'Daniel von dem blühenden Tal' – ein komischer oder parodistischer Artusroman?

Eine Untersuchung anhand mehrerer Episoden aus Strickers 'Daniel von dem blühenden Tal'


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

18 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Stand der Forschung

2. Ein komischer/parodistischer Roman?

3. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Versuchte Der Stricker, als er den ‚Daniel‘ schrieb, einen komischen Roman zu verfassen? Wollte er klassische Artusromane parodieren? Nach heutigen Maßstäben muten einige der Strickerschen Episoden durchaus komisch an. Ob man den ‚Daniel’ daher als Parodie oder gar als komischen Artusroman bezeichnen kann, möchte ich anhand mehrerer dieser Episoden herausfinden.

Aber der Reihe nach: Ein Ritter Daniel von dem blühenden Tal macht sich auf zum Hof von König Artus. Auf dem Weg dorthin begegnet ihm Keiî, ein Ritter aus König Artus Tafelrunde. Daniel besiegt ihn im Zweikampf und fordert Keiî auf, ihn an Artus‘ Hof zu melden. Daraufhin erscheinen andere Artusritter und fordern Daniel zum Kampf. Bis auf drei Gegner, nämlich Gawein, Iwein und Parzival, besiegt Daniel alle anderen und wird daraufhin in die Runde der Artusritter aufgenommen.

Es folgt eine Herausforderung durch König Matur von Cluse, die durch einen Riesen überbracht wird und in der Matur Artus auffordert, sich ihm zu unterwerfen. König Artus geht zum Schein auf die Herausforderung ein, beschließt aber nach reiflicher Überlegung und auf Gaweins Rat hin, einen Feldzug gegen Matur zu unternehmen. Der kühne Daniel allerdings reitet schon voraus und befreit unterwegs nicht nur eine Herzogin aus den Händen des Zwergs Juran (als Siegestrophäe erbeutet er hier das Zauberschwert des Zwerges), sondern auch eine Gräfin aus der Gewalt von bauchlosen Ungeheuern, deren Anführer das Land der Gräfin mithilfe einer Art von Medusenhaupt unterjocht. Daniel besiegt den Anführer mit einem Spiegel und den Rest der Ungeheuer mit dem neu erbeuteten Medusenhaupt, das er danach entsorgt. Am Eingang von Cluse, dem Reich Maturs, angekommen, erwartet ihn der Bruder des Boten-Riesen vom Anfang der Geschichte, den Daniel mit dem Zauberschwert des Zwerges Juran erschlägt (Daniels eigenes Schwert hilft ihm hier nicht, denn die Haut des Riesen ist gepanzert. Zum Glück hat er vorher das Zwergen-Schwert erbeutet.). Hier trifft er auf Artus und sein Heer. Gemeinsam werden in der folgenden ersten Schlacht gegen den Feind nicht nur der erste Riese, sondern auch König Matur getötet.

Die nächste âventiure verschlägt Daniel in ein Land, das von einem kranken Zauberer unrechtmäßig zu dessen Heilung missbraucht wird, indem dieser zwecks seiner Gesundung ein Jahr lang wöchentlich in Menschenblut badet und dabei die Bevölkerung des Landes nach und nach ausrottet. Daniel tötet den Zauberer mit list und reitet mit den nun befreiten restlichen Rittern des Landes König Artus zu Hilfe. Zufällig bekommt Daniel hier als Belohnung für die Befreiung des Landes ein unsichtbares Zaubernetz mitsamt das Netz sichtbar machender Salbe von der Tochter des Landesherren, das ihm später noch zunutze sein wird.

Drei Schlachten gegen Maturs Mannen werden nun gemeinsam von Daniel und den Artusrittern gewonnen, bevor Daniel die letzte und entscheidende Schlacht wiederum durch eine list für Artus entscheidet. Am Eingang zu Maturs Land steht ein goldenes Tier mit einer Fahne im Maul, das, zieht man die Fahne heraus, so laut zu brüllen beginnt, dass jeder Ritter ohnmächtig vom Pferd fällt. Artus‘ Heer verstopft sich also auf Daniels Rat hin die Ohren, die Fahne wird herausgezogen und mithilfe des nun folgenden Geschreis wird Maturs restliches Heer in die Knie gezwungen.

