In diesem Essay werden die von Aristoteles' in der Nikomachischen Ethik eingeführten Begriffe des "Wollens" und des "Vorsatzes" sowie deren Bezug zu Zwängen und Wissen erläutert.
Eine maßgebliche Aufgabe, der sich Aristoteles in der Nikomachischen Ethik widmet, ist die Untersuchung und Bestimmung der (charakterlichen) Tugenden. Da die Tugenden mit Dispositionen zu Affekten und Handlungen zusammenhängen, und jene wiederum, wenn sie gewollt erfolgen, positiv (Lob/Belohnung) oder negativ (Tadel/Bestrafung) bewertet. Wenn sie dagegen ungewollt zustande kommen, verziehen oder gar bemitleidet werden können, ist es nötig, zur Bestimmung der Tugendhaftigkeit zunächst gewolltes von ungewolltem Verhalten zu unterscheiden: Nur so kann die Bedingungen der Verantwortlichkeit von Personen aufgeklärt werden. Auf die Relevanz dieser Unterscheidung in rechtlichen Kontexten weist Aristoteles ausdrücklich hin.
Aristoteles über Wollen, Vorsatz und Verantwortung (Nikomachische Ethik III, 1-5)
MARTIN SCHEIDEGGER
Eine maßgebliche Aufgabe, der sich Aristoteles in der Nikomachischen Ethik widmet, ist die Untersuchung und Bestimmung der (charakterlichen) Tugenden. Da die Tugenden mit Dispositionen1 zu Affekten und Handlungen zusammenhängen, und jene wiederum, wenn sie gewollt - also nicht bloß aufgrund von Zufall oder Naturnotwendigkeit2 - erfolgen, positiv (Lob/Belohnung) oder negativ (Tadel/Bestrafung) bewertet,3 wenn sie dagegen ungewollt zustande kommen, verziehen oder gar bemitleidet werden können, ist es nötig, zur Bestimmung der Tugendhaftigkeit zunächst gewolltes von ungewolltem Verhalten zu unterscheiden, weil nur so die Bedingungen der Verantwortlichkeit von Personen aufgeklärt werden können. Auf die Relevanz dieser Unterscheidung in rechtlichen Kontexten weist Aristoteles ausdrücklich hin.4
Aristoteles beginnt mit seiner Analyse interessanterweise auf der negativen Seite und beleuchtet zuerst diejenigen Kriterien, die ungewollte Geschehnisse auszeichnen. Als ungewollt gilt Verhalten für gewöhnlich, wenn Zwang vorliegt, d.h., wenn die Ursache des Verhaltens (z.B. der erfolgten Bewegung) außerhalb der betreffenden Person liegt. Durch externen Zwang verursachtes Verhalten kann den davon betroffenen Personen demnach nicht als gewollt zugesprochen werden, sofern sie nichts aktiv dazu beigetragen haben und somit nicht als dessen Urheber angesehen werden können.5
Ein weiterer Faktor, der zu ungewolltem Verhalten führen kann, ist Unwissenheit. Für Verhalten aufgrund von Unwissenheit kann man also nicht verantwortlich gemacht werden. Denn „Verantwortlichkeit besteht wesentlich darin, für sein Tun Rede stehen zu können“6 und Rede stehen zu können setzt voraus, dass man weiß, was man tut. Ins Positive gewendet lässt sich demnach sagen: „Freiwillig sind für [Aristoteles] solche Handlungen, für die es [im objektiven Sinne] keine guten Entschuldigungsgründe gibt.“7 Also kann man nur dann nicht für seine Taten verantwortlich gemacht werden, wenn man auf überzeugende Weise darlegen kann, dass man durch äußere Zwänge beeinträchtigt war oder wichtige Faktoren in der Handlungssituation nicht kannte.8
Neben dem gewollten und ungewollten Verhalten gibt es noch eine weitere Klasse von Handlungen, nämlich die gemischten, die teils gewollt und teils ungewollt sind. Bei den gemischten Handlungen liegt zwar der Ursprung der Körperbewegung im Handelnden selbst, jedoch erfolgt sie nur aufgrund einer den Handelnden nötigenden Situation, wie etwa angesichts der Furcht vor größeren Übeln oder höherer Werte wegen.9 Die gemischten Handlungen ähneln aber eher den gewollten, da es dem Handelnden in den zwar nötigenden, aber nicht determinierenden Situationen noch freisteht, dem Zwang nicht nachzugeben, selbst wenn dies zu negativen Konsequenzen führt.10 Es steht der Person also frei, etwas „zu tun oder nicht zu tun“.11 Aristoteles macht darauf aufmerksam, dass es darauf ankommt, unter welchem Gesichtspunkt die gemischten Handlungen betrachtet werden. Denn nur „im Hinblick auf den Zeitpunkt der Handlung“12 wird in den Fällen gemischter Handlungen gewollt agiert. Es ist dabei oft nicht leicht, (vorab) zu bewerten, ob eine Handlung, die man ohne Weiteres und für sich genommen nicht wählen würde, dennoch edlerer Ziele wegen ausgeführt werden sollte.13
Aristoteles hält auch fest, was nicht als Quelle von Zwang und somit als Ausrede oder Entschuldigung gilt. Er zählt dazu das Angenehme und Wertvolle, da diese dem natürlichen Streben der Menschen nicht zuwiderlaufen und ihnen Lust verschaffen. Handeln aufgrund von Zwang geht dagegen mit Unlust einher. Der Begierde nachzugeben, stellt folglich keinen Fall von Zwang dar, da das Streben allein einem selbst entspringt und dementsprechende Handlungen als gewollt zu deuten sind.
