Das Umlageverfahren in Deutschland - Doch kein Auslaufmodell?

Bestandsaufnahme und Perspektiven der Deutschen Rentenversicherung


Diplomarbeit, 2009

87 Seiten, Note: 1,2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Problemstellung

2 Aufbau der Arbeit

3 Die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV)
3.1 Geschichte und Entstehung - Von der Kaiserzeit bis heute
3.2 Der Generationenvertrag

4 Das heutige System der Gesetzlichen Rentenversicherung
4.1 Personenkreis
4.2 Leistungen der Gesetzlichen Rentenversicherung
4.3 Berechnung der Altersrente
4.4 Die Finanzierungssituation - Theorie und Praxis
4.4.1 Die Entwicklung der Finanzierungssituation seit
4.4.2 Ergebnis

5 Die gesamtwirtschaftlichen Probleme der Gesetzlichen Rentenversicherung
5.1 Demographische Faktoren
5.2 Der Arbeitsmarkt und die Gesetzliche Rentenversicherung
5.3 Konsequenzen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung auf die Rentenversicherung

6 Finanzierungsmodelle
6.1 Vorbemerkung
6.1.1 Das Umlageverfahren
6.1.2 Das Kapitaldeckungsverfahren
6.2 International
6.2.1 Schweden
6.2.2 Schweiz
6.2.3 Chile
6.3 Fazit

7 Alternativen für Deutschland
7.1 Die Grundrente
7.2 Stärkung der betrieblichen und privaten Altersvorsorge

8 Schlussbetrachtung und Ausblick

9 Literaturverzeichnis

10 Internetquellen

II. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Generationenvertrag im Wandel

Abbildung 2: Akutelle Eckzahlen

Abbildung 3: Rentenbestand am 31.12.2007 der Deutschen Rentenversicherung

Abbildung 4: Renteneintrittsalter Berechnungstabelle

Abbildung 5: Die mittelfristige Entwicklung der verfügbaren Eckrenten

Abbildung 6: Rentenartenfaktoren

Abbildung 7: Entwicklung der Nachhaltigkeitsrücklage der gesetzlichen Rentenversicherung in Monatsausgaben seit 1973

Abbildung 8: Das Netto-Standardrentenniveau

Abbildung 9: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland

Abbildung 10: Registrierte Arbeitslose / Arbeitslosenquote 1992 bis 2008

Abbildung 11: Sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in Deutschland 1993 bis 2007

Abbildung 12: Erwerbstätige in Deutschland 1993 bis 2007

Abbildung 13: Erwerbstätige in Deutschland 1993 bis 2007

Abbildung 14: Das Umlageverfahren

Abbildung 15: Das Kapitaldeckungsverfahren

Abbildung 16: Reale Renditen der gesetzlichen Rentenversicherung mit und ohne

Bundeszuschuss (BZ) für ledige Frauen (alle Angaben in Prozent)

Abbildung 17: Reale Renditen der gesetzlichen Rentenversicherung mit und ohne

Bundeszuschuss (BZ) für ledige Männer (alle Angaben in Prozent)

Abbildung 18: Rente je Euro Beitrag in Preisen von 2005

Abbildung 19: Inflationsraten Deutschland 1992 bis 2008

Abbildung 20: Entwicklung der Altenquotienten ausgewählter Länder bis 2025

Abbildung 21: Die Wirtschaftskrise trifft die Alterssicherung

Abbildung 22: Entwicklung der Riester-Verträge 2005 bis 2008

1 Problemstellung

Die soziale Absicherung gegen die Grundrisiken des Lebens ist in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern auf hohem Niveau gewährleistet. Als Teil der Sozialen Marktwirtschaft leistet das System der sozialen Sicherung einen wesentlichen Beitrag zum allgemeinen Wohlstand. Dieses positive Ergebnis sozialstaatlichen Wirkens hat allerdings auch eine Kehrseite, die Kosten sind außerordentlich hoch.

Als Teil dieses Systems steht die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) in Deutschland derzeit vor einer tiefgreifenden Krise. Aktuell sind die Lasten für die Beitragszahler hoch, weil sich aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen die Beitragslast auf immer weniger Erwerbstätige verteilt. Hohe Arbeitslosenzahlen und eine demographische Entwicklung, die die Altersstruktur der Gesellschaft gravierend verändert, werden die Beitragssätze in die Höhe treiben, wenn das bisherige Rentenniveau erhalten bleiben soll. Zu diesen Problemen gibt es in der Wissenschaft und Politik eine weitgehende Übereinstimmung. In welcher Weise das System jedoch reformiert werden muss, gilt als strittig.

Die heutigen Schwierigkeiten betreffen vor allem das Finanzierungsverfahren der Gesetzlichen Rentenversicherung. Ursprünglich sollte die Finanzierung der Rentenversicherung über ein Kapitaldeckungsverfahren erfolgen. Es gelang aber zu keinem Zeitpunkt, einen Kapitalstock aufzubauen, der eine problemlose Leistungserbringung gewährleistet hätte. Erst 1969 wurde schließlich auf das heute noch praktizierte Umlageverfahren umgestellt. Und genau dieses führt 40 Jahre später zu massiven Finanzierungsschwierigkeiten aus den seit langem bekannten Problemen durch den demographischen Wandel.

