Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Frage- und Zielstellung(en)
2 Zur Zeit des Propheten S
3 Zur Zeit der vier rechtgeleiteten Nachfolger
3.1 Abu-bakr (ra d ial-laahu ‘anh)
3.2 'Umar (ra d ial-laahu ‘anh)
3.3 ‘Uthmaan (ra d ial-laahu ‘anh)
3.4 ‘Aliy (ra d ial-laahu ‘anh)
4 Die Zeit nach den rechtgeleiteten Chaliifen
4.1 Umayyaden
4.2 Abbasiden
5 Europäische Narrative
6 Analyse und Kritik
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Ausgehend von seinem ursprünglichen Machtzentrum in der arabischen Halbinsel erlebte der Islam nach dem Tod Muhammads ® eine große Expansion in alle Richtungen. Die politische und religiöse Stoßkraft der neuen Religion, beflügelt von der Idee des Dschihaad, bereitete für die christlichen Teile Europas große Sorgen.1 Mit imposanten Siegeszügen der Nachfolger des Propheten ® im 7. und 8. Jahrhundert wurde die politische Landkarte Mittelasiens, des Orients und bedeutender Gebiete am Mittelmeer verändert. Sie standen nach ihrer Einnahme im Rahmen des islamischen Fat h 2 unter einer neuen und einmaligen Herrschaftsform, dem arabisch-islamischen Chilaafah. Diese ruhmreiche Geschichte der Chi- laafah bestand zwei Jahrhunderte nach dem Tod des Propheten Ä Zu Beginn des 9. Jahrhunderts war die Chilaafah der Abbasiden, insbesondere zur Zeit von Haruun Al-raschiid, das zivilisierteste und mächtigste Reich der Welt.
Nach verbreiteter Auffassung sind Religionen schon von ihrem Ansatz her mitschuldig an zahlreichen Gewaltverbrechen. Dem wird anderseits widersprochen, indem man den Religionen eine Gewalt eindämmende Rolle zuschreibt. Sie würden einen wesentlichen Beitrag leisten, die menschliche Gewaltbereitschaft im Zaum zu halten und die Gemüter besänftigen, sodass sich der Keim der Gewalt nicht entwickeln könne. Bei nüchterner Betrachtung der Geschichte erweist sich aber ein gegenteiliges Bild. Sei es die christliche Botschaft der Nächstenliebe, oder die islamische Botschaft der Barmherzigkeit. Die Geschichte zeigt uns ein verzerrtes Bild dessen, was die Religionen zu versprechen meinen. Und doch ist es fragwürdig, ob es ohne Religionen wirklich friedlicher zugegangen wäre und zugehen würde.3
1.1 Frage- und Zielstellung(en)
In dieser vorliegenden Hausarbeit geht es um die Frage, ob sich der Islam mit Hinblick auf ihre geschichtliche Expansion, religiös-politisch mit Gewalt und Zwang ausgebreitet hat.
2 Zur Zeit des Propheten S
Als Mu h ammad Ä im Jahre 610 n. Chr. mit der Verkündung der Botschaft des Quraan begann, stieß er mit dem erhobenen Ruf nach moralischer Erneuerung auf großen Widerstand. Die Botschaft des Quraan stellte u.a. die herkömmliche soziale Ordnung in Frage, und postulierte eine neue Werteordnung mit dem sich die Bewohner von Makkah nicht abfinden konnten. Neben den ersten Gefährten wie Chadiidschah, Abu-bakr und ‘Aliy (ra d ial-laahu ‘anhum) waren es vor allem Arme und Bedrängte, die durch den Islam eine neue Ordnung und Gerechtigkeit erhofften, und sich Mu h ammad S anschlossen. Demgegenüber waren die Reichen und Mächtigen Kaufleute über die Botschaft gar nicht begeistert, da sie Verluste bei ihrem Handel mit den Götzen-Pilgern bei der Ka‘bah und um ihre Machtstellung fürch- teten.4
Mu h ammad S musste Anfeindungen von allen Seiten ertragen, je mehr er die Botschaft des Quraan verkündete. Als dann auch einflussreiche Menschen wie ‘‘Umar (ra d ial-laahu ‘anh) den Islam annahmen, und so die Position der Muslime stärkten, nahmen die Anfeindungen andere Maße an, die unerträglich wurden.5 Mu h ammad S knüpfte während der Pilgerzeit Kontakte zu den beiden Stämmen Al-chazradsch und Al-aus, die aus Madiinah (ehem. Yathrib) stammten, und von denen bereits 12 Angehörige den Islam angenommen hatten. Des Weiteren kamen im Jahre 622 insgesamt 73 Frauen und Männer aus Madiinah, - die ebenfalls den Islam annahmen - und luden Mu h ammad S nach Madiinah ein, um dort als Streitschlichter zwischen den beiden verfeindeten Stämmen zu wirken. Aufgrund dieser positiven Entwicklungen wurde Mu h ammad S seitens der Quraisch zunehmend mit dem Tode bedroht, woraufhin Mu h ammad S gezwungen war, mit seinen Gefährten nach Madiinah auszuwandern, wo er später die erste islamische Gemeindeordnung gründete.