Die Bedingung des Wissens, die Verantwortlichkeit für das eigene Handeln begründet, erörtert Aristoteles eingehender im Anschluss an die Untersuchung der Bedingung der Abwesenheit von Zwängen. Er führt dazu zwei feine begriffliche Unterscheidungen ein, die für die genauere Bewertung von Handlungen, bei denen den Handelnden Wissen fehlt, entscheidend sind.
Die erste Unterscheidung14 differenziert zwischen Nichtwissen als Grund des Handelns - „Handeln aufgrund von Unwissenheit“15 - und Nichtwissen als Nebeneffekt anderer (temporär bestehender) Zustände, wie (selbst herbeigeführter) Trunkenheit oder Zorn - „Handeln in Unwissenheit“.16 Diese Unterscheidung ist wichtig, da Personen auch für Handlungen, die sie in Unwissenheit vollzogen haben, verantwortlich sind, wenn sie es bspw. auch hätten unterlassen können, sich zu betrinken (denn sie sind mitverantwortlich für ihre kognitiven Zustände, die die Handlungen fundieren).
Die zweite Unterscheidung basiert auf der ersten und bezieht die nachträgliche (affektive) Bewertung der Handlung durch den Handelnden zur präziseren Bestimmung des Verhältnisses der Handlung zum Wollen des Handelnden mit ein. Handelt jemand aufgrund von Unwissenheit, so ist es nämlich Aristoteles zufolge ferner relevant, ob die Person die Handlung im Nachhinein bereut oder nicht.17 Hat man aufgrund von Unwissenheit gehandelt und bedauert dies nicht, so hat man, Aristoteles zufolge, ohne Wollen gehandelt.18 Bedauert man hingegen die aufgrund von Unwissenheit ausgeführte Handlung, dann hat man gegen das eigene Wollen gehandelt.19 Die (emotionale) Bewertung einer unwissentlichen Handlung kann demnach nicht dazu führen, sie ex post als ,gewollt‘ zu klassifizieren.
Handeln wider das Wollen rührt nicht daher, dass man in Unkenntnis der gesellschaftlichen Normen oder moralischen Regeln handelt, die allgemein vorgeben, was man zu tun und zu lassen hat - das macht die Handlung nur schlecht20 -, sondern aus der Unkenntnis der konkreten Situationsfaktoren, unter denen sich die jeweilige Handlung vollzieht. Bei Aristoteles heißt es daher, dass „nicht die Unkenntnis des Allgemeinen [...], sondern die Unkenntnis des Einzelnen“21 eine Handlung „zu einer gegen das Wollen“22 mache.23 Die einzelnen Handlungsumstände, die Aristoteles anführt, seien kurz aufgezählt: wer handelt, was tut die Person, in Bezug auf was, in welchem Bereich, womit, zu welchem Zweck und wie handelt sie;24 wobei „wohl niemand in Unkenntnis all dieser Bedingungen sein [kann], es sei denn, er ist wahnsinnig“.25 Es reicht aber schon aus, nur einen einzigen Faktor nicht zu kennen, um von Handeln gegen das Wollen zu sprechen,26 sofern der Handelnde „zusätzlich über seine Handlung Unlust und Bedauern empfinde[t]“.27
Als Ergänzung und Vertiefung zur eingangs erwähnten These, dass sich die Tugendhaftigkeit einer Person an deren Handlungen zeige, führt Aristoteles im Anschluss an die Behandlung des Wissenskriteriums den Begriff des Vorsatzes (oft auch als Entscheidung oder Wahl übersetzt) ein, wobei er dem Vorsatz zuspricht, mehr Aussagekraft in Hinsicht auf den Charakter einer Person zu haben als deren Handlungen.28 Um diese Behauptung prüfen zu können, muss der Begriff des Vorsatzes jedoch erst einmal positiv bestimmt werden. Aristoteles verfährt dabei so, dass er zunächst eine grobe Einordnung des Vorsatzes unter einen Oberbegriff liefert und daran anschließend - vor der genauen Definition - den Vorsatz von anderen Begriffen negativ abgrenzt.