Während beispielsweise in Schweden, der Schweiz und Chile tief greifende Reformen in der Mitte der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts bereits stattfanden, begann Deutschland erste Reformprozesse erst 1992 mit der Rentenanpassung auf das Nettoprinzip und der Einführung von Abschlägen bei der Frühverrentung. Ein erster Durchbruch zu einer Mehrsäulenstrategie gelang erst 2001 mit der sogenannten Riesterreform. Und dennoch war schon damals bekannt, dass weitere Schritte folgen müssen.

Verschiedene Experten sehen die Lösung der meisten Probleme der gesetzlichen Rentenversicherung in der Reform des Finanzierungsverfahrens und der Teilkapitalisierung des bestehenden Systems. Ergänzende kapitalgedeckte Altersvorsorgen bestehen in Deutschland bereits seit langer Zeit. Allerdings müssen auch hier eine Reihe von Unsicherheitsfaktoren berücksichtigt werden. Bei einer Strukturreform zu Gunsten der individuellen Altersvorsorge wären die zukünftigen Faktoren, wie beispielsweise Höhe der späteren Rentenleistungen und der Beiträge zu unterschiedlichen Lebenslagen, noch nicht vollends abzusehen. Vergessen werden darf auch nicht, dass Inflationszeiten und Konjunktureinbrüche wie in den Jahren 1929, 1945, 2000 oder die jüngste Weltwirtschaftskrise einen erheblichen Einfluss auf kapitalgedeckte Altersvorsorgen haben.

Die Arbeit wird aufzeigen, dass die Erfahrungen mit rein- oder teilkapitalisierten Systemen keine risikofreie Alternative darstellt, aber trotzdem für eine Reform in Erwägung gezogen werden sollten. Welche Alternativen an Rentenmodellen es in anderen Ländern gibt und ob diese in Deutschland zur Anwendung kommen könnten, soll ebenso untersucht werden, wie die Variante, ob das bestehende System der Gesetzlichen Rentenversicherung bei Lösung der Finanzierungsprobleme bestehen bleiben könnte.

2 Aufbau der Arbeit

Einleitend in Kapitel 3 wird die Deutsche Rentenversicherung in ihrer geschichtlichen Entstehung erläutert. Die Anfänge des deutschen Sozialsystems vor und unter Reichskanzler Otto von Bismarck über die verschiedenen Etappen hin zum heute bekannten System des Umlageverfahrens werden abschnittsweise beleuchtet. Der Generationenvertrag, auf dem das Umlageverfahren aufbaut, wird in diesem Zusammenhang erklärt.

In Kapitel 4 wird auf die erste Säule des Alterssicherungssystems eingegangen und das Prinzip sowie Funktionieren dieser beschrieben.

Der Schwerpunkt in diesem Kapitel wird auf dem versicherten Personenkreis und dem Zustandekommen von Leistungen beruhen. Weiterhin wird auf die Entwicklung der Finanzierungssituation eingegangen.

Über die gesamtwirtschaftliche und ökonomische Entwicklung Deutschlands und den daraus resultierenden Problemen für die Gesetzliche Rentenversicherung informiert Kapitel 5. Es wird die demographische Entwicklung in Deutschland und die Arbeitsmarktproblematik mit deren Ursachen und Auswirkungen betrachtet.

Kapitel 6 wird die bekannten Finanzierungsmodelle Umlageverfahren und Kapitaldeckungsverfahren mit deren Vor- und Nachteilen beschreiben. In diesem Zusammenhang werden alternative Ausgestaltungsformen dieser Modelle und deren Erfolge in anderen Ländern aufgezeigt.

Aus den in Kapitel 6 aufgezeigten alternativen Altersvorsorgesystemen wird in Kapitel 7 das viel diskutierte Modell der Grundrente untersucht, sowie Reform- und Anwendungsvorschläge für die 2. und 3. Säule in Deutschland gegeben.

In Kapitel 8 werden die Arbeit und die daraus resultierenden Erkenntnisgewinne zusammengefasst.

3 Die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV)

3.1 Geschichte und Entstehung - Von der Kaiserzeit bis heute

Die Entstehung der öffentlichen Absicherung des Risikos Alter beginnt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, lange vor dem „Gesetz, betreffend der Invaliditäts- und Altersversicherung“ vom 22. Juni 1889. Das war relativ spät, denn die staatlich induzierte Absicherung anderer Existenzrisiken setzte bereits noch eher ein.

Dennoch: Für das höhere Alter als soziales Problem seitens des Staates Vorsorge zu treffen schien lange Zeit nicht notwendig zu sein, denn es lag offenbar kein allgemeines oder auch nur auf die Arbeiter bezogenes Bedürfnis vor. Jedenfalls war die Absicherung anderer materieller Existenzrisiken wie Krankheit und Tod (Sterbefallkosten für die Familie) naheliegender. Die am stärksten verbreitete Form der Vorsorge waren die Sterbekassen, welche die Kosten für ein Begräbnis erstatteten (Tennstedt 2000: 31).

Die Vorsorge der Risiken Alter und Invalidität, waren somit lange Zeit Privatsache, bestenfalls Gegenstand vor Sparappellen (Conrad 1994: 207-210).

Sparen und individuelle Vermögensbildung waren allerdings zu Beginn des 19. Jahrhunderts schwierig und dementsprechend war das materielle Auskommen alter Menschen schlecht. Die Versorgung älterer Menschen erfolgte durch eine Kombination aus Leistungen der Armenfürsorge, Selbsthilfegruppen, Einkommen aus leichter Arbeit und die Unterstützung von Familienmitgliedern.

