Ethik, Erziehung und Rechtfertigung

Über Rechtfertigung als ethische Grundlage der Erziehung in Richard Stanley Peters' Werk 'Ethik und Erziehung'


Hausarbeit, 2007

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Rechtfertigung der Rechtfertigung

3. Klassische Theorien der Rechtfertigung
3.1. Der Naturalismus
3.2. Der Intuitionismus
3.3. Der Emotivismus

4. Auf dem Wege zu einer positiven Theorie der Rechtfertigung

5. Schluss

6. Literatur:

1. Einleitung

Wie der Titel des Buches bereits verrät, steht die Ethik in einem Zusammenhang mit der Erziehung. Darauf lässt nicht nur der knappe Buchtitel schließen, der neben Ethik und Erziehung lediglich die Konjunktion „und“ enthält. Schon beim Blick auf die Definitionen der beiden Begriffe eröffnet sich ein gemeinsamer Kontext von dem aus ich meine Arbeit gestalten möchte. Der Begriff Ethik ist in seiner terminologischen Verwendung nicht einheitlich. Zum einen wird er gleichbedeutend mit der Moralphilosophie verwendet, zum anderen wird er von ihr unterschieden. Moralphilosophie hat die Begründungsmöglichkeiten von Normen, die Formen der Begründung und deren Gültigkeit zum Gegenstand, während sich die Ethik, wird sie von der Moralphilosophie unterschieden, mit den Maßstäben richtigen Handelns oder mit den Fragen des guten Lebens befasst. Ich möchte Ethik hier in dem ersten Sinn verstanden wissen, so dass sich für die Ethik ein Gegenstand ergibt, der „[...] das menschliche Handeln, sofern es einem praktischen sollen genügt und zugleich eine allgemeine Verbindlichkeit zum Ausdruck bringt. Es ist auch Aufgabe der E., das Streben nach der Seite des Guten – der moralischen Werte und Normen – hin als sinnvoll zu begründen [...].“[1] Erziehung dagegen wird beschrieben als „zielgerichtetes Handeln gegenüber Heranwachsenden, durch das sie befähigt werden sollen, ihre seelischen und körperlichen Anlagen zu entfalten, Wissen und Fähigkeiten zu erwerben, Inhalte und Normen einer Kultur zu verstehen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen.“[2] Erziehung bedeutet somit ein Handeln „ am Menschen zu dessen späterer Mündigkeit “[3]. Diese Aufgabe realisiert sich in einem zusammenhängenden Handeln „an der Jugend zu Zwecken einer bestimmten späteren Qualifikation.“[4] R.S. Peters formuliert den Begriff der Erziehung noch etwas neutraler indem er sagt, dass „“Erziehung“ das absichtsvolle Hervorbringen eines wünschenswerten geistigen Status in moralische einwandfreier Weise meint.“[5] Beiden Begriffen ist die Ebene des menschlichen Handels gemeinsam. Die Erziehung beschäftigt sich mit einem zielgerichteten Handeln einer anderen Person gegenüber, um etwas zu erreichen. Erziehung ist demnach ein ergebnisorientierter Prozess, sie ist präskriptiv. Die Ethik hat menschliches Handeln im Allgemeinen und dessen Bewertung als normkonform oder eben nicht zum Gegenstand. Die Ethik bewertet das Ergebnis einer Handlung, sie ist normativ. Der Prozesscharakter der Erziehung beinhaltet seinerseits, das zeigen die Definitionen deutlich an, Dimensionen der Verbesserung, Vervollkommnung und des Wertvollen. Diese Erziehungsdimensionen verweisen auf Wertungen, die einer ethischen Beurteilung bedürfen. Denn Wertvolles, das Gute, die Ziele, überhaupt der ganze präskriptive Charakter der Erziehung kann nur dann handlungsanweisend sein, wenn er sich in einem öffentlichen Diskurs rechtfertigen lässt. Hier knüpft sich das Band zwischen Ethik und Erziehung. Die Ethik als beurteilende Instanz hat die Aufgabe, sowohl das zweckbestimmte Handeln, als auch die Normen und Werte an denen sich das Handeln orientiert, als sinnvoll zu rechtfertigen. Die Werte und Normen, die diesem Prozess innewohnen, sind selbst Produkte einer Rechtfertigung, mit deren verschiedenen Prinzipien sich R.S. Peters in seinem Buch „Ethik und Erziehung“ unter anderem beschäftigte. Diese Prinzipien möchte ich zum Gegenstand meiner Arbeit machen, indem ich zunächst auf die Notwendigkeit einer ethischen Rechtfertigung im Arbeitsfeld der Erziehung eingehe. Danach werde ich mich mit Peters' Kritik an den klassischen Theorien der Rechtfertigung auseinander setzen und seinen Weg zu einer positiven Theorie der Rechtfertigung beschreiben und kritisieren, bevor ich dann im Schlussteil meine eigene Meinung zum Problemfeld der Rechtfertigung in erzieherischen Kontexten ausformuliere. „Was sind das für Prinzipien, die der Rechtfertigung zugrunde liegen?“, „Wieso gibt es überhaupt mehrere Prinzipien?“, „Gibt es denn überhaupt das richtige Prinzip?“, das sind die Fragen an denen ich mich dabei orientieren werde.