Bevor ich fortfahre, sollen noch ein paar Infos zu der damaligen Situation in Madiinah erwähnt sein. Die einheimischen von Madiinah bestanden damals mehrheitlich aus Juden von den Stämmen von Banu-qurai dh ah, Banu-qainuaa‘ und Banun-na d iir, sowie den beiden arabischen Stämmen Al-aus und Al-chazradsch, deren Herkunft Jemen war. Vor der Ankunft des Propheten S und seiner Gefährten, also der muchaadschiruun, befanden sich diese Stämme innerhalb von Madiinah in einer langanhaltenden feindlichen Auseinandersetzung, wodurch auch immer wieder Tote auf beiden Seiten zu beklagen waren. Um den Streit der Stämme zu beenden schlossen sich die Al-aus mit Banu-qurai dh ah und Banun-na d iir zusammen, und die Al-chazradsch verbündeten sich mit Banu-qainuaa‘. Aber auch diese Koalitionen brachten keinen endgültigen Frieden.6
Nach Ankunft des Propheten ® und seinen Gefährten in Madiinah, die außerordentlich herzlich empfangen wurden, entstanden in erstaunlicher Geschwindigkeit die Umrisse einer geordneten Gesellschaft. Der Prophet ® entwarf eine erste Satzung, welche die gegenseitigen Pflichten und Rechte zwischen der Muchaadschiruun (Auswanderer) und den An s aar (Helfer) festlegte. Mit seinem diplomatischen Geschick bemühte sich der Prophet ®, die zerstrittenen Parteien zu versöhnen. Um dies zu gewährleisten gründete der Prophet ® ein System, in dem sich jeder An s aar und Muchaadschiruun einen Mu s aahib[7] wählte, dass zu einer Versöhnung der zerstrittenen Stämme in Madiinah beitrug.8
Durch die Einführung dieses Wertesystems, entstand ein Zusammengehörigkeits- und Verantwortungsgefühl, dass sich über die Unterschiede wie Abstammung, Rasse, Herkunft, Hautfarbe etc. setzte. Gekrönt wurde die sich neu bildende Wertegemeinschaft in Madiinah durch die Charta von Madiinah. Diese vom Propheten ® entworfene historische Gemeindeordnung, - gründet auf die Botschaft des Quraan - trug umfassend und auf eine ausgewogene Art und Weise, allen Bereichen des Zusammenlebens von Individuen und religiösen Gruppen Rechnung.9
Doch trotz der Auswanderung aus Makkah, waren die Quraisch weiterhin bemüht, Mu h ammad ® und seine Gefährten zu bekämpfen. So kam es zu mehreren Angriffskriegen gegen Muhammad ® und seinen Gefährten, die erfolgreich abgewehrt werden konnten. Nach mehreren Auseinandersetzungen und Angriffen der Quraisch, folgte im Jahre 628 ein Friedensvertrag, und im Jahre 630 die friedliche Eroberung von Makkah.10
3 Zur Zeit der vier rechtgeleiteten Nachfolger
Nachdem die Entwicklung des Islam zu Lebzeiten des Propheten ® kurz und knapp aufgezeigt wurde, soll auch die Zeit der vier rechtgeleiteten Nachfolger Abu-bakr, 'Umar, ‘Uth- maan und ‘Aliy (ra d ial-laahu ‘anhum) kurz und knapp aufgezeigt werden.