Auf Ebene des Staates waren die Überlegungen für eine zentrale Absicherung der Risiken Alter und Invalidität in den 1860er bis 1870er Jahren eines der meistbesprochenen Themen ohne konkrete Umsetzung, obwohl es bereits seit Ende der 1840er Jahre immer wieder Initiativen für eine allgemeine Altersversicherung für Arbeiter gab. Der bekannteste überlieferte Vorschlag geht auf ein Konzept des „Centralvereins für das Wohl der arbeitenden Klassen“ zurück (Tennstedt 2000: 32).

Dieses liberal geprägte Konzept wurde erstmals 1848 veröffentlicht und setzte auf die staatliche Förderung zur Selbsthilfe. Arbeiter sollten bei einer zentralen Anstalt unter preußischer Aufsicht Rentensparverträge abschließen können, welche eine vorher festgelegte Laufzeit (50., 55., oder 60. Lebensjahr) hatten. Im Todesfall vor dem vereinbarten Laufzeitende verfielen die Beiträge (Tennstedt 2000: 31).

Trotz teilweise Umsetzung im Jahre 1860 stieß das Altersvorsorgeprojekt des Centralvereins nicht nur bei der preußischen Ministerialbürokratie sondern auch bei den Arbeitern kaum auf Resonanz. So formulierte der Präsident des Centralvereins, Adolph Lette, bereits 1863: „So sehr dergleichen Altersversorgungsanstalten als Bedürfnis anerkannt und begehrt werden, so wenig ist nach den bisherigen Erfahrungen seitens des Arbeiterstandes davon Gebrauch gemacht.“ Der Misserfolg des Projektes kann mit den damaligen niedrigen Arbeiterlöhnen begründet werden. Kam ein Arbeiter doch in den Genuss, mehr Geld zu haben als zum Lebensunterhalt nötig war, so wurde statt einer Altersvorsorge die Gründung eines selbständigen Geschäfts in Erwägung gezogen (Tennstedt 2000: 33).

Trotzdem blieb das Thema Absicherung des Alters ein ständiges Thema, vor allem innerhalb der sich konstituierenden Arbeiterbewegungen.

Im Jahr 1863 übersendeten der Brandenburger Bürgermeister a.D. Franz Ziegler und der Berliner Stadtrat a.D. Theodor Riedel, Ministerpräsident Bismarck ein Gesetzesentwurf namens „Allgemeine Preußische Altersversorgungsanstalt unter der Garantie des Staats und unter Leitung der Regierung“. Dieser bewertete den Gesetzentwurf positiv:

„In neuerer Zeit ist die Errichtung von Altersvorsorgeanstalten vielfach in Anregung gebracht worden. Sie sind aus dem Bestreben hervorgegangen, den arbeitenden Klassen die Gelegenheit darzubieten, sich durch eigene Anstrengungen und Sparsamkeit in jüngeren Jahren eine gegen Not gesicherte Existenz im Alter zu verschaffen. […] Es haben daher diese Anstalten die Tendenz, sowohl die Sparsamkeit und sittliche Selbstständigkeit im Arbeiterstande zu heben als auch die Armenpflege zu erleichtern. […] In allen diesen Richtungen hat die Regierung ein Interesse, die Gründung von Altersversorgungsanstalten anzuregen[…].“(Tennstedt 2000: 36). Damit beginnt die erste Etappe der Alterssicherungsdiskussion im preußischen Regierungslager. Auf Grund massiver Bedenken und Ablehnungen von Ressortministern dauerte es noch fast weitere 20 Jahre, bis erneute Anstöße Bismarcks in dieser Richtung einen Meinungswechsel auslösten. Diese Anstöße sind zwischen 1880 und 1881 zunächst nur mehr oder weniger mühsam aus Randbemerkungen herauszufiltern und werden im Wahlkampf 1881 publik (Tennstedt 2000: 46).

Hiervon ist überliefert, dass es Bismarcks „persönliche Idee wäre, die Erträge des Tabakmonopols nach Abzug derjenigen Summe, welche das Deutsche Reich aus dem Tabak erziehlt, gesetzlich für Zwecke der Altersversorgung festzulegen“. Diese Aussage ist deswegen interessant, da Bismarck von Anfang an ein Verfechter eines steuerfinanzierten Umlageverfahrens war und trotz des Scheiterns des Wahlkampfes 1881 von seinen Plänen nicht abließ (Tennstedt 2000: 46).

Die in den 1880er Jahren eingeführte Kranken- und Unfallversicherung wird allgemein als Doppelstrategie Bismarcks verstanden, sowohl die Arbeiterklasse stärker an den Staat zu binden, als auch deren politische Aktivitäten zu unterbinden. Diese Deutung der Ereignisse wird jedoch heute von historischen Quellforschungen als zu einseitig angesehen, da wesentlich mehr Faktoren und Motive (vor allem politische) zur Gründung der Sozialversicherungen führten (Berner 2009: 86).

Bismarck verfolgte die Etablierung einer staatlichen Absicherung im Zusammenhang mit der inneren Reichsgründung, einer stärkeren Abkehr von liberalen Gedankengut und der Verstaatlichung vieler Wirtschaftszweige.

Bis zur Reichsgründung 1871 bestand Deutschland aus einer Unmenge an kleinen eigenständigen Fürstentümern. Bismarcks Erfolg, nach dem Deutschen Bund, die äußeren geographischen Grenzen des neuen deutschen Staates zu schaffen, bestand nun vor allem darin, auch eine „innere Reichsgründung“ in Bezug auf politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Verbundenheit zu schaffen. Die Sozialdemokraten und deren damalige Arbeiterbewegung waren nach Ansicht Bismarcks Störer dieses Einheitsprozesses. „Aus diesem Grund lag es für Bismarck auch nahe, die Sozialversicherung reichsweit einheitlich zu organisieren“ (Berner 2009: 87).