Der Vorsatz wird im ersten Schritt von Aristoteles als etwas ,Gewolltes‘ bestimmt. Da es sich dabei um den weiteren Oberbegriff handelt, ist folglich nicht alles Gewollte auch vorsätzlich. Kinder und andere Tiere (also ihm zufolge ,vernunftlose Wesen‘) wollen zwar, aber handeln nicht mit Vorsatz, sondern aus Erregung, Begierde, Instinkt, Gewohnheit etc.29
Aristoteles unterscheidet in einem weiteren Schritt den Vorsatz von vier anderen Zuständen: Begierde, Erregung (Zorn), Wunsch und Meinung.30 Handlungen aus Begierde und Erregung sind zwar im Allgemeinen nicht gegen (bzw. ohne) das Wollen,31 vorsätzlich sind sie aber nicht, da sie der Rationalität, Beherrschung und Neutralität in Bezug auf Angenehmes und Unangenehmes widersprechen, die den Vorsatz auszeichnen sollen.32 In der Abgrenzung des Vorsatzes vom Wunsch wird deutlich, dass der Vorsatz etwas damit zu tun hat, was wir uns vornehmen 33 und überhaupt vornehmen können. Der Wunsch ist, Aristoteles zufolge, zwar dem Vorsatz ähnlich, ist jedoch nicht wie dieser nur auf Mögliches beschränkt, das durch eigenes Handeln herbeigeführt werden kann. Denn man kann sich wünschen, unsterblich zu sein oder auch, dass die eigene Lieblingsfußballmannschaft Meister wird, aber man kann sich dies nicht vornehmen, da es nicht „in unserer Macht steht“34 (wobei die Grenzen des Möglichen auch kontingent statt notwendig sein können). Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal, das den Wunsch vom Vorsatz trennt, zeigt sich darin, dass Wünsche sich in der Regel eher auf Ziele beziehen (Gesundheit, Glück, Sieg usw.), während der Vorsatz eher auf Mittel gerichtet ist, d.h. konkrete Handlungen, die erfolgen müssen, um bestimmte Ziele erreichen zu können.35 Wünsche könnten daher, sofern sie sich auf praktisch von einer Person erreichbare Ziele richten, höchstens eine Ausgangsbasis für Vorsätze sein, die ihre Erfüllung mittels gewisser Handlungen anstreben. Die Differenz von Vorsatz und Meinung zeigt sich vor allem an drei Punkten. Erstens können Meinungen - ähnlich wie Wünsche - von Unmöglichem handeln.36 Zweitens haben Meinungen einen Wahrheitswert - sie sind entweder wahr oder falsch -, Vorsätze dagegen nicht. Ein Vorsatz ist mehr oder weniger gut oder schlecht (im moralischen oder pragmatischen Sinne) und entsprechend haben Menschen mit (mehrheitlich bzw. signifikanten) guten/schlechten Vorsätzen einen guten/schlechten Charakter.37 Drittens fehlt der Meinung die voluntative Dimension des Vorsatzes und damit das strebende, in Bewegung setzende Moment.38 Dass Meinung und Vorsatz nicht identisch sind, bedeutet jedoch nicht, dass Meinungen Vorsätzen nicht vorhergehen oder sie begleiten.39
Im Anschluss an diese abgrenzenden Vorbemerkungen bestimmt Aristoteles den Vorsatz genauer, und zwar als etwas Gewolltes, das „mit Überlegung und Denken einher[geht]“.40 Etymologisierend deutet er das Verb ,vornehmen‘ so, dass es anzeige, dass man etwas ,vor‘ etwas anderem ,nehme‘.41 Damit kommt eine (vorausgehende) überlegte Wahl zwischen alternativen Handlungsoptionen - eine Entscheidung - zum Ausdruck, die angesichts der konkreten Situation getroffen wird.
