Die sozialpsychologische Komponente des Marshallplans wurde bisher noch kaum tiefergehend analysiert. An dieser Stelle soll der vorliegende Beitrag ansetzen und der Frage nachgehen, inwiefern der Marshallplan neben seiner ökonomischen Wirkung auch eine psychologische Wirkung hatte. Wie konnte sich sein ideeller Einfluss bis heute zu einem Narrativ entwickeln? Die zugrunde liegende These dieser Arbeit ist, dass die psychologische Wirkung des Marshallplans auf die Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland essenziell für das daraus folgende Wirtschaftswunder und die wirtschaftspolitische Entwicklung Westdeutschlands war.
Der Marshallplan – oder das European Recovery Program (ERP), wie er offiziell genannt wurde – gilt bis heute als einer der visionärsten Pläne in der Geschichte und als Meilenstein in den Annalen der Entwicklungshilfe. Der "Mythos des Marshallplans" ist bis heute ein Narrativ, welches auch noch in der neueren Geschichte dazu genutzt wird, Hilfsprogramme zu benennen oder die Größenordnungen solcher festzulegen. Das Wirtschaftsaufbauprogramm dient heute als ein "Gattungsname für Außenwirtschaftshilfe".
Wie in der Rede Marshalls ersichtlich, sah dieser die USA durch ihre hegemoniale Stellung in der Verantwortung, die wirtschaftliche Genesung in der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg zu unterstützen, ohne die es keine politische Stabilität und Frieden geben könne. Der wirtschaftliche Effekt des Marshallplans wurde dabei in der Forschung schon umfassend untersucht. Mittlerweile ist man der Auffassung, dass der Marshallplan vor allem in Deutschland tatsächlich einen überraschend geringen Beitrag zum Wiederaufbau der Wirtschaft hatte. Werner Abelshauser widmet sich beispielsweise in einer detaillierten Untersuchung der wirtschaftlichen Entwicklung in der Bizone zwischen 1945-1948. Er betont auch, dass der Marshallplan kaum zum schnellen wirtschaftlichen Aufschwung Westdeutschlands beigetragen habe. Vielmehr seien die Modernisierung, Rationalisierung und Ausweitung der industriellen Produktion während der NS-Diktatur vor allem in den letzten Kriegsjahren ausschlaggebend für den wirtschaftlichen Erfolg Westdeutschlands gewesen. Wie konnte sich der Marshallplan dennoch seinen bis heute reichenden Status als Narrativ erarbeiten? Hierzu lohnt es sich, das ERP und dessen Effekt aus einer ideellen und psychologischen Sicht zu betrachten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hintergründe zum Marshallplan
- Entwicklungen und Zusammenhänge nach dem Zweiten Weltkrieg
- Ziele und Maßnahmen
- Eine psychologische Wirkung?
- Ideelle Bedeutung des Marshallplans
- Psychologische Wirksamkeit auf die Bevölkerung
- Beeinflussung durch eine multimediale Informationspolitik
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der psychologischen Wirkung des Marshallplans auf die Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland. Sie untersucht, inwiefern das ERP neben seiner ökonomischen Wirkung auch einen ideellen Einfluss auf die Bevölkerung hatte und wie dieser Einfluss zu einem Narrativ über das Wirtschaftswunder wurde.
- Die ideelle Bedeutung des Marshallplans und sein Zusammenhang mit der Entstehung des „Westens“
- Die psychologischen Auswirkungen des Marshallplans auf die Bevölkerung
- Die Rolle der medialen Informationskampagne, insbesondere des Mediums Film, bei der Gestaltung der ideellen Wirkung des Marshallplans
- Das Zusammenspiel des wirtschaftlichen Aufschwungs und der kulturpolitischen Wahrnehmung des Marshallplans
- Der Einfluss des Marshallplans auf die wirtschaftspolitische Entwicklung Westdeutschlands
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Marshallplan als visionären Plan in der Geschichte und als Meilenstein der Entwicklungshilfe vor. Sie untersucht, wie der Marshallplan trotz seiner geringen wirtschaftlichen Bedeutung in Deutschland zu einem wichtigen Narrativ wurde.
Das erste Kapitel beleuchtet die Hintergründe des Marshallplans. Es geht auf die Entwicklungen und Zusammenhänge nach dem Zweiten Weltkrieg ein, die zum European Recovery Program (ERP) führten. Außerdem werden die Ziele und Maßnahmen des Wirtschaftsprogramms näher betrachtet.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der psychologischen Wirkung des Marshallplans. Es analysiert die ideelle Bedeutung des Plans und seinen Einfluss auf die Entstehung des „Westens“. Anschließend werden die psychologischen Auswirkungen des Marshallplans auf die Bevölkerung untersucht und gezeigt, wie diese schließlich in einem Narrativ mündeten.
Das dritte Kapitel beleuchtet die mediale Darstellung des Marshallplans und seinen Einfluss auf die ideelle Wirkung des Projekts auf die Bevölkerung. Hierbei liegt der Fokus auf dem Medium Film.
Schlüsselwörter
Marshallplan, European Recovery Program (ERP), Wirtschaftswunder, psychologische Wirkung, ideeller Einfluss, Narrativ, Medienkampagne, Film, Westdeutschland, „Westen“, Entwicklungshilfe, Zweiter Weltkrieg, Wiederaufbau, Wirtschaftsentwicklung, kulturpolitische Wahrnehmung.
- Arbeit zitieren
- Maximilian Scheller (Autor:in), 2023, Die psychologische Wirksamkeit des Marshallplans. Das Wirtschaftswunder als Narrativ?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1372287