Obwohl sich Bismarck später mit seiner Forderung einer rein staatlichen Sozialversicherung nicht durchsetzten konnte, war seine Argumentation gegen privatrechtliche Trägerschaften für die damalige Zeit schon sehr weit. Seiner Ansicht nach waren Aktiengesellschaften und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit nur unzureichend gegen Konkurs gesichert, was für das Wirtschaften mit staatlich verordneten Beiträgen nicht hinnehmbar wäre. Schlussendlich waren die Verstaatlichung des Postwesens, des Eisenbahnwesens und des Apothekenwesen Ausdruck staatlichen Bemühens der inneren Einheit. In diesem Kontext stand Bismarcks Meinung nach einer staatlichen Sozialversicherung.

Die öffentlich-rechtliche Sozialversicherung entstand also im Schnittfeld des politischen Großprojektes „innere Reichsgründung“, Bismarcks antiliberale Grundhaltung, die an Verstaatlichung ausgerichtete Wirtschafts- und Sozialpolitik und Bismarcks Abneigung gegen die private Versicherungswirtschaft und das Kapitaldeckungsverfahren.

Die engere Entstehungsgeschichte des Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetzes umfasst die nur knappe Spanne zwischen dem Beginn des Jahres 1887 und dem Sommer 1889. Nach der Einführung der Krankenversicherung (1883) und der Unfallversicherung (1884) war die Einführung der Invaliditäts- und Altersversicherung das dritte und letzte Sozialversicherungsprojekt in der Ära Bismarck. Insbesondere bei der Alters- und Invaliditätsversicherung wollte Bismarck die Rolle des Staates betonen. Der sozialistischen und sozialdemokratischen Bewegung sollte das Klientel abgegraben werden, indem die Arbeiter an den Staat gebunden werden sollten: „Dominieren sollten […] die staatliche Präsenz und die staatliche Finanzleistung, um durch die unmittelbare Erfahrung des staatlichen Engagements die politische Loyalität der sozialdemokratischen Arbeiterschaft zurück zu gewinnen und die Legitimationsbasis des Herrschaftssystems zu stabilisieren. […] Im Vordergrund sollte unzweideutig das Reich als Hauptkostenträger und als Wohlfahrtsgarant stehen, da auf die direkte Demonstration staatlicher Fürsorge in seinem Kalkül alles ankam“ (Wehler 2008: 334 - 336).

Am 22.06.1889 verabschiedete der Reichstag das Gesetz über die „Invaliditäts- und Alterssicherung“. Als Vorbild galt die seit 1854 existierende Knappschaftsversicherung der Bergleute, welche eine Pflichtversicherung gegen Invalidität, Krankheit und für Begräbniskosten darstellte (Tennstedt 2000: 31 - 48).

Pflichtversichert waren nun alle Lohnarbeiter ab dem 16. Lebensjahr sowie alle Angestellten mit einem Jahreseinkommen bis zu 2.000 Reichsmark. Die Berechnung der Beiträge erfolgte noch nicht nach Prozentsätzen des jeweiligen Lohnes sondern wurde nach Lohnklassen bestimmt. Zum Vergleich: je nach Eingruppierung in eine Lohnklasse machten die jährlichen Beiträge etwa 1,3 bis 2,7 Prozent der durchschnittlichen Jahresbruttolöhne aus. Diese Beiträge wurden von Beginn an, zu gleichen Teilen von Arbeitgeber und Angestellten erbracht. Dieser Grundsatz steht bis heute in bewährter Form (Berner 2009: 92).

Obwohl Bismarck selbst vehement für das Umlageverfahren eintrat, war die Invaliditäts- und Altersversicherung zunächst kapitaldeckend konstruiert. Durch die Beiträge wurde im Grund für jede Lohnklasse ein Kapitalstock aufgebaut, welcher dann zur Deckung von Leistungen genutzt wurde (Manow 2000: 145 - 168).

Von Beginn an, war die „Invaliditäts- und Altersversicherung“ primär zur Absicherung von Invalidität konzipiert. Der Begriff „Alter“ galt zu dieser Zeit eher als Sonderform, denn er drückte eigentlich nichts anderes aus, als eine verminderte Erwerbstätigkeit (Conrad 1994: 254- 258). Altersrente wurde deswegen erst ab Vollendung des 70. Lebensjahres gezahlt, was weit über der durchschnittlichen Lebenserwartung der Arbeiter zu dieser Zeit lag. Erst mit zunehmenden Lebenserwartungen erlangte die Altersrente somit an Bedeutung (Berner 2009: 92-95). Im Jahr 1911 wurde im Rahmen der Reichsverordnung sowohl die drei Sozialversicherungsgesetze (Krankenversicherungsgesetz für Arbeiter, Unfallversicherungsgesetz, Invaliditäts- und Alterssicherungsgesetz) zusammengefasst, als auch die Hinterbliebenenversorgung für Witwen und Waisen eingeführt.