Die nun hinzugekommene Bestimmung, dass der Vorsatz Überlegung einschließt, muss durch eine eingehendere Untersuchung des Begriffs der ,Überlegung‘ geklärt werden. Wie sich zeigt, trifft auf die Überlegung das zu, was zuvor schon vom Vorsatz ausgesagt wurde: Gegenstand der Überlegung ist nur das, was durch das Handeln einer Person zustande kommen kann - nicht, was durch Naturnotwendigkeit oder zufällig verursacht wird.42 Zudem findet Überlegung vor allem in Bereichen statt, wo es um Vorgänge geht, deren Ausgang ungewiss ist, und wo unbestimmt ist, wie gehandelt werden sollte.43 Angesichts dieser Problematik betont Aristoteles auch die wichtige soziale Rolle, die Experten in komplexen Entscheidungsfindungsprozessen spielen.44
Interessant und sicherlich nicht unproblematisch ist Aristoteles' These, dass nicht die Ziele/Zwecke unserer Handlungen Gegenstand der Überlegung seien, sondern nur die Mittel, um erstere zu erreichen.45 Die Ziele sieht er anscheinend als (vor)gegeben an und die Aufgabe der Überlegung liegt ihm zufolge lediglich darin, die besten bzw. effektivsten Mittel zu eruieren, um diese zu realisieren. Praktisches Überlegen besteht demnach insbesondere darin, Handlungsoptionen gegeneinander abzuwägen. Da zur Erreichung eines Ziels oftmals eine ganze Kette von Handlungen nötig ist, bedarf es einer Analyse der einzelnen Elemente dieser Ketten - also der Mittel -, um die verschiedenen möglichen Handlungspfade adäquat bewerten zu können: „Diese Untersuchung setzt man fort, bis man zur ersten Ursache kommt, die im Prozess des Auffindens als letzte erreicht wird. [...] [Denn das,] was in der Analyse das Letzte ist, wird dann im Prozess der Verwirklichung das Erste sein.“46 Die Kausalkette wird demnach zuerst möglichst optimal mittels Überlegung vom Ziel ausgehend hin zum Handelnden als Ursprung47 konstruiert, um sie anschließend in der konkreten Handlung in umgekehrter Reihenfolge zu verwirklichen: „[M]an nimmt sich das vor, was man als Ergebnis der Überlegung entschieden hat“.48 Die vollständige Aufklärung der nötigen Handlungsschritte stellt jedoch nur ein Ideal dar, denn ab einem gewissen Punkte scheint ein pragmatischer Abbruch der Überlegung (zur Vermeidung eines infiniten Regresses) sogar sinnvoll zu sein, wie Aristoteles meint: „Wenn man aber immer überlegen wollte, würde man kein Ende finden.“49
Vor dem Hintergrund der Explikation der Begriffe des Gewollten und der Überlegung fasst Aristoteles das Ergebnis seiner Untersuchung der Bedingungen verantwortlichen Handelns in der Definition des Vorsatzes zusammen, die lautet: „Vorsatz [ist] ein mit Überlegung verbundenes Streben nach den Dingen [..], die in unserer Macht stehen.“50 Die ohne Zwang und in Kenntnis der Situationsfaktoren51 stattfindende bewusste und begründete Entscheidung, bestimmte Handlungen umsetzen zu wollen, die uns möglich sind, begründet daher die Verantwortlichkeit für das eigene Handeln.
Literaturverzeichnis
Aristoteles (42013): Nikomachische Ethik [NE]. Übersetzt und herausgegeben von Ursula Wolf. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.
Liske, Michael-Thomas (2008): „Unter welchen Bedingungen sind wir für unsere Handlungen verantwortlich?“, in: Corcilius, Klaus; Rapp, Christof (Hrsg.): Beiträge zur Aristotelischen Handlungstheorie. Stuttgart: Steiner, S. 83-103.
