Von "free speech" zu "free switch"

Die Einführung des kommerziellen Fernsehens in Großbritannien


Term Paper (Advanced seminar), 2009

34 Pages, Grade: 1,0


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. „Before Beveridge“ – Reifung des Reformgedankens
2.1 Rundfunk vor dem zweiten Weltkrieg
2.2 Entwicklungen im Krieg
2.3 Die BBC und die Monopolfrage in den Nachkriegsjahren

3. Der Beveridge-Report

4. Politische Prozesse
4.1 Das Verhalten der Regierung
4.2 Politisch-sozialer Wandel
4.3 Die Reorganisation der konservativen Partei
4.4 Die „Young Conservatives“

5. Die Debatte im Parlament und in der Presse
5.1 Die Debatte im House of Commons / House of Lords
5.2 Die Debatte in der Presse

6. Organisierte Kontroverse – die “Pressure Groups”
6.1 Die Broadcasting Study Group
6.2 „National Television Council“ und „Popular Television Association“

7. Fazit

Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Am 3. Juni 1953 scheint die British Broadcasting Corporation am Zenit ihres Ansehens rund um den Globus. Einen Tag vorher hatte die britische Rundfunkinstitution bewegte Bilder der Krönung von Queen Elizabeth II. in weite Teile Europas und einige Commonwealth-Staaten gesendet - und konnte sich darauf vor Presselob für die inhaltliche und technische Umsetzung der Übertragung kaum retten. Es schien, als hätte die Krönung der Queen zugleich das Fernsehen mitsamt der BBC auf den Thron der modernen Medien gehievt. „Broadcasting at Its Best“[1], jubelte die „Times“, während der der „Daily Telegraph“ meinte: „The BBC has never served the nation better“[2] und auch im Ausland herrschte ausufernde Begeisterung.