Während des Ersten Weltkrieges blieb auch das Rentensystem von Einschnitten nicht unberührt. Der Kriegsdienst wurde als Rentenzeit angerechnet und das Renteneintrittsalter auf das 65. Lebensjahr abgesenkt. Dieser Schritt führte zu einer Verdopplung der Anzahl von Altersrenten im Jahr 1916, was die ohnehin kriegsbelastete Staatskasse zusätzlich belastete. In den wirtschaftlich schwierigen Jahren Anfang und Ende der 20er Jahre konnte die Gesetzliche Rentenversicherung nur mit mehrfachen Einschränkungen des Leistungsrechts reagieren.1

Während der großen Inflation 1923 waren die durch die Beiträge der Vergangenheit erworbenen Anwartschaften beinah vollständig ohne Deckung. „Die Vorsorge vergangener Zeit war zwecklos, die Vorsorge für kommende Zeiten ist gegenwärtig ebenso zwecklos, unsere Zeit ist ganz allein auf sich selbst gestellt, kann in der Gegenwart nur für die Gegenwart sorgen.“ (Manow 2000: 145 - 155).

Während des Dritten Reichs wurden die Gelder der Sozialversicherungszweige zur Finanzierung der Kriegsvorbereitungen offen genutzt. Im Jahr 1933 erfolgt erst die Gleichschaltung und 1934 der Entzug der Selbstverwaltung der Rentenversicherung. Überschüsse durch Anspruchsenteignungen von politisch Verfolgten wurden für die Rüstungsindustrie verwendet, Leistungserweiterung zur Beruhigung der Arbeiter. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gelang, mit zahlreichen Leistungseinschränkungen, die Rentenversicherung aufrecht zu erhalten.2

Noch vor der Währungsreform 1948 im Westteil Deutschlands, etablierte die sowjetische Besatzungsmacht im Ostteil Deutschlands eine Einheitsversicherung, welche bis zur Einheit Deutschlands 1990 Hauptträger von Rentenleistungen in der DDR war. Von diesem Zeitpunkt an, nahm die Entwicklung der Gesetzlichen Rentenversicherung ihren separaten Weg. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Entwicklung der Gesetzlichen Rentenversicherung der späteren Bundesrepublik.

Mit der Währungsreform von 1948 wurden im Westteil Deutschlands die Renten im Verhältnis 1:1 von Reichsmark auf DM umgestellt, während die übrige Währungsumstellung im Verhältnis 1:10 erfolgte. Jedoch besaßen die Leistungen zu diesem Zeitpunkt noch eher einen Unterstützungs- als Lebensstandardsicherung (monatliche Mindestrente von 50 DM).3 Bis zur Rentenreform 1957 wurde diese Leistungshöhe nicht verändert. Das System, was immer noch kapitaldeckend konzipiert, aber nie ohne Bundeszuschüsse auskam, wurde unter Bundeskanzler Konrad Adenauer von 1957 an schrittweise in ein Umlageverfahren umgebaut. Zuerst wurde von 1957 bis 1966 ein Abschnittdeckungsverfahren eingeführt, welches erstmals einkommens- und beitragsbezogene Lohnersatzleistungen ermöglichen konnte. An dem Grundsatz der hälftigen Zahlung der Beiträge durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer änderte sich nichts, jedoch wurde zu diesem Zeitpunkt erstmals der so genannte „Generationenvertrag“ (siehe Kapitel 3.1.2)angewendet. Als 1966 der erste Deckungsabschnitt zu Ende ging, war das Rücklagen-Soll mit einem vorhandenen Bar- und Anlagevermögen von 27,5 Mrd. DM sogar übererfüllt.4 1969 wurde endgültig das unbefristete Umlageverfahren eingeführt. Mit dieser Umstellung sollten drastische Beitragsanhebungen vermieden werden, die sonst in den Folgejahren zur Auffüllung der Rücklage notwendig geworden wären. Nunmehr war lediglich noch eine Schwankungsreserve vorgesehen, die mindestens drei Monatsausgaben betragen sollte (Hof u.a. 1997: 43).

Im Jahr 1972 kam es zur ersten großen Erweiterung der neuen umlagefinanzierten Rentenversicherung. Wegen positiver Wirtschaftsprognosen und einer stabilen Finanzierungssituation konnten nun auch Selbstständige und Hausfrauen sich freiwillig versichern. Weiterhin wurde die flexible Altergrenze eingeführt, was bedeutete, dass Versicherte mit 35 Beitragsjahren bereits ab dem 63. Lebensjahr in Renten gehen konnten. Als zeitnahe Konsequenz dieser Schritte wurden in den Jahren 1977 und 1983/84 die ersten Konsolidierungsschritte zur Entlastung der Ausgabenseite der Rentenkassen eingeleitet.

(Die Finanzierungsprobleme, die ihren Ursprung in den 1970er Jahren hatten, werden im Rahmen der Arbeit separat unter Punkt 4.4 behandelt.)

Noch vor der Wiedervereinigung Deutschlands und der Integration von Millionen von ehemaligen DDR-Rentnern in das bestehende System, sah sich die gesetzliche Rentenversicherung gezwungen, schrittweise auf den erkannten demographischen Wandel zu reagieren. Einerseits wurden ab 1986 Erziehungszeiten im Rentenrecht berücksichtigt, um erste Anreize für Geburten zu geben, andererseits sank das Renteneintrittsalter in den 1980er Jahren auf Grund von betrieblichen Regelungen und tariflichen Vereinbarungen immer stärker ab. Nur 29 Prozent aller Versicherten ging mit 65 Jahren oder später in Altersrente.5

Unter dem damaligen Bundessozialminister Norbert Blüm (CDU) begann ab Mitte der 1980er Jahre die Arbeit und Vorbereitung an der 1992 umgesetzten Rentenreform. Sie hatte vor allem zur Aufgabe, der zunehmenden Lebenserwartung und den absinkenden Geburtenraten zu begegnen. Nach der Integration von Millionen ehemaligen DDR Bürgern in das Westdeutsche Sozialversicherungssystem erschwerten ab 1992 die wirtschaftliche Lage und die daraus resultierende hohe Arbeitslosigkeit die Lage der Rentenkassen.

