In dieser Studie wird eine Übersicht über die Kreuzzüge gegen die Albigenser im 13. Jahrhundert gegeben, sowie über den kulturellen Rahmen, in dem sie sich abspielten, und die Folgen, die diese Kreuzzüge hatten.
Von verschiedenen Standpunkten aus werden die Lehren der Albigenser beleuchtet. Es werden alle mir zur Verfügung stehenden primären und sekundären Quellen zu Rate gezogen.
Während der Jahre der Albigenser-Kreuzzüge zeigte sich, dass es den beteiligten Kampfparteien nicht so sehr um die „Verteidigung des Glaubens“ ging, sondern vielmehr darum, Macht und Besitz zu erlangen und/oder diesen zu erhalten. Das die Kreuzzüge sich so lange hinzogen und immer wieder erneuert wurden, beruhte darauf, dass die Interessen der beteiligten Kampfparteien und auch die Ziele der Kirche mit diesen Kriegen nicht befriedigt wurden. Da dieser Krieg aber offiziell als Religionskrieg lief, wurden immer wieder Albigenser hingerichtet, wobei sich aber unschwer erkennen lässt, dass unter diesen Kriegen die ganzen Bevölkerung litt, egal welcher Konfession oder Abstammung die einzelnen Menschen angehörten. Dieser Abschnitt der Geschichte zeigt, was geschieht, wenn eine religiöse Institution die Möglichkeit besitzt, weltliche Instanzen und militärische Mittel einzusetzen, um ihre Form des Glaubens auf Kosten Andersdenkender und -glaubender durchzusetzen.
[...]
Inhaltsübersicht
I. Einleitung
II. Südfrankreich im 12. und 13. Jahrhundert
A) Die gesellschaftlichen Umstände
B) Der politische Rahmen
C) Die Wegbereitung für die Albigenser-Kreuzzüge
III. Die Albigenser-Kreuzzüge
A) Die 1. Phase (1209 – 1216)
B) Die 2. Phase (1216 – 1225)
C) Die 3. Phase (1226 – 1229)
IV. Der Glaube der Albigenser und Folgen der Kreuzzüge
A) Der Glaube der Albigenser aus katholischer Sicht
1) Dualismus und Manichäismus
2) Das Alte Testament
3) Jesus Christus
4) Lebensstil und Taufe
B) Der Glaube der Albigenser aus Sicht ihrer eigenen Schriften
1) Dualismus und Manichäismus
2) Das Alte Testament
3) Jesus Christus
4) Lebensstil und Taufe
C) Die Folgen der Albigenser-Kreuzzüge
V. Schlussfolgerung
Bibliographie
I. Einleitung
In dieser Studie wird eine Übersicht über die Kreuzzüge gegen die Albigenser im 13. Jahrhundert gegeben, sowie über den kulturellen Rahmen, in dem sie sich abspielten, und die Folgen, die diese Kreuzzüge hatten. Von verschiedenen Standpunkten aus werden die Lehren der Albigenser beleuchtet. Es werden alle mir zur Verfügung stehenden primären und sekundären Quellen zu Rate gezogen.
Auf die Frage nach der Herkunft der Albigenser-Kirche sowie der Ereignisse an anderen Schauplätzen während dieser Zeit wird in diesem Rahmen nicht weiter eingegangen.
Die verwendeten Abkürzungen folgen den bekannten Regelwerken und brauchen daher hier nicht neuerlich aufgelistet zu werden.
II. Südfrankreich im 12. und 13. Jahrhundert
A) Die gesellschaftlichen Umstände
Wir befinden uns im 13. Jahrhundert. Das heutige Frankreich, wie wir es kennen, gab es noch nicht. Dieses Land war sowohl sprachlich als auch kulturell zweigeteilt. Im Süden1 des heutigen Frankreichs sprach man Okzitanisch2 und im Norden Französisch. Es war für einen Okzitanen leichter sich mit einem Basken zu verständigen als mit einem Franzosen. Fremde und Ungläubige wurden nicht nur toleriert, sondern sogar völlig in die Gesellschaft eingegliedert. Juden durften ihre Berufe ausüben und große Menge an Land besitzen. Andersgläubige bzw. Ketzer wurden nicht diskriminiert, sondern sie besaßen die gleichen Rechte wie jeder andere im Land. Gewiss gab es gewisse Vorurteile den Moslems gegenüber.