Nur zwei Tage später war in einem Leserbrief an die „Times“ dagegen von Vorbehalten gegenüber der BBC zu lesen, die zu dieser Zeit gleichsam zur publizistischen Tagesordnung gehörten: „[…] any monopoly of so powerful an influence over the minds of men as broadcasting can no longer be defended […] a measure of competition should be permitted […]“[3] Was hatte einen beachtlichen Teil der britischen Politik und Öffentlichkeit dazu bewegt, der im In- und Ausland prestigeträchtigen und respektierten BBC mit Skepsis gegenüberzustehen? Warum wurden Stimmen für ein kommerzielles Privatfernsehen laut, wo das öffentlich-rechtliche doch scheinbar exzellente Dienste erwies? Um dieser Frage nachzugehen, muss man die Spurensuche weitaus früher beginnen – und ein Netz aus um machtpolitischen, wirtschaftlichen, sozialen und moralischen Faktoren entwirren. Was Professor Hugh Wilson als „one of the most interesting and significant political actions of the post-war period“[4] bezeichnet, soll in der vorliegenden Arbeit auf seine näheren Ursachen untersucht werden. Es soll ein Beitrag zur Klärung der Frage geleistet werden, warum bereits zehn Jahre nachdem die als genuin britisch und öffentlich-rechtliches Vorbild angesehene BBC die ersten Fernsehbilder nach dem Krieg ausstrahlte bereits ein kommerzieller Konkurrent um Quoten buhlen durfte. Da die Rundfunkordnung einer Gesellschaft immer auch in engem Zusammenhang mit der Herrschaftsstruktur zu sehen ist, beeinflussen sich politische Implikationen und Rundfunkreformen wechselseitig. Die Organisationsform der Massenkommunikation wirkt sich auf die Inhalte, ihre Entstehung und die Zielgruppe aus. Oft sind es aber die Interessen einzelner, die als Heil für das Gemeinwohl getarnt die politische Willensbildung beeinflussen. Der besondere Charakter der BBC, die öffentliche Körperschaft, aber der Regierung mittels einer Royal Charter verpflichtet ist, sorgte seit ihrer Gründung stets für Kontroversen. Unter welchen Umständen Alternativen entwickelt und realisiert werden, aber auch über die Intentionen gibt die Debatte um die Reform in Großbritannien Aufschluss. „If this was all the work of a pressure group, we cannot have too many of them“[5] schrieb der britische Historiker und Befürworter des BBC-Monopols, A.J.P. Taylor, rückblickend. Auch Wilson fokussierte seine Arbeit auf den Einfluss von bestimmten Interessengruppen. Zwar hatte die „neue Generation“ von Abgeordneten in der konservativen Partei für einen Umbruch und ein verändertes politisches Klima gesorgt. Es liegt jedoch die Annahme nahe, dass Einrichtungen wie z.B. die konservative Parteizentrale mit ihren PR-Spezialisten und externe Faktoren - darunter der Druck aus verschiedenen Industrien und die Wirtschaftskrise – eine zentrale Rolle spielten. Die verschiedenen Quellen werden im Falle der Regierungsdokumente chronologisch eingebunden, da diese jeweils in einem breiteren historischen Kontext einzuordnen sind. Ob ihrer Eigendynamik und des eigenen Charakters sind Artikel und Leserbriefe aus der „Times“ sowie die Protokolle der Parlamentsdebatten seperat aufgeführt. Der Korrespondenz der beiden Interessengruppen 1953 gingen meist PR-Überlegungen zuvor, die Leitartikel sind im Zusammenhang mit den Interessen der Times zu sehen. Die Debatten im House of Lords und House of Commons stellten einen eigenen Prozess dar, der oftmals nicht von der politischen Führung registriert und entscheidend von Leuten vorangetrieben wurde, die im machtpolitischen „Hintergrund“ aktiv waren. Bis 1951 der Beveridge-Report erschien, kann die Entwicklung größtenteils recht linear gesehen werden, erst danach begann eine zunehmende Organisation der Interessengruppen und mit dem Wahlsieg der Konservativen fand eine politische Zäsur statt. Von da an sind die einzelnen Einflussbereiche ebenfalls gesondert dargestellt.

Deshalb wurden für die vorliegende Arbeit Dokumente aus drei verschiedenen Quellen zur Analyse herangezogen. Dazu gehören offizielle Kabinettspapiere, die im nationalen Archiv der britischen Regierung online zugängig sind. Sie geben Aufschluss über die Sicht der Regierung und Vorbehalte verschiedener Politiker. Wie der Prozess der Willensbildung abgelaufen ist, belegen die Protokolle der Sitzungen im House of Lords sowie dem House of Commons – sie sind ebenso allesamt online zugängig und zeigen die vorherrschenden Meinungen unter verschiedensten Abgeordneten an. Als dritte Primärquelle dient für das Presseecho das Archiv der Times, welches komplett digitalisiert ist. Die Times bietet sich zudem an, weil in ihr ein reger Austausch von Gegnern und Befürwortern des Privatfernsehens mittels der „Letters to the Editor“ stattfand und der Wechsel von ehemaligen BBC-Angestellten in die Reihen der Times-Redaktionen (mit Haley sogar in die Chefetage) die Leitartikel schwerer einschätzbar, aber auch brisanter machen. Problematisch ist die klare Positionierung der Times gegen das kommerzielle Fernsehen. Die Materialfülle in der Sekundärliteratur zur BBC und der Rundfunk-Entwicklung in Großbritannien allgemein ist reichhaltig[6], die Epoche von den Nachkriegsjahren bis zur TV-Reform wird allerdings meist nur gestreift und verweist oft auf die selben Quellen, vor allem den Beveridge-Report. Eine umfassende Analyse stellte erstmals Professor Hugh H. Wilson an, dessen Buch als Standardwerk bezeichnet werden kann. Jedoch führt Wilson sehr vieles auf die Interessengruppen zurück – wie bereits der Titel „Pressure Group“ suggeriert. Eine modernere Interpretation bietet Asa Briggs „Sound and Vision“[7], das sich distanziert und umfassend dem Thema annähert und aufgrund der breiten Quellenauswahl mehr Blickwinkel zulässt. In der deutschsprachigen Literatur hat sich einzig Harald von Gottberg, der sich allerdings zum Großteil auf Wilson und persönliche Interviews bezieht, der Gründung der „Independent Television Association“ angenommen. Aus Sicht des kommerziellen Fernsehens hat der ehemalige ITV-Angestellte Bernard Sendall die Entwicklung dargelegt. Die politischen Strukturen in der konservativen Partei sind vor allem Stuart Ball entnommen. In der letzten Zeit, besonders durch die Untersuchungen von Briggs, hat man internationalere Erklärungsmuster für das Phänomen ITV gefunden. Wilson konzentrierte sich noch sehr auf den Druck aus den Hinterreihen der Konservativen, während Briggs die Stimmung im gesamten Parlament und auch auf innen- und außenpolitische Spannungen verweist. Das Zusammenspiel von wirtschaftlichen Nöten, entsprechenden Appellen aus der Industrie und der konservativen Philosophie des freien Marktes gewinnt in der aktuelleren Literatur zunehmend an Bedeutung.

