Die Geschichte der Polen im Ruhrgebiet ist in der Öffentlichkeit wenig bekannt. Statt dessen
ist die Annahme eines „ethnisch homogenen Deutschlands“1 während des Kaiserreichs weit
verbreitet. Die Spuren der polnischen Migranten und ihres Lebens sind heute kaum mehr
sichtbar. Deshalb auf einen erfolgreichen Integrationsprozess zu schließen, ist allerdings nicht
angebracht. Vielmehr wurde die polnische Minderheit und ihre mit der Zeit entstehenden
Organisationen beobachtet und sogar bekämpft.
Die Gründe für die Unterdrückung lagen größtenteils außerhalb des Ruhrgebiets, nämlich in
den Ostprovinzen2. Die Methoden und Maßnahmen im Westen reflektierten die Germanisierungspolitik
der Administration im Osten. Polen sahen sich aufgrund ihrer Herkunft dem
Generalverdacht ausgesetzt, die kaiserliche Nation zu gefährden.
In dieser Hausarbeit wird der Entwicklungsweg der Polen im Ruhrgebiet nachvollzogen und
Faktoren ihrer (Nicht-) Integration aufgezeigt. Zunächst werden in Teil 2 die Gründe der
Migration behandelt, die primär in der Überbevölkerung in den Ostprovinzen und der Anziehungskraft
der Industrialisierung im Ruhrgebiet lagen. Die Lebensbedingungen der Polen im
Ruhrgebiet werden ebenso dargestellt.
Teil 3 zeigt die generelle Linie der Polenpolitik im Deutschen Kaiserreich. Sie war in den
Ostprovinzen durch die konsequente Germanisierungspolitik der Regierung gekennzeichnet,
um polnische Bestrebungen nach einer eigenen Nation zu verhindern. Besondere Aufmerksamkeit
fand die Bekämpfung der polnischen Sprache als einigender Ausdruck der Kultur.
Auch im Ruhrgebiet wurde das Polnische von den Deutschen nicht akzeptiert und bekämpft,
deutsche Verordnungen wurden beispielsweise nicht übersetzt und öffentliche polnischsprachige
Versammlungen verboten. Um grundlegende Bedürfnisse, zum Beispiel nach Seelsorge
und Gemeinschaft, zu erfüllen, gründeten die Polen eigene Vereine, Medien und eine
Gewerkschaft.
Die polnischen Organisationen fanden starken Zuspruch bei den Zugewanderten. Sie gerieten
aber durch die Verbote und die politische Entwicklung vor dem Ersten Weltkrieg zusehends
unter Druck. [...]
1 Krampen, Nele: Minderheitem im kollektiven Gedächtnis – Vom Vergessen und Erinnern der historischen
polnischen Minderheit in Deutschland, in: Pallaske, Christoph: Die Migration von Polen nach Deutschland – Zu
Geschichte und Gegenwart eines europäischen Migrationssystems, Baden-Baden 2001, S. 77.
2 Dazu gehören: Ostpreußen, Westpreußen, Pommern, Posen, Schlesien.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Hintergründe der Wanderung und Ansiedlung
- 2.1. Die Situation in den Ostprovinzen
- 2.2. Der Aufstieg des Ruhrgebietes
- 2.3. Der Zuzugsprozess
- 2.4. Lebens- und Wohnbedingungen
- 3. Repression und Selbstorganisation
- 3.1. Die Polenpolitik des Kaiserreichs
- 3.2. Mögliche Integrationsinstitutionen
- 3.2.1. Gewerkschaften
- 3.2.2. Kirche
- 3.3. Anfänge der Selbstorganisation
- 3.3.1. Presse
- 3.4. Entwicklung der Polenpolitik im Westen
- 4. Entwicklungen bis zum Ersten Weltkrieg
- 4.1. Die Lebenssituation der Polen
- 4.2. Zunehmende Organisation
- 4.3. Staatliche Repression
- 4.3.1. Ein Beispiel: Die Sokółbewegung
- 4.4. Der Erste Weltkrieg
- 5. Weimarer Republik
- 5.1. Gründung Polens und Rückwanderung
- 5.2. Ruhrbesetzung und Abwanderung nach Frankreich
- 5.3. Weitere Tendenzen
- 6. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit der Geschichte der Polen im Ruhrgebiet während des Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Sie verfolgt das Ziel, den Entwicklungsweg der polnischen Migranten im Ruhrgebiet nachzuvollziehen und Faktoren ihrer (Nicht-) Integration aufzuzeigen. Dabei wird insbesondere die Rolle der staatlichen Repression und der Selbstorganisation der polnischen Gemeinschaft untersucht.
- Migration der Polen ins Ruhrgebiet
- Lebensbedingungen der Polen im Ruhrgebiet
- Die Polenpolitik des Kaiserreichs
- Selbstorganisation der polnischen Gemeinschaft
- Integration und (Nicht-)Integration der Polen im Ruhrgebiet
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Thematik der Hausarbeit vor und beleuchtet die Relevanz der Geschichte der Polen im Ruhrgebiet im Kontext der deutschen Geschichte. Kapitel 2 untersucht die Hintergründe der Migration der Polen ins Ruhrgebiet, die primär in der Überbevölkerung in den Ostprovinzen und der Anziehungskraft der Industrialisierung im Ruhrgebiet lagen. Es werden auch die Lebensbedingungen der polnischen Migranten im Ruhrgebiet beschrieben. Kapitel 3 widmet sich der generellen Linie der Polenpolitik des Deutschen Kaiserreichs, die in den Ostprovinzen durch die konsequente Germanisierungspolitik der Regierung gekennzeichnet war, um polnische Bestrebungen nach einer eigenen Nation zu verhindern. In diesem Kapitel wird auch die Entwicklung der Polenpolitik im Westen und die Reaktion der polnischen Gemeinschaft auf diese Politik behandelt.
Kapitel 4 untersucht die Entwicklungen der polnischen Gemeinschaft im Ruhrgebiet bis zum Ersten Weltkrieg. Es werden die Lebenssituation der Polen, der zunehmende Grad der Organisation und die staatliche Repression behandelt. Kapitel 5 beleuchtet die Situation der Polen im Ruhrgebiet während der Weimarer Republik, insbesondere die Auswirkungen der Gründung des polnischen Staates, die Ruhrbesetzung und die Abwanderung nach Frankreich. Die Hausarbeit soll die Geschichte der Polen im Ruhrgebiet als Ausdruck eines Nationalitätenkonflikts darstellen und die Frage nach den Beweggründen der Anpassung vieler Polen an die deutsche Gesellschaft beleuchten.
Schlüsselwörter
Die zentralen Begriffe und Konzepte dieser Arbeit sind: Migration, Integration, Selbstorganisation, Repression, Polenpolitik, Nationalitätenkonflikt, Ruhrgebiet, Germanisierungspolitik, Ostprovinzen, polnische Gemeinschaft, Sprache, Kultur, Vereine, Medien, Gewerkschaften, Sokółbewegung.
- Arbeit zitieren
- Bettina Reuhl (Autor:in), 2002, Zwischen Repression und Selbstorganisation: die Ruhrpolen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13732