Piet Mondrian

Klassische Moderne zwischen den Weltkriegen


Referat (Ausarbeitung), 2005

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1 FAMILIÄRER KONTEXT UND KÜNSTLERISCHE AUSBILDUNG
1.1 Selbstporträt

2 DER BAUM ALS LEITMOTIV
2.1 Wald bei Oele

3 EIGENE WEGE IN DIE ABSTRAKTION
3.1 Der rote Baum (Abend)
3.2 Der graue Baum
3.3 Blühender Apfelbaum
3.4 Tableau No. 4 (Composition No. VIII, Compositie 3)
3.5 Die See
3.6 Pier und Ozean (Komposition Nr. 10)

4 DIE KRIEGSJAHRE 1914-1918
4.1 Komposition in Farbe A

5 DIE JAHRE IN PARIS
5.1 Komposition A
5.2 Explodet bow plan
5.3 Raute in Rot, Gelb und Blau
5.4 Komposition mit Gelb und Blau

6 ÜBERSIEDLUNG NACH ENGLAND
6.1 Komposition London (1. Zustand)

7 LETZTE JAHRE IN NEW YORK
7.1 New York 1941 (Boogie-Woogie)
7.2 Broadway Boogie Woogie
7.3 Victory Boogie Woogie

LITERATURLISTE

Den Bildbeschreibungen liegen die entsprechenden Abbildungen aus dem Band Piet Mondrian. Catalogue Raisonné zugrunde. Aus rechtlichen Gründen wurde auf die Reproduktion im Rahmen dieser veröffentlichten Ausgabe verzichtet.

1 Familiärer Kontext und künstlerische Ausbildung

1.1 Selbstporträt

1918, Öl auf Leinwand, 88x71 cm

`s Gravenhage, Haags Gemeentemuseum

Das Brustbild zeigt Mondrian in der Seitenansicht, wie er sich dem Betrachter über die Schulter zuwendet, sein Gesicht ins Halbprofil gewendet: ein korrekt gekleide-ter Herr mit Anzug und Fliege, in dessen Blick sich Wachsamkeit und Skepsis mischen. Den Hintergrund bildet eine Wandfläche, deren obere Hälfte fast voll-ständig von einer Komposition aus Rechtecken, eingenommen wird – ein Hinweis auf die Bildsprache des Künstlers zur Entstehungszeit des Porträts (1918). Deren helle Grautöne lassen die markanten Gesichtszüge des Malers deutlich hervor-treten. Braun- und Grautöne mit sparsamen Akzenten in Weiß und Schwarz bestimmen den farblichen Gesamteindruck.

Piet Cornelis Mondriaan1 wird am 7. März 1872 in Amersfoort als Sohn einer streng calvinistischen Familie geboren.2 Sein Vater Piet Cornelis Mondriaan, der selbst als exzellenter Zeichner gilt und als Zeichenlehrer und Schulvorsteher tätig ist, stammt aus einer alteingesessenen Handwerkerfamilie in Den Haag. 1880 übersiedelt die Familie nach Winterswijk, wo sie fortan ansässig ist.

Frits Mondriaan, Bruder des Vaters und Schüler von Willem Maris3, Landschafts-maler der Haager Schule, erteilt dem jungen Piet Mondrian ersten Malunterricht. Dieser äußert schon früh den Wunsch, Maler zu werden. Der Vater stimmt der Berufswahl zu, stellt jedoch die Bedingung, dass der Sohn zuvor eine Lehreraus-bildung absolviert. Mondrian fügt sich dem Wunsch; 1889 erwirbt er das Diplom für den Zeichenunterricht an Volksschulen, 1892 das Diplom für die Mittelschule.

Seinen erlernten Beruf übt er nie aus, später erteilt er jedoch im Freundes- und Bekanntenkreis sporadisch Privatstunden4.

Zwischen 1892 und 1897 besucht Mondrian die Malklasse bei Professor August Allebé5 an der Rijksakademie Amsterdam. In den letzten zwei Jahren nimmt er nur am Abendunterricht teil, während er tagsüber zu Naturstudien die Umgebung von Amsterdam durchstreift. Die Landschaft bei Duivendrecht und Het Gein hält er in vielen Gemälden fest, dabei wählt er bevorzugt die Gegenüberstellung von bäuerlicher Architektur und Baumgruppen.