Zum Dank für seine Taten darf Daniel Maturs Witwe Danise heiraten und die Herrschaft über Maturs Reich übernehmen. Doch nicht nur Daniel heiratet. Zusätzlich werden noch alle Witwen an neue Männer vergeben, und als die Zahl der Ritter nicht ausreicht, um alle Witwen an den Mann zu bringen, werden kurzerhand noch 600 Knappen zu Rittern geschlagen und mit den übrigen Witwen verheiratet.

Doch die Hochzeitsfeier wird durch einen merkwürdig gekleideten alten Mann unterbrochen, der, wie sich herausstellt, der Vater der beiden getöteten Riesen ist und aus Rache König Artus entführt und ihn unerreichbar für alle anderen Ritter auf die Spitze eines Berges setzt. Parzival versucht daraufhin, Artus zu befreien und wird prompt ebenso von dem Alten überwältigt und neben Artus auf den Berg gesetzt. Daniel jedoch erinnert sich an das Zaubernetz, fängt den Alten mit dessen Hilfe und wendet zum Schluss alles zum Guten, indem er den Alten von den Missetaten seiner beiden Söhne überzeugt und ihm zudem noch Netz und Augensalbe schenkt.

Es folgt - natürlich - ein rauschendes Fest, um die Geschichte würdig abzuschließen. Daniel lebt danach glücklich verheiratet und mit allen friedlich vereint in seinem neuen Land.

1.1 Stand der Forschung

Zunächst möchte ich einen Überblick über die gegenwärtige Forschungssituation geben. Der Übersichtlichkeit halber beschränke ich mich hierbei auf Beiträge, die Komik, Satire und Parodie im ‚Daniel’ behandeln.

Einen kurzen Überblick über Beiträge zur Thematik findet man bei Wennerhold[1].

Buschinger[2] findet in Bezug auf die Riesenvaterepisode „deutliche Situationskomik“[3] sowie „parodistisch-satirische Gestaltungszüge“, was in der Gefährdung „feudalepischer Muster-Helden wie Artus oder Parzival“[4] deutlich wird, die ohne große Mühe vom Riesenvater gefangen und auf einen Berg gesetzt werden. Ihrer Ansicht nach handelt es sich hierbei zudem „um eine deutliche Satire auf die figurelle Gestaltungspraxis des arthurischen Romans.“[5] Betrachtet man nicht nur die Riesenvaterepisode, so fällt im Vergleich zu anderen Artusromanen auf, dass Der Stricker im ‚Daniel‘ die Gestaltungpraxis ebendieser Romane in Bezug auf das Erfinden von Phantasiefiguren und phantastischen Abenteuern derart „potenziert […], dass man deutlich einen Umschlag ins Komische empfindet“[6]. Belege hierfür findet Buschinger zum Beispiel in der Episode mit dem bauchlosen Ungeheuer oder der Massenhochzeit zum Ende des Romans. Dies lässt letztendlich den Schluss zu, dass man es beim ‚Daniel‘ mit einem „parodierenden Anti-Artusroman“[7] zu tun hat.

In Bezug auf die Riesenvaterepisode schreibt Schröder, dass Der Stricker in dieser Szene „die gesamte bisherige Artusdichtung dem Gespött preisgegeben“ habe[8]. Artus und Parzival hilflos in den Händen des ältlichen Entführers „konnte nichts anderes meinen als Verspottung jener Artusidealität, die im höfischen Roman Chrétien-Hartmannscher Observanz zum Kulturprogramm erhoben worden war.“[9] Schröder geht also noch einen Schritt weiter und sieht den Artusroman im ‚Daniel‘ nicht nur parodiert, sondern der Lächerlichkeit preisgegeben, indem Der Stricker Elemente des Artusromans wie beispielsweise die Hochzeit des Romanhelden satirisch überhöht und aus ihr eine Massenhochzeit macht, in der sogar noch kurzerhand Knappen zu Rittern geschlagen werden, weil nicht genügend Ritter vorhanden sind, um alle Witwen an den Mann bringen zu können.[10] Schröder schreibt hierzu: „[…] Daniels Vermählung mit Danise und die Massenheirat aller übrigen Witwen als groteske Multiplizierung von Iweins Hochzeit mit der leicht getrösteten Laudine.“[11] Ginge man von der „Komik der Entführungsszene [in der Riesenvaterepisode]“ aus, so könne man auch den Rest des Romans „nicht mehr ernst nehmen“, so Schröder.[12] Insgesamt sieht Schröder im ‚Daniel‘ „angesichts der treffsicher auf Artus und seine Welt zielenden, unverkennbar parodistischen Partien“[13] einen „gezielten Schuss vor den Bug der literarischen Artusherrlichkeit.“[14]