Als Ergebnis dieser Situation wurde ebenfalls 1992 die Berechnungsgrundlage für Renten reformiert. Anstatt vom durchschnittlichen Bruttoverdienst auszugehen, wurde nun die durchschnittliche Belastungsveränderung infolge von Steuern und Sozialbeiträgen (sogenannte Nettoanpassung) eingeführt. Zusätzlich wurden die flexiblen Altersgrenzen mit Abschlägen, ausgehend von 65. Lebensjahr, eingeführt.

Seit Ende der 1990er Jahre ist offiziell bekannt, dass eine Umkehr zu den vorherigen Leistungsniveaus nicht mehr zu erreichen sein wird, da die schwierigen Wirtschaftslagen, anhaltende hohe Arbeitslosenzahlen und nicht zuletzt die Entwicklung durch die Demographie das System belasten. Auf Grund von steigenden Beitragssätzen und abfallenden Leistungen, wurde im Rahmen der Rentenreform 2001 unter anderem die Riester- und Rüruprente eingeführt; staatlich geförderte private Altersvorsorgen. Ebenso ist seit 2001 das Recht auf eine betriebliche Altersvorsorge per Gesetz geregelt.

Um den Beitragssatz bis zum Jahre 2020 nicht über 20 Prozent steigen zu lassen, setzte die Regierung im Jahre 2004 das Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz um. Mit diesem in die Rentenformel eingefügten Nachhaltigkeitsfaktor wird bei Rentenanpassungen auch das Verhältnis von Erwerbstätigen zu Rentenbeziehern berücksichtigt.

Seit 2005 wird mit dem Alterseinkünftegesetz schrittweise zur nachgelagerten Rentenbesteuerung übergegangen. Damit wird die steuerliche Belastung von Altersvorsorgeaufwendungen und -bezügen grundlegend neu geregelt.

Im Jahre 2007 erfolgte die aktuellste Änderung im Rentensystem. Zum 01.01.2008 beschloss die Bundesregierung, das Renteneintrittsalter von 65 Jahren auf 67 Jahre zu erhöhen. Die Erhöhung erfolgt ab 2012 in monatlichen Schritten. Für Menschen, die vor 1947 geboren wurden, bleibt es beim Renteneintrittsalter von 65 (Deutsche Rentenversicherung Bund, Unsere Sozialversicherung 2008: 67-69).

3.2 Der Generationenvertrag

Seit 1957 auf das Umlageverfahren zur Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung umgestellt wurde, beschreibt der Generationenvertrag das Prinzip unseres Rentensystems. Auch wenn der Begriff einen „Vertrag“ beschreibt, so ist solcher nie von irgendeiner Generation wirklich geschlossen worden, da es sich im juristischen Sinne nicht um einen Vertrag handelt, der schriftlich festgehalten ist (Rürup 1998: 779 - 798). Er bezeichnet eine hypothetische gesellschaftliche Einigkeit, der die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung durch die jeweilige Erwerbsgeneration sichern soll.

Der Generationenvertrag der gesetzlichen Rentenversicherung beruht auf dem familiären Grundprinzip der Vorindustrialisierung. Danach gibt es wechselseitige Verpflichtungen innerhalb einer Familie. Während Eltern sich verpflichten, die eigenen Kinder großzuziehen, werden diese später Sorge für ihre Eltern im Alter tragen. Dieses Prinzip konnte nur so lange funktionieren, wie die Großfamilie existierte, welche diese Aufgaben gemeinsam schultern konnten. Mit dem Beginn der Industrialisierung in Deutschland setzte ein Trend hin zur Kleinfamilien ein, was unter anderem einen sozialpolitischen Handlungsbedarf für die Altersvorsorge durch den Staat erforderte, da die Versorgung durch die eigene Familie nicht mehr gewährleistet war.

Im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht dieser Generationenvertrag eine ganze Gesellschaft ein. Die erwerbstätige Generation finanziert durch Beiträge die Altersrenten der aus dem Arbeitsleben Ausgeschiedenen. Das „Umlegen“ der monatlichen Beiträge in monatliche Renten wird als Umlageverfahren bezeichnet. Gleichzeitig erwerben die aktuellen Beitragszahler ebenfalls eine Anwartschaft auf spätere Altersrente, ohne jedoch zu wissen, ob spätere Generationen sich an diesen fiktiven Vertrag auch gebunden fühlen (Herfeld 2001: 31-35).

Das Funktionieren des Generationenvertrages und daraus resultierend die Höhe der Leistungen ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Die demographischen Veränderungen in Deutschland belasten das Umverteilungsprinzip genauso, wie auch wirtschaftlich schwierige Zeiten, sowie anhaltend hohe Arbeitslosenzahlen. Solange es eine höhere Zahl an Beitragszahlern als Rentenbeziehern gibt, ist das Funktionieren des Vertrages theoretisch möglich. Insgesamt setzt der Vertrag so durchgängig stabile gesellschaftliche Verhältnisse voraus (Hof u.a. 1997: 45f).