2. Die Rechtfertigung der Rechtfertigung

Rechtfertigung „ist nur dort belanglos, wo man glaubt sittlich. Urteile aufstellen zu können, ohne sie selbst oder ihre Kriterien zu überprüfen.“[6] In der Sphäre des menschlichen Handelns ist dies wohl kaum der Fall. „Der generelle Verzicht auf ethische Begründungen ist schon aufgrund der Verankerung der Suche nach Begründungen in der basalen Struktur unserer ethischen Praxis kaum möglich.“[7] Im Bereich Ethik und Erziehung spielen Orientierung in der Praxis und die Rechtfertigung ethischer Aussagen eine tragende Rolle. „Welches Handeln sittlich. Geboten, verboten oder erlaubt ist – dessen sind sich die Menschen nicht immer sicher, und noch weniger sind sie sich untereinander darüber einig.“[8] Diese Unsicherheit betrifft nicht nur die Anwendung einer moralischen Norm in einer bestimmten Situation, sondern auch die Frage nach dem moralischen Wert einer Handlung, außerdem aber auch die Kriterien und Prinzipien der Moral. Und warum sollte man überhaupt moralisch handeln? Oft genug tritt doch der Fall ein, dass man zwar gute Gründe für die Richtigkeit moralischen Handelns anführen kann, dass man aber im gleichen Moment ebenso gute Gründe dagegen vorgebracht werden können. Gerade im Kontext der Erziehung kann dieser Sachverhalt zu Problemen führen. Denn wie soll man Wertvolles vermitteln, wenn es „[...] keine logische Notwendigkeit für die besonderen Werte, [...]“[9] gibt(, ja wenn Wertvolles eine variable Größe zu sein scheint)? Wie kann ich moralisch einwandfreie Ziele und Zwecke für die Erziehung formulieren, wie kann ich Handeln gegenüber anderen Menschen als moralisch oder unmoralisch spezifizieren, wenn der Begriff der Moral und seine Erscheinungsformen im Feld menschlichen Handelns uneindeutig zu sein scheinen? Dieser Umstand bedeutet nicht, dass sich der Bereich des menschlichen Miteinanders der Objektivität entzieht. Seine Pluralität verweist lediglich darauf dass es verschiedene Theorien der Rechtfertigung gibt, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Vorgehensweisen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Meist stehen die Rechtfertigungstheorien unausgesprochen hinter moralischen Explikationen. Es werden aber auch Einstellungen entwickelt, „ohne daß dafür Argumente von einer soliden Grundlage in der ethischen Theorie abgeleitet werden.“[10] Letzteres sei in Erziehungskontexten zu vermeiden, um die Aussage einer Diskussion nicht zu entziehen. Wie aber lassen sich nun moralische Wertetheorien rechtfertigen? Zunächst ist einmal festzustellen, dass Rechtfertigung ein zweiteiliger Prozess ist. Der erste Teil gleicht einer Reduktion, also einer Rückführung auf das wesentliche der Moral. Ausgehend von Fragen der Moral oder sittlichen Urteilen gelangt man durch Abstraktion von Inhalt und Situation, also dem Kontext der moralischen Aussage, zu seiner grundlegendsten Qualität, der Verpflichtung. Sie ist unabhängig von Zufall, Raum und Zeit und beansprucht unbedingte Gültigkeit. Moralische Gebote, Verbote und der Grund