2. „Before Beveridge“ – Reifung des Reformgedankens

2.1 Rundfunk vor dem zweiten Weltkrieg

Erste Zweifel an der demokratischen Rechtmäßigkeit des Rundfunkmonopols sind so alt wie die British Broadcasting Corporation selbst. Gerade ein Jahr nach ihrer Gründung war es ein Komitee unter der Schirmherrschaft von Sir Frederick Sykes, das vor dem potentiellen Meinungsdiktat einer monopolisierten Rundfunkstruktur warnte und auf die Möglichkeit hinwies, dass eine zweite Rundfunkinstanz neben der BBC in Zukunft durchaus legitim wäre. Drei Jahre später haderte das Crawford-Komitee nicht nur in gleichem Maße mit dem Monopol, sondern wies zudem auf die Entwicklung in der Presse hin – in der die Anzeigenfinanzierung zur Selbstverständlichkeit geworden war.[8] In seinem Memorandum “Broadcasting of Controversy” gestand der Postmaster-General mit Verweis auf das Komitee noch im selben Jahr zumindest ein, die BBC sei eine “Corporation which is vested with the monopoly of such a powerful instrument of propaganda“[9] und führte das Phänomen begleitende Problematiken auf. Das Dokument verweist gar auf den Wettbewerb als natürlichen Schutz gegen den Missbrauch: „which, in case of the press, is provided by unrestricted competition“[10] . Auch auf wachsenden Unmut über die von Hörerzahlen unabhängigen Programminhalte der BBC wurde hingewiesen, so hätte sich zum Radioprogramm Unmut geregt, dass die musiklosen Beiträge zu farblos und fad seien.[11] Ein Ausschuss unter dem Vorsitz von Lord Selsdon war es 1934, der bei der Beratung über die Zukunft des Rundfunks in der Finanzierungsfrage erstmalig „screen advertisements“[12] in Anbetracht zog und sogar explizit empfahl, das Fernsehen Privatfirmen zu überlassen.[13] Weiterhin monierte Selsdon später in Anbetracht der vergleichsweise monopolfreundlichen Ausführungen des Ullswater-Komitees[14] in einem angehängten Vorbehalt: „I see no valid reason for censoring the make-up of such alternative broadcasts […] the relay companies must give the public what the public wants“[15] - und was die Öffentlichkeit fordert, könnte man mit Untersuchungen zum Zuschauerverhalten herausfinden, so Selsdon. Nicht zuletzt hatte auch die BBC selbst den Zweiflern Nährboden geliefert. Vor allem die Wahl des Schotten Lord John Reith zum ersten Generaldirektor bis 1938 und sein strikt autokratischer Stil sollten noch für Jahrzehnte die höchsten Prinzipien in der Programmgestaltung bestimmen. Nie wieder konnte man von einer derartigen Personalisierung der Konzeption sprechen. Mit einer beachtlichen Selbstsicherheit was die Zuschauerwünsche angeht gab Reith dem Publikum „something slightly better than it now thinks it likes“[16]: So stand die moralische Erziehung gemäß dem Public-Service-Ideal im Vordergrund, sodass Reith wohlmöglich eine gehobene christliche Mittelschicht optimal bediente, nicht aber die Mehrheit der Bevölkerung – viele Partei- und Gewerkschaftsmitgliedern sowie große Teile der Unterschicht dürften ihre Probleme mit dem Niveau gehabt haben und somit einen Grund mehr, einem alternativen Angebot nicht ungeneigt zu sein.[17] Besonders das als Bildungs- und Erziehungsradio gestartete dritte Programm erhielt einen verschwindend geringen Zuspruch. Vielen war es zu intellektuell, aber selbst die gebildete Oberschicht betrachtete es trotzdem oftmals als Verschwendung von Sendefrequenzen, wenn sie nicht selbst zu Wort kam.[18]

