Traudl Junge - Autobiographieanalyse


Hausarbeit, 2006

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1.1. Vorwort
1.2. Kurzbiographie

2.1. Definition des Autobiographiebegriffs
2.2. Bildung als Merkmal von Autobiographien

3. Die zwischenmenschliche Beziehung und ihr Wandel zwischen Adolf Hitler und seiner Sekretärin Traudl Junge

4. Abschluss - Was habe ich aus der Autobiographie gelernt und welche Probleme sehe ich?

5. Quellen

1.1. Vorwort

Ich habe mich für das Buch von Traudl Junge entschieden, weil mich die Frage beschäftigt, wie junge Persönlichkeiten, die nicht der Gruppe der Widerstandskämpfer zuzuordnen sind die Zeit des Nationalsozialismus erlebten, wie sie Hitler als Person wahrnahmen und schließlich ihre Tätigkeiten nach dem 2. Weltkrieg bewerten.

Diesbezüglich stellt das Buch „Bis zur letzten Stunde“ ein besonders interessantes Werk dar, denn hier thematisiert Hitlers Sekretärin ihr Leben mit Adolf Hitler.

Unmittelbar nach dem Krieg (1947) schrieb Traudl Junge ihre Erinnerungen nieder, wobei sie sich auf die Bewerbung / Einstellung bei Hitler und das Leben auf der Wolfsschanze, dem Berghof und dem Bunker in Berlin beschränkt. Dieser Zeitraum umfasst 2 ½ Jahre (Dezember 1942 bis zu Hitlers Selbstmord 30. 4. 1945), wobei sie in einer detaillierten Ausführlichkeit Personen beschreibt, die sie während ihrer Einstellung kennen lernte, die Wohnverhältnisse schildert und Hitlers Eigenarten (Essensrituale, Spaziergänge, Umgang mit seinem Schäferhund Blondi) und seine „Probleme“ (Krankheiten, Attentat, Kriegsverlauf) darlegt. Meiner Meinung nach kommen ihre direkt persönlichen Momente hierbei sehr kurz (Familienbesuche, ihre Heirat).

Die Präzision ihrer Ausführungen zeigt sich im Umfang der Buchseiten, da sich die 2 ½ Jahre auf 180 Seiten erstrecken (S. 35- 215) und anschließend noch 14 Seiten Anmerkungen folgen (bezüglich der Daten und Personen). Somit bildet die Niederschrift von Traudl Junge den Hauptteil des Buches. Jedoch ist anzumerken, dass neben dem autobiographischen Material weitere Kapitel existieren, die unter der Mitarbeit von Melissa Müller 2001 / 2002 entstanden sind.[1] Anhand dieser Tatsache wird ersichtlich, dass die 1947 von Traudl Junge verfassten Aufzeichnungen für sie nicht mehr die gleiche Gültigkeit wahren konnten, sie sich selbst beim Lesen erschrak und sich über ihre Distanzlosigkeit wunderte.

Bei der folgenden Analyse beziehe ich mich jedoch ausschließlich auf das Kapitel „Meine Zeit bei Adolf Hitler – aufgezeichnet 1947“ und setze mich mit der damaligen „jungen“ Traudl und ihren Ansichten auseinander.

Vorab werde ich eine kurze Biographie zur Person Traudl Junge voranstellen. Anschließend möchte ich die Begriffe Autobiographie und Bildung definieren, die eine erste Grundlage für meine Analyse bilden sollen. Ein weiterer thematischer Schwerpunkt meiner Arbeit liegt bei der Untersuchung des (persönlichen) Verhältnisses zwischen Hitler und seiner Sekretärin.

1.2. Kurzbiographie

Traudl wurde am 16. März 1920 in München als Tochter von Max und Hildegard Humps geboren. Im Alter von 5 Jahren erlebte Traudl, wie der Vater aus beruflichen Gründen das Land in Richtung Türkei verließ. Da sich die Mutter weigerte mit den Kindern zu folgen, lebten die zurückgebliebenen Humps fortan bei dem Großvater, der zwar keinen richtigen Vaterersatz darstellte, aber nicht dem Misstrauen ausgeliefert war, das Traudl ihrem leiblichen Vater gegenüber empfand. In späteren Jahren folgte schließlich die Scheidung.

Ihre Jugend- und Schulzeit verbrachte Traudl in ihrer Geburtsstadt.

Mit 13 Jahren entdeckte das Mädchen ihre Leidenschaft für das Tanzen, die Musik, das Zeichnen und die Gymnastik. Aus diesem Interesse heraus trat sie auch dem BDM bei (1935) und schloss sich der Untergruppe „Glaube und Schönheit“ an. Dennoch blieb es ihr aus finanziellen Gründen versagt ihren großen Traum von einer Tanzkarriere zu verwirklichen. Stattdessen lernte sie in der Handelsschule mit der Aussicht auf eine Stellung als Sekretärin. Seit 1942 lebte sie mit ihrer Schwester Inge in Berlin und versuchte durch ihre (wechselnden) Anstellungen die Mutter finanziell zu unterstützen.

