Reproduktionsstrategien unter Armutsbedingungen

Armut von Kindern im Vor- und Grundschulalter - Lebenslagen und Chancen


Studienarbeit, 2008

23 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Infantilisierung der Armut

2. Kinderarmut: Begriffe/Messkonzepte, Ursachen/Folgen und Bewältigungsverhalten
2.1 Begriffe/Messkonzepte
2.2 Ursachen und Folgen

3. Der Fall Samira Iseni 2008(8): Ein Kind in einer Armutssituation
3.1 Darstellung der Lebenssituation(8)
3.1.1 Familiäre (Beziehungs-)Konstellation(siehe Abbildung 1) und Lebensläufe
3.1.2 Wohnsituation:
3.1.3 Finanzielle Situation:
3.1.4 Freizeit:
3.1.5 Kindliche Versorgung und Förderung durch die Mutter:
3.1.6 Erziehungs- und Bewältigungsverhalten der Mutter
3.1.7 Wahrnehmung der eigenen Lebenssituation und kindliches Bewältigungsverhalten
3.1.8 Private und professionelle Unterstützung
3.2 Fallanalyse
3.2.1 Ursachen der Armutssituation:
3.2.2 Folgen der Armutssituation:
3.2.3 Auswege aus der kindlichen Armutssituation(12)

4. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

1.Infantilisierung der Armut

Parallel zu dem sich in Deutschland seit vielen Jahren abzeichnenden demographischen Wandel vollzieht sich eine andere, ebenfalls seit langem sichtbare Entwicklung: Die Zunahme der Familien- und damit auch Kinderarmut (Böhmer/Heimer 2008: 3f.; Holz 2006 (1): 3).

Einem Anachronismus gleich erleben wir, dass sich zwar die Zahl der Geburten seit 1965 von 1,3 Millionen auf heute 680.000 halbiert hat, die immer weniger werdenden Kinder jedoch einem immer höheren Armutsrisiko ausgesetzt sind (ebenda; Hauser 1997: 76).

Vor diesem Hintergrund liegt der Schwerpunkt nachfolgend auf dem Thema „Kinderarmut“. Im Speziellen wird der Blick auf die Lebenslage und Chancen von in Armut lebenden Kindern unter zehn Jahren gerichtet.

Diese thematische Ausrichtung erfolgt zum einen, weil Kinder im Vor- und Grundschulalter das größte Potential zur Herausbildung individueller Ressourcen und Kompetenzen besitzen (Holz 2006 (1): 3), frühzeitig erkannte Einschränkungen bei Kindern dieser Altersgruppe mit geringerem Aufwand aufgefangen werden können (ebenda: 6) und zum anderen, weil Kinder unser aller Zukunft darstellen und letztlich jedem Einzelnen von uns eine hohe Verantwortung für die Förderung der kindlichen Entwicklung obliegt.

2. Kinderarmut: Begriffe/Messkonzepte, Ursachen/Folgen und Bewältigungsverhalten

2.1 Begriffe/Messkonzepte

Im Rahmen der vorliegenden Hausarbeit wird ein Armutsbegriff verwendet, der, entsprechend dem Lebenslagenansatz in der soziologischen Armutsforschung (1), die Vielschichtigkeit von Armut betont, d.h. Armut nicht nur auf eine rein ökonomische Sichtweise reduziert, sondern vielmehr als Unterversorgung und Benachteiligung in einem umfassenden Sinne begreift:

- In der Europäischen Union (EU) gilt als arm, wer über so geringe materielle, kulturelle und soziale Mittel verfügt, dass eine Lebensweise, die im jeweiligen Mitgliedsland als Minimum hinnehmbar wäre, nicht möglich ist (Böhmer/Heimer 2008: 2).
- Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung beschreibt Armut unter anderem als einen Mangel an Teilhabechancen. Nach diesem Armutsverständnis ist Armut kontextabhängig:

Nicht nur fehlendes Einkommen, sondern auch der Mangel an Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe, sowie das Fehlen individueller Ressourcen, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die für eine aktive Lebensgestaltung notwendig sind, führen in eine unsichere Lebenssituation (ebenda).