moralischer Bewertung müssen demnach objektiv, notwendig und allgemein gültig sein. Ausgehend von dieser Konstruktion ergibt sich der zweite Teil des Rechtfertigungsprozesses als Deduktion, als Ableitung, mit deren Hilfe Urteile auf ihren moralischen Wert hin bewertet werde können. Die im ersten Teil der Rechtfertigung gewonnenen Kriterien von Moral, Objektivität, Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit werden an unseren Handlungsanweisungen geprüft, um den moralischen Wert einer Handlung oder Aussage bestimmen zu können. Die Handlungsanweisung, als Leitfunktion bezieht sich zunächst nicht direkt auf ein konkretes Handeln. Deshalb wird in einem weiteren Schritt die Situation, in der Moral bewertet werden soll, mit in den Bewertungsprozess einbezogen. Erst der Prozess der Rechtfertigung macht es möglich, dass ein moralischer Standpunkt oder ein sittliches Urteil nicht aus dem Nichts entstehen. „Durch die Erkenntnis des Prinzips sieht man, daß sittlich. Gebote nicht eine Sache willkürlicher Dezision oder persönlichen Gefühls, nicht eine Frage der Herkunft, des Taktes oder der eingespielten Konvention [...] sind.“[11] Das Rechtfertigungsverfahren gestattet es uns, von einer abgesicherten Basis für unsere ethische Orientierung auszugehen. Diese wiederum macht es möglich, dass wir unser Handeln und unsere Urteile gegenüber anderen Menschen von gesicherten Annahmen aus besser gestalten können. Es gibt uns Handlungssicherheit. Die Rechtfertigung gibt uns weiter die Möglichkeit unsere moralischen Forderungen, anderen gegenüber, zu begründen. Eine Aussage von moralischem Wert misst sich ja gerade an einer öffentlichen Auseinandersetzung, in deren Folge sie sich entweder bestätigt oder abgewiesen wird. Die Rechtfertigung eröffnet eine kritische Funktion, indem Kritik nicht nur an faktischen ethischen Überzeugungen, sondern auch an ganzen Überzeugungssystem geübt werden kann. Dabei ist die kritische Komponente in der Frage nach Begründung durchaus komplex, „weil man beim Versuch, eine bestimmte ethische Aussage zu begründen, immer auch prüfen muss, wie gut konkurrierende ethische Aussagen begründet worden sind. [...] Damit ist das Projekt ethischer Begründung aufklärend: Es trägt dem Anspruch rationaler Wesen Rechnung, autonom, d.h. mit eigener Einsicht und eigenem Urteil, ethische Forderungen oder Ansprüche als legitim zu übernehmen oder zurückzuweisen.“[12] Es darf aber nicht dazu kommen, dass die Rechtfertigungspraxis vom kritischen Teil dominiert wird. Kritik ist etwas destruktives und kann einer handlungsorientierten Praxis sehr abträglich sein, wenn es ihr nicht gelingt im Moment des kritisierens auch konstruktiv zu sein. Denn eine Handlung lässt sich viel leichter vollziehen, wenn die bedingenden Handlungsanweisungen positiv formuliert sind. Rechtfertigung ethischer Aussagen oder Handlungen ist demnach unverzichtbar für das menschliche Miteinander. Sie schafft Handlungssicherheit, ermöglicht ethische Orientierung und macht Moral zum Gegenstand kritischer Auseinandersetzung.

