Nibelungenklage in drei Teile möglich. Die drei Teile werden umrahmt von einem Prolog und einem Epilog.

Im Prolog führt der Autor in den Text ein, indem er den Wahrheitsgehalt: „[...] ez ist von alten stunden her vil waerlich gesaget [...]“ der folgenden Geschichte untermauert und darauf hinweist, dass diese Grund zum Klagen gibt.[9]

Der erste Teil der Nibelungenklage umfasst einen rekapitulierenden Rückblick auf die Geschehnisse vorrangig des zweiten Teils des Nibelungenliedes (Aventüre 20-39). Nach der Vorstellung der Burgunden, werden der Mord an Siegfried, die Situation Kriemhilds, ihre zweite Ehe mit König Etzel, die fortdauernde Trauer um ihren ermordeten Ehemann Siegfried und ihre aufrichtige „triuwe“ zu ihm sowie ihre Rachepläne und der Vollzug der Rache dargelegt.

Des Weiteren wird an die Einladung der Burgunden an den Etzelhof erinnert. Der erste Teil der Geschichte endet mit dem Sterben vieler Burgunden und anderer Helden und schließlich mit Kriemhilds Tod.[10]

Mit dem zweiten Teil beginnt jetzt die eigentliche Handlung der Klage. Sie schließt nahtlos an den Schluss des Nibelungenliedes an. Man findet die Toten blutüberströmt unter Trümmern liegen. Es beginnt ein Auffinden der Toten, gepaart mit einem leidvollen Beklagen und Beweinen derselbigen. Auf der einen Seite, ist das Klagen maßlos:

[...] welt ir nu wunder hoeren sagen, so merket unbesceidenheit. swaz ie zer werlde wart gekleit, daz was allez her ein wint. so maneger werden muoter kint klagen nie begunde, also man da zestunde bi Etzeln weinende vant.[11]

Auf der anderen Seite gibt es aber auch Gelegenheit, die Toten als Personen in rühmenden Nachrufen zu würdigen. Die Totenklage folgt einer gewissen Reihenfolge, in der erst die „namhaften“ Toten wie Kriemhild und Ortlieb, die Burgundenkönige und Hagen betrauert werden. Es folgen Giselher und Gernot.[12] Rüdiger als „[...] vater aller tugende“[13] wird besonders heftig beklagt, so heißt es in der Nibelungenklage:

dar nach in kurzer zite do vant man Rüedegere, daz ein helt so sere zer werlde niemer wart gekleit. an dem was mit warheit verlorn der werlde wünne, daz uz einem künne so vil eren nie verdarp als do der marcgrave erstrap.[14]

Anschließend werden die gefallenen Helden aufgebahrt und beerdigt.

Im dritten Teil wird sodann ein Bote, Swemmel, beauftragt die Unglücksbotschaft von den vielen Toten vor allem nach Worms und Bechlarn zu bringen. Überall herrscht großes Leid und Klagen über diese Nachricht, aber zugleich auch zukunftsorientiertes Handeln. So wird dann Bründhilds Sohn zum neuen König von Burgund gekrönt, Dietlind, der Tochter Rüdigers, wird ein neuer Gemahl in Aussicht gestellt und Dietrich verlässt nebst seiner Verlobten und Hildebrand Etzels Land Richtung Heimat.[15]

Der Epilog umfasst die Verschriftlichung des Werkes in lateinischer Sprache durch einen Meister Konrad, im Auftrag des Bischofs Pilgrim und die Namensnennung desselbigen: „[...] ditze liet heizet diu klage.“[16]

Die Gliederung der Klage zeigt bereits, dass die äußere Struktur der Handlung spärlich ist und folgt den Prinzipien von einfacher Handlungsaddition und -kontinuität.

Die Toten werden nacheinander aufgefunden und dieses gibt Anlass für Reflexionen über deren Kampftaten und deren Tod. Die Schwierigkeit, einen inhaltlichen Handlungsreichtum und viele eigene handlungsträchtige Elemente in der Nibelungenklage zu eruieren, liegt auch darin begründet, dass eine Klage immer einen Ausgangspunkt braucht. Das heißt, für eine solche Klage liegt der Grund des Klagens immer im vorausgegangenen Geschehen begründet.[17] Inwieweit diese Aspekte bei der vergleichenden Interpretation eine Rolle spielen, soll in Kapitel 4 untersucht werden. Für die inhaltliche Grobeinteilung des Werkes gibt es keine gesicherten Belege, sie bleibt hypothetisch und hat lediglich die Funktion einer Verständigungs- und Orientierungshilfe.

[...]


[1] Lienert, Elisabeth (Hg.): Die Nibelungenklage. Mhd. Text nach d. Ausg. von Karl Bartsch. Paderborn: Schöningh 2000 (= Schöninghs mediävistische Editionen), S. 44, V. 1 – 8.

[2] Die Hervorhebungen des Verfassers beziehen sich auf die gesamte Arbeit und beinhalten Werktitel.

[3] Bumke, Joachim: Die vier Fassungen der Nibelungenklage. Berlin, New York: de Gruyter 1996

[4] Ebd., S. 114.

[5] Lienert, E. (Hg.): Nibelungenklage, S. 16.

[6] Das Nibelungenlied. Mhd. Text nach d. Ausg. von Karl Bartsch und Helmut de Boor. Wiesbaden: Heinrich Albert Verlag 1996 (= Deutsche Klassiker des Mittelalters), S. 371, Strophe 2379.

[7] Lienert, E. (Hg.): Nibelungenklage, S. 44, V. 1f.

[8] Bumke, J.: Fassungen der Nibelungenklage, S. 111f.

[9] Lienert, E. (Hg.): Nibelungenklage, S. 44, V. 1– 19.

[10] Ebd., S. 44 – 80, V. 20 – 586.

[11] Ebd., S. 84, V. 640 – 647.

[12] Ebd., S. 8.

[13] Ebd., S. 178, V. 2133.

[14] Ebd., S. 168, V. 1958 – 1966.

[15] Ebd., S. 205 – 317, V. 2561 – 4294.

[16] Ebd., S. 318, V. 4322.

[17] Günzburger, Angelika: Studien zur Nibelungenklage. Forschungsbericht – Bauform der Klage – Personendarstellung. Frankfurt/M.: Verlag Peter Lang GmbH 1983 (= Europäische Hochschulschriften).

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die Nibelungenklage - Analyse und Interpretation
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltung
Das Nibelungenlied
Note
2,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
21
Katalognummer
V130780
ISBN (eBook)
9783640367795
ISBN (Buch)
9783640368105
Dateigröße
512 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Siegfried, Nibelungen, Klage, Mittelhochdeutsch, Heldendichtung
Arbeit zitieren
Magister Artium Yvonne Holz (Autor:in), 2008, Die Nibelungenklage - Analyse und Interpretation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130780

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