Von 1905 bis 1911 lebt Mondrian in Amsterdam, er wird Mitglied der „Maler-genossenschaft St. Lucas“ und der Künstlervereinigung „Arti et Amicitiae“. Zur Sicherung seines Lebensunterhaltes fertigt er wissenschaftliche Zeichnungen von Blumen und Pflanzen im Auftrag eines Biologen an. Diese inspirieren ihn darüber hinaus zu einer Reihe unabhängiger Blumendarstellungen, z.B. Chrysanthemen. Motive aus der Natur spielen auch in der weiteren Entwicklung seines Stils eine große Rolle.

2 Der Baum als Leitmotiv

Um 1907 setzt sich Mondrian intensiv mit Edvard Munch, der Art Nouveau und den Fauves auseinander. Aus ihrem Umgang mit Farbe und Linien als gestalteri-schen Elementen entwickelt er neue, eigene Darstellungsformen.

2.1 Wald bei Oele

1908, Öl auf Leinwand, 128x158 cm

`s Gravenhage, Haags Gemeentemuseum

Ins Auge fällt die vertikale Gliederung durch die Baumstämme, die fast die ge-samte Bildfläche beherrschen. Im Kontrast dazu charakterisieren kurze horizontale Pinselstriche am unteren Bildrand den Waldboden. Diese setzen sich im Hinter-grund fort bis zu einer geschwungenen, gelb konturierten Linie, die als Horizont gedeutet werden kann. Darüber wölbt sich der Himmel, in dessen Zentrum die Sonne steht. Die Farbskala beschränkt sich auf gebrochene Blau- und Brauntöne, wenig Grau, ein helles Rot zur Andeutung einer Architektursilhouette und das Gelb der Sonne und des Horizonts.

Der Blick des Betrachters wird von der Sonne, ihrer Helligkeit und ihrer mit den Horizontalen und Vertikalen kontrastierenden Kreisform, fast magisch angezogen. Dabei leiten die Bäume durch ihre Verdichtung zur Sonne hin, gleichzeitig verstärken die dunklen Baumkronen deren Leuchtkraft.

Von 1908 bis 1915 verbringt Mondrian die Sommermonate in Domburg auf der Insel Walcheren, Provinz Zeeland, einem bei Künstlern beliebten Ferienort. Zu seinen bevorzugten Motiven hier gehören die Mühlen, die Kirch- und Leuchttürme der Insel, aber auch Wolken und Dünen. Er knüpft Kontakte zu einem theo-sophisch orientierten Kreis von Künstlern und Intellektuellen, darunter Jan Toorop6, Jan-Thorn Prikker7, Marie Tak van Poortvliet8 und Jacoba van Heems-kerk9. 1909 wird Mondrian selbst Mitglied der Theosophischen Gesellschaft, der er bis zu seinem Tod angehören wird. Er beschäftigt sich intensiv mit den Lehren der Theosophie10, deren Ziel - ähnlich dem des Calvinismus - eine neue, göttlich inspirierte Weltordnung ist. In späteren Jahren faszinieren ihn vor allem die Reden und die Person Krishnamurtis11, eines charismatischen Inders, der in den zwanzi-ger Jahren in esoterisch orientierten Kreisen als Weltenlehrer und wiederkehren-der Christus betrachtet wird. Dieser spricht von der Befreiung des Menschen aus selbst verursachten psychologischen Abhängigkeiten mit dem Ziel, dem Indivi-duum ein Leben in Harmonie mit sich selbst, der Natur und den Anderen zu eröffnen.

Gleichzeitig setzt sich Mondrian mit dem Pointillismus Georges Seurats12 und den naturwissenschaftlichen Schriften Eugène Chevreuils13 über die Zerlegung des Lichtes in seine Grundfarben auseinander. Daraus gewinnt er vor allem zwei grundlegende künstlerische Erkenntnisse:

- Die Zweidimensionalität der Leinwand lässt keine illusionistische Malerei zu.
- Farben können die Natur auf der Leinwand nicht reproduzieren; die natur-getreue Wiedergabe der Wirkung des Sonnenlichtes ist nicht möglich.

3 Eigene Wege in die Abstraktion

Der Baum ist ein zentrales Motiv im Schaffen Mondrians, doch während er bis in die ersten Jahren des neuen Jahrhunderts vor allem Baumgruppen zum Gegenstand seiner Darstellungen macht, steht ab etwa 1907 der einzelne Baum im Mittelpunkt, zuerst noch in naturalistischer Anmutung, dann immer stärker abstrahierend.