Mit Hilfe von Albert Bormann erhielt sie eine Tätigkeit in der Reichskanzlei von Adolf Hitler. Über diese erfuhr Traudl von dem Wettbewerb um eine Stelle als Sekretärin bei Adolf Hitler und nahm an diesem teil. Zu ihrer Überraschung erhielt sie die Stelle, obwohl sie diese mit wenig Begeisterung antrat. Seit Dezember 1942 arbeitete Traudl zusammen mit den älteren Sekretärinnen Johanna Wolf, Christa Schroeder und Gerda Christian. Aufgrund ihrer Tätigkeit wurden die Wolfsschanze, der Berghof und der Führerbunker in Berlin zu ihren neuen Wohnorten.

Durch ihre Stellung erhielt sie die Möglichkeit eine Vielzahl von (berühmten) Persönlichkeiten kennen zu lernen. Zu diesen Bekanntschaften zählte auch Hans Hermann Junge, ein Liebling des „Führers“ und ein Offizier der Waffen-SS, den sie am 23. Juni 1943 heiratete. Allerdings war das Eheglück nur von kurzer Dauer, denn Hans Hermann fiel im August 1944 in der Normandie. Zeit ihres Lebens heiratete Traudl kein zweites Mal.

1945 siedelte Traudl Junge zusammen mit Hitler, seinen Angestellten und Vertrauten in den Führerbunker in Berlin über. Nachdem sie bisher wenig von den politischen Geschehnissen mitbekam und sie auch allgemein wenig Politikinteresse zeigte, verspürte sie nun die vollen Auswirkungen und Ängste des Krieges. Dennoch weigerte sie sich kurz vor Kriegsende den Bunker zu verlassen, so dass sie der Heirat zwischen Adolf Hitler und Eva Braun beiwohnte und vor Hitlers Selbstmord sein politisches und privates Testament diktiert bekam. Nach Hitlers Tod floh Traudl aus Berlin, kehrte aber Anfang Juni wieder zurück. Daraufhin wurde sie kurzzeitig inhaftiert und später durch die Amerikaner (zurück in München) entnazifiziert. Aufgrund ihres jungen Alters wurde sie als Mitläuferin eingestuft.

Ihre frühe Kindheit und ihr Leben nach dem Krieg blieben ziemlich unbeleuchtet, denn der Betrachtungsschwerpunkt der Historiker richtete sich auf die Analyse der Zeit, die sie mit ihrem Chef erlebte und somit wurden ihre nach dem Krieg niedergeschriebenen Erinnerungen Grundlage für den Dokumentarfilm „Im toten Winkel. Hitlers Sekretärin.“ und für den Kinofilm „Der Untergang“.

Im Jahr 2001 arbeitete Traudl Junge mit der Autorin Melissa Müller an ihrem Buch „Bis zur letzten Stunde“, doch noch vor der Veröffentlichung des Werkes starb sie am 11. Februar 2002 an einem Krebsleiden.

2.1. Definition des Autobiographiebegriffs

Als Einstieg zur Werkanalyse bietet sich eine Betrachtung des Begriffs Autobiographie an und inwiefern er bei dem ausgewählten Buch zutreffend ist. Diesbezüglich eignen sich zwei Texte besonders gut: „Thesen zur wissenschaftlichen Erschließung autobiographischer Quellen für pädagogische Erkenntnis“ von Theodor Schulze und „Autobiographische Texte als Beitrag zur Ich-Konstruktion“ von Dieter Baacke.

Baacke definiert eine Autobiographie als eine Rekonstruktion des Ichs mit Hilfe der Erinnerungen. Durch die Autobiographie würde die bisherige Ich-Konstruktion verändert und erweitert werden. Dies bedeutet, dass mehr mitgeteilt oder dargestellt würde und dass das Ich des Autobiographen anders als bisher erscheine. Diesbezüglich führt er an, dass sich der Verfasser nicht verändere, sondern eher Veränderung in anderen bzw. in den Lesern hervorzurufen möchte. Daraus abgeleitet, kann man Baackes Auffassung anführen, dass autobiographische Texte dialogisch wären, was die Frage nach der Intention bzw. Botschaft aufwirft, die der Autobiograph gegenüber dem Rezipienten zu vermitteln versucht.