1) Dem Lebenslagenansatz in der soziologischen Armutsforschung liegt ein Begriff von Lebenslage zugrunde, der nicht nur materielle Gesichtspunkte umfasst, sondern die allgemeinen Umstände und den Rahmen der Möglichkeiten, unter denen einzelne Personen oder Gruppen in einer Gesellschaft leben, einschließlich der dabei eingenommenen sozialen Position, berücksichtigt und sich somit auf die Lebenssituation von Menschen in biologischer, psychischer und sozialer Hinsicht bezieht. Durch die Unterteilung der Lebenslage in unterschiedliche Dimensionen, wie bspw. die Einkommenssituation, Arbeitssituation, Familiensituation, Gesundheitssituation, Wohnverhältnisse und Bildung, die mittels Indikatoren gemessen werden können, gelingt die operationale Umsetzung des Lebenslagenbegriffs. Armut wird dann als Unterschreiten von Mindeststandards, bzw. Unterversorgung in zentralen Lebenslagendimensionen, verstanden. Bei der Übertragung auf die kindliche Lebenslage ist zu beachten, dass alle Dimensionen von Lebenslagen, die für Erwachsene eine Rolle spielen, für Kinder eine eigenständige Bedeutung besitzen, d.h. aus Perspektive der Kinder andere Ausprägungen haben und teilweise andere Gewichtungen erfahren können (Voges/Jürgens/Mauer/Meyer 2003: 24ff.; Chasse´/Zander/Rasch 2003: 48ff.). Häufig wird der Lebenslagenansatz konträr zum gängigen Ressourcenkonzept betrachtet, wonach Armut in der Regel als Einkommensarmut verstanden wird und weniger greifbare Dimensionen, wie z.B. Arbeitszufriedenheit oder Einbindung in soziale Netzwerke vernachlässigt werden (Wikipedia/Begriff Lebenslage 2008: 2).

Kinderarmut wird folglich nicht als „absolute“ Armut im Sinne des Fehlens von Überlebensnotwendigem begriffen, sondern auf „relative“ Armut bezogen, die sich, am gesellschaftlich „Normalen“ orientiert, vom sozialstaatlichen Prinzip der Gewährung von gleichen Lebenschancen ableitet und Lebenslagen- und Ressourcenkonzept miteinander verbindet (1).

Armut, verstanden als mehrdimensionale, kindbezogene Lebenslage(1), umfasst neben der materiellen Situation (=Grundversorgung )(3), die soziale Lage (=soziale Kontakte, Kontakt-möglichkeiten, soziales Verhalten), die kulturelle Lage (=Einschätzung der vorschulischen/schulischen Situation, Basiskompetenzen, zusätzliche Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten) sowie die gesundheitliche Lage (=Gesundheitszustand, gesundheitliche Versorgung) (Hock/Holz/Simmedinger/ Wüstendörfer 2000: 45f.; Holz/Richter/Wüstendörfer/Giering 2005: 35f.) (2):

- Im 7.Familienbericht werden neben fehlendem Einkommen die Ausgrenzung von einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung, Bildung und Erziehung, ein fehlender Zugang zum Arbeitsmarkt und eine schlechte Wohnqualität als zentrale Armutsdimensionen definiert (Böhmer/Heimer 2008: 2).
- Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UN) Unicef unterscheidet sechs Dimensionen von Armut in reichen Industriestaaten:
- materielle Situation
- Gesundheit und Sicherheit
- Bildung
- Familie und Umfeld
- Verhalten und Risiken
- subjektives Wohlbefinden (ebenda).

Anhand dieser vier zentralen, kindbezogenen Lebenslagedimensionen werden, in Abhängigkeit zum jeweiligen Versorgungsniveau, drei Lebenslagetypen unterschieden:

- Aufwachsen im „Wohlergehen“
- Aufwachsen in „Benachteiligung“
- Aufwachsen in „multipler Deprivation“ (Hock/Holz/Simmedinger/Wüstendörfer 2000: 45f.; Holz/Richter/Wüstendörfer/Giering 2005: 35f.) (2).

Während die Messkonzepte der Armutsdimensionen, soziale, kulturelle sowie gesundheitliche Lage, sehr unterschiedlich ausfallen, wird materielle Armut in der Regel durch die Armutsrisikoquote (3) ausgedrückt.

Das materielle Armutsrisiko von Kindern und Jugendlichen in Deutschland ist seit Ende der 1990er Jahre der Tendenz nach angestiegen und lag im Jahr 2006 um 4,6% Punkte über dem Niveau von 1996 (Böhmer/Heimer 2008: 3). Gegenwärtig verfügen ca. 2,4 Mio. Kinder und Jugendliche in 1,4 Mio. Haushalten in Deutschland über ein Einkommen, das unterhalb von 60% des gewichteten Medianeinkommens liegt.