Rapp, Christof (62020): Aristoteles zur Einführung. Hamburg: Junius.
Wolf, Ursula (32013): Aristoteles' Nikomachische Ethik<. Darmstadt: WBG.
[...]
1 Vgl. Liske 2008, S. 84.
2 Vgl. Liske 2008, S. 84.
3 Vgl. Wolf 2013, S. 118.
4 Vgl. NE 1109b30-34.
5 Vgl. NE 1109b35-1110a4.
6 Liske 2008, S. 85.
7 Rapp 2020, S. 42.
8 Die Bedingung des Wissens für verantwortliches Handeln wird weiter unten genauer ausgeführt.
9 Gemeint ist: „Wer etwas Schlechtes tut, um einen guten Zweck zu erreichen oder ein großes Übel zu vermeiden, handelt nach Aristoteles in mancher Hinsicht willentlich, in anderer nicht“ (Wolf 2013, S. 119).
10 Nichtsdestotrotz führt das Vorhandensein von Zwang in diesen Fällen oftmals dazu, das dies agierende Person moralisch entschuldigt wird (vgl. Wolf 2013, S. 119).
11 NE 1110a18. Das ist eine entscheidende positive Bedingung sittlicher Verantwortung, wie Liske herausstellt (vgl. Liske 2008, S. 91).
12 NE 1110a13-14.
13 Vgl. NE 1110a29-32 und NE 1110b8-9.
14 In Aristoteles' Text ist es der Reihenfolge nach zwar die zweite Unterscheidung, die eingeführt wird. Sie wird aber von der anderen Unterscheidung bereits vorausgesetzt, weshalb hier die Reihenfolge zugunsten des logischen Zusammenhangs umgekehrt wird.
15 NE 1110b25.
16 NE 1110b25-26.
17 Ursula Wolf bemerkt aber zu Recht kritisch: „Man fragt sich jedoch, welchen Unterschied es für die Willentlichkeit der Handlung zum Zeitpunkt der Ausführung bedeuten kann, ob der Akteur sie nachher bedauert oder nicht bedauert“ (Wolf 2013, S. 121, meine Hervorhebung).
18 Rapp zählt die unwissentlichen Taten ohne Bedauern zur Klasse der sogenannten nichtfreiwilligen Handlungen - im Unterschied zu den freiwilligen und unfreiwilligen (vgl. Rapp 2020, S. 44 f.).
19 Vgl. NE 1110b17-24.
20 Vgl. NE 1110b28 und NE 1110b33.
21 NE 1110b33-1111a1.
22 NE 1110b33.
23 Es sind also „einzelne Tatsachen der Situation gemeint, die nicht aus dem Charakter oder dem Wollen hervorgehen, sondern in der Wahrnehmung der Handlungssituation auftreten“ (Wolf 2013, S. 122).
24 NE 1111a3-6.
25 NE 1111a6-8.
26 Vgl. NE 1111a16-17.
27 NE 1111a20.
28 Vgl. NE 1111b5-7. Diese Gewichtung des Vorsatzes ähnelt sogar ein wenig dem Ansatz Kants, insofern dieser nicht die Handlung zur Grundlage der Bewertung macht, sondern den Willen, da der Realisierung des letzteren Hindernisse entgegenstehen können.
29 Vgl. NE 1111b7-10.
30 Zum Teil weisen diese auch Qualitäten auf, die man als interne Zwänge bezeichnen könnte, da sie den kognitiven und emotionalen Zustand der Person betreffen.
31 Vgl. NE 1111a25-27.
32 Vgl. NE 1111b10-19. Zwar teilen wir Begierde und Zorn mit nicht-menschlichen Tieren, aber Vorsätze haben letztere nicht (vgl. Wolf 2013, S. 124 f.).
33 Damit ist eine semantische Dimension des Wortes ^poa^peolg angesprochen.
34 NE 1111b30-31.
35 Vgl. NE 1111b26-29.
36 Vgl. NE 1111b32-33.
37 Vgl. NE 1111b33-1112a3.
38 Vgl. NE 1112a3-6. Allein die Meinung zu haben, dass etwas gut ist oder getan werden sollte, reicht nicht für das Zustandekommen einer Handlung aus.