2.2 Entwicklungen im Krieg

Nachdem die BBC 1936 ihre ersten Fernsehbilder ausstrahlte, wurde der TV-Service 1939 bereits wieder – bis kurz nach Kriegsende – eingestellt. Trotzdem sind die Entwicklungen in der BBC zu dieser Zeit signifikant und folgenschwer für die Zukunft der britischen Rundfunkdienste. Der zweite Weltkrieg zeichnete maßgeblich dafür verantwortlich, dass die britische Gesellschaft an einen Rundfunk gewöhnt wurde, der sich mehr denn je am amerikanischen Stil orientierte.[19] Größerer Beliebtheit erfreute als der Regierung lieb war erfreute sich zum einen das Radio der US-Truppen, Wilson spricht in diesem Zusammenhang sogar von einer „Amerikanisierung des britischen Geschmacks“[20] . Zum anderen bot das eigene Programm leichtere Kost als zu Friedenszeiten, die Menschen gewöhnten sich an einen hohen Unterhaltungsanteil. An Priorität gewannen zudem die BBC-Angebote in Übersee, da sich der Sender im Krieg zur verlässlichsten Nachrichtenquelle entwickelt hatte und fortan viel Geld zum Leidwesen des britischen Programms in das ausländische investiert wurde. Die direkte Finanzierung der in- wie ausländischen Dienste durch den Staat und die unvermeidbar engere Verzahnung von Rundfunk und Regierung in Kriegszeiten sorgte nachhaltig für Misstrauen. Es herrschte allgemeine Verunsicherung darüber, ob diese Verbindungen jemals wieder gelockert werden könnten.[21] Schon im Generalstreik 1926 hatte die BBC – damals noch privatwirtschaftlich organisiert und im nationalen Ausnahmezustand unabhängig – aus ihrer Funktion als Regierungs-Bollwerk keinen Hehl gemacht. Reith erklärte sich folgendermaßen: “ Assuming the BBC is for the people, and that the Government is for the people, it follows that the BBC must be for the Government in this crisis too.”[22] Nicht weniger zeichnete sich das Verantwortungsbewusstsein der BBC gegenüber der Regierung in beiden Weltkriegen ab. Um einem Veto gegen eine Programmausstrahlung und damit einem Zensurvorwurf zuvorzukommen, brach der Ausschuss der BBC-Gouverneure und die Präsidenten in Absprache mit dem Postminister die Produktion eines Bericht über einen Ex-Kommandanten der deutschen Marine aus dem ersten Weltkrieg ab. Zum Verhalten im zweiten Weltkrieg lautete die Marschroute: „the microphone is not the place in wartime for persons antagonistic to the war effort“.[23] Michael Tracey, der eine beispiellos umfangreiche Analyse anhand des BBC-Archivmaterials anstellte, attestierte auch für die Nachkriegsjahre „a clear submission to the wishes of the government“.[24]