Kinder und Jugendliche sind umso häufiger von materieller Armut betroffen, je älter sie sind. So liegt die materielle Armutsquote bei Kindern bis 6 Jahren bei 14,4%, bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 6-15 Jahren bei 16,4% und bei Kindern und Jugendlichen bis zum Alter von 18 Jahren bei 23,9% (siehe im Einzelnen Böhmer/Heimer 2008: 8f.).

2.2 Ursachen und Folgen

Das materielle Armutsrisiko von Kindern ist einerseits eng verbunden mit der Beschäftigungssituation und den Einkommensmöglichkeiten der Eltern und hängt andererseits stark vom Familientyp ab, in dem sie aufwachsen (Böhmer/Heimer 2008: 5, 7, 13).

2) Zwischen 1997 und 2005 wurden im Auftrag der Arbeiterwohlfahrt (AWO) insgesamt drei Studien zu Lebenslagen und Chancen armer Kinder in Deutschland durchgeführt. Im Zentrum der ersten Studie im Zeitraum 1997-2000 stand neben der empirischen Erforschung von Armut im Vorschulalter anhand der Daten von 893 Kindern im Alter von sechs Jahren die Entwicklung eines kindbezogenen Armutskonzeptes, welches zur Erfassung der kindlichen Lebenslage vier Dimensionen heranzieht: die materielle, soziale, kulturelle und gesundheitliche Lage und auf Grundlage der unterschiedlichen Versorgungsniveaus in den einzelnen kindbezogenen Lebenslagedimensionen eine Klassifizierung in drei verschiedene Lebenslagetypen vorsieht: Aufwachsen im „Wohlergehen“, in „Benachteiligung“ und in „multipler Deprivation“ (Hock/Holz/Simmedinger/Wüstendörfer 2000: 45f.; Holz/Richter/Wüstendörfer/Giering 2005: 35f.). Gemäß der unterschiedlichen kindbezogenen Lebenslagen wächst ein Kind im „Wohlergehen“ auf, wenn es in seiner aktuellen Lage in keiner der vier Lebenslagedimensionen „auffällig“ ist, bzw. Mängel aufweist und positive Zukunftschancen zu erwarten sind; eine „Benachteiligung“ liegt vor, wenn ein Kind in höchstens zwei Lebenslagedimensionen „auffällig“ ist und somit Beeinträchtigungen in seiner zukünftigen Entwicklung bestehen können; von „multipler Deprivation“ wird gesprochen, wenn ein Kind in seiner Lebenslage eine Vielzahl von Mängeln erfährt, d.h. in mehr als zwei Lebenslagedimensionen „Auffälligkeiten“ aufweist, und somit geringe Entwicklungschancen gegeben sind (zur Definition von „Auffälligkeiten“ siehe ebenda: 8f.).

Das größte Risiko, von materieller Armut betroffen zu sein, tragen daher Kinder, deren Eltern nicht, nur geringfügig beschäftigt, bzw. aufgrund ihrer geringen beruflichen Qualifikation Bezieher von Niedriglöhnen sind (=“working-poor“), zusätzlich einen Migrationshintergrund besitzen (Strengmann-Kuhn 2003: 45ff.; Noll, Heinz-Herbert/Weick, Stefan 2005: 1-6) und in allein erziehenden, kinderreichen Haushalten leben (Böhmer/Heimer 2008: 5, 7, 13).

Darüber hinaus sind Kinder, die in Großstädten und sozial segregierten Quartieren leben, stärker armutsgefährdet, als jene, die in ländlichen Räumen zuhause sind (siehe im Einzelnen Holz 2006: 4).

Die Folgen (4) materieller familiärer Armut bei Kindern im Vor- und Grundschulalter lassen sich deutlich an den unterschiedlichen Lebenslagen von materiell armen und nicht armen Kindern erkennen (Holz/Richter/Wüstendörfer/Giering 2005: 4ff.; Holz 2006: 5-9).