39 Vgl. NE 1112a10-12. Schließlich spielen Meinungen im Zuge von praktischen Überlegungen eine wichtige Rolle.
40 NE 1112a15-16.
41 Vgl. NE 1112a16-18.
42 Vgl. NE 1112a30-35.
43 Vgl. NE 1112b7-9.
44 Vgl. NE 1112b9-11.
45 Vgl. NE 1112b11-12. Hier scheint Aristoteles Gefahr zu laufen, die instrumentelle Vernunft zu stark zu machen, wenn die Verantwortung auf die Mittel beschränkt würde. Diese Tendenz ließe sich aber relativieren, wenn man eine Untersuchung von Aristoteles' Konzeption des objektiven Wertes der Ziele miteinbeziehen würde (vgl. Liske 2008, S. 97).
46 NE 1112b17-20 und NE 1112b23-24.
47 Vgl. NE 1113a5-7.
48 NE 1113a4-5.
49 NE 1113a1-3.
50 NE 1113a10-13.
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in Aristoteles' Untersuchung über Wollen, Vorsatz und Verantwortung (Nikomachische Ethik III, 1-5)?
Aristoteles untersucht die Bedingungen, unter denen Menschen für ihr Handeln verantwortlich gemacht werden können. Er unterscheidet zwischen gewolltem, ungewolltem und gemischtem Verhalten, wobei nur gewolltes Verhalten zu Verantwortlichkeit führt.
Was zeichnet ungewolltes Verhalten aus?
Ungewolltes Verhalten entsteht durch Zwang oder Unwissenheit. Zwang liegt vor, wenn die Ursache des Verhaltens außerhalb der Person liegt. Unwissenheit bezieht sich auf die Unkenntnis wichtiger Umstände der Handlung.
Was sind gemischte Handlungen?
Gemischte Handlungen sind teils gewollt, teils ungewollt. Die Ursache liegt zwar im Handelnden, aber die Handlung erfolgt aufgrund einer nötigen Situation, wie z.B. Furcht vor größerem Übel. Sie ähneln eher den gewollten Handlungen, da der Handelnde dem Zwang widerstehen könnte.
Was gilt nicht als Zwang?
Das Angenehme und Wertvolle gelten nicht als Zwang, da sie dem natürlichen Streben der Menschen entsprechen. Das Nachgeben der Begierde stellt keinen Fall von Zwang dar.
Welche Unterscheidungen trifft Aristoteles bezüglich Unwissenheit?
Aristoteles unterscheidet zwischen "Handeln aufgrund von Unwissenheit" und "Handeln in Unwissenheit". Verantwortlich ist man auch für Handlungen "in Unwissenheit", wenn man beispielsweise selbstverschuldet betrunken ist. Zudem ist relevant, ob die Person die Handlung im Nachhinein bereut oder nicht.
Worauf bezieht sich die Unkenntnis, die zu ungewolltem Handeln führt?
Nicht die Unkenntnis allgemeiner Normen, sondern die Unkenntnis konkreter Situationsfaktoren macht eine Handlung zu einer gegen das Wollen. Dies betrifft z.B. wer handelt, was die Person tut, in Bezug auf was, womit, zu welchem Zweck und wie.
Welche Bedeutung hat der Vorsatz (Entscheidung/Wahl) laut Aristoteles?
Der Vorsatz hat mehr Aussagekraft über den Charakter einer Person als deren Handlungen. Er ist etwas Gewolltes, das mit Überlegung und Denken einhergeht.
Wie unterscheidet sich der Vorsatz von Begierde, Erregung, Wunsch und Meinung?
Begierde und Erregung widersprechen der Rationalität des Vorsatzes. Wünsche beziehen sich oft auf Ziele, während Vorsätze auf Mittel gerichtet sind. Meinungen können von Unmöglichem handeln und haben einen Wahrheitswert, während Vorsätze gut oder schlecht sein können.
Was ist die Überlegung im Zusammenhang mit dem Vorsatz?
Die Überlegung betrifft nur das, was durch Handeln zustande kommen kann, und findet in Bereichen statt, wo der Ausgang ungewiss ist. Aristoteles betont, dass nicht die Ziele, sondern nur die Mittel Gegenstand der Überlegung seien.
Wie lautet die Definition des Vorsatzes?
Vorsatz ist ein mit Überlegung verbundenes Streben nach Dingen, die in unserer Macht stehen.
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- Martin Scheidegger (Author), 2022, Aristoteles über Wollen, Vorsatz und Verantwortung. Nikomachische Ethik III, 1–5, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1316392