2.3 Die BBC und die Monopolfrage in den Nachkriegsjahren

Auch wenn die Jahre zwischen 1944 und 1955 die erfolgreichsten für den Fernsehservice der BBC waren[25], wurde gleich an mehreren Fronten offenbar, dass die kommerzielle Komponente Einzug ins Vereinigte Königreich erhalten hatte: Die beiden werbefinanzierten Radiostationen „Radio Luxembourg“ und „Radio Normandie“ hatten mit Hörerzahlen zwischen vier und sechs Millionen beispiellosen Erfolg und die britische Industrie investierte bereits 1,5 Millionen Pfund in Werbung auf ausländischen Sendern. Vorbehalte gegenüber kommerziellem Rundfunk mussten also in der britischen Bevölkerung wie in der Industrie bereits zu weiten Teilen abgebaut worden sein. Die BBC reagierte – im Zusammenschluss mit der Presse, die Konkurrenz um Werbeanzeigen befürchtete – allenfalls mit diplomatischem Negieren oder gesetzlichen Restriktionen, anstatt sich dem Wandel anzupassen.[26]

Die unmittelbaren Nachkriegsjahre waren geprägt von einer in der Rundfunkfrage unsouverän auftretenden Labour-Regierung, die sich durch ständiges Herauszögern von Entscheidungen viel politisches und gesellschaftliches Credo verspielte. Am 29.01.1946 forderte der „New Statesman“ eine Studie im Vorfeld der Verlängerung der Royal Charter[27], die untersuchen sollte, ob die BBC ihrer öffentlich-rechtlichen Funktion noch optimal nachkommt. Alles andere, monierten auch Industrie und Opposition, sei altmodisch und untransparent. Die Konservativen hatten seit den Parlamentswahlen 1945 ohnehin eine Aversion gegen den BBC, der sie eine Übervorteilung der Labour-Partei in der Wahlberichterstattung anlasteten. Angesichts der Tatsache, dass der konservative Politiker seine Informationen gemeinhin aus der konservativen „Tory-Presse“ bezog und sich für eine freie Marktwirtschaft aussprach, mag es wenig verwunderlich erscheinen, dass im Schock der Wahlniederlage ein scheinbarer Überfluss an linkem Gedankengut im BBC-Programm aus- und verantwortlich gemacht wurde.[28] Große Beachtung fand das Thema in der Presse, als sich Sir Frederick Ogilvie am 26. Juni 1946 als erster Ex-BBC-Insider zur Monopolstellung seines ehemaligen Arbeitgebers äußerte. In dem Leserbrief an die Times, die der Opposition gegen das private Fernsehen angehörte, versuchte Ogilvie der Frage die politische Brisanz zu nehmen und den individuell-moralischen Vorteil von Wettbewerb zu betonen: „Freedom is choice. And monopoly of broadcasting is inevitably the negation of freedom“[29] . Noch am selben Tag sammelte der Konservativen-Parteichef Winston Churchill 211 Unterschriften, um die Beratung der Rundfunkgesetzgebung an ein unabhängiges Komitee zu übertragen. Die günstige Gelegenheit bewog darüber hinaus den konservativen Politiker Lord Brabazon of Tara, eine Debatte im House of Lords anzustoßen. Diese markierte gleichzeitig den Einstieg der Industrie ins direkte Geschehen. Die BBC wurde vorrangig dafür kritisiert, dass sie mit ihrer restriktiven Haltung den möglichen technischen Fortschritt stoppe.[30] Suggeriert wurde dadurch, dass die Rundfunkordnung nunmehr kein rein bildungsbürgerliches Politikum mehr war, sondern bis in die Arbeiterklasse hinein von wirtschaftlicher Relevanz. Gerne wurde schon von Beginn der Debatte an ein Vergleich benutzt, der im Sinne der Konservativen als Schreckgespenst Angst schüren sollte: Das BBC-Monopol wurde mit einem kommunistischen System gleichgesetzt, das Gefahr laufe, irgendwann von einer sozialistisch gesinnten Regierung infiltriert und von ihr als Propagandaapparat missbraucht zu werden. Da es zu den Reith’schen Grundsätzen gehörte, das Programm frei von kommunistischen und atheistischen Tendenzen zu halten, legten die konservativen Aktivposten der Bewegung die Einstellung als Untergrabung der eigenen Grundsätze aus.[31] Innerhalb der BBC selbst lag der Fokus nach dem Krieg, was möglicherweise zusätzlich von der Debatte ein wenig ablenkte, auf den traditionell erfolgreichen Radioprogrammen und wenn im TV-Bereich, dann auf den im Krieg etablierten „oversea services“.[32] Der limitierende Faktor waren jedoch hauptsächlich die Staatsfinanzen: Im Februar 1947 musste der komplette BBC-Service lahmgelegt werden, weil der Strom knapp geworden war.[33] Nichtsdestotrotz bekannte Sir William Halley, Generaldirektor ab 1944, dass er keine Affinität zum Fernsehen habe[34]. Die BBC hatte das Radio als geliebtes Steckenpferd und geriet nicht zuletzt deshalb technisch ins Hintertreffen.

