"Der Krieg", schreibt Erich Ludendorff, Erster Generalquartiermeister bei der Obersten Heeresleitung, am 4. Juli 1917 in einem Brief an das Kaiserliche Kriegsministerium, "hat die überragende Macht des Bildes und des Films als Aufklärungs- und Beeinflussungsmittel gezeigt. Leider haben unsere Feinde den Vorsprung auf diesem Gebiet so gründlich ausgenutzt, dass schwerer Schaden für uns entstanden ist." Die ersten Sätze in der Denkschrift des Generals, die als "Gründungsdokument" der Universum Film AG (Ufa) gilt, lassen den engen Zusammenhang zwischen moderner Kriegführung und der Technik der Kinematographie erkennen. Die Feldherren des Ersten Weltkrieges sehen im Film, der zu diesem Zeitpunkt kaum älter als zwei Jahrzehnte ist, eine "wirkungsvolle Kriegswaffe", ein geeignetes Instrument zur massenwirksamen Verbreitung ihrer Propaganda.
In den expandierenden Städten der Jahrhundertwende, den Ballungsorten industrieller Produktion, Administration und Distribution, findet das Kino nicht nur sein erstes Publikum, indem es die Vergnügungs- und Zerstreuungsquartiere um ein neues Mittel der Illusionierung bereichert. Die Objektivationen der urbanen Lebenswelt, ihre immanenten Gegensätze von Tempo und Dynamik einerseits und naturnahen Enklaven andererseits, bieten dem Film die adäquate Motivik für seine künstlerischen Möglichkeiten. Mit dem Schwirren der Räder, den Takten ihrer Arbeit und den Illuminationen ihrer Nächte revolutioniert die moderne Großstadt die Erfahrungs- und Denkkategorien von Zeit und Raum. Kein anderes Medium scheint die diffizilen Wahrnehmungsangebote von Tempo, Rhythmus und Licht authentischer vermitteln zu können, als das der `laufenden´ Bilder. Mit dem Blick auf die Stadt und ihre Massen wandelt sich die Ästhetik des apparativen Sehens.
Wie und inwieweit das Massenmedium Film unter der Ägide des Nationalsozialismus eine Funktion als Mittel der `geistigen Kriegführung zu erfüllen vermochte, ist der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit. Das Erkenntnisinteresse richtet sich dabei auf die Rolle und Repräsentation von `Massen´ in dem NS-Spielfilm WUNSCHKONZERT aus dem Jahr 1940. In einer exemplarischen Analyse einiger ausgewählter Sequenzen aus dem Film werden Verknüpfungen zwischen den Massenornamenten der "Revuen" und des Militärs gezogen und auf die Funktion hin betrachtet, welche die Massenmedien Film und Rundfunk für die NS-Propaganda zur Herstellung einer "Volksgemeinschaft", einer `gleichgeschalteten´ Masse, erfüllten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Massenkultur und Ideologie im nationalsozialistischen Spielfilm
- WUNSCHKONZERT (1940)
- Rundfunk und Krieg
- "Revue" zwischen Front und Heimat.
- Schlussbetrachtung
- Filmdaten
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Rolle des Massenmediums Film im Nationalsozialismus als Instrument der "geistigen Kriegführung". Der Fokus liegt dabei auf der Repräsentation von "Massen" im NS-Spielfilm WUNSCHKONZERT aus dem Jahr 1940. Anhand ausgewählter Sequenzen werden Verknüpfungen zwischen Massenornamenten der "Revuen" und des Militärs untersucht, um die Funktion des Films und des Rundfunks in der NS-Propaganda zur Herstellung einer "Volksgemeinschaft" zu analysieren.
- Die Rolle des Films in der NS-Propaganda
- Repräsentation von Massen in WUNSCHKONZERT
- Verbindungen zwischen "Revuen" und dem Militär
- Die "Volksgemeinschaft" als Propaganda-Instrument
- Massenkultur und Ideologie im Nationalsozialismus
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der Arbeit ein und zeigt den engen Zusammenhang zwischen moderner Kriegführung und der Technik der Kinematographie auf. Der Film wird als "wirkungsvolle Kriegswaffe" und Instrument zur Verbreitung von Propaganda betrachtet. Die Entstehung des Films in den expandierenden Städten der Jahrhundertwende und die Rolle des Mediums in der modernen Großstadt werden beleuchtet.
- Massenkultur und Ideologie im nationalsozialistischen Spielfilm: Dieses Kapitel beleuchtet Form und Funktion der nationalsozialistischen Ideologie. Der Nationalsozialismus wird als "Glaubensbekenntnis" beschrieben, das auf breite Massenwirkung zielt und sich einer rationalen Überprüfung entzieht. Die Untersuchung greift auf die These von Stephen Lowry zurück, die drei Grundformen der Kultur im Nationalsozialismus unterscheidet: Reste traditioneller Ideologie, faschistische Öffentlichkeit und moderne Massenkultur. Der Nationalsozialismus nutzte alle drei Formen, um nationalsozialistische Inhalte zu transportieren.
- WUNSCHKONZERT (1940): Dieses Kapitel untersucht den NS-Spielfilm WUNSCHKONZERT als Beispiel für die Nutzung des Films in der NS-Propaganda. Der Schwerpunkt liegt auf der Analyse von ausgewählten Sequenzen, die die Verknüpfung zwischen Massenornamenten der "Revuen" und des Militärs verdeutlichen. Die Funktion des Films und des Rundfunks zur Herstellung einer "Volksgemeinschaft" wird analysiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen wie Massenmedien, Propaganda, Nationalsozialismus, Film, Rundfunk, Massenrepräsentation, "Volksgemeinschaft", "geistige Kriegführung", Ideologie und Kultur im Nationalsozialismus. Besondere Aufmerksamkeit wird der Analyse des NS-Spielfilms WUNSCHKONZERT (1940) und seiner Funktion als Instrument der NS-Propaganda gewidmet.
- Arbeit zitieren
- Tillmann Allmer (Autor:in), 1999, Masse, Ornament, Kriegsrevue - Propaganda im Nationalsozialismus unter dem Aspekt von Massen-Repräsentationen am Beispiel des NS-Spielfilms WUNSCHKONZERT (1940)., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1420