2. Einleitung
Warum sollten wir – die verfassungsgebende Versammlung – unseres Landes das Verhält-niswahlrecht einführen? Warum nicht das Mehrheitswahlrecht? Sich das zu fragen, ist be-rechtigt. Aber schon das folgende Zitat zeigt, welche Bedeutung die Verhältniswahl für die meisten westeuropäischen Länder hatte und immer noch hat: „Troughout the nineteenth century, elections in most countries were held under plurality systems, but a combination of factors led almost all countries to adopt some form of PR in the twentieth century. At the moment, only two European countries do not use an electoral system that has at least an element of PR: the United Kingdom and France“ (Gallagher/Laver/Mair 2005: 343). Somit gesehen hat sich die Verhältniswahl in Westeuropa – unabhängig davon, welcher Typ angewandt worden ist – gegenüber dem Mehrheitswahlrecht durchgesetzt. Aber auch im globalen Vergleich hat sich eine abgeänderte Variante – ich beziehe mich hierbei auf die in Deutschland angewandte personalisierte Verhältniswahl – besonders in Demokratien behauptet. „Als Entscheidungsprinzip bedeutet Verhältniswahl die Vergabe der Mandate nach dem Verhältnis der Stimmen zueinander. Als Repräsentationsprinzip liegt der Ver-hältniswahl die Zielvorstellung zugrunde, im Parlament ein getreues (partei-) politisches Abbild der Wählerschaft entstehen zu lassen, wobei jede Stimme den gleichen Erfolgswert besitzt“ (Woyke 2005: 32). Vom Prinzip kommt es nicht auf den technische Abwicklung der Verteilung der Mandate an, sondern hauptsächlich auf das Ergebnis an: „each party gets a number of seats corresponding to the number of votes it polled“ (Le-Duc/Niemi/Norris 2003: 53). Nun ist zu erklären, warum das der Fall ist und vor allem sind verbreitete Einwände richtig zu stellen. In den nachfolgenden Abschnitten werde ich von mir formulierte Fragen, die sich auf die negativen Aspekte der Verhältniswahl beziehen, versuchen zu beantworten. Im Verlaufe dieser Arbeit, besonders mit dem Fazit, wird versucht, zu belegen, ob und warum das Verhältniswahlrecht das geeignetere Wahlsystem für unser Land ist.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Warum handelt die Verhältniswahl nicht nach dem Mehrheitsprinzip?
- Sorgt die Komplexität des Verhältniswahlrechts für Verwirrungen bei den Wählern?
- Beschränkt die Verhältniswahl den Wähler bei seiner Präferenzvergabe zwischen den einzelnen Kandidaten?
- Entstehen Koalitionsregierungen in Verhältniswahlsystemen aus informellen Absprachen zwischen den Parteispitzen?
- Gefährden Koalitionsregierungen, die gehäuft durch die Verhältniswahl auftreten, die Regierungsstabilität?
- Erleichtert die Verhältniswahl extremistischen Parteien den Zugang zum Parlament?
- Wie lassen sich die negativen Folgen der starren Listen vermeiden?
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Vor- und Nachteile des Verhältniswahlrechts im Vergleich zum Mehrheitswahlrecht. Ziel ist es, die gängigsten Kritikpunkte am Verhältniswahlrecht zu adressieren und zu belegen, ob und warum es ein geeignetes Wahlsystem darstellt. Die Arbeit analysiert, ob das Verhältniswahlrecht tatsächlich zu Instabilität führt, Minderheiten benachteiligt oder extremistische Parteien begünstigt.
- Vergleich von Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht
- Analyse der Kritikpunkte am Verhältniswahlrecht
- Regierungsstabilität unter Verhältniswahlrecht
- Repräsentation von Minderheiten
- Einfluss auf den Wähler und die Wahlbeteiligung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung beleuchtet die historische Entwicklung und Verbreitung des Verhältniswahlrechts in Westeuropa und weltweit. Sie stellt die zentrale Forschungsfrage nach der Eignung des Verhältniswahlrechts für das jeweilige Land und kündigt die Auseinandersetzung mit gängigen Kritikpunkten an.
Warum handelt die Verhältniswahl nicht nach dem Mehrheitsprinzip?: Dieses Kapitel widerlegt den Vorwurf, das Verhältniswahlrecht ziele auf die Bildung von Minderheitenmehrheiten ab. Es betont das Streben nach proportionaler Repräsentation aller Gruppen, inklusive Minderheiten, und erläutert, wie regierungsfähige Mehrheiten durch Koalitionsbildung entstehen. Der Fokus liegt auf dem Unterschied zwischen dem Mehrheitsprinzip und dem proportionalen Repräsentationsprinzip.
Sorgt die Komplexität des Verhältniswahlrechts für Verwirrungen bei den Wählern?: Dieses Kapitel argumentiert gegen die Behauptung, die Komplexität des Verhältniswahlrechts führe zu Wählerverwirrung und geringer Wahlbeteiligung. Es verwendet Gegenbeispiele von Ländern mit hohen Wahlbeteiligungsraten bei Verhältniswahlsystemen und schlägt die Wahlpflicht als Lösung für potenziell niedrige Wahlbeteiligung vor.
Beschränkt die Verhältniswahl den Wähler bei seiner Präferenzvergabe zwischen den einzelnen Kandidaten?: Dieses Kapitel räumt ein, dass starre Listen die Wählerpräferenz einschränken, betont aber die Flexibilität von losen gebundenen und freien Listen sowie die Möglichkeit eines Kandidatenrankings bei der übertragbaren Einzelstimmgebung (STV). Es hebt den positiven Effekt von Listenwahl auf die Repräsentation von Frauen hervor und illustriert dies mit Beispielen aus europäischen Ländern.