3.1 Abu-bakr (radial-laahu ‘anh)
Nach dem Tod von Mu h ammad Ä, übernahm Abu-bakr (ra d ial-laahu ‘anh) die Nachfolge des Propheten ® als Oberhaupt der Muslime an. Der Schwiegervater von Mu h ammad ® verfügte über den dafür notwendigen Rückhalt in Madiinah und Makkah.
Abu-bakr (ra d ial-laahu ‘anh) sah ich als Fortsetzer der politischen Linie des Propheten ®, aber keinesfalls als Erneuerer. In diesem Sinn war er bemüht, alle Verordnungen und AnWeisungen des Propheten ® einzuhalten und weiterzuführen. Dieses Bestreben fand seine Widerspiegelung auch in der Bezeichnung, die er für sein hohes Amt gebrauchte. Er nannte sich „Chaliifah des Propheten ALLAAHS.“ Damit sollte jede Anmaßung des neuen Amtes vermieden werden.11
Aus den überlieferten Geschichtsbeschreibungen liest man aber, dass die Muslime in der Zeit von Abu-bakr (ra d ial-laahu ‘anh) einen nach Norden reichenden Korridor kontrollierten, der sich entlang der alten Handelswege von Makkah bis in das syrische Grenzland erstreckte. Darüber hinaus standen der Jemen, H a d ramaut, Oman und die Küste des Persischen Golfs unter muslimischem Einfluss.12 Unterdessen weigerten sich einige arabische bzw. muslimische Stämme, weiterhin die Zakaah zu entrichten, weil sie dies als eine persönliche Bindung gegenüber dem Propheten ® betrachteten. Abu-bakr (ra d ial-laahu ‘anh) bewertete dies als Abfall vom Islam, und entsandte mehrere Truppen um die Zakaah zu erzwingen, die als Riddah-Feldzüge in die Geschichtsbücher eingingen.13 Zu Abu-bakrs Diensten stand mit Chaalid Bnul-waliid einer der größten Militärbefehlshaber aller Zeiten. Unter seinem Kommando drang man bis ins byzantinische Territorium im Norden Arabiens hinein, und hatten sogar Damaskus unter ihre Kontrolle eingenommen.14
3.2 'Umar (radial-laahu ‘anh)
Die unter Abu-bakr (ra d ial-laahu ‘anh) eingeläutete Expansionspolitik, wurde unter dem zweiten Chaliifah 'Umar (radial-laahu ‘anh) durch ehrgeizige Feldzüge fortgesetzt. Die ersten Vorstöße der Muslime richteten sich Richtung Norden in byzantinische Territorien in Syrien, Antolien und gegen die Sassaniden in Irak, sowie in West- und Zentraliran.15 Im Jahre 636 siegten sie in Yarmuuk (Syrien), sodass die Byzantiner gezwungen waren, Syrien und Palästina aufzugeben. Die zweite Schlacht war bei Al-qaadisiyah (Irak), wo sie gegen eine persische Übermacht siegten. Dieser Sieg öffnete ihnen den Weg ins persische Kernland. Yazdegard III, der letzte bedeutende König der Perser, wurde nach der Schlacht von Nahawand auf der Flucht von seinen eigenen Leuten ermordet.16 'Umar (ra d ial-laahu ‘anh) war ein Chaliifah, der für seine Gerechtigkeit bekannt war. Ihm verdankt die islamische Gesellschaft u.a. ihr erstes Verwaltungswesen. Zur Sicherung der Einkommen führte er ein Zentralregister ein, in dem die Zahlungen eingetragen wurden, die der Staat jedem regelmäßig zukommen ließ.17 Ebenso durften in seiner Regierungszeit byzantinische und persische Beamte weiterhin in der Verwaltung arbeiten.18 Im November 644 wurde ''Umar (radial- laahu ‘anh) bei einem Attentat durch drei Dolchstöße getötet.19
3.3 ‘Uthmaan (radial-laahu ‘anh)
Unter dem dritten Chaliifah ‘Uthmaan (radial-laahu ‘anh) wurden in den Jahren zwischen 640 und 648 weitere Gebiete wie Persien (Iran), Alexandrien in Ägypten und Choraasaan eingenommen. Um 649 begann der erste Vorstoß nach Indien unternommen und westlich Richtung Tunesien bis kurz vor Algerien.20 ‘Uthmaan (ra d ial-laahu ‘anh) soll ein sanfter, mitfühlender und großzügiger, aber auch eine schwache Führungsperson gewesen sein, der sich von seiner korrupten und machthungrigen Sippe der Umayyaden leicht beeinflussen ließ.21 Er vertrat die Interessen der Umayyaden und übertrug ihnen einflussreiche Statthalterposten in den eroberten Gebieten. Auch einen unangemessenen großen Teil der Kriegs- beuten reservierte er für sich und seine Familie. Die Vetternwirtschaft und die Verschleuderung von Staatsgeldern führten zu Unruhen und Aufständen. Schließlich wurde das Haus von ‘Uthmaan (ra d ial-laahu ‘anh) belagert, und nach langen Verhandlungen vor Ort getö- tet.22
[...]