3.1 Der rote Baum (Abend)

1908/10, Öl auf Leinwand, 70x99 cm

`s Gravenhage, Haags Gemeentemuseum

Das Bild zeigt einen einzelnen Baum, herausgelöst aus dem landschaftlichen Zu-sammenhang. Dabei erinnern die Rindenstruktur mit ihren kurzen, kräftigen Pinselstrichen und die Krone mit ihrem Astgewirr aus organischen Linien noch an das Vorbild der Natur. In Verbindung mit dem Verlust räumlicher Bezüge ver-weisen sie gleichzeitig auf die Ornamentik des Jugendstils. Wie beim „Wald von Oele“ skizzieren kurze horizontale Pinselstriche die Standfläche des Baumes am unteren Bildrand, darüber beschreiben kurze vertikale Pinselstriche eine weitere Fläche, begrenzt von einer blauen Silhouette, einen schemenhaften Weidezaun. Was an der Darstellung besticht, ist die Leuchtkraft ihrer Farben, kräftiges Blau und Rot bilden die Grundlage, strukturiert durch schwarze Linien. Die Verdichtung der Astlinien in der rechten Kronenhälfte und die zunehmende Verwendung eines dunklen Blaus in diesem Bereich mit wenigen Spuren von Rot setzen einen deut-lichen Akzent. Unverkennbar sind die Einflüsse der Fauves und des Expressionis-mus, aber Mondrian geht darüber hinaus. Die vollkommene Aufgabe jeglicher perspektivischer Darstellung ermöglicht ein autonomes Linienspiel in der Fläche. Ende 1911 hält sich Mondrian auf Einladung von Conrad Kickert14 in Paris auf, ab 1912 lebt er ständig dort. Er findet Anschluss an die Kubisten vom Montmartre, vor allem Braques und Picasso, beteiligt sich am Salon des Indépendents 1913. Seine Exponate werden von Guillaume Apollinaire15 in dessen Kritik als eigenständige Variante des Kubismus hervorgehoben.

3.2 Der graue Baum

1911, Öl auf Leinwand, 79,7x109,1 cm

`s Gravenhage, Haags Gemeentemuseum

Mondrian arbeitet weiter an der Verknappung seiner bildnerischen Mittel: Der Baum ragt aus dem Boden heraus, der mit waagrechten Pinselstrichen an den unteren Bildrand gesetzt wird. Der Stamm strebt nach oben und fächert sich in der Bildmitte zur Krone auf. Allerdings lässt sich die Baumform nur noch erahnen, denn sie wird auf ein System aus horizontalen, vertikalen, geraden und geboge-nen Linien reduziert. Letztere lassen sich als Äste oder stilisierte Blattformen deuten.

Die Farbpalette konzentriert sich auf Grauwerte, die in der Gabelung des Stam-mes ihre größte Dunkelheit erreichen. Nach außen, zum Bildrand hin werden die Linien zarter, die Graustufen heller, nahezu weiß.

Beides zusammen – monochrome Farbgestaltung und Stilisierung zur Linie hin – bewirkt, dass der Baum scheinbar wie von selbst aus dem Untergrund des Bildes entsteht und wieder in ihn zurück sinkt. Motiv und Hintergrund sind ineinander verwoben.

[...]


1 Seit der Übersiedlung nach Paris verwendet Piet Mondrian selber diese Schreibweise seines Namens.

2 Die Calvinisten zählen zu den reformierten Kirchen, sie stellen in den Niederlanden die größte christliche Glaubensgemeinschaft. Ihr Name geht auf Johannes Calvin, eigentlich Jean Cauvin, zurück, den aus Frankreich gebürtigen schweizer Reformator. Er begründete diese Glaubensrichtung zum Einen durch seine 1535 in Basel veröffentlichte Dogmatik „Institutio Christianae Religionis“, zum Anderen durch die von ihm und Guillaume Farel 1541 formulierte „Ordonnances écclésiastiques“, die Gemeindeordnung für die Stadt Genf. Sie stellte das gesamte öffentliche und private Leben des Christen unter das Primat der Bibel und des Glaubens. Die Einhaltung der Ordnung wurde von der „Vénérable Compagnie“ und dem „Consistoire“ überwacht. Unter Berufung auf Matthäus, 18 waren sie mit der Aufgabe betraut, „Sünder“ zu mahnen und ggf. zu sanktionieren.

3 Willem Maris (1844 – 1910, Den Haag) ist der jüngste von drei künstlerisch tätigen Brüdern. Er gilt als Vertreter der Haager Schule, die ihrerseits in der Tradition der Schule von Barbizon steht. Ihr Grundsatz, formuliert von Johann Hendrik Weissenbruch (1824 – 1903), lautet: "Licht und Luft – das ist die Kunst."

4 Eine seiner Schülerinnen ist zeitweilig Jacoba van Heemskerk van Beest. (siehe Fußnote 9)

5 August Allebé (1838 – 1927, Amsterdam), Künstler der Haager Schule, lebt und arbeitet in Amsterdam als Professor an der Rijksakademie.

6 Jan Toorop (1858, Java – 1928, Den Haag), bedeutender Künstler des niederländischen Jugendstils

7 Jan-Thorn Prikker (1868, Den Haag – 1932, Köln), von Nabis und Art Nouveau beeinflusster Symbolist, tätig als Professor an der Kunstgewerbeschule Krefeld, an der Folkwangschule Hagen/ Essen und an den Akademien in München, Düsseldorf und Köln.

8 Marie Tak van Portvliet (1871 – 1936), Anthroposophin, Kunstmäzenin und Landwirtschaftspionierin. Ihr Landgut Loverendale in Domburg ist ein wichtiger Treffpunkt für Künstler und Intellektuelle und der der weltweit erste biologisch-dynamische Landwirtschaftsbetrieb im Sinne Rudolf Steiners.

9 Jacoba van Heemskerk van Beest (1876, Den Haag – 1923, ?), Tochter eines bekannten niederländischen Schiffsmalers. Sie studiert an den Akademien in Den Haag und in Paris. Später wird sie später das einzige niederländische Mitglied der Berliner Malergruppe "Der Sturm" und hat so auch Verbindungen zur gleich-namigen Galerie von Herwarth Walden.

10 Der Begriff Theosophie leitet sich ab von "theòs" (gott) und "sophía" (Weisheit). Er steht für eine religiös motivierte Weltanschauung, die vom Glauben aus zu einer höheren Wahrheitsschau gelangen will. Ziel ist es, die höchstmögliche Stufe der Ethik zu erlangen und deren Vollendung im Sein zu verwirklichen. Sie bedient sich dabei in eklektizistischer Weise verschiedener Weltreligionen und bezieht auch Mystik, Okkultismus und Astrologie in ihre Sichtweise mit ein.

11 Jiddu Krishnamurti (1895, Mandanapalle/Südindien – 1986, Ojai/Kalifornien) wird als Jugendlicher von der theosophischen Gesellschaft Indiens unter der Führung der Engländerin Annie Besant „entdeckt“ und in deren Obhut genommen. Mit 15 wird er das Oberhaupt des 1911 neu gegründeten theosophischen Ordens "Star of the East" und in der Folge weltweit bekannt als kraftvoller, kompromissloser und keiner Religion oder philosophischen Schule zuzuordnender Lehrer.

12 Ein direkter Reflex auf Georges Seurat ist die "Mühle bei Sonnenlicht", entstanden als Versuch, "die neue pointillistische Malweise zur Vermittlung eines tieferen Erlebens der Sonnenwirkung auf eine Landschaft einzusetzen." (Wijsenbeek I, 1968, 49)

13 Eugène Chevreuil (1786 – 1889), französischer Chemiker, lebt und arbeitet in Angers. Er ist tätig als Pro­fessor für Chemie und als Leiter der Färbereien der Gobelinmanufakturen. Bekannt wird er als Entdecker des Farbstoffes der Indigopflanze, durch seine wissenschaftlichen Abhandlungen zur Wahrnehmung der Farben (Simultankontrast) und durch die Entwicklung einer eigenen Farbenlehre.

14 Conrad Kickert (1882, Den Haag – 1965, Paris) lebte ab 1909 in Paris als Maler und Kunstsammler.

15 Guillaume Apollinaire (1880, Rom – 1918, Paris), eigentlich Wilhelm Apollinaris de Kostrowitzky, lebt ab 1899 in Paris und erhält 1916 die französische Staatsbürgerschaft. Er meldet sich als Kriegsfreiwilliger, wird verletzt und stirbt wenig später an den Folgen dieser Verletzung. Er veröffentlicht Gedichtsammlun-gen ("Le Bestiaire", "Alcools", "Calligrammes") und erotische Romane. Seine Lyrik inspiriert die franzö-sischen Dadaisten und Surrealisten.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Piet Mondrian
Untertitel
Klassische Moderne zwischen den Weltkriegen
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Institut für Kunstwissenschaft und Bildende Kunst)
Veranstaltung
Klassische Moderne zwischen den Weltkriegen
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
19
Katalognummer
V132740
ISBN (eBook)
9783640394906
ISBN (Buch)
9783640394500
Dateigröße
460 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Piet, Mondrian, Klassische, Moderne, Weltkriegen
Arbeit zitieren
Magister Artium Sigrid Weyers (Autor:in), 2005, Piet Mondrian, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132740

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Titel: Piet Mondrian



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