Entstehen Koalitionsregierungen in Verhältniswahlsystemen aus informellen Absprachen zwischen den Parteispitzen?: Das Kapitel widerlegt die Behauptung, Koalitionsregierungen entstünden ausschließlich aus geheimen Absprachen. Es argumentiert, dass politische Ziele und potentielle Koalitionen oft lange vor der Wahl bekannt sind und der Wähler somit informiert ist. Wahlbündnisse werden als eine weitere Möglichkeit der Transparenz genannt.
Gefährden Koalitionsregierungen, die gehäuft durch die Verhältniswahl auftreten, die Regierungsstabilität?: Dieses Kapitel widerlegt den Vorwurf mangelnder Regierungsstabilität unter Verhältniswahlrecht. Es präsentiert Gegenbeispiele stabiler Koalitionsregierungen in Ländern mit proportionalen Wahlsystemen und betont, dass viele Koalitionen eine beachtliche Stabilität aufweisen.
Schlüsselwörter
Verhältniswahlrecht, Mehrheitswahlrecht, Koalitionsregierungen, Regierungsstabilität, Repräsentation, Minderheiten, Wahlbeteiligung, Wählerpräferenz, Listenwahl, Proportionalität.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Verhältniswahlrecht
Was ist der Inhalt dieser Arbeit zum Verhältniswahlrecht?
Diese Arbeit analysiert umfassend das Verhältniswahlrecht, vergleicht es mit dem Mehrheitswahlrecht und untersucht kritische Punkte. Sie beleuchtet die Themen Regierungsstabilität, Repräsentation von Minderheiten, Wählereinfluss und den Zugang extremistischer Parteien zum Parlament. Die Arbeit beinhaltet eine Einleitung, eine Zusammenfassung der Kapitel, die Zielsetzung und Schlüsselwörter.
Warum handelt das Verhältniswahlrecht nicht nach dem Mehrheitsprinzip?
Die Arbeit widerlegt den Vorwurf, das Verhältniswahlrecht ziele auf Minderheitenmehrheiten ab. Sie betont stattdessen das Streben nach proportionaler Repräsentation aller Gruppen, inklusive Minderheiten, und erklärt, wie regierungsfähige Mehrheiten durch Koalitionsbildung entstehen. Der Unterschied zwischen Mehrheitsprinzip und proportionalem Repräsentationsprinzip wird hervorgehoben.
Führt die Komplexität des Verhältniswahlrechts zu Wählerverwirrung?
Die Arbeit argumentiert gegen die Behauptung, die Komplexität des Verhältniswahlrechts führe zu Wählerverwirrung und geringer Wahlbeteiligung. Sie verwendet Gegenbeispiele von Ländern mit hohen Wahlbeteiligungsraten bei Verhältniswahlsystemen und schlägt die Wahlpflicht als Lösung für potenziell niedrige Wahlbeteiligung vor.
Schränkt das Verhältniswahlrecht die Wählerpräferenz ein?
Die Arbeit räumt ein, dass starre Listen die Wählerpräferenz einschränken können, betont aber die Flexibilität von losen gebundenen und freien Listen sowie die Möglichkeit eines Kandidatenrankings (z.B. STV). Der positive Effekt von Listenwahl auf die Repräsentation von Frauen wird hervorgehoben und mit Beispielen belegt.
Entstehen Koalitionsregierungen durch geheime Absprachen der Parteispitzen?
Die Arbeit widerlegt die Behauptung, Koalitionsregierungen entstünden ausschließlich aus geheimen Absprachen. Sie argumentiert, dass politische Ziele und potentielle Koalitionen oft vor der Wahl bekannt sind und der Wähler somit informiert ist. Wahlbündnisse werden als weitere Möglichkeit der Transparenz genannt.
Gefährden Koalitionsregierungen die Regierungsstabilität?
Die Arbeit widerlegt den Vorwurf mangelnder Regierungsstabilität unter Verhältniswahlrecht. Sie präsentiert Gegenbeispiele stabiler Koalitionsregierungen in Ländern mit proportionalen Wahlsystemen und betont, dass viele Koalitionen eine beachtliche Stabilität aufweisen.
Erleichtert das Verhältniswahlrecht extremistischen Parteien den Zugang zum Parlament?
Diese Frage wird in der Arbeit direkt behandelt, indem untersucht wird, ob das Verhältniswahlrecht tatsächlich extremistische Parteien begünstigt. Die genaue Argumentation und die Schlussfolgerung der Arbeit sind im Text selbst nachzulesen.
Wie lassen sich die negativen Folgen starrer Listen vermeiden?
Die Arbeit diskutiert die Einschränkungen starrer Listen und schlägt Alternativen wie lose gebundene, freie Listen und die übertragbare Einzelstimmgebung (STV) vor, um die Wählerpräferenz besser zu berücksichtigen.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Verhältniswahlrecht, Mehrheitswahlrecht, Koalitionsregierungen, Regierungsstabilität, Repräsentation, Minderheiten, Wahlbeteiligung, Wählerpräferenz, Listenwahl, Proportionalität.
- Arbeit zitieren
- B.A. Politik und Verwaltung, Soziologie Anja Kegel (Autor:in), 2007, Wahlsysteme: Plädoyer für die Einführung des Verhältniswahlrechts , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140814