Allerdings betraf dies nicht die moslemische Literatur oder moslemisches Wissen (z.B. im medizinischen Bereich). Kunst, Dichtung und Handel erblühten in diesem Gebiet in besonderem Maße.3
Im Norden waren die Städte verpflichtet den Grafen und anderen Herren Gehorsam (auch und gerade militärisch) zu leisten. Im Süden war dies im Prinzip umgekehrt. Das städtische Leben mit seinem neuen Bürgertum von Kaufleuten und Handwerkern war im Norden, der sich bäuerlich und feudal gehalten hatte, nicht so weit entwickelt wie im Süden.4 Die Menschen im Norden lebten in einer feudalen und „geistlichen“ (sehr stark von der Kirche geprägten) Welt. Im Süden hatten weltliche und profane Werte bei gehobenen städtischen Lebensbedingungen den Vorrang. Die Kreuzzüge in dieses Gebiet hinein wurden schon zuweilen als ein Zusammenprall von Barbarei und Zivilisation bezeichnet.5
Der König von Frankreich war zwar nominell der Herrscher über das ganze Land. Praktisch hatte er aber kaum einen Einfluss. Die Bevölkerung des Nordens misstraute der des Südens und konnte diese nicht leiden. Andersherum war es genauso. Der Norden und der Süden des heutigen Frankreichs waren zwei völlig verschiedene Länder.6
B) Der politische Rahmen
Frankreich war zur Zeit des Albigenser-Kreuzzuges grundsätzlich in zwei Teile geteilt. Der König von Frankreich war König Philipp II. August (bis 1223) sowie sein Sohn Ludwig VIII. (1223-1226).7 Im Süden herrschten verschiedene Grafschaften. Hervorstechend war hier Raymond VI. von Toulouse. Ein Großteil der Ländereien gehörte ihm oder waren zumindest seine Vasallen.8 Daneben seien noch die Grafschaften Foix sowie Béziers-Carcassonne zu erwähnen, wovon die zweite unmittelbar der Krone von König Peter II. von Aragon unterstand.9 Auf der anderen Seite ist das Papsttum mit seinen Vertretern Papst Innozenz III. (1198-1216)10, Honorius III. (1216-1227) und Gregor IX. (1227-1241).
Wie zuvor schon erwähnt, herrschte eine gewisse Feindseligkeit zwischen den Bevölkerungen des Nordens und des Südens, einfach weil die Kulturen und das Weltverständnis anders waren. Dem Papsttum war die große und zunehmende Verbreitung der Albigenser in diesem Gebiet und anderswo ein starker Dorn im Auge. Da die Albigenser eigene Bischofssitze und Diözesen errichteten,11 entstand hier aus der Sicht der Katholischen Kirche eine Art Gegenkirche,12 die die eigene Autorität und Macht unterminierte und für sich abzog. Weiters war diese Kirche antikatholisch eingestellt und verbreitete unter den Menschen aus Sicht der Katholischen Kirche falschen Lehren, deren Verbreitung es zu bekämpfen galt.
C) Die Wegbereitung für die Albigenser-Kreuzzüge
In den Grafschaften Foix, Toulouse, Béziers und Albi befanden sich viele Albigenser. Sie waren in allen Gesellschaftsschichten vertreten.13 Papst Innozenz III. forderte König
Philipp II. August von Frankreich in den Jahren 1204, 1205 und 1207 auf, gegen sie vorzugehen.14 Jedoch lehnte der König dies ab. Die Bevölkerung Okzitaniens war im Allgemeinen unwillig etwas gegen die Albigenser zu unternehmen, weil sie der Meinung waren, dass die Diskussionen zwischen Katholiken und Häretikern ihre eigene persönliche Angelegenheit war und dass der wahre Feind die französischen Eindringlinge wären.15 Es war also unmöglich einen Bürgerkrieg anzuzetteln. Selbst lokale katholische Herrscher waren unwillig gegen ihre Bürger zu kämpfen oder gegen sie vorzugehen. Papst Innozenz III. appellierte an sie, jedoch vergeblich!16 Im Gebiet des Grafen von Toulouse (Raymond VI.) waren die Albigenser besonders stark vertreten und er war nicht bereit, etwas gegen sie zu unternehmen. Daraufhin wurde er 1207 von dem päpstlichen Legaten Pierre de Caustelnau exkommuniziert. Am 14. Januar des folgenden Jahres fiel dieser dann einem Attentat zum Opfer, welches manche Raymond VI. in die Schuhe schieben wollten.17 Jedoch gab selbst der Papst zu, dass es dafür keinerlei Beweise gab.18
Dann rief Innozenz III. wieder zum Kreuzzug auf und ließ es an Versprechungen nicht fehlen, so dass die Kreuzritter verschiedene Anreize hatten, an dem Kreuzzug teilzunehmen. Zum einen schien es ein gerechter Grund zu sein und zum anderen gab es eine große Belohnung. Denn die Beseitigung der Sünden war gewiss, der Kreuzzug nahm den Platz aller anderen Bußübungen ein, die Chancen auf Plünderungen waren gut, es war gut möglich neues Land zu erwerben und die Zeit, um sich alle Ablässe zu sichern, betrug nur 40 Tage.19 Die Reise war zudem leicht, kostengünstig und sicher.