1 Hans Eberhard MAYER, Geschichte der Kreuzzüge (Urban-Taschenbücher 86, 1995) S. 7 f.
2 „Öffnung von feindlichen Gebieten für den Islam“.
3 Severin J. LEDERHILGER, Hg., Gewalt im Namen Gottes. Die Verantwortung der Religionen für Krieg und Frieden (Linzer philosophisch-theologische Beiträge Bd. 30, 2015) S. 31.
4 Kerim EDIPOGLU / Abdurrahman M. REIDEGELD / Amir M.A. ZAIDAN, At- taariichul-islaamiy. Einführung in die islamische Geschichte (Die islamologische Enzyklopädie Bd. 10, 2012) S. 18 f.
5 Muhammet MERTEK, Der Islam. Glaube, Leben, Geschichte (2004) S. 103.
6 Ibrahim SäRIQAM, Hz. Muhammed ve evrensel mesaji (Diyanet i§leri Ba^kanligi yayinlari ilmi eserler 92, 2007) S. 128 ff.
7 Weggemeinschaft; http://www.alevitentum.de/html/307.html, zuletzt am 11.3.21 um 16:52 aufgerufen
8 Charles Gai LE EATON / Eva-Liselotte SCHMID / Annemarie SCHIMMEL, Der Islam und die Bestimmung des Menschen. Annäherung an eine Lebensform (Heyne-Bücher 19 Heyne-Sachbuch 333, 1994) S. 214 ff.
9 EDIPOGLU / REIDEGELD / ZAIDAN, At- taariichul-islaamiy (wie Anm. 5) S. 21.
10 Jim AL-KHALILI / Sebastian VOGEL, Im Haus der Weisheit. Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (2012) S. 63.
11 P. A. GrjäZNEVIC, Hg., Islam. Religija, obscestvo, gosudarstvo (1984) S. 197.
12 Gudrun KRÄMER, Geschichte des Islam (Schriftenreihe / Bundeszentrale für Politische Bildung 493, 2005) S. 29.
13 EDIPOGLU / REIDEGELD / ZAIDAN, At- taariichul-islaamiy (wie Anm. 5) S. 29.
14 AL-KHALILI / VOGEL, Im Haus der Weisheit (wie Anm. 12) S. 64.
15 KRÄMER, Geschichte des Islam (wie Anm. 14) S. 33.
16 ENDE, Der Islam in der Gegenwart (wie Anm. 4) S. 26.
17 Eberhard SERAUKY, Geschichte des Islam. Entstehung, Entwicklung und Wirkung von den Anfängen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts (2003) S. 136.
18 EDIPOGLU / REIDEGELD / ZAIDAN, At- taariichul-islaamiy (wie Anm. 5) S. 32.
19 LE EATON / SCHMID / SCHIMMEL, Der Islam und die Bestimmung des Menschen (wie Anm. 10) S. 254.
20 EDIPOGLU / REIDEGELD / ZAIDAN, At- taariichul-islaamiy (wie Anm. 5) S. 33.
21 AL-KHALILI / VOGEL, Im Haus der Weisheit (wie Anm. 12) S. 65.
22 ENDE, Der Islam in der Gegenwart (wie Anm. 4) S. 28.