3. Klassische Theorien der Rechtfertigung

„Daß erzieherische Probleme Anlaß zu ethischen Fragen geben sollten, ist nicht etwas Zufälliges;[...]“[13], konstatiert Peters gleich zu Beginn des 3. Kapitels. Und wie ich in der Einleitung bereits geschildert habe, ist beiden Disziplinen etwas gemeinsam. Das menschliche Handeln und die Zielorientierung. Danach richtet Peters auch seine zwei Hauptaspekte der Erziehung aus, die eine ethische Begründung dringend notwendig haben. Zum einen das „Was“, welches das Wertvolle ist, dem es nachzueifern gilt und zum anderen das „Wie“, also auf welche Art und Weise Wertvolles vermittelt werden soll. Dabei sieht Peter das „Was“ und das „Wie“ in einer gegenseitigen Wechselbeziehung. Der Inhalt dessen, was vermittelt werden soll, muss sich ebenso einer Rechtfertigung unterziehen, wie die Verfahren, mit denen das „Was“ vermittelt werden soll. Gerade im erzieherischen Umgang mit Kindern und Jugendlichen gilt es, diese Aspekte nicht aus dem Blickfeld zu verlieren. Peters meint dazu, dass es durchaus möglich ist, „[...] auf ethischer Grundlage Prinzipien wie Fairness und Freiheit im Umgang mit Kindern zu rechtfertigen. Aber man muss Argumente für solche Prinzipien finden.“[14] Der Autor setzt in seinem Buch drei klassische Theorien der Rechtfertigung einer Kritik aus. Zuerst widmet sich Peters dem Naturalismus, dann wendet er sich dem Intuitionismus zu, bevor er dann den Emotivismus als Theorie der ethischen Rechtfertigung einer systematisch Kritik unterzieht. Die Kriterien der Rechtfertigung, die es Peters ermöglichen die drei Theorien adäquat zu vergleichen, sind Objektivität, Leitfunktion und Autonomie, die sich als Essens aus der Begriffsformulierung der Rechtfertigung ergeben haben. Rechtfertigung muss sich im öffentlichen Diskurs beweisen, sie ist nicht Sache subjektiver Meinungen. „Mit “Objektivität“ meint man die Annahme, daß Irren in moralischen Angelegenheiten möglich ist und daß die Frage, ob eine Person sich im Irrtum befindet oder nicht, von Fakten abhängt, die von den Meinungen oder Haltungen einzelner Personen oder Gruppe von Personen unabhängig sind.“[15] Der Grad an Objektivität einer Theorie kann demzufolge ein Kriterium sein, an dem sich eine Rechtfertigungstheorie messen lassen muss. Ebenso verhält es sich mit der Leitfunktion, die sich aus dem Kontext von Moral und Handeln ergibt. Wenn die Leitfunktion als qualitatives Kriterium nicht vorhanden ist, wenn eine Theorie also nicht handlungsanweisend ist, dann verliert die Theorie den öffentlichen Boden, den sie braucht, um Geltungsansprüche formulieren zu können. Das Kriterium der Autonomie ergibt sich aus dem Sachverhalt, dass moralische Urteile und somit auch ihre Rechtfertigung von Faktenurteilen der Empirie unabhängig sind. Beruht eine Theorie dennoch auf einem Verständnis, nach welchem sich moralische Aussagen durch Aussagen der Beobachtung erklären und begründen lassen, so kann diese Theorie verworfen werden. Die Qualität einer Rechtfertigungstheorie, man könnte auch sagen, der Grad der Eignung einer Theorie zur Rechtfertigung moralischer Urteile, ergibt sich aus dem Grad der Erfüllung er drei benannten Kriterien, die Peters zu Bewehrungsinstrumentarien seiner kritischen Betrachtung macht. Wie hierbei die drei klassischen Theorien das Rechtfertigung abschneiden werden, sollen die nächsten drei Abschnitte zeigen.

[...]


[1] Burkard, Franz-Peter; Prechtl, Peter(Hg): Metzeler-Philosophie-Lexikon. Begriffe und Definitionen; 2. überarbeitete und aktualisierte Auflage; Stuttgart; Metzeler 1999; S. 159

[2] Ebd.; S. 157

[3] Ritter, Joachim (Hg): Historisches Wörterbuch der Philosophie; völlig neu bearbeitete Ausgabe des <Wörterbuchs der philosophischen Begriffe> von Eisler, Rudolf; Stuttgart; Schwabe & Co 1972; Band 2; S. 734

[4] Ebd.; S. 734

[5] Peters, Richard-S.: Ethik und Erziehung; Düsseldorf; Schwan 1972; S. 30

[6] Höfe, Otfried: Lexikon der Ethik; 4. Auflage; München; Beck 1992; S. 20

[7] Quante, Michael: Einführung in die Allgemeine Ethik; Darmstadt; Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2003; S.146

[8] Höfe; S. 20

[9] Peters, Richard-S.: Ethik und Erziehung; Düsseldorf; Schwan 1972; S. 75

[10] Ebd.; S. 75

[11] Höfe; S. 21

[12] Quante, Michael: Einführung in die Allgemeine Ethik; Darmstadt; Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2003; S.146

[13] Peters, Richard-S.: Ethik und Erziehung; Düsseldorf; Schwan 1972; S. 76

[14] Ebd.; S. 76

[15] Ebd.; S. 84

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Ethik, Erziehung und Rechtfertigung
Untertitel
Über Rechtfertigung als ethische Grundlage der Erziehung in Richard Stanley Peters' Werk 'Ethik und Erziehung'
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Philosophie)
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
21
Katalognummer
V131975
ISBN (eBook)
9783640378326
ISBN (Buch)
9783640378746
Dateigröße
488 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ethik, Erziehung, Rechtfertigung, Grundlage, Erziehung, Richard, Stanley, Peters, Werk, Ethik, Erziehung
Arbeit zitieren
Sebastian Langer (Autor:in), 2007, Ethik, Erziehung und Rechtfertigung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131975

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