Bezogen auf die einzelnen, kindbezogenen Lebenslagedimensionen ergeben sich die größten Unterschiede zwischen materiell armen und nicht armen Kindern in der „materiellen Lage“. Sie kommt unter anderem darin zum Ausdruck, dass materiell arme Kinder häufig kein eigenes Kinderzimmer besitzen und Einschränkungen bei Kleidung und/oder Spielzeug hinnehmen müssen (ebenda: 8).

Die zweitgrößten Differenzen in der Lebenslage sind im „kulturellen Bereich“ festzustellen, vor allem in der Grundschule (ebenda: 5). Materiell arme Kinder weisen bereits in der Grundschule schlechtere Noten auf, sind häufiger von Klassenwiederholungen betroffen und wechseln am Ende des 4.Schuljahres in größerer Anzahl auf die Hauptschule (Holz/Richter/Wüstendörfer/Giering 2005: 5; Holz 2006: 8).

Auch im „sozialen Bereich“ zeigen sich beträchtliche Unterschiede. Soziale Mangellagen werden hier unter anderem darin erkannt, dass materiell arme Kinder seltener andere Kinder mit nach Hause bringen, weniger häufig ihren Geburtstag mit Gleichaltrigen feiern können, weniger gemeinsame Aktivitäten mit ihrer Familie erleben und seltener Gelegenheit haben, über Vereinsaktivitäten soziale Kontakte aufzubauen (ebenda).

Relativ gering fallen dagegen die Unterschiede zwischen materiell armen und nicht armen Kindern für die Lebenslagedimension „gesundheitliche Lage“ aus (ebenda). Das subjektive Wohlbefinden und der aktuelle Gesundheitszustand der Kinder ähneln sich. Bereits mittelfristig sind jedoch gesundheitliche Unterschiede zu erwarten, da materiell arme Kinder tendenziell ein höheres Ausmaß an, die Entwicklung beeinträchtigenden, riskanten Verhaltensweisen aufweisen (Holz/Richter/ Wüstendörfer/Giering 2005: 5; Holz 2006: 8). Im Vergleich zu materiell nicht armen Kindern haben sie vor allem einen höheren Medienkonsum, nehmen ihre oftmals weniger gehaltvollen Mahlzeiten unregelmäßiger ein und neigen stärker zu frühzeitigen Suchtmittelkontakten (z.B. Zigaretten und Alkohol) (ebenda).

Aufgrund der differierenden Versorgungsniveaus in den einzelnen Lebenslagedimensionen ergeben sich im Hinblick auf die Gesamtsituation materiell armer und nicht armer Kinder starke Unterschiede in den Lebenslagetypen (Holz 2006: 9; Holz/Richter/Wüstendörfer/Giering 2005: 6).

Je mehr Einkommen die Eltern zur Verfügung haben, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein Kind im „Wohlergehen“, d.h. ohne Mängel und mit positiven Zukunftschancen heranwachsen kann. Je weniger Einkommen die Eltern zur Verfügung haben, desto wahrscheinlicher ist es dagegen, dass ein Kind entweder in „Benachteiligung“ oder aber in „multipler Deprivation“ aufwächst, d.h. in seiner Lebenslage vielfältige Mängel erfährt und somit Beeinträchtigungen in seiner zukünftigen Entwicklung erfahren kann (ebenda).

Die materielle Lage einer Familie und somit die Einkommenshöhe der Eltern ist demnach als bestimmende Determinante für die Lebenslage eines Kindes anzusehen (Holz/Richter/ Wüstendörfer/Giering 2005: 6; Holz 2006: 8).

Die Kombination aus materieller familiärer Armut, Migrationshintergrund und Weiblichkeit erweist sich mit Blick auf den kindbezogenen Lebenslagetyp zudem als die Ungünstigste (Holz/Richter/ Wüstendörfer/Giering 2005: 6; Holz 2006 (1): 8; Holz 2006 (2): 15-20; Zander 2005: S.161ff.).

3) Die Armutsrisikoquote gibt den Anteil an der Bevölkerung an, deren bedarfsgewichtetes Nettoeinkommen pro Kopf (=Nettoäquivalenzeinkommen) weniger als 60% des statistischen Mittelwertes (=Median) in der Gesellschaft beträgt. Durch die in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gebräuchliche, altersbezogene Bedarfsgewichtung der Haushaltsmitglieder werden Haushalte mit unterschiedlichen Personenzusammensetzungen vergleichbar. Neben der 60% Armutsrisikogrenze wird häufig auch eine 50% Marke als Armutsgrenze verwendet (Unicef/OECD) (Böhmer/Heimer 2008: 2).