[...]


[1] Zit. nach: Historic event in television. Dignity of Abbey Ceremonial, in: The Times 1953, 3. Juni, S. 17, http://infotrac.galegroup.com/itw/infomark/958/165/71352836w16/5!pdf_imm_z1z0FFO-1953-JUN03-017-F (04.09.2009)

[2] Zit. nach: Asa Briggs, Sound and vision. [1945 - 1955]. (The history of broadcasting in the United Kingdom / Asa Briggs, 4.) Oxford [u.a.] 1995, S. 428

[3] Zit. nach: Leserbrief von L.P.S. Orr an die Times: Commercial Television, in: The Times 1953, 5. Juni, S. 7, http://infotrac.galegroup.com/itw/infomark/958/165/71352836w16/7!pdf_imm_z3z0FFO-1953-JUN05-007-F (05.09.2009)

[4] Zit. nach: H. Hubert Wilson, Pressure group. The campaign for commercial television. London 1961, S. 20

[5] Zit. nach: Briggs 1995, S. 803 (Original von A.J.P. Taylor im „New Statesman“ vom 21. Juli 1961)

[6] Hier sei vor allem auf Burton Paulus „Television and radio in the United Kingdom“ verwiesen. (Siehe Literaturliste)

[7] „Sound and Vision“ erschien als vierter Band einer umfassenden Historie des britischen Rundfunks für die Jahre 1945 bis 1955.

[8] Vgl. Bernard Sendall, Origin and foundation 1946-62. (Independent television in Britain / Bernard Sendall, 1.) London 1984, S. 3

[9] Zit. nach: Sir William Mitchell-Thomson, Broadcasting of Controversy, 18. Oktober 1926, S. 2, http://www.nationalarchives.gov.uk/documentsonline/DoLUserDownload/jankampmann@gmxde/CAB/24/181/0/0055.pdf (16.08.2009)

[10] Zit. nach: ebd.