In Abbildung 1 kann man die Veränderung dieser stabilen Verhältnisse sehr gut nachvollziehen. Obwohl die Grafik noch auf dem ehemaligen Renteneintrittsalter von 65 Jahren basiert (seit dem 01.01.2008 stufenweise Anstieg auf das 67. Lebensjahr), ist die Konsequenz der demographischen Veränderung unverändert gravierend, so dass im Jahr 2050 ein Rentner von nur noch ca. 1,8 Beitragszahlern finanziert werden kann. Bei einem unverändert hohen Leistungsniveau kann dies als Resultat nur über steigende Beitragssätze realisiert werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Generationenvertrag im Wandel

Quelle: Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV), http://www.unterrichtshilfe-finanzkompetenz.de/bilder/generationenvertrag.gif, Zugriff: 14.06.2009

4 Das heutige System der Gesetzlichen Rentenversicherung

Der ursprünglich französische Begriff „Rente“ stellt eine regelmäßig wiederkehrende, zu einem bestimmten Zeitpunkt bezeichnende Geldleistung dar. Ursprünglich wurde der Begriff Rente nur für Einkommen aus Kapitalanlagen (z.B. Wertpapiere) bezeichnet. Heute bezeichnet man als Rente auch die regelmäßigen festen Zahlungen, darunter auch aus Versicherungen (Bibliographisches Institut Mannheim, 1994: Meyers Neues Lexikon).

Renten der gesetzlichen Rentenversicherung sind monatliche Zahlungen, die wirtschaftliche Folgen bestimmter Risiken mindern, vorausgesetzt, dass der Berechtigte einen Anspruch auf sie hat (Deutsche Rentenversicherung Bund 2009: Das Renten ABC, 30).

4.1 Personenkreis

Die Rentenversicherung ist eine Versicherung für alle. Jeder kann beziehungsweise ist verpflichtet ihr beizutreten: der Arbeiter, der Angestellte, der Selbständige, der Schüler und die Hausfrauen.

Die Möglichkeit, der gesetzlichen Rentenversicherung anzugehören, unterscheidet sich danach, ob eine Person zum pflichtversicherten oder freiwillige versicherten Personenkreis zählt (Deutsche Rentenversicherung Bund 2008: Unsere Sozialversicherung, 34).

Die Pflichtversicherung ist eine Zwangsversicherung. Es besteht weder die Möglichkeit der mündlichen oder schriftlichen Kündigung.

Zu den pflichtversicherten Beschäftigten gehören auch behinderte Menschen, die in Behindertenwerkstätten tätig sind, und Personen, die in solchen Werkstätten oder ähnlichen Einrichtungen für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen (Deutsche Rentenversicherung Bund 2008: Unsere Sozialversicherung, 34-36).

Ebenso zählen zum pflichtversicherten Personenkreis Personen in den Kindererziehungszeiten; Personen wenn sie einen Pflegebedürftigen nicht erwerbsmäßig wenigstens 14 Stunden wöchentlich in seiner häuslichen Umgebung pflegen; wenn sie Wehr- oder Zivildienst leisten und wenn sie Krankengeld, Übergangsgeld, Arbeitslosengeld oder Arbeitslosengeld II beziehen (Deutsche Rentenversicherung Bund 2008: Unsere Sozialversicherung, 35). Auch ein Teil der Selbstständigen sind versicherungspflichtig. Dazu zählen Hausgewerbetreibende, Handwerker, Küstenschiffer oder Küstenfischer; Handwerker, wenn sie in die Handwerksrolle eingetragen sind. Selbständige Lehrer und Pflegepersonen gehören ebenso der Pflichtversicherung an, wenn sie keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen.

Das Künstler-Sozial-Versicherungs-Gesetz (KSVG) bestimmt die Versicherungspflicht bei Künstlern und Publizisten.

Des Weiteren existiert die Versicherungspflicht von Selbständigen auf Antrag. So können nicht pflichtversicherte Selbständige innerhalb von fünf Jahren nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit die Versicherungspflicht beantragen. Es besteht dann kein Unterschied zu den anderen gesetzlich versicherungspflichtigen Selbständigen (Deutsche Rentenversicherung Bund 2008: Unsere Sozialversicherung, 35f).

Diejenigen Personen, die durch andere rentenähnliche Einrichtungen geschützt sind oder des Schutzes der gesetzlichen Rentenversicherung nicht bedürfen, sind von der Versicherungspflicht ausgenommen. Das sind z.B. Beamte, Richter, Berufssoldaten oder Beschäftigte von Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Anspruch auf beamtenähnliche Versorgung (Deutsche Rentenversicherung Bund 2008: Unsere Sozialversicherung, 36f). Versicherungsfrei sind auch Personen, die einen Mini-Job mit einem Verdienst bis zu 400 Euro monatlich ausüben (Wobei der Beschäftigte gegenüber seinem Arbeitgeber auf die Versicherungsfreiheit verzichten kann, daraus resultiert dann eine versicherungspflichtige Beschäftigung.). Ebenso sind Personen befreit, die als Studierende einer Fach- oder Hochschule ein Praktikum ableisten, das in ihrer Studien- oder Prüfungsordnung vorgeschrieben ist bzw. während des Praktikums nur ein Entgelt bis zu 400 Euro monatlich erhalten. Personen, die eine Leistung wegen Erreichen der Altersgrenze beziehen, sind ebenfalls versicherungsbefreit (Deutsche Rentenversicherung Bund 2008: Unsere Sozialversicherung, 36f).