4) Die hier dargestellten Armutsfolgen, das Bewältigungsverhalten, sowie der Zusammenhang von Schutzfaktoren und kindlichem Lebenslagetyp/Entwicklungsverlauf beruhen auf den qualitativen Forschungsergebnissen der vertiefenden 2. und 3. Studie zum Themenschwerpunkt Armut von Kindern im Vor- und Grundschulalter, Ressourcen und Potentiale, die im Zeitraum 2000-2002 (2.Studie) sowie 2002-2005 (3.Studie) im Auftrag der Arbeiterwohlfahrt (AWO) durchgeführt wurden und auf den Quer- und Längsschnittdaten zu 500 Kindern im Alter von sechs bis zehn Jahren basieren (Holz/Richter/Wüstendörfer/Giering 2005: 4-6).

2.3 Bewältigungsverhalten und Schutzfaktoren (4)

Materielle Armut der Eltern hat nicht nur große Auswirkungen auf die Lebenslage und den jeweiligen Lebenslagetyp der Kinder, sondern auch auf das kindliche Bewältigungsverhalten (5) in belastenden Situationen (Holz/Richter/Wüstendörfer/Giering 2005: 10).

Bereits zehnjährige Kinder weisen, je nach Lebenslagetyp, unterschiedliche Bewältigungsmuster auf (Holz/Richter/Wüstendörfer/Giering 2005: 10).

Die Effekte multipler, ökonomischer Deprivation zeigen sich in einem verstärkt internalisierenden oder externalisierenden kindlichen Verhalten (Holz/Richter/Wüstendörfer/Giering 2005: 10f.; Boos-Nünning 2005: 161ff.).

„Multipel deprivierte, materiell arme Kinder“ fühlen sich im Vergleich zu Kindern im „Wohlergehen“ in belastenden Situationen schneller überfordert, neigen eher zu Resignation, wählen häufiger die Konfliktlösungsstrategie „Ärger machen“ und suchen weniger nach Unterstützung und gemeinsamen Lösungswegen (ebenda). Darüber hinaus besitzen sie ein geringeres Vertrauen in eigene erfolgreiche Handlungs- und Problemlösungsmöglichkeiten, wehren sich häufiger und sind eher bereit, negative Konsequenzen in Kauf zu nehmen (Holz/Richter/Wüstendörfer/Giering 2005: 10f.; Boos-Nünning 2005: 161ff.). Insbesondere beim Umgang mit Trauer zeigen „multipel deprivierte, materiell arme Kinder“ ein stärker ausgeprägtes Rückzugsverhalten als Kinder im „Wohlergehen“, ein höheres Maß an Abwehr emotionaler Befindlichkeiten, sowie größeres Unvermögen, soziale Beziehungen zur eigenen emotionalen Entlastung zu nutzen (ebenda).

Im Folgenden werden zwei Kategorien von kindlichem Bewältigungsverhalten unterschieden:

- aktiv Problem lösendes Bewältigungsverhalten –und-
- Problem meidendes Bewältigungsverhalten (6) (Richter 2004: 35ff.).

Potentiell schädliche Auswirkungen von familiärer Armut können durch Schutzfaktoren, die auf die (früh-)kindliche Entwicklung einwirken und darüber entscheiden, welches Bewältigungsverhalten und welche individuellen, sozialen und kulturellen Kompetenzen ein Kind entwickelt, vermindert oder ausgeglichen werden (Holz 2006 (1): 10; Holz 2006 (2): 15ff.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Reproduktionsstrategien unter Armutsbedingungen
Untertitel
Armut von Kindern im Vor- und Grundschulalter - Lebenslagen und Chancen
Hochschule
Hochschule Fulda  (Fachbereich Sozialweisen)
Veranstaltung
Reproduktionsstrategien unter Armutsbedingungen
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
23
Katalognummer
V141054
ISBN (eBook)
9783640507771
ISBN (Buch)
9783640507993
Dateigröße
574 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Reproduktionsstrategien unter Armutsbedingungen, Infantilisierung der Armut, Begriffe/Messkonzepte/Ursachen/Folgen/Bewältigungsverhalten von Kinderarmut
Arbeit zitieren
Klaudia Gabriele Geisler (Autor:in), 2008, Reproduktionsstrategien unter Armutsbedingungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/141054

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