[11] Vgl. ebd., S. 3

[12] Zit. nach: Sendall 1984, S. 4

[13] Vgl. Burton Paulu, Television and radio in the United Kingdom. London [u.a.] 1981, S. 48

[14] Komitee vom April 1935, eingesetzt vom damaligen Postminister Sir Kingsley Wood, mit folgendem Auftrag: “to consider the constitution, control and finance of the broadcasting service in this country and advise generally on the conditions under which the service, including broadcasting to the empire, television broadcasting, and the system of wireless exchanges, should be conducted after the 31st December of 1936” (Zit. nach: George C. Tryon, Report of the Ullswater Committee, 5. März 1936, S. 29, http://www.nationalarchives.gov.uk/documentsonline/DoLUserDownload/jankampmann@gmxde/CAB/24/259/0024.pdf (16.08.2009))

[15] Zit. nach: ebd., S. 73

[16] Zit. nach: Wilson 1961, S. 22

[17] Vgl. Harald von Gottberg, Initiativen zur Errichtung kommerziellen Rundfunks unter besonderer Berücksichtigung des exemplarischen Charakters der Gründung der ITA für die einzelnen Initiativen in der Bundesrepublik Deutschland. Berlin 1979, S. 54

[18] Vgl. Asa Briggs, The BBC. The first fifty years. Oxford [u.a.] 1985, S. 60

[19] Vgl. Wilson 1961, S. 23

[20] Zit. nach: ebd.

[21] Vgl. von Gottberg 1979, S. 55f

[22] Zit. nach: Christoph Bode, Die Zwanziger Jahre in Großbritannien. Literatur und Gesellschaft einer spannungsreichen Dekade. Tübingen 1998, S. 206

[23] Zit. nach: Paulu 1981, S. 36

[24] Zit. nach: Michael Tracey, The production of political television. London 1978, S. 230

[25] Vgl. Briggs 1985, S. 65

[26] Vgl. Wilson 1961, S. 26

[27] Die British Broadcasting Company (1922 als privatwirtschaftliches Unternehmen von Reith gegründet) wurde am 1. Januar 1927 offiziell zur öffentlich-rechtlichen British Broadcasting Corporation. Die neue Organisation wurde übrigens von der Konservativen Regierung so geschaffen, wie sie später von derselben kritisiert wurde. Sie unterstand einer königlichen Charter, jeweils auf 10 Jahre festgelegt und verpflichtete sich den Prinzipien der Erziehung, Information und Unterhaltung. Ferner wurde die Gebührenfinanzierung festgelegt und die Verwaltung durch 5 Gouverneure, die durch die letzte Instanz – die Regierung – gewählt wurden. (Vgl. John Cain, The BBC. 70 years of broadcasting. London 1992, S. 19)

[28] Vgl. von Gottberg 1979, S. 58f

[29] Zit. nach: Leserbrief von Sir Frederick Ogilvie, Future of the BBC. Monopoly and Its Dangers, in: The Times, 26. Juni 1926, S. 5, http://infotrac.galegroup.com/itw/infomark/121/940/75442662w16/3!pdf_imm_z1z0FFO-1946-JUN26-005-F (16.08.2009)

[30] Vgl. von Gottberg 1979, S. 60

[31] Vgl ebd., S. 64ff

[32] Vgl. Cain 1992, S. 59 und 66

[33] Vgl. Paulu 1981, S. 55

[34] Vgl. ebd., S. 56

Excerpt out of 34 pages

Details

Title
Von "free speech" zu "free switch"
Subtitle
Die Einführung des kommerziellen Fernsehens in Großbritannien
College
Justus-Liebig-University Giessen  (Historisches Institut)
Course
Mediensysteme und -kulturen im internationalen Vergleich
Grade
1,0
Author
Year
2009
Pages
34
Catalog Number
V136840
ISBN (eBook)
9783640453146
ISBN (Book)
9783640453290
File size
709 KB
Language
German
Keywords
Medien, Großbritannien, England, kommerzielles Fernsehen, Privatfernsehen, Broadcasting, ITV, Independent Television, Independent Television Association, ITA, Rundfunk, Pressure Group, Interessengruppen, Woolton, BBC, Monopol
Quote paper
Jan Kampmann (Author), 2009, Von "free speech" zu "free switch" , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136840

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