Bezogen auf mein Analysebeispiel bedeutet dies, dass man sich die Frage stellen muss, aus welchem Anlass heraus Traudl Junge ihre Erinnerungen niederschrieb. Meiner Meinung nach bildet ihr Werk ein Rechtfertigungsversuch für die Zeit, die sie unter Adolf Hitler diente. Obwohl sie diese Ansicht in der späteren Veröffentlichung verneint, lässt sich im Werk das Gegenteil aufzeigen.[2]

„Es geschah mehr oder weniger durch Zufall.“ (S. 35), „Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, ich war 22 Jahre alt, hatte von Politik keine Ahnung…“ (S. 45),

Ich war so unbefangen und unvoreingenommen in diese Umgebung hineingeraten, dass ich die positive Einstellung dieser Atmosphäre in mich aufnahm wie der Säugling die Muttermilch. Ich habe mir seit Kriegsende oft den Kopf darüber zerbrochen, wie es möglich war, dass ich mich damals ohne irgendwelche Hemmungen in dem Kreis dieser Menschen wohl fühlen konnte. Aber wenn ich daran denke, dass mit dem Schlagbaum und mit dem Stacheldraht gleichzeitig jeder Zweifel, jedes Gerücht und jede andersartige politische Richtung ausgeschlossen wurde, wird mir klar, dass ich gar keine Vergleichsmöglichkeiten und keine Konflikte haben konnte.“ (S. 56).

Diese Textauszüge beweisen, dass Traudl ihr junges Alter, ihre Ahnungslosigkeit und die damaligen, strukturellen Bedingungen anführt oder sogar vorschiebt, durch welche sie ihre damaligen Ansichten und ihre Tätigkeiten begründet und darauf verweist, dass sie die Stelle nicht gewollt antrat. Der Rechtfertigungsaspekt könnte jedoch verworfen werden, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass die Autobiographie erst ca. 55 Jahre später veröffentlicht wurde.

Nach Baacke entnimmt man die meisten Erkenntnisse aus der Betrachtung der Ich-Konstruktion. Diesbezüglich unterscheidet er fünf Formen: das Repräsentanz-Ich, das Persönliche-Ich, das Recherche-Ich, das Durchschnitts-Ich und das Zufalls-Ich. Besonders das Persönliche-Ich und das Durchschnitts-Ich möchte ich hervorheben, denn die anderen Formen sind schwierig bei dem Buch anzuwenden.

Das Persönliche-Ich meine, so Baacke Individualisierung (unverwechselbare Persönlichkeit) und die Vergegenwärtigung des Schreibers, indem er über sich, vergangene Gefühle und Stimmungen schreibt. Somit habe die persönliche Biographie großen Gehalt und gelte als Quelle für das Verständnis. Dieses würde durch eine so genannte Ur-Szene komplimentiert. In „Bis zur letzten Stunde“ erfolgt die Darstellung des persönlichen Ichs, indem die Autobiographin über ihre Gefühle und Erlebnisse schreibt, als auch ihre Empfindungen gegenüber anderen. Hierbei wird zudem auch der psychologisch-analytische Aspekt ersichtlich. Äußerungen wie:

„ich war so unbefangen…“ (S. 56), „Ich kam mir vor, wie in einem goldenen Käfig…“ (S. 103), „Es waren nicht die Berge, die auf mein Gemüt drückten, es war der ganze gewaltige Apparat, in den ich hineingekommen war und der mich festhielt mit tausend Armen.“ (S. 103), „Damals aber war ich noch zu schüchtern und zu jung, um solche Reden führen zu können.“ (S. 115)

zeigen, dass sich die Verfasserin in ihre damalige Lage versetzt (durch Verwendung des Präteritums) und diese Zeit und Empfindungen für den Leser vergegenwärtigt. Bezüglich der Ur-Szene muss ich erwähnen, dass ich diese Begrifflichkeit lieber durch „Schlüsselszene“ ersetzen würde, da die frühen Kindheitserinnerungen und somit eine Ur-Szene völlig außen vor gelassen werden. Weiterhin eröffnet sich das durch die zeitliche Eingrenzung dass Problem, dass in der Autobiographie keine eindeutige Schlüsselszene aufzuzeigen ist, denn ich sehe die Arbeit von Traudl Junge als Hitlers Sekretärin als eigentliche Schlüsselszene innerhalb ihrer Lebensgeschichte.

[...]


[1] Vorwort von Traudl Junge, Eine Kindheit und Jugend in Deutschland von Melissa Müller, Chronologie einer Schuldverarbeitung – aufgezeichnet 2001 von Melissa Müller

[2] „Dieses Buch ist keine späte Rechtfertigung.“ (S.9), Vorwort von Traudl Junge (2001)

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Traudl Junge - Autobiographieanalyse
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Erziehungswissenschaft)
Veranstaltung
Bildungstheoretische Blicke in Autobiographien
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
18
Katalognummer
V136818
ISBN (eBook)
9783640452514
ISBN (Buch)
9783640452774
Dateigröße
429 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Traudl Junge, Autobiographie, Nationalsozialismus
Arbeit zitieren
Marlen Berg (Autor:in), 2006, Traudl Junge - Autobiographieanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136818

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Titel: Traudl Junge - Autobiographieanalyse



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