Nach Wandhoff ist eine solch einseitige, am Text orientierte und „die Bedingungen und vor allem die Beschränkungen der zeitgenössischen Rezeption“[15] vernachlässigende Betrachtungsweise problematisch. Daher schlägt er eine doppelte Lesart des ‚Daniel‘ vor, bei der literarisch vorgebildetes, also lesendes Publikum, im Vergleich zum ausschließlich hörenden, des Lesens nicht mächtigen Publikum, „in demselben Text eine zusätzliche Sinnebene decodieren kann, die den gesamten Roman als ein parodistisches und damit potentiell komisches Spiel mit sinnentleerten Formen überkommener Traditionen ausweist“[16]. Für das ausschließlich auf den mündlichen Vortrag des Textes angewiesene, „kaum literalisierte Publikum“, kann der ‚Daniel‘ im Gegensatz „durchaus einen ernst zu nehmenden handlungsorientierten Artusroman darstellen.“[17] Wandhoff hält es gar für möglich, dass der Stricker sich dieser doppelten Lesbarkeit durchaus bewusst war und geht sogar so weit, eine gezielte Konzeption des ‚Daniel‘ im Hinblick auf die doppelte Lesbarkeit für möglich zu halten.[18]

In Bezug auf die Riesenvaterepisode geht Wandhoff von drei Lesarten aus: die erste Lesart ist ein weiteres Beispiel für die Bedeutung der List und der Klugheit im ‚Daniel‘. Es ist also nur dem Protagonisten durch sein bedachtes und listiges Verhalten möglich, Schaden von Artus und dessen Gefolge abzuwenden und für Recht und Ordnung zu sorgen. In der zweiten Lesart werden nach Wandhoff die wichtigsten Szenen der Haupthandlung des Romans noch einmal gebündelt zusammengefasst[19]. Erst in der dritten Lesart sieht er durch die intertextuellen Bezüge des ‚Daniel‘ zu anderen Artusromanen „das Textsegment endlich als ein parodistisches Spiel mit Versatzstücken überlieferter Romantraditionen.“[20] Parodie oder gar Komik im ‚Daniel‘ hält Wandhoff also für ein Privileg „das nur Textbenutzern mit einer fast philologischen Sonderkompetenz zugänglich ist.“[21]

[...]


[1] Wennerhold (2005), S. 179-181.

[2] Buschinger

[3] Ebd., S. 19.

[4] Ebd., S. 21.

[5] Ebd., S. 19.

[6] Buschinger, S. 19.

[7] Ebd., S. 21.

[8] Schröder, S. 817.

[9] Ebd, S. 827.

[10] Der Stricker, Verse…..

[11] Schröder, S. 827.

[12] Schröder, S. 827.

[13] Ebd., S. 829.

[14] Ebd., S. 830.

[15] Wandhoff, S. 51.

[16] Wandhoff, S. 54.

[17] Ebd.

[18] Ebd.

[19] Ebd., S. 56-57.

[20] Ebd., S. 58.

[21] Ebd., S. 59.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
'Daniel von dem blühenden Tal' – ein komischer oder parodistischer Artusroman?
Untertitel
Eine Untersuchung anhand mehrerer Episoden aus Strickers 'Daniel von dem blühenden Tal'
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Deutsche Philologie des Mittelalters)
Veranstaltung
Die Ritter vom Blühenden Tal
Note
2,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
18
Katalognummer
V132184
ISBN (eBook)
9783640379934
ISBN (Buch)
9783640379644
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Daniel, Artusroman, Eine, Untersuchung, Episoden, Strickers, Daniel
Arbeit zitieren
Hermann Stelzner (Autor:in), 2009, 'Daniel von dem blühenden Tal' – ein komischer oder parodistischer Artusroman?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132184

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