Innozenz III. wandte sich dabei erneut an Philipp von Frankreich, weil die Franzosen die Einzigen waren, auf die Innozenz zählen konnte, auch wenn sie das Land für sich selbst beanspruchen würden. Philipp lehnte jedoch wiederum ab und erinnerte den Papst daran, dass dieser kein Recht hätte, Ländereien, die dem König von Frankreich gehörten (auch wenn er darüber nicht verfügen könnte), an andere weiterzugeben.20 Der Papst versprach den Kreuzrittern nämlich neben den geistlichen Segnungen auch die Länder, die sie besetzen würden.21
III. Die Albigenser-Kreuzzüge
A) Die 1. Phase (1209 – 1216)
Der päpstliche Legat Arnaud Amauri von Cîteaux hatte ungehindert in den Ländern des Königs von Frankreich den Kreuzzug gepredigt und nun war er der geistliche und weltliche Anführer desselben.22 Eine ganze Reihe von Herzögen und Grafen nahmen das Kreuz. Die Anreize, an diesem Kreuzzug teilzunehmen, waren größer und besser als bei den Kreuzzügen ins Heilige Land. So waren frische Kräfte immer erhältlich. Allerdings hatten die Kreuzritter das Problem, dass es in ihrer Truppe an Organisation mangelte. Das Problem der Okzitanier war, dass sie sich einfach nicht einig waren. Dies lag nicht an Unterschieden in der Religion, sondern es war tief in der Geschichte des Landes verwurzelt.23
Am 18. Juni 1209 unterwarf sich Raymond VI. der Kirche, bekannte seine „Fehler“, übergab sieben Burgen in die Hand der Kirche und versprach, die Anführer der Armeen des Kreuzzugs in jeder Weise zu unterstützen.24 Da sich Raymond VI. den Kreuzrittern unterworfen hatte, zogen diese nun zur Grafschaft Béziers.25
Die Einnahme Béziers steht in der Geschichte als eines der schrecklichsten Massaker dar.26 20.000 Menschen wurden dort getötet (Männer, Frauen, Kinder, Kirchenleute, Katholiken, Albigenser).27 Wer in seinem Haus blieb, wurde in diesem von den Flammen verzehrt. Wer aus dem Haus herauslief, wurde durch das Schwert getötet. Frauen wurden vergewaltigt und alle, die irgendwie greifbar waren, wurden getötet.28 Überall lagen Leichen herum und in den Straßen floss das Blut in Strömen. Selbst solche, die in die Kirche flohen, wurden niedergemetzelt. Es war dem päpstlichen Legaten und den Soldaten egal, wenn sie umbrachten. Der Legat soll folgenden Ausspruch getätigt haben:
Kill them, kill them all; kill man, woman, and child; kill Roman catholics as well as Albigenses, for when they are dead the Lord knows how to pick out his own.29
Nach Béziers wollte man die Stadt Carcassonne einnehmen. Allerdings wurde man hier zurückgeworfen. So machte man sich über eine 2 km von Carcassonne entfernt liegende Stadt her und brannte sie auf die Grundmauern nieder.30
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1 Dieses Gebiet wird in der Literatur als Okzitanien (siehe Joseph R. Strayer, The Albigensian Crusades, Ann Arbor, 1992, 10) und als Languedoc (Ibid.; Michael Costen, The Cathars and the Albigensian Crusade, Manchester / New York, 1997, 1) bezeichnet. In dieser Arbeit wird das Gebiet Okzitanien genannt.
2 Diese Sprache war aus dem Lateinischen der späten römischen Welt entsprungen, zu der dieses Gebiet gehörte (Costen, 1). An manchen Stellen in der Literatur wird Okzitanisch auch als Provençialisch bezeichnet. Dies sind zwei austauschbare Namen für ein und dieselbe Sprache (Strayer, 13).
3 Costen, 31-39; Jacques Madaule, Das Drama von Albi, Freiburg, 1964, 33-45.
4 Idem, 55.
5 Ibid.
6 Idem, 45-50; Strayer, 9.
7 Madaule, 136.
8 Costen, 30 führt hier neben der Grafschaft von Toulouse noch die Gebiete Agenais, Quercy, Rouergue, die Grafschaft Lodeve und das Marquisat der Provençe als Ländereien auf, die seiner Herrschaft unterstanden. Daneben hatte Raymond VI. noch folgende Vasallen: die Grafschaften Lomagne, Rodez, Nîmes, Vivarais, Valence und die Ländereien Gourdon, Anduze und Alès.