Mit Ausnahme der oben genannten Personen kann also grundsätzlich jeder der gesetzlichen Rentenversicherung beitreten. Jedem soll somit die Möglichkeit gegeben werden, eine ausreichende Versorgung aufzubauen (Deutsche Rentenversicherung Bund 2008: Unsere Sozialversicherung, 35f).

4.2 Leistungen der Gesetzlichen Rentenversicherung

Die Aufgaben im Rahmen der Leistungserbringung der Gesetzlichen Rentenversicherung sind sehr vielfältig. Neben den drei Kernleistungen: Zahlung der Altersrente, Renten wegen Tod, sowie Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, gibt es noch weitere Zusatzleistungen. Diese Zusatzleistungen sind unter anderem Fremdrenten, Rehabilitationsmaßnahmen und die auslaufende Rente wegen Berufsunfähigkeit. Ein weiteres Feld der Leistungserbringung sind die sogenannten versicherungsfremden Leistungen, welche keine direkten Beitragszahlungen zugrunde liegen, aber ebenfalls Aufgabe der Rentenversicherung sind. Dazu zählen unter anderem Kinderberücksichtigungszeiten, Anrechnungszeiten, Ersatzzeiten oder höhere Bewertung beruflicher Ausbildungszeiten (Deutsche Rentenversicherung Bund 2009: Das Renten ABC, 42).

Auf Grund des inhaltlichen Themas und Zieles der Arbeit, beschäftigt sich dieses Kapitel nur mit den drei oben genannten Kernleistungen.

Rund 52 Millionen Menschen sind in Deutschland in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert (siehe Abbildung 2). Sie alle sind berechtigt, eine Leistung unter bestimmten Voraussetzungen zu beziehen. Wer eine Rente beziehen will, muss jedoch zunächst einige Entscheidungen treffen: Ab wann kann, will oder muss man seine Rente in Anspruch nehmen? Gibt es Abschläge zu beachten?

Wenn man sich Darstellung 3 anschaut, wird ersichtlich, dass im Jahr 2007 durch die Deutsche Rentenversicherung 24.733.713 Renten (inkl. Waisenrenten) ausgezahlt wurden. Diese Zahl bedeutet nicht, dass wirklich 24.733.713 Menschen eine Rente bezogen, da einige Leistungsbezieher auch mehrere Leistungen in Anspruch nehmen können.

In den drei Kernleistungen wurden insgesamt 17.286.369 Altersrenten, 1.583.801 Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und 5.863.543 Hinterbliebenenrenten ausgezahlt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Akutelle Eckzahlen

Quelle: Deutsche Rentenversicherung 2008: Aktuelle Daten 2009, 2

Abbildung 3: Rentenbestand am 31.12.2007 der Deutschen Rentenversicherung

Quelle: Deutsche Rentenversicherung 2008: Aktuelle Daten 2009, 2

Eine Regelaltersrente erhält, wer die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt und die Regelaltersgrenze (67 Jahre) erreicht hat. Auf Grund zahlreicher Reformen gibt es verschiedene Altergrenzen für die Altersrente. Eine vorzeitige Inanspruchnahme bleibt aber möglich. Bei vorzeitiger Inanspruchnahme erhalten Versicherte die Altersrente wegen der dann längeren Rentenbezugsdauer nur noch mit Abschlägen. Für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme führt dies zu einer Minderung der Altersrente um 0,3 %.

Diese Minderung gilt für die gesamte Zeit des Rentenbezugs, endet nicht mit Erreichen des eigentlichen Regelrentenalters und gilt auch für eine eventuell folgende Hinterbliebenenrente. Für jeden Monat den der Versicherte eine Alterrente erst nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze in Anspruch nimmt, erhöht sich die Rente um 0,5 %.

Bis zum Geburtenjahrgang 1946 beträgt die Regelaltersgrenze 65 Jahre. Zum 01.01.2008 wurde beschlossen, für die Jahrgänge 1947 bis 1963 die Regelaltersgrenze stufenweise zu erhöhen, so dass Versicherte ab dem Jahrgang 1964 später eine Regelaltersgrenze von 67 Jahren erreichen (Deutsche Rentenversicherung Bund 2008: Unsere Sozialversicherung, 50f).

[...]


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Ende der Leseprobe aus 87 Seiten

Details

Titel
Das Umlageverfahren in Deutschland - Doch kein Auslaufmodell?
Untertitel
Bestandsaufnahme und Perspektiven der Deutschen Rentenversicherung
Hochschule
Berufsakademie Sachsen in Leipzig  (Berufsakademie Sachsen)
Veranstaltung
Interdisziplinäres Vermögensmanagement
Note
1,2
Autor
Jahr
2009
Seiten
87
Katalognummer
V140191
ISBN (eBook)
9783640497270
ISBN (Buch)
9783640497027
Dateigröße
1778 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Generationenvertrag, Umlageverfahren, Kapitaldeckungsverfahren, Demographische Faktoren, Grundrente, Betriebliche Altersvorsorge, Riester, Gesamtwirtschaftliche Entwichlung, Geschichte Deutsche Rentenversicherung, Chile, Schweiz, Schweden, Alternativen, Deutsche Rentenversicherung, Gesetzliche Rentenversicherung
Arbeit zitieren
Marian Schmidt (Autor:in), 2009, Das Umlageverfahren in Deutschland - Doch kein Auslaufmodell?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140191

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