9 Ibid.
10 Papst Innozenz III. sagte: „Die tiefverwurzelte Verderbtheit der abscheulichen Ketzerei wächst beständig in der Gegend von Toulouse und hört nicht auf, scheußliche Ableger hervorzubringen... Laßt uns unverzüglich und mit der Hilfe vieler beginnen, diese böse Menschenbrut zu bestrafen... Geschwüre, die nicht auf Behandlung mit Salbe reagieren, müssen mit dem Messer herausgeschnitten werden. Diejenigen, die die Bestrafung der Kirche nicht ernst nehmen, müssen mit dem Arm der weltlichen Macht zermalmt werden.“ (Terry Jones / Alan Ereira, Die Kreuzzüge, Augsburg, 2000, 214).
11 Walter Zöllner, Geschichte der Kreuzzüge, Berlin, 1990, 129; Costen, 68-76.77-81.
12 Hans Kühner, „Die Katharer“ in: Schultz Hans Jürgen (Hg), Die Wahrheit der Ketzer, Stuttgart / Berlin, 1968, 54-55.
13 John Fox, History of the Lives, Sufferings, and Triumphant Deaths, of the Primitive as well as the Protestant Martyrs, New York, o.J., 104; Alexander Patschovsky, „Katharer“ in: Erwin Fahlbusch (Hg) u.a., Evangelisches Kirchenlexikon: Internationale theologische Enzyklopädie, Göttingen, 31989, II 990; I. Nep. Brischar, „Albigenser“ in: Joseph Hergenröther (Hg) / Franz Kaulen (Hg), Kirchenlexikon: oder Encyklopädie der katholischen Theologie und ihrer Hülfswissenschaften, Freiburg, 21882, I 431-432; Jones, 215; Zöllner, 129.
14 Ibid.; Brischar, 433; Strayer, 49.
15 Idem, 61-62; Tim Dowley, Atlas: Bibel und Geschichte des Christentums, Wuppertal, 1997, 104.
16 Strayer, 48.
17 Walter Eberhardt, Wege und Irrwege der Christenheit von der Urgemeinde bis zur Vorreformation, Berlin, 1968, 240; Daniela Müller, „Katharer“ in: Gerhard Müller (Hg) u.a., Theologische Realenzyklopädie, Berlin, 1989, XVIII 23; Arno Borst, „Albigenser“ in: Josef Höfer (Hg) / Karl Rahner (Hg), Lexikon für Theologie und Kirche, Freiburg, 1957, I 288-289; Fox, 105; Brischar, 433; Zöllner, 130.
18 Strayer, 50-51.
19 Fox, 105; Jones, 214; Eberhardt, 241; vgl. Christian Edwardson, Facts of Faith, Nashville, 1943, 129.
20 Strayer, 52.
21 Idem, 49.53; Jones, 214.
22 Madaule, 105; Eberhardt, 240; Strayer, 53.
23 Idem, 55-56 sagt, dass es zwischen dem Grafen von Toulouse und seinem Vasallen, dem Grafen von Béziers, eine große Rivalität gab. Raymond VI. konnte sich mehr auf den Grafen von Foix, Raymond Roger von Foix, verlassen. Dieser war ein totaler Kämpfer, aber kein Politiker, und Raymond VI. war nicht so sehr ein Kämpfer, sondern mehr ein Politiker. Das Problem lag nun darin, wie man die Nordfranzosen aus dem Lande bekommt. Sowohl der Graf von Toulouse als auch der von Béziers befürchtete, dass der jeweils andere den Kreuzzug benützen könnte, um die Macht des anderen zu brechen.
24 Peter Allix, The Ecclesiastical History of the Ancient Churches of Piedmont and of the Albigenses, Oxford, 21821, 217; Fox, 105-106, Eberhardt, 241; Brischar, 433-434; Zöllner, 130; Strayer, 59-60.
25 Idem, 60.
26 Idem, 62; Alfred Läpple, Ketzer und Mystiker: Extremisten des Glaubens. Versuch einer Deutung, München, 1988, 106.
27 Idem, 106; Allix, 219; Jones, 216; Eberhardt, 241; Eugene Lawrence, Historical Studies, Nashville, 1936, 51 spricht von 50.000 Getöteten und Fox, 108 berichtet von 60.000 Getöteten in Béziers.
28 Idem, 107.
29 Idem, 107-108; vgl. Allix, 221; Jones, 216; Madaule, 107; Edwardson, 130; Lawrence, 51; Läpple, 106.
30 Fox, 108.
- Arbeit zitieren
- Denis Kaiser (Autor:in), 2004, Die Albigenser